1. Nor­ma­le Ver­schleiß- und Ab­nut­zungs­er­schei­nun­gen sind bei ei­nem Ge­braucht­wa­gen selbst dann kein Man­gel, wenn sie die Funk­ti­ons- und Ge­brauchs­taug­lich­keit des Fahr­zeugs be­ein­träch­tig­ten.
  2. „Ver­schlei­ßen“ kön­nen auch sol­che Tei­le ei­nes Fahr­zeugs, die we­der ei­ner me­cha­ni­schen noch ei­ner che­mi­schen Ab­nut­zung (z. B. durch Rei­bung bzw. Kor­ro­si­on) un­ter­lie­gen. Bei die­sen Tei­len be­steht der „Ver­schleiß“ dar­in, dass sie nur ei­ne be­stimm­te Zeit hal­ten und dann ein­fach nicht mehr funk­tio­nie­ren.
  3. Ob das Ver­sa­gen des Ka­ta­ly­sa­tors bei ei­nem Ge­braucht­wa­gen als Ver­schleiß oder als Man­gel ein­zu­ord­nen ist, kann nicht ge­ne­rell, son­dern nur im kon­kre­ten Ein­zel­fall be­ur­teilt wer­den. Es kommt dar­auf an, wel­ches Fahr­zeug mit wel­chem Bau­jahr und mit wel­chem Ki­lo­me­ter­stand zu wel­chem Preis ver­kauft wird. Je hö­her der Kauf­preis ist, des­to hö­her dür­fen auch die Er­war­tun­gen des Käu­fers sein.

AG Of­fen­bach, Ur­teil vom 27.09.2004 – 38 C 276/04

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb am 24.01.2004 von dem Be­klag­ten ei­nen ge­brauch­ten Pkw, der erst­mals im Au­gust 1994 zu­ge­las­sen wor­den war und ei­ne Lauf­leis­tung von 150.733 km auf­wies. Am 29.03.2004 wur­de in ei­ner Kfz-Werk­statt fest­ge­stellt, dass der Ka­ta­ly­sa­tor des Fahr­zeugs de­fekt ist.

Der Klä­ger be­haup­tet, der Aus­tausch des Ka­ta­ly­sa­tors wür­de 1.057,15 € kos­ten. Die im We­sent­l­chen auf Zah­lung die­ses Be­trags ge­rich­te­te Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Der Klä­ger hat ge­gen den Be­klag­ten kei­nen An­spruch auf Scha­dens­er­satz, weil das Ver­sa­gen des Ka­ta­ly­sa­tors … kei­nen Sach­man­gel des ver­kauf­ten Pkw dar­stellt.

Ei­ne ver­kauf­te Sa­che ist ge­mäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB dann frei von Sach­män­geln, wenn sie sich für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach Art der Sa­che er­war­ten kann. Beim Kauf ge­brauch­ter Sa­chen ist die­ser Ver­gleichs­maß­stab zu be­rück­sich­ti­gen, ein ge­brauch­ter Pkw darf da­her nicht mit ei­nem Neu­wa­gen ver­gli­chen wer­den (Hk-BGB/Sa­en­ger, 3. Aufl., § 434 Rn. 13). Bei ge­brauch­ten Sa­chen stellt da­mit nicht je­de bei neu­wer­ti­gen Sa­chen als Feh­ler zu be­wer­ten­de Be­schaf­fen­heit ei­nen Man­gel dar, denn die Par­tei­en wis­sen, dass kei­ne neu­wer­ti­ge Sa­che ver­kauft wird, so­dass nor­ma­le Ver­schleiß- und Ab­nut­zungs­er­schei­nun­gen aus­schei­den (OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 06.04.1998 – 9 U 34/97, OLGR 1998, 381) Dies wird auf die grif­fi­ge For­mel „Ver­schleiß ist kein Man­gel“ ge­bracht (Jau­er­nig/Ber­ger, BGB, 10. Aufl., § 434 Rn. 14; OLG Frank­furt a. M., Urt. v. 30.06.1989 – 10 U 249/88, DAR 1989, 463, 464).

Es geht so­mit hier um die Fra­ge, ob das Ver­sa­gen des Ka­ta­ly­sa­tors ei­nes knapp zehn Jah­re al­ten Pkw, der mit ei­nem Ki­lo­me­ter­stand von cir­ca 150.000 ver­kauft wird, ei­nen Ver­schleiß … dar­stellt oder nicht.

