1. Wird ein zum Ver­kauf ste­hen­des Fahr­zeug oh­ne je­den Hin­weis dar­auf, dass es sich um ei­nen Neu­wa­gen han­deln soll, als „La­ger­fahr­zeug“ be­zeich­net, darf der Käu­fer kein Fahr­zeug er­war­ten, das höchs­tens zwölf Mo­na­te vor Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges her­ge­stellt wur­de.
  2. Der (nur) mit dem Zu­satz „Mo­dell­jahr 2002“ kon­kre­ti­sier­te Be­griff „La­ger­fahr­zeug“ be­zeich­net ein Fahr­zeug, das ir­gend­wann im – nicht mit dem Ka­len­der­jahr 2002 iden­ti­schen – Mo­dell­jahr 2002, wo­mög­lich al­so schon zu des­sen Be­ginn, her­ge­stellt wur­de und – mög­li­cher­wei­se seit 2001 – „auf La­ger“ ist.

OLG Braun­schweig, Ur­teil vom 07.07.2005 – 2 U 128/04

Sach­ver­halt: Der Klä­ger macht aus ab­ge­tre­te­nem Recht sei­ner Ehe­frau Ge­währ­leis­tungs­rech­te aus ei­nem Kauf­ver­trag gel­tend.

Am 15.01.2004 schlos­sen die Ehe­frau des Klä­gers als Käu­fe­rin und die Be­klag­te ei­nen Kauf­ver­trag über ei­nen Pkw Chrys­ler PT Crui­ser 2.0 Li­mi­ted. Der Kauf­preis be­trug 17.590 €. Un­ter „Sons­ti­ges“ heißt es im schrift­li­chen Kauf­ver­trag, der auf Käu­fer­sei­te vom Klä­ger un­ter­schrie­ben wur­de: „La­ger­fahr­zeug, Mo­dell­jahr 02“.

Zwi­schen den Par­tei­en ist un­strei­tig, dass der Pkw, der zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses noch nie zum Ver­kehr zu­ge­las­sen wor­den war und dem ak­tu­el­len Mo­dell ent­sprach, am 15.10.2001 pro­du­ziert wur­de.

Mit Schrei­ben vom 12.03.2004 ver­lang­te der Klä­ger von der Be­klag­ten un­ter Frist­set­zung die Lie­fe­rung ei­nes al­len­falls zwölf Mo­na­te al­ten „ver­trags­ge­mä­ßen“ Fahr­zeugs. Nach Frist­ab­lauf trat er mit Schrei­ben vom 30.03.2004 vom Kauf­ver­trag zu­rück und for­der­te die Be­klag­te – er­folg­los – zur Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses und zum Er­satz von Auf­wen­dun­gen in Hö­he von 2.145 € auf.

Der Klä­ger hat be­haup­tet, er ha­be bei der Um­rüs­tung des Fahr­zeugs auf die mit­ge­lie­fer­ten Som­mer­rei­fen an die­sen „Stand­beu­len“ ent­deckt und da­bei die lan­ge Stand­zeit des Fahr­zeugs be­merkt. Er meint, das Fahr­zeug sei we­gen ei­ner Stand­zeit von mehr als zwölf Mo­na­ten nicht ver­trags­ge­mäß.

Mit der Kla­ge ver­langt der Klä­ger die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags. Er lässt sich ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung in Hö­he von 0,10 € je 1.000 Ki­lo­me­ter Lauf­leis­tung an­rech­nen und be­gehrt un­ter an­de­rem Er­satz der für ei­ne An­hän­ger­kupp­lung (847,50 €) und für ein Na­vi­ga­ti­ons­sys­tem (208,72 €) auf­ge­wand­ten Kos­ten.

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge über­wie­gend statt­ge­ge­ben. Es hat ge­meint, das er­wor­be­ne Fahr­zeug wei­se ei­nen Sach­man­gel auf. Es sei zwar nicht als Neu­fahr­zeug im Sin­ne von „fa­brik­neu“ ver­kauft wor­den, doch dür­fe bei ei­nem „La­ger­fahr­zeug“ die La­ger­dau­er we­gen ge­brauchs­un­ab­hän­gig auf­tre­ten­der Al­te­rungs­er­schei­nun­gen zwei Jah­re nicht über­stei­gen.

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: II.… Dem Klä­ger ste­hen kei­ne Ge­währ­leis­tungs­rech­te we­gen der La­ger­zeit des ver­kauf­ten Fahr­zeugs von 27 Mo­na­ten zu.

Nach dem Kauf­ver­trag konn­te der Klä­ger kein Neu­fahr­zeug im Sin­ne der Recht­spre­chung des BGH (Urt. v. 15.10.2003 – VI­II ZR 227/02, NJW 2004, 160), al­so ein ma­xi­mal zwölf Mo­na­te vor Kauf­ver­trags­schluss pro­du­zier­tes Fahr­zeug, er­war­ten. Der Kauf­ver­trag ent­hält nach sei­nem Wort­laut kei­ner­lei Hin­wei­se auf ei­nen Neu­wa­gen­kauf. Das Wort „neu“ taucht an kei­ner Stel­le auf, da­ge­gen das Wort „La­ger­fahr­zeug“. Auch das Land­ge­richt hat kei­nen Neu­wa­gen­kauf an­ge­nom­men. Zu den Ver­trags­ver­hand­lun­gen und der Wer­bung für das Fahr­zeug hat der Klä­ger nichts vor­ge­tra­gen. Auch die von der Be­klag­ten vor­ge­leg­te … Aus­stat­tungs­lis­te, die im Fahr­zeug aus­ge­hängt ge­we­sen sein soll, ent­hält das Wort „neu“ nicht.

