Neh­men die Par­tei­en ei­nes Kfz-Kauf­ver­trags das Da­tum der Erst­zu­las­sung des Fahr­zeugs in den Ver­trag auf, so liegt dar­in die kon­klu­den­te Ver­ein­ba­rung, dass das Her­stel­lungs­da­tum je­den­falls nicht meh­re­re Jah­re da­von ab­weicht. Zu­min­dest mit ei­ner Dif­fe­renz von fünf Jah­ren und sechs Mo­na­ten zwi­schen Her­stel­lung und Erst­zu­las­sung muss ein Käu­fer nicht rech­nen.

OLG Karls­ru­he, Ur­teil vom 26.05.2004 – 1 U 10/04

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­gehrt die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ein ge­brauch­tes Kraft­fahr­zeug mit der Be­haup­tung, der Be­klag­te ha­be des­sen tat­säch­li­ches Bau­jahr arg­lis­tig ver­schwie­gen.

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge in Hö­he von 6.367,29 € statt­ge­ge­ben. Es hat als Man­gel an­ge­se­hen, dass das Fahr­zeug be­reits fünf Jah­re und sechs Mo­na­te vor dem im Kauf­ver­trag an­ge­ge­be­nen Da­tum der Erst­zu­las­sung aus­ge­lie­fert wor­den ist, und ist zu dem Er­geb­nis ge­langt, dass der Be­klag­te die­sen Man­gel arg­lis­tig ver­schwie­gen hat. Den wei­ter­ge­hen­den Zah­lungs­an­spruch hat das Land­ge­richt als un­be­grün­det an­ge­se­hen, weil der Klä­ger für die Nut­zung des Fahr­zeugs Wert­er­satz zu leis­ten ha­be.

Ge­gen die­ses Ur­teil wen­den sich bei­de Par­tei­en mit der Be­ru­fung. Der Be­klag­te macht wei­ter­hin gel­tend, die Ab­wei­chung des Bau­jahrs vom Jahr der Erst­zu­las­sung stel­le kei­nen Man­gel dar; je­den­falls sei ihm die­ser Man­gel beim Ab­schluss des Kauf­ver­trags nicht be­kannt ge­we­sen. Der Klä­ger ver­tei­digt das erst­in­stanz­li­che Ur­teil, meint aber, der ge­schul­de­te Nut­zungs­er­satz sei le­dig­lich mit 716,32 € an­zu­set­zen. Fer­ner be­gehrt er die Fest­stel­lung, dass sich der Be­klag­te in An­nah­me­ver­zug be­fin­det.

Das Rechts­mit­tel des Klä­gers hat­te nur in­so­weit Er­folg, als er die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs be­gehr­te. Das Rechts­mit­tel der Be­klag­ten blieb ins­ge­samt er­folg­los.

Aus den Grün­den: II. … Mit zu­tref­fen­den Grün­den, die durch das Be­ru­fungs­vor­brin­gen bei­der Par­tei­en nicht ent­kräf­tet wer­den, hat das Land­ge­richt den vom Klä­ger er­klär­ten Rück­tritt vom Kauf­ver­trag we­gen arg­lis­ti­gen Ver­schwei­gens des Bau­jah­res als wirk­sam an­ge­se­hen und die vom Klä­ger ge­schul­de­te Nut­zungs­ent­schä­di­gung auf 1.482,71 € ge­schätzt.

1. Zu­tref­fend hat das Land­ge­richt ent­schie­den, dass die Ab­wei­chung zwi­schen dem Da­tum der Werks­aus­lie­fe­rung des Fahr­zeugs und dem im Kauf­ver­trag an­ge­ge­be­nen Da­tum der Erst­zu­las­sung ei­nen Sach­man­gel dar­stellt.

a) Zur ver­ein­bar­ten Be­schaf­fen­heit i. S. von § 434 I 1 BGB ge­hör­te im vor­lie­gen­den Fall, dass das Bau­jahr des Fahr­zeugs je­den­falls nicht meh­re­re Jah­re von dem im Ver­trag an­ge­ge­be­nen Jahr der Erst­zu­las­sung ab­weicht.

