1. Bei Ge­braucht­fahr­zeu­gen sind üb­li­che Ab­nut­zungs- und Ver­schleiß­er­schei­nun­gen kein Sach­man­gel. Nur Ver­schleiß- und Ab­nut­zungs­er­schei­nun­gen deut­lich über das üb­li­che Maß hin­aus kön­nen die An­nah­me ei­nes Sach­man­gels be­grün­den.
  2. Wer ein „scheck­heft­ge­pfleg­tes“ Fahr­zeug er­wirbt, kann er­war­ten, dass die vom Her­stel­ler vor­ge­schrie­be­nen In­spek­tio­nen von ei­ner hier­zu au­to­ri­sier­ten Fach­werk­statt durch­ge­führt und im Ser­vice­heft („Scheck­heft“) do­ku­men­tiert wor­den sind. Es ge­nügt, wenn die In­spek­ti­ons­ter­mi­ne im We­sent­li­chen ein­ge­hal­ten wor­den sind. Ei­ne lü­cken­lo­se Ket­te wird mit dem Hin­weis „scheck­heft­ge­pflegt“ eben­so we­nig ver­spro­chen wie das Feh­len tech­ni­scher Män­gel. Das gilt selbst dann, wenn die letz­te In­spek­ti­on nur kur­ze Zeit bzw. we­ni­ge Ki­lo­me­ter zu­rück­liegt.

LG Wup­per­tal, Ur­teil vom 23.05.2005 – 17 O 394/04

Sach­ver­halt: Die Be­klag­te bot über das In­ter­net ei­nen Vol­vo mit ei­ner Lauf­leis­tung von 165.000 km zum Preis von 11.490 € an. Auf der In­ter­net­sei­te heißt es zu dem Fahr­zeug un­ter an­de­rem: „scheck­heft­ge­pflegt, letz­te In­spek­ti­on bei 155.000 km, un­fall­frei, 1. Hand, sehr ge­pfleg­tes Fahr­zeug“. Durch Kauf­ver­trag vom 24.11.2003 er­warb der Klä­ger das Fahr­zeug von der Be­klag­ten zum Preis von 11.250 €.

Mit sei­ner Kla­ge nimmt er die Be­klag­te auf „Wand­lung des Kauf­ver­trags und Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses so­wie Scha­dens­er­satz“ in An­spruch. Er trägt vor, er sei am 04.03.2004 mit dem Fahr­zeug auf der Au­to­bahn mit ei­nem Mo­tor­scha­den lie­gen­ge­blie­ben. Das Fahr­zeug sei zu ei­ner Fach­werk­statt in So­lin­gen ge­schleppt wor­den. Dort sei das Fahr­zeug am 05.03.2004 be­gut­ach­tet und ein Mo­tor­scha­den dia­gnos­ti­ziert wor­den: „Ver­ur­sacht durch ei­ne de­fek­te Was­ser­pum­pe ist der No­cken­wel­len­zahn­rie­men über­ge­sprun­gen, die Steu­er­zeit hat sich ver­stellt, die Kol­ben ha­ben die Ven­ti­le an­ge­schla­gen, Kom­pres­si­ons­ver­lust".

Die Kos­ten für die Be­sei­ti­gung des Scha­dens be­lie­fen sich auf 2.214,90 €. Die auf Rück­gän­gig­ma­chung des Kauf­ver­trags und Scha­dens­er­satz ge­rich­te­te Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Der Klä­ger kann die Be­klag­te auf Rück­gän­gig­ma­chung des Kauf­ver­trags über den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw … so­wie auf Zah­lung von Scha­dens­er­satz we­gen der durch­ge­führ­ten Fahr­zeu­gre­pa­ra­tur un­ter kei­nem recht­li­chen Ge­sichts­punkt in An­spruch neh­men. Die Be­klag­te trifft ei­ne Haf­tung für den an dem Fahr­zeug ein­ge­tre­te­nen Scha­den we­der un­ter dem Ge­sichts­punkt der kauf­recht­li­chen Ge­währ­leis­tung noch un­ter dem Ge­sichts­punkt der Pflicht­ver­let­zung …

