1. Die Be­zeich­nung ei­nes Ge­braucht­wa­gens als „un­fall­frei“ be­sagt un­ter Zu­grun­de­le­gung der Ver­kehrs­an­schau­ung im Kraft­fahr­zeug­han­del, dass das Fahr­zeug kei­nen über ei­nen Ba­ga­tell­scha­den hin­aus­ge­hen­den Un­fall­scha­den er­lit­ten hat. Je nach den Um­stän­den des Ein­zel­falls kann ein Fahr­zeug – et­wa mit Blick auf sein Al­ter – auch dann „un­fall­frei“ sein, wenn es klei­ne­re Beu­len auf­weist. Al­ler­dings ist ein Un­fall­scha­den, der mit ei­nem Kos­ten­auf­wand von mehr als 500 € be­sei­tigt wur­de, re­gel­mä­ßig kein blo­ßer Ba­ga­tell­scha­den mehr.
  2. Be­zeich­net der – hier ge­werb­li­che – Ver­käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens die­sen nicht nur als „un­fall­frei“, son­dern er­klärt er ge­gen­über dem Käu­fer dar­über hin­aus, das Fahr­zeug sei „su­per in Schuss“ und es sei „nie et­was dran“ ge­we­sen, so bringt er da­mit zum Aus­druck, dass das Fahr­zeug gar kei­ne (Un­fall-)Schä­den – auch kei­ne blo­ßen Ba­ga­tell­schä­den – er­lit­ten ha­be.
  3. Ein Un­fall­scha­den ist nach dem all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauch je­der Scha­den, der auf ei­ne plötz­li­che, schnell vor­über­ge­hen­de Ein­wir­kung von au­ßen zu­rück­geht; dass der Scha­den im Zu­sam­men­hang mit dem Stra­ßen­ver­kehr ent­stan­den ist, es sich al­so um ei­nen „Ver­kehrs­un­fall­scha­den“ han­delt, ist nicht er­for­der­lich. Ein Un­fall­scha­den liegt des­halb et­wa auch dann vor, wenn ein ge­park­tes Fahr­zeug durch die bös­wil­li­ge Hand­lung ei­ner frem­den Per­son be­schä­digt wird.
  4. Ein ge­brauch­ter Pkw eig­net sich nicht für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB, wenn er tech­ni­sche Män­gel auf­weist, die die Zu­las­sung zum Ver­kehr auf öf­fent­li­chen Stra­ßen hin­dern oder zur Fol­ge ha­ben, dass bei ei­ner Haupt­un­ter­su­chung kei­ne Prüf­pla­ket­te zu­ge­teilt wer­den kann. Ei­ne die Zu­las­sung des Fahr­zeugs zum Ver­kehr auf öf­fent­li­chen Stra­ßen hin­dern­de Ge­fähr­dung von Ver­kehrs­teil­neh­mern ist ge­ge­ben, wenn ein Pkw mit Sport­fahr­werk nach­träg­lich der­art tie­fer­ge­legt wird, dass die – für das Fahr­zeug zu­ge­las­se­nen – Rei­fen an der Ka­ros­se­rie schlei­fen.

LG Co­burg, Ur­teil vom 24.03.2004 – 22 O 673/03
(nach­fol­gend: OLG Bam­berg, Ur­teil vom 03.05.2005 – 5 U 99/04)

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin kauf­te von der Be­klag­ten mit Ver­trag von 26.04.2002 ei­nen ge­brauch­ten Pkw BMW 325t­ds Tou­ring mit ei­ner Lauf­leis­tung vonm 129.500 km. Der Kauf­preis be­trug 16.950 €; für ei­ne Ge­braucht­wa­gen­ga­ran­tie („EU­ROP­lus-Ga­ran­tie“) zahl­te die Klä­ge­rin wei­te­re 350 €.

Im Kauf­ver­trag heißt es un­ter an­de­rem: „Zahl, Art und Um­fang von Un­fall­schä­den lt. Vor­be­sit­zer: kei­ne“. Auf der Rück­sei­te des von der Klä­ge­rin un­ter­schrie­be­nen Ver­trags­for­mu­lars sind All­ge­mei­ne Ge­schäfts­be­din­gun­gen ab­ge­druckt. Klau­sel VI Nr. 1 lau­tet:

„An­sprü­che des Käu­fers we­gen Sach­män­geln ver­jäh­ren in ei­nem Jahr ab Lie­fe­rung des Kauf­ge­gen­stan­des an den Kun­den.