Zwar kann der Käu­fer ei­nes Kraft­fahr­zeugs man­gels nä­he­rer An­ga­ben nicht oh­ne Wei­te­res da­von aus­ge­hen, dass das Fahr­zeug so­fort nach der Her­stel­lung zum Stra­ßen­ver­kehr zu­ge­las­sen wor­den ist. Ein Käu­fer darf aber dar­auf ver­trau­en, dass zwi­schen Her­stel­lung und Erst­zu­las­sung ein re­la­tiv über­schau­ba­rer Zeit­raum liegt. Wenn die Ver­trags­par­tei­en das Da­tum der Erst­zu­las­sung in den Kauf­ver­trag auf­neh­men, liegt dar­in folg­lich die kon­klu­den­te Ver­ein­ba­rung, dass das Da­tum der Her­stel­lung je­den­falls nicht meh­re­re Jah­re da­von ab­weicht (vgl. Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 8. Aufl., Rn. 1275).

Die vom Be­klag­ten zi­tier­te Recht­spre­chung des BGH zum Ver­kauf von Fahr­zeu­gen als fa­brik­neu (BGH, Urt. v. 06.02.1980 – VI­II ZR 275/78, NJW 1980, 1097, 1098; vgl. auch BGH, Urt. v. 16.07.2003 – VI­II ZR 243/02, NJW 2003, 2824, 2825) führt zu kei­ner an­de­ren Be­ur­tei­lung. Nach die­ser Recht­spre­chung darf ein Fahr­zeug zwar un­ab­hän­gig vom Bau­jahr als fa­brik­neu be­zeich­net wer­den, so­lan­ge das be­tref­fen­de Mo­dell noch un­ver­än­dert her­ge­stellt wird. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten kann dar­aus aber nicht ge­fol­gert wer­den, dass das Bau­jahr ge­ne­rell un­er­heb­lich ist. Die Be­zeich­nung als fa­brik­neu kommt nach der zi­tier­ten Recht­spre­chung schon an­ge­sichts der üb­li­chen Mo­dell­pfle­ge-Zy­klen meist nur in­ner­halb ei­nes Jah­res ab Her­stel­lung in Be­tracht. Bei län­ge­ren Zeit­räu­men ist dar­über hin­aus in zu­neh­men­dem Ma­ße mit Stand­schä­den zu rech­nen, was ei­nen Ver­kauf als fa­brik­neu in je­dem Fall aus­schließt (BGH, Urt. v. 06.02.1980 – VI­II ZR 275/78, NJW 1980, 1097, 1098).

Beim Ver­kauf von Ge­braucht­wa­gen gilt grund­sätz­lich nichts an­de­res. Auch hier darf der Käu­fer er­war­ten, dass das Bau­jahr nicht we­sent­lich vom Jahr der Erst­zu­las­sung ab­weicht. Zwar kann es bei Re­impor­ten zu grö­ße­ren Dif­fe­ren­zen kom­men. Mit der­ar­ti­gen Be­son­der­hei­ten braucht der Käu­fer man­gels be­son­de­rer An­halts­punk­te aber nicht zu rech­nen. Be­son­de­re An­halts­punk­te, aus de­nen sich et­was an­de­res er­ge­ben könn­te, sind für den vor­lie­gen­den Fall we­der vor­ge­tra­gen noch sonst er­sicht­lich. Der Um­stand, dass das ver­kauf­te Fahr­zeug re­impor­tiert wor­den ist, reicht hier­für nicht aus (eben­so OLG Cel­le, Urt. v. 26.02.1998 – 7 U 58/97, OLGR 1998, 160).

b) Das ver­kauf­te Fahr­zeug ge­nügt den ver­trag­li­chen An­for­de­run­gen nicht.