Ge­mäß § 437 Nr. 2 BGB kann der Käu­fer von dem Ver­trag zu­rück­tre­ten, wenn die Sa­che man­gel­haft ist. Der Sach­man­gel­be­griff i. S. von § 434 BGB stellt da­bei auf die ver­ein­bar­te sub­jek­ti­ve Be­schaf­fen­heit ab. Ent­spricht die Kauf­sa­che nicht der ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit, liegt ein Sach­man­gel im Sin­ne die­ser Vor­schrift vor. Un­ter Be­schaf­fen­heit fällt je­de Ei­gen­schaft und je­der der Sa­che an­haf­ten­de tat­säch­li­che, wirt­schaft­li­che oder recht­li­che Um­stand, der von dem Be­griff der Be­schaf­fen­heit um­fasst wird. Ver­ein­bart ist die Be­schaf­fen­heit, wenn der In­halt des Kauf­ver­trags von vorn­her­ein oder nach­träg­lich die Pflicht des Ver­käu­fers be­stimmt, die ge­kauf­te Sa­che in dem Zu­stand zu über­eig­nen und zu über­ge­ben, wie ih­re Be­schaf­fen­heit im Ver­trag fest­ge­legt ist. Ei­ne vom Ver­trags­in­halt er­fass­te Be­schrei­bung der Be­schaf­fen­heit der Sa­che ge­nügt. Die Ver­ein­ba­rung kann kon­klu­dent oder still­schwei­gend zu­stan­de ge­kom­men sein. Bloß ein­sei­ti­ge Er­war­tun­gen oder Vor­stel­lun­gen ei­ner Par­tei rei­chen für die Ver­ein­ba­rung ei­ner Be­schaf­fen­heit in der Re­gel nicht aus (Pa­landt/Putzo, BGB, 63. Aufl., § 434 Rn. 13).

Ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung zwi­schen den Par­tei­en oder ei­ne Zu­si­che­rung der Be­klag­ten in dem Sin­ne, dass an dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug die Was­ser­pum­pe aus­ge­tauscht wor­den sei, lässt sich ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klä­gers aus den Fahr­zeuganga­ben der Be­klag­ten bei der Ver­äu­ße­rung des Fahr­zeugs nicht ent­neh­men. So­weit des­halb die Was­ser­pum­pe für den ein­ge­tre­te­nen Scha­den ver­ant­wort­lich ist, trifft die Be­klag­te ei­ne Ge­währ­leis­tungs­haf­tung hier­für nicht.

Bei der Ver­äu­ße­rung von Ge­braucht­fahr­zeu­gen sind üb­li­che Ab­nut­zungs- und Ver­schleiß­er­schei­nun­gen nicht als Sach­man­gel i. S. von § 434 BGB an­zu­spre­chen. Ge­braucht­fahr­zeu­ge un­ter­lie­gen na­tur­ge­mäß ei­nem Ver­schleiß, was auch dem Käu­fer ei­nes der­ar­ti­gen Fahr­zeugs be­kannt ist. Nur Ver­schleiß- und Ab­nut­zungs­er­schei­nun­gen deut­lich über das üb­li­che Maß hin­aus be­grün­den die An­nah­me ei­nes Sach­man­gels im Fal­le des Ge­braucht­wa­gen­kaufs (Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 8. Aufl., Rn. 1261).

Der Klä­ger hat hier ein über vier Jah­re al­tes Fahr­zeug mit ei­ner Lauf­leis­tung von 165.000 km er­wor­ben. In­so­fern wa­ren auch aus der Sicht des Klä­gers bei ver­nünf­ti­ger Be­trach­tungs­wei­se nicht un­er­heb­li­che Ab­nut­zungs- und Ver­schleiß­er­schei­nun­gen an dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug in Rech­nung zu stel­len.

Die An­ga­ben der Be­klag­ten in ih­rem In­se­rat im In­ter­net „scheck­heft­ge­pflegt, letz­te In­spek­ti­on bei 155.000 km, sehr ge­pflegt“ sind nicht feh­ler­haft.

Aus­weis­lich des von dem Klä­ger vor­ge­leg­ten Ser­vice­hef­tes über das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ist die letz­te In­spek­ti­on bei dem Fahr­zeug vor der Ver­äu­ße­rung an den Klä­ger bei 154.250 km … durch­ge­führt wor­den. In­wie­fern die An­ga­be des Be­klag­ten „sehr ge­pflegt“ nicht zu­tref­fen soll, ist von dem Klä­ger nicht nä­her aus­ge­führt.