Hier­von ab­wei­chend er­folgt der Ver­kauf von Nutz­fahr­zeu­gen un­ter Aus­schluss jeg­li­cher Sach­män­gel­haf­tung, wenn der Käu­fer ei­ne ju­ris­ti­sche Per­son des öf­fent­li­chen Rechts, ein öf­fent­lich-recht­li­ches Son­der­ver­mö­gen oder ein Un­ter­neh­mer ist, der bei Ab­schluss des Ver­tra­ges in Aus­übung sei­ner ge­werb­li­chen oder selbst­stän­di­gen be­ruf­li­chen Tä­tig­keit han­delt. Bei arg­lis­ti­gem Ver­schwei­gen von Män­geln oder der Über­nah­me ei­ner Ga­ran­tie für die Be­schaf­fen­heit blei­ben wei­ter­ge­hen­de An­sprü­che un­be­rührt.“

In der zwi­schen den Par­tei­en ge­trof­fe­nen Ga­ran­tie­ver­ein­ba­rung heißt es:

„Der Ver­käu­fer be­stä­tigt hier­mit den man­gel­frei­en Zu­stand al­ler von der Ga­ran­tie um­fass­ten me­cha­nisch-elek­tri­schen Tei­le nach Funk­ti­ons-, Ge­räusch- und äu­ße­rer Sicht­über­prü­fung.“

Bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags wur­de die Klä­ge­rin nicht dar­auf hin­ge­wie­sen, dass Krat­zer am Fahr­zeug ver­spach­telt wor­den wa­ren. Ihr wur­de im Ver­lauf des Ver­kaufs­ge­sprächs zu­ge­si­chert, dass das Au­to „su­per in Schuss“ und „nie et­was dran ge­we­sen“ sei.

Nach­dem der Pkw der Klä­ge­rin ge­gen Zah­lung von 17.300 € über­ge­ben wor­den war, ver­such­te sie mehr­fach – er­folg­los –, die Be­klag­te da­zu zu be­we­gen, das Fahr­zeug in ei­nen ver­trags­ge­mä­ßen Zu­stand zu ver­set­zen oder zu­rück­zu­neh­men. Mit Schrei­ben vom 26.06.2003 er­klär­te die Klä­ge­rin schließ­lich die An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung. Un­ter dem 25.07.2003 for­der­te sie die Be­klag­te auf, den Kauf­ver­trag bis zum 01.08.2003 rück­ab­zu­wi­ckeln.

Der von der Klä­ge­rin er­wor­be­ne BMW 325t­ds Tou­ring hat fol­gen­de Vor­ge­schich­te: Die Erst­zu­las­sung er­folg­te am 24.04.1998. Im Jahr 2000 kauf­te H das Fahr­zeug als Ge­braucht­wa­gen von der Be­klag­ten; er wur­de am 29.12.2000 als zwei­ter Hal­ter in den Fahr­zeug­brief ein­ge­tra­gen. Vor Über­ga­be des Fahr­zeugs an H führ­te die Be­klag­te In­stand­set­zungs­ar­bei­ten an dem Pkw durch, bei de­nen min­des­tens die vor­de­re und die hin­te­re Stoß­stan­ge nachla­ckiert und an der hin­te­ren lin­ken Sei­ten­wand Krat­zer ver­spach­telt und la­ckiert wur­den. Am 21.06.2001 wur­den bei der Haupt­un­ter­su­chung (§ 29 StV­ZO) des Fahr­zeugs kei­ne er­kenn­ba­ren Män­gel fest­ge­stellt. Um den 01.08.2001 ließ H von der Be­klag­ten ein Sport­fahr­werk in den BMW 325t­ds Tou­ring ein­bau­en. Am 31.01.2002 stell­te die Be­klag­te H ei­ne Fahr­werks­ab­nah­me in Rech­nung.