Da­bei kann da­hin­ge­stellt blei­ben, wel­che zeit­li­che Dif­fe­renz ge­ra­de noch zu­läs­sig wä­re. Der hier be­ste­hen­de Un­ter­schied von fünf Jah­ren und sechs Mo­na­ten liegt je­den­falls nicht mehr im Rah­men des­sen, wo­mit ein Käu­fer red­li­cher­wei­se rech­nen muss. Dar­an än­dert es nichts, dass zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses auch die Erst­zu­las­sung na­he­zu neun Jah­re zu­rück­lag. Das tat­säch­li­che Al­ter des Fahr­zeugs über­schrei­tet mit über 14 Jah­ren die ge­nann­te Zeit­span­ne so­wohl bei ab­so­lu­ter als auch bei re­la­ti­ver Be­trach­tung in ei­nem Aus­maß, dass das Fahr­zeug nicht mehr als ver­trags­ge­recht an­ge­se­hen wer­den kann.

2. Rechts­feh­ler­frei ist das Land­ge­richt zu dem Er­geb­nis ge­langt, dass der ver­ein­bar­te Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss nicht greift, weil der Be­klag­te den Man­gel arg­lis­tig ver­schwie­gen hat.

a) Das Land­ge­richt hat auf­grund der Aus­sa­gen der von ihm ver­nom­me­nen Zeu­gen die Über­zeu­gung ge­won­nen, dass der Be­klag­te wuss­te oder zu­min­dest da­mit rech­ne­te, dass das Fahr­zeug be­reits 1988 ge­baut wor­den ist, und dies dem Klä­ger wis­sent­lich ver­schwie­gen hat. Die­se Wür­di­gung lässt kei­ne Rechts­feh­ler er­ken­nen und ist auch in­halt­lich über­zeu­gend.

So­weit der Be­klag­te dem­ge­gen­über gel­tend macht, dem Wort­laut der Zeu­gen­aus­sa­gen las­se sich nur ent­neh­men, dass das Tür­schloss des Fahr­zeugs aus dem Jahr 1988 ge­stammt ha­be, nicht aber das Fahr­zeug selbst, zeigt er kei­ne kon­kre­ten An­halts­punk­te auf, die Zwei­fel an der Rich­tig­keit der ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen be­grün­den könn­ten (§ 529 I Nr. 1 ZPO).

Ob der Be­klag­te po­si­ti­ve Kennt­nis da­von hat­te, dass das Fahr­zeug be­reits im Jahr 1988 aus­ge­lie­fert wor­den war, oder ob er, wie es das Land­ge­richt als mög­lich an­sieht, nur da­mit rech­ne­te, ist un­er­heb­lich. Ein Ver­käu­fer han­delt auch dann arg­lis­tig, wenn er ei­nen Feh­ler für mög­lich hält und gleich­zei­tig bil­li­gend in Kauf nimmt, dass der Ver­trags­part­ner den Feh­ler nicht kennt und bei Of­fen­ba­rung den Ver­trag nicht oder nicht mit dem ver­ein­bar­ten In­halt ge­schlos­sen hät­te (BGH, Urt. v. 19.03.1992 – III ZR 16/90, BGHZ 117, 363, 368 m. w. Nachw.). Das Vor­lie­gen die­ser Vor­aus­set­zun­gen hat das Land­ge­richt feh­ler­frei fest­ge­stellt.

b) Zu­tref­fend ist das Land­ge­richt da­von aus­ge­gan­gen, dass der Klä­ger zur Of­fen­ba­rung der ihm be­kann­ten Um­stän­de ver­pflich­tet war. Ei­ne Al­ters­ab­wei­chung um über fünf Jah­re ist auch bei ei­nem – ver­meint­lich – neun Jah­re al­ten Fahr­zeug von zen­tra­ler Be­deu­tung für die Ent­schei­dung über den Ver­trags­schluss. Selbst wenn das Fahr­zeug, wie der Be­klag­te vor­trägt, vor dem im Ver­trag ge­nann­ten Da­tum der Erst­zu­las­sung nicht be­nutzt wor­den ist, hat die Al­ters­dif­fe­renz Aus­wir­kun­gen auf die zu er­war­ten­de Rest­nut­zungs­dau­er des Fahr­zeugs.