Auch die An­ga­be der Be­klag­ten „scheck­heft­ge­pflegt“ ist für das vor­lie­gen­de Fahr­zeug ge­ge­ben. Wer ein „scheck­heft­ge­pfleg­tes“ Fahr­zeug er­wirbt, kann er­war­ten, dass die her­stel­ler­seits vor­ge­schrie­be­nen In­spek­tio­nen von ei­ner hier­zu au­to­ri­sier­ten Fach­werk­statt durch­ge­führt und im Scheck­heft (Ser­vice­heft) do­ku­men­tiert wor­den sind. Es ge­nügt, wenn die In­spek­ti­ons­ter­mi­ne im We­sent­li­chen ein­ge­hal­ten wor­den sind. Ei­ne lü­cken­lo­se Ket­te wird nicht ver­spro­chen. Ei­ne be­son­de­re Qua­li­tät des Fahr­zeug­zu­stan­des wird mit dem Hin­weis „scheck­heft­ge­pflegt“ nicht still­schwei­gend zu­ge­si­chert, je­den­falls nicht von ei­nem Pri­vat­ver­käu­fer oh­ne tech­ni­schen Sach­ver­stand. Die Ab­we­sen­heit von tech­ni­schen Män­geln wird mit „scheck­heft­ge­pflegt“ nicht ver­spro­chen, selbst wenn der letz­te In­spek­ti­ons­ter­min nur kur­ze Zeit bzw. we­ni­ge Ki­lo­me­ter zu­rück­liegt (Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 1130).

Aus­weis­lich des vor­ge­leg­ten Ser­vice­hef­tes über das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug sind die Ser­vice­in­ter­val­le an dem Fahr­zeug aus­nahms­los durch­ge­führt wor­den. So­weit die Ar­bei­ten da­bei von der Werk­statt des Fuhr­parks W durch­ge­führt wor­den sind, war dies für den Klä­ger aus dem Ser­vice­heft oh­ne Wei­te­res er­sicht­lich. Bei dem Fahr­zeug han­del­te es sich um ein Fahr­zeug aus dem Fuhr­park W, dem­entspre­chend sind die Aus­füh­run­gen der Ser­vice­leis­tun­gen von der Kfz-Werk­statt der W ab­ge­stem­pelt. Im Üb­ri­gen han­delt es sich bei den Fir­men, die die War­tungs­ar­bei­ten durch­ge­führt ha­ben, um Vol­vo-Fach­werk­stät­ten.

We­der aus dem Ser­vice­heft noch aus den von dem Klä­ger über­reich­ten War­tungs­emp­feh­lun­gen der Fir­ma Vol­vo er­gibt sich, dass im Rah­men der üb­li­chen Ser­vice­in­ter­val­le ein Aus­tausch der Was­ser­pum­pe bei ei­ner be­stimm­ten Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs (z. B. bei 120.000 km) auf je­den Fall er­fol­gen muss.

In dem Ser­vice­heft über das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ist die Art der Ser­vice­leis­tung bei den je­wei­li­gen In­ter­val­len kon­kret auf­ge­führt. Der Wech­sel der Was­ser­pum­pe fin­det bei kei­nem die­ser In­ter­val­le sei­nen Nie­der­schlag. Für den Ser­vice bei 120.000 km ist als Art der Ser­vice­leis­tung le­dig­lich auf­ge­führt „Pum­prie­men wech­seln TDI“. Da­für, dass die Aus­wechs­lung die­ses Rie­mens nicht er­folgt ist, be­steht we­der nach den vor­ge­leg­ten Ur­kun­den noch nach dem Vor­trag des Klä­gers An­halt. Die von der Be­klag­ten vor­ge­leg­te Rech­nung der Fir­ma E aus Es­sen vom 18.01.2002 spricht im Ge­gen­teil eher da­für, das Rie­men und Rie­men­span­ner der Was­ser­pum­pe be­reits bei ei­nem Ki­lo­me­ter­stand von et­wa 97.000 km bei dem Fahr­zeug er­neu­ert wor­den sind.

Im Üb­ri­gen ist nach dem Vor­trag des Klä­gers … der Mo­tor­scha­den ver­ur­sacht wor­den durch ei­ne de­fek­te Was­ser­pum­pe. Von da­her be­steht auch kein An­halt da­für, dass ein de­fek­ter Rie­men für den ein­ge­tre­te­nen Scha­den kau­sal ist.