Zur Ab­gren­zung zwi­schen Ver­schleiß und Man­gel lie­gen di­ver­se Ent­schei­dun­gen der Ge­rich­te vor, auch schon zum neu­en Recht, das heiß zum hier an­wend­ba­ren ge­än­der­ten BGB.

  • Das OLG Köln (Urt. v. 11.11.2003 – 22 U 88/03, NJW-RR 2004, 268) hat bei­spiels­wei­se ent­schie­den, dass der Dau­er­bruch ei­ner Ven­til­fe­der ei­nes Zy­lin­ders bei ei­nem zehn­ein­halb Jah­re al­ten und 122.000 km ge­lau­fe­nen Por­sche kei­nen Ver­schleiß dar­stellt. Hier­zu hat­te je­doch ein dort ein­ge­schal­te­ter Sach­ver­stän­di­ger aus­ge­führt, dass ein der­ar­ti­ger Fe­der­bruch – ins­be­son­de­re bei Por­sche – ganz un­ty­pisch ist und nor­ma­ler­wei­se nie ein­tritt. Die­ser Ent­schei­dung ist zu­zu­stim­men. Das Ver­sa­gen ei­nes Ka­ta­ly­sa­tors ist je­doch – was all­ge­mein be­kannt ist – im Ge­gen­satz zu ei­nem Fe­der­bruch, von dem auch das Ge­richt noch nie et­was ge­hört hat, ein (eher) all­täg­li­ches Er­eig­nis.
  • In die glei­che Rich­tung geht ei­ne Ent­schei­dung des AG Mars­berg (Urt. v. 09.10.2002 – 1 C 143/02, ZGS 2003, 119). Im dor­ti­gen Fall er­lag das Fahr­zeug ei­nem Ka­bel­brand. Das AG Mars­berg hat dar­in kei­nen Ver­schleiß ge­se­hen, son­dern aus­ge­führt, bei der In­stal­la­ti­on und Be­nut­zung von Ka­beln spiel­ten na­tür­li­che Ver­schleiß­er­schei­nun­gen nur ei­ne Ne­ben­rol­le, dar­über hin­aus sei ein Ka­bel­brand nicht nur für ge­brauch­te Pkw spe­zi­fisch. Auch die­ser Ent­schei­dung ist zu­zu­stim­men, denn selbst ge­brauch­te Fahr­zeu­ge dür­fen ei­nem Ka­bel­brand fast nie zum Op­fer fal­len.
  • Der BGH hat in ei­nem neu­en Ur­teil Aus­füh­run­gen des OLG Mün­chen un­be­an­stan­det ge­las­sen, wo­nach bei ei­nem Zahn­rie­men (der bei ei­nem äl­te­ren Pkw vor dem Ver­kauf ge­wech­selt wur­de) ei­ne län­ge­re Halt­bar­keit und Funk­ti­ons­fä­hig­keit er­war­tet wer­den kann als acht Mo­na­te bei ei­ner Lauf­leis­tung (mit dem neu­en Rie­men) von cir­ca 10.000 km (BGH, Urt. v. 02.06.2004 – VI­II ZR 329/03, NJW 2004, 2299, 2300; das Ur­teil des OLG Mün­chen wur­de aus an­de­ren Grün­den auf­ge­ho­ben). Auch die­ser Ent­schei­dung kann ge­folgt wer­den, denn die Wech­sel­in­ter­val­le für Zahn­rie­men sind viel hö­her an­zu­set­zen als 10.000 km, sie ge­hen eher in die Rich­tung von 40.000 km oder mehr.
  • In ei­ner äl­te­ren Ent­schei­dung hat der BGH da­zu ten­diert, Ab­nut­zung der Brems­ba­cken, Un­dich­tig­keit der Brems­zy­lin­der, aus­ge­schla­ge­ne La­ge­rung des Achs­trä­gers und an­ge­schla­ge­nes Lenk­ge­trie­be bei ei­nem fünf Jah­re al­ten und 97.000 km ge­lau­fe­nen Pkw schon als Ver­schleiß an­zu­se­hen (Urt. v. 21.04.1982 – VI­II ZR 26/81, NJW 1982, 1700). Dies geht viel­leicht et­was zu weit. Al­ler­dings ist zu be­den­ken, dass die­se Ent­schei­dung noch zum al­ten Recht er­ging und zwi­schen­zeit­lich, auch was die tech­ni­schen Fort­schrit­te be­trifft, viel Zeit in das Land ge­gan­gen ist. Die­ser Ent­schei­dung wür­de heu­te wohl nicht mehr ge­folgt wer­den kön­nen.