Das Fahr­zeug ist auch nicht aus an­de­ren Grün­den man­gel­haft.

Das Land­ge­richt hat an­ge­nom­men, dass auch ein nicht als neu ver­kauf­tes La­ger­fahr­zeug ma­xi­mal 24 Mo­na­te alt sein dür­fe. Die Grün­de über­zeu­gen nicht. Nach der Auf­fas­sung des Land­ge­richts wä­re auch nicht er­sicht­lich, un­ter wel­cher Be­zeich­nung das Fahr­zeug sonst hät­te ver­kauft wer­den sol­len. Um ei­nen Ge­braucht­wa­gen han­delt es sich auch nicht, da es sich un­strei­tig um ein bis­her nicht zum Ver­kehr zu­ge­las­se­nes Fahr­zeug han­delt.

Da es sich nicht, wie der Ver­kauf von Neu­wa­gen, um ein Stan­dard­ge­schäft han­delt, gibt es kei­ne all­ge­mei­nen Re­geln. Viel­mehr ist der Ver­trag nach den Um­stän­den des Ein­zel­falls aus­zu­le­gen (so auch OLG Ko­blenz, Urt. v. 27.06.1996 – 5 U 82/96, NJW-RR 1997, 430: „neu­es Fahr­zeug“, Hin­weis auf La­ger­zeit, nicht mehr ak­tu­el­les Mo­dell, La­ger­zeit 29 Mo­na­te; OLG Schles­wig, Urt. v. 21.07.1999 – 9 U 101/98, NJW-RR 2000, 505: „EU-Im­port­wa­gen, Neu­wa­gen“, Hin­weis auf feh­len­de Werks­ga­ran­tie, ak­tu­el­les Mo­dell, ca. 30 Mo­na­te La­ger­zeit; OLG Zwei­brü­cken, Urt. v. 05.05.1998 – 5 U 28/97, NJW-RR 1998, 1211: nicht mehr pro­du­zier­te Mo­dell­rei­he, er­heb­li­che Preis­vor­tei­le, mehr als drei Jah­re La­ger­zeit).

Hier ist der Be­griff „La­ger­fahr­zeug“ noch mit „Mo­dell­jahr 2002“ kon­kre­ti­siert. Es han­delt sich un­strei­tig um ein sol­ches Fahr­zeug, denn das Mo­dell­jahr fällt nicht mit dem Ka­len­der­jahr zu­sam­men. Im Kfz-Han­del ist es üb­lich, neue Mo­del­le be­reits in der zwei­ten Jah­res­hälf­te des Vor­jah­res mit der Jah­res­be­zeich­nung des Fol­ge­jah­res zu be­zeich­nen. Nach ei­ner frü­her gel­ten­den Re­ge­lung der StV­ZO zur An­ga­be des Bau­jah­res in Kfz-Pa­pie­ren war der 01.10. des Vor­jah­res maß­geb­lich für die An­ga­be der Jah­res­be­zeich­nung des Fol­ge­jah­res (vgl. Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 8. Aufl., Rn. 209).

Es han­delt sich da­mit um ein ver­trags­ge­rech­tes Fahr­zeug. Dar­an än­dert auch nichts, dass zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses kein neue­res Mo­dell als „Mo­dell­jahr 2002“ auf dem Markt war. Der Be­griff „La­ger­fahr­zeug“und die feh­len­de Ver­wen­dung des Be­grif­fes „neu“ zu­sam­men mit der An­ga­be „Mo­dell­jahr 2002“ be­zeich­nen ein Fahr­zeug, das ir­gend­wann in der Zeit, in der das „Mo­dell 2002“ her­ge­stellt wur­de – sei es auch zu Be­ginn die­ses Zeit­raums – her­ge­stellt wur­de und – even­tu­ell so­gar seit Mo­dell­ein­füh­rung im Jahr 2001 – auf La­ger ge­stan­den hat.

Hier ist auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass das Fahr­zeug zu ei­nem Preis deut­lich … un­ter dem Lis­ten­preis für Neu­fahr­zeu­ge ver­kauft wor­den ist …

Als Man­gel kom­men da­mit nicht die La­ger­dau­er von 27 Mo­na­ten, son­dern nur noch die von dem Klä­ger be­haup­te­ten „Stand­beu­len“ in den Rei­fen in Be­tracht. Für die Be­sei­ti­gung der von ihm be­haup­te­ten Män­gel an den Rei­fen hat der Klä­ger der Be­klag­ten je­doch kei­ne Frist zur Nach­bes­se­rung ge­mäß § 323 I BGB ge­setzt. Die­se war auch nicht ge­mäß §§ 440, 281 II, 323 II BGB ent­behr­lich, so­dass ein Rück­tritt nicht zu­läs­sig war …

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