Auch in die­sem Zu­sam­men­hang ist un­er­heb­lich, ob der Be­klag­te das Bau­jahr des Fahr­zeu­ges po­si­tiv kann­te. Selbst wenn dies nicht der Fall war, hät­te er dem Klä­ger je­den­falls die ihm be­kann­ten Um­stän­de mit­tei­len müs­sen, die na­he­leg­ten, dass das Fahr­zeug aus dem Jahr 1988 stamm­te.

3. Rechts­feh­ler­frei hat das Land­ge­richt die vom Klä­ger ge­schul­de­te Nut­zungs­ent­schä­di­gung auf 1.482,71 € fest­ge­setzt.

Das Land­ge­richt hat den Wert der Fahr­zeug­nut­zung ge­mäß § 287 ZPO ge­schätzt und hier­zu den Kauf­preis und das Ver­hält­nis zwi­schen der vom Käu­fer zu­rück­ge­leg­ten Stre­cke und der zum Zeit­punkt der Über­ga­be zu er­war­ten­den Rest­lauf­leis­tung her­an­ge­zo­gen. Die­se Me­tho­de ist nicht zu be­an­stan­den und wird auch von den Par­tei­en nicht in­fra­ge ge­stellt.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung bei­der Par­tei­en be­geg­net es kei­nen Be­den­ken, dass das Land­ge­richt die zu er­war­ten­de Ge­samt­lauf­leis­tung hier mit 240.000 km an­ge­setzt hat. Die­ser Be­trag liegt in­ner­halb des nach der Recht­spre­chung all­ge­mein als zu­läs­sig an­ge­se­he­nen Rah­mens (vgl. OLG Karls­ru­he, Urt. v. 07.03.2003 – 14 U 154/01, NJW 2003, 1950, 1951, so­wie die Über­sicht bei Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 1524). We­der der Klä­ger noch der Be­klag­te zei­gen kon­kre­te An­halts­punk­te auf, die die von ih­nen pos­tu­lier­te hö­he­re bzw. nied­ri­ge­re Ge­samt­lauf­leis­tung als wahr­schein­li­cher oder aus sons­ti­gen Grün­den nä­her­lie­gend er­schei­nen lie­ßen.

4. Nach al­lem ist so­wohl die Be­ru­fung des Be­klag­ten als auch die Be­ru­fung des Klä­gers, so­weit die­ser sich ge­gen die Hö­he des zu­ge­spro­che­nen Be­trags wen­det, un­be­grün­det.

5. Zu­läs­sig und be­grün­det ist hin­ge­gen der – erst­mals in der Be­ru­fungs­in­stanz ge­stell­te – An­trag auf Fest­stel­lung, dass der Be­klag­te in An­nah­me­ver­zug ist.

a) Die in die­sem An­trag lie­gen­de Kla­ge­än­de­rung ist ge­mäß § 533 ZPO zu­läs­sig. Sie ist sach­dien­lich, und die Ent­schei­dung über den An­trag kann auf der Grund­la­ge des vom Land­ge­richt fest­ge­stell­ten Sach­ver­halts er­ge­hen.

b) Das er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se er­gibt sich aus § 756 ZPO.

c) Der Be­klag­te ist durch die mit Schrei­ben vom 10.06.2003 aus­ge­spro­che­ne Auf­for­de­rung, den Kauf­preis Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs zu­rück­zu­zah­len, ge­mäß § 293 BGB in An­nah­me­ver­zug ge­ra­ten. Ein tat­säch­li­ches An­ge­bot war ge­mäß § 295 BGB nicht er­for­der­lich, weil der Be­klag­te die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses mit Schrei­ben vom 16.05.2003 be­stimmt und ein­deu­tig ver­wei­gert hat (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.1996 – V ZR 292/95, NJW 1997, 581). …

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