Bei ei­nem Ka­ta­ly­sa­tor ist dies je­doch durch­aus an­ders als bei den vor­ste­hend er­wähn­ten Fäl­len. Die durch­schnitt­li­che Le­bens­dau­er ei­nes Ka­ta­ly­sa­tors be­trägt durch­aus 100.000 km + x, wo­bei x auch sehr hoch sein kann. Vie­le Ka­ta­ly­sa­to­ren über­le­ben so­gar die Au­tos, in die sie einst ein­ge­baut wur­den. Dies gilt aber nicht für al­le. Man­che ge­ben schon nach 100.000 km ih­ren Geist auf. Dar­über hin­aus kommt es noch dar­auf an, un­ter wel­chen Nut­zungs- und Ein­satz­be­din­gun­gen das Au­to be­trie­ben wird, so­wie auch noch auf die in­di­vi­du­el­len Be­son­der­hei­ten des Au­tos und der je­wei­li­gen Fah­rer. Dies ist dem Ge­richt aus ei­ge­ner Er­fah­rung und auch aus Ge­sprä­chen mit Sach­ver­stän­di­gen be­kannt, wor­auf im Rah­men der münd­li­chen Ver­hand­lung hin­ge­wie­sen wur­de. Dies spricht zu­nächst da­für, das Ver­sa­gen ei­nes Ka­ta­ly­sa­tors nicht im­mer als Man­gel an­zu­se­hen, son­dern ge­ge­be­nen­falls auch als Ver­schleiß.

Dem lässt sich nicht ent­ge­gen­hal­ten, dass ein Ka­ta­ly­sa­tor nicht ver­schleißt. Das Ge­richt meint, dass der Be­griff des Ver­schlei­ßes nicht so eng aus­ge­legt wer­den kann, dass nur Tei­le be­trifft, die im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes ver­schlei­ßen kön­nen; bei­spiels­wei­se Rei­fen, die sich ab­fah­ren oder Brems­ba­cken, die sich ab­nut­zen. Bei ei­nem Kfz gibt es Tei­le, die ent­we­der zu 100 % funk­tio­nie­ren müs­sen oder gar nicht mehr funk­tio­nie­ren. Hier be­steht der Ver­schleiß eben dar­in, dass sie durch­schnitt­lich ei­ne be­stimm­te Zahl von Be­triebs­stun­den oder sons­ti­ge Zeit hal­ten und dann ein­fach nicht mehr funk­tio­nie­ren. Auch in ei­nem sol­chen Fall kann von Ver­schleiß ge­spro­chen wer­den. Ver­schleiß be­deu­tet nicht nur me­cha­ni­sche Ab­nut­zung (z. B. durch Rei­bung oder che­mi­schen Ab­nut­zung (z. B. durch Kor­ro­si­on), son­dern auch Ab­nut­zung all­ge­mein. Ei­ne Ab­nut­zung tritt aber auch bei Tei­len ein, die we­der Rei­bung un­ter­lie­gen noch kor­ro­die­ren. Ir­gend­wann funk­tio­nie­ren sie eben nicht mehr.

Dies be­deu­tet nun auf der an­de­ren Sei­te nicht, dass von ei­nem ge­brauch­ten Fahr­zeug gar nichts mehr er­war­tet wer­den kann und Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che über­haupt nicht mehr be­ste­hen könn­ten. Dies wä­re ge­nau­so wi­der­sin­nig wie der Ver­such, je­des Ver­sa­gen ir­gend­ei­nes Teils bei ei­nem ur­al­ten Au­to als Ge­währ­leis­tungs­fall ein­zu­ord­nen. Es kommt im­mer dar­auf an, wel­cher Pkw mit wel­chem Bau­jahr und mit wel­chem Ki­lo­me­ter­stand zu wel­chem Preis ver­kauft wur­de; denn: Je hö­her der Preis, des­to hö­her dür­fen na­tür­lich auch die Er­war­tun­gen des Käu­fers sein.