Auch das von dem Klä­ger wei­ter vor­ge­leg­te Schrift­stück „Ser­vice­pro­gramm 15.000 km“, in dem die ein­zel­nen Ar­bei­ten bei den je­wei­li­gen In­spek­tio­nen auf­ge­führt sind, ent­hält das Aus­wech­seln der Was­ser­pum­pe an dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug­typ nicht. Auch hier ist le­dig­lich das Wech­seln des Pum­prie­mens TDI al­le 120.000 km vor­ge­se­hen.

So­weit es in die­sem Ser­vice­pro­gramm wei­ter heißt: „Au­ßer­dem al­le 90.000 km: An­triebs­rie­men, Hilfs­ag­gre­ga­te wech­seln“, kann hier­aus nicht oh­ne Wei­te­res der re­gel­mä­ßi­ge Aus­tausch der Was­ser­pum­pe al­le 90.000 km her­ge­lei­tet wer­den. Die Was­ser­pum­pe ist kon­kret nicht an­ge­spro­chen. Auch aus der Sicht ei­nes Käu­fers kann hier­aus bei ver­nünf­ti­ger Wür­di­gung nicht zwangs­läu­fig auf ei­nen Aus­tausch der Was­ser­pum­pe bei den Ser­vice­in­ter­val­len ge­schlos­sen wer­den. Im Üb­ri­gen sind die An­ga­ben der Be­klag­ten nur auf das Scheck­heft, nicht auf das Ser­vice­pro­gramm be­zo­gen.

Der Klä­ger kann auch nicht da­mit ge­hört wer­den, dass der Wech­sel der Was­ser­pum­pe bei dem Mo­tor des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug­typs bei 80.000 km, spä­tes­tens 120.000 km, emp­foh­len wer­de. Blo­ße Emp­feh­lun­gen für die Durch­füh­rung von Ar­bei­ten über die vor­ge­se­he­nen Ar­bei­ten des Ser­vice­hefts hin­aus kön­nen der Be­zeich­nung ei­nes Fahr­zeugs als „scheck­heft­ge­pflegt“ nicht ent­nom­men wer­den. Der Käu­fer kann sich bei ei­ner der­ar­ti­gen An­ga­be le­dig­lich dar­auf ver­las­sen, dass die in dem Ser­vice­heft vor­ge­se­he­nen Ar­bei­ten auch tat­säch­lich durch­ge­führt wor­den sind. Ein dar­über hin­aus­ge­hen­der Er­klä­rungs­wert kommt die­ser An­ga­be aus der ob­jek­ti­ven Sicht des Er­klä­rungs­emp­fän­gers bei ver­nünf­ti­ger Wür­di­gung nicht zu.

Die An­ga­ben des Be­klag­ten über das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug sind hier­nach nicht als feh­ler­haft zu be­ur­tei­len. Ein pro­phy­lak­ti­scher Aus­tausch der Was­ser­pum­pe bei ei­ner be­stimm­ten Lauf­leis­tung an dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ist hier­aus nicht her­zu­lei­ten.

Es be­steht auch kein An­halt da­für, dass die Was­ser­pum­pe bei Über­ga­be des Fahr­zeugs an den Klä­ger am 24.11.2003 Ver­schleiß­er­schei­nun­gen über das üb­li­che Maß hin­aus auf­wies. Die von dem Klä­ger am 23.01.2004 bei 165.000 km ver­an­lass­te In­spek­ti­on … hat Män­gel in die­sem Punk­te nicht er­ge­ben. Der Scha­den­s­ein­tritt ist erst nach ei­ner wei­te­ren Lauf­leis­tung von et­wa 14.000 km er­folgt.

Ein Sach­man­gel an dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug i. S. von § 434 BGB liegt hier­nach nicht vor. Schon man­gels Man­gel­haf­tig­keit der Kauf­sa­che kann der Klä­ger von der Be­klag­ten we­der den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag noch … Scha­dens­er­satz be­an­spru­chen. Ob die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen hier­für ge­mäß § 437 Nr. 2 und Nr. 3 BGB auf­grund ver­wei­ger­ter Nach­er­fül­lung durch die Be­klag­te über­haupt vor­lie­gen, kann für die vor­lie­gen­de Ent­schei­dung da­hin­ste­hen …

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