In den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en zum neu­en § 434 BGB heißt es dem­ge­mäß auch (BT-Drs. 14/6040, S. 214):

„Der Ver­gleichs­maß­stab sind ‚Sa­chen der glei­chen Art‘. Dies wird vor al­lem bei ge­brauch­ten Sa­chen zu be­rück­sich­ti­gen sein. Ein ge­brauch­ten Pkw et­wa ist nicht von der glei­chen Art wie ein Neu­wa­gen des­sel­ben Typs, darf mit die­sem al­so nicht ver­gli­chen wer­den. Viel­mehr kommt es dar­auf an, wel­che Ei­gen­schaf­ten der Durch­schnitts­käu­fer an­hand der ‚Art der Sa­che‘ er­war­ten kann. Das ist zum Bei­spiel bei ei­nem Neu­wa­gen na­tur­ge­mäß an­ders als bei ei­nem ge­brauch­ten Fahr­zeug. Bei letz­te­rem wird et­wa das Al­ter und die Lauf­leis­tung die be­rech­tig­ten Er­war­tun­gen des Käu­fers we­sent­lich be­ein­flus­sen, Um­stän­de, die bei ei­nem Neu­wa­gen kei­ne Rol­le spie­len kön­nen.“

Ob das Ver­sa­gen ei­nes Ka­ta­ly­sa­tors al­so als Ver­schleiß oder Man­gel ein­zu­ord­nen ist, kann nicht ge­ne­rell, son­dern nur für den Ein­zel­fall be­ur­teilt wer­den. Hier ist der ge­kauf­te Pkw cir­ca zehn Jah­re alt ge­we­sen und wies ei­ne Lauf­leis­tung von ci­ra 150.000 km auf. Da­mit ist nach all­ge­mei­ner Le­bens­er­fah­rung ein Zeit­punkt er­reicht, in dem er­fah­rungs­ge­mäß auch mit dem Ab­le­ben des Ka­ta­ly­sa­tors ge­rech­net wer­den muss. Wenn al­so in ei­nem der­ar­ti­gen Fall der Ka­ta­ly­sa­tor funk­ti­ons­un­fä­hig wird, so kann in An­be­tracht des Al­ters und der Lauf­leis­tung des Pkw durch­aus von ei­nem üb­ri­gen Ver­schleiß ge­spro­chen wer­den. Der Pkw kos­te­te un­ter 5.000 €. Dies ist kein wirk­lich ho­her Preis. Ein Ka­ta­ly­sa­tor kos­tet schon über 20 % des Kauf­prei­ses. Auch dies spricht eher da­für, hier von ei­nem üb­ri­gen Ver­schleiß aus­zu­ge­hen.

Die­se Auf­fas­sung hält auch ei­ner rea­lis­ti­schen Ge­gen­pro­be stand: Wür­de man ei­ne Mei­nungs­um­fra­ge mit der Fra­ge durch­füh­ren: „Muß man da­mit rech­nen, dass bei ei­nem zehn Jah­re al­ten Au­to, das 150.000 km ge­fah­ren ist und knapp 5.000 € ge­kos­tet hat, dem­nächst der Ka­ta­ly­sa­tor den Geist auf­gibt? Ja oder Nein?“, so wür­de man von den meis­ten der be­frag­ten Per­so­nen mit Si­cher­heit die Ant­wort „Ja“ er­hal­ten.

§ 476 BGB hilft dem Klä­ger hier nicht wei­ter, denn die­se Vor­schrift setzt vor­aus, dass ein Man­gel vor­liegt; sie führt nicht et­wa da­zu, dass je­der De­fekt als Man­gel an­zu­se­hen ist. Dies hat der BGH zu Recht erst kürz­lich ent­schie­den (BGH, Urt. v. 02.06.2004 – VI­II ZR 329/03, NJW 2004, 2299, 2300).

Un­er­heb­lich ist, dass mit ei­nem de­fek­ten Ka­ta­ly­sa­tor nicht ge­fah­ren wer­den darf. Dar­auf kommt es nicht an. Schon nach dem al­ten Recht wa­ren Ab­nut­zungs- und Ver­schleiß­er­schei­nung selbst dann kei­ne Män­gel, wenn sie die Funk­ti­ons- und Ge­brauchs­taug­lich­keit des ge­kauf­ten Pkw be­ein­träch­tig­ten (OLG Ko­blenz, Urt. v. 08.10.1985 – 3 U 39/85, MDR 1986, 316; OLG Ham­burg, Urt. v. 07.12.1981 – 8 U 100/81, MDR 1982, 406).

So­mit er­gibt sich al­les in al­lem, dass ein Man­gel nicht vor­liegt und dem­ge­mäß die Kla­ge ab­zu­wei­sen ist. …

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