Ge­gen­über der Klä­ge­rin be­zog sich die Be­klag­te in Be­zug auf die Fahr­werksän­de­rung auf ein Tei­le­gut­ach­ten der X-GmbH be­tref­fend ei­ne Fahr­werks­um­rüs­tung vom 25.01.1999. Die­ses Tei­le­gut­ach­ten so­wie der Be­richt über die Haupt­un­ter­su­chung vom 21.06.2001 hat die Be­klag­te der Klä­ge­rin beim Kauf des Pkw über­ge­ben.

Als die Klä­ge­rin das Fahr­zeug im April 2003 zur Haupt­un­ter­su­chung vor­führ­te, wur­de dem BMW 325t­ds Tou­ring kei­ne Pla­ket­te zu­ge­teilt. Die Klä­ge­rin hat be­haup­tet, der Zu­tei­lung ste­he be­reits ent­ge­gen, dass das Fahr­werk in die Fahr­zeug­pa­pie­re hät­te ein­ge­tra­gen wer­den müs­sen, ei­ne Ein­tra­gung tat­säch­lich aber nicht er­folgt sei. Zu­dem fehl­ten er­for­der­li­che Un­ter­la­gen , denn das über­ge­be­ne Tei­le­gut­ach­ten ge­hö­re nicht zu den tat­säch­lich ein­ge­bau­ten Tei­len. Die Rad-Rei­fen-Kom­bi­na­ti­on sei nicht ab­ge­nom­men.

Ne­ben die­sen for­ma­len As­pek­ten sei das Fahr­zeug aber auch gar nicht zu­las­sungs­fä­hig. Die vor­de­ren Fahr­werks­fe­dern sei­en für das Fahr­zeug un­zu­läs­sig, da des­sen zu­läs­si­ge Achs­last 900 kg, die ma­xi­ma­le Achs­last der Fe­dern aber nur 890 kg be­tra­ge. An den Hin­ter­ach­sen sei­en nicht die in dem Tei­le­gut­ach­ten ge­nann­ten Fe­dern, son­dern an­de­re, un­ge­eig­ne­te Fe­dern ein­ge­baut wor­den. Die Rei­fen sei­en nicht frei­gän­gig. Das vor­de­re rech­te Rad lie­ge beim Ein­fe­dern an der Ka­ros­se­rie an; beim Lenk­an­schlag wür­den die Rei­fen­in­nen­kan­te rechts und links an der Ka­ros­se­rie schlei­fen. Das Fahr­zeug sei des­halb ver­kehrs­un­si­cher.

Schließ­lich lie­ge auch ein Un­fall­vor­scha­den vor. Die er­kenn­ba­ren Spu­ren (Spach­te­lun­gen an der hin­te­ren lin­ken Sei­ten­wand, Ab­kle­be­spu­ren so­wie ein er­höh­tes Spalt­maß des Kof­fer­raum­de­ckels zum Schluss­licht und zur lin­ken Sei­ten­wand hin) deu­te­ten auf ei­nen Heck­an­stoß hin­ten links hin.

Die Klä­ge­rin hat ge­meint, die von ihr er­klär­te An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung sei wirk­sam. Die Be­klag­te ha­be „ins Blaue hin­ein“ un­ter Be­ru­fung auf das Tei­le­gut­ach­ten die ver­kehrs­recht­li­che Zu­las­sungs­fä­hig­keit des Pkw zu­ge­si­chert. Sie ha­be sich je­doch nicht auf ein über­hol­tes Gut­ach­ten aus dem Jahr 1999 ver­las­sen dür­fen. Hilfs­wei­se hat sich die Klä­ge­rin auf ei­nen ge­währ­leis­tungs­recht­li­chen Scha­dens­er­satz­an­spruch be­ru­fen.

Die Kla­ge hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Die Kla­ge hat in der Sa­che Er­folg. Dier Klä­ge­rin hat ge­gen die Be­klag­te ei­nen An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses in Hö­he von 16.500 € aus § 812 I 2 Fall 1, §§ 818 I und II, 123 I Fall 1, § 142 I BGB bzw. aus § 437 Nr. 3 Fall 1, §§ 280 I und III, 281 I 1 und I 3, II, V BGB.

A. Der Be­rei­che­rungs­an­spruch

1. Die Be­klag­te hat die Klä­ge­rin über die Un­fall­frei­heit des Kauf­ge­gen­stands ge­täuscht.

a) Die Be­klag­te hat in dem Ver­trags­for­mu­lar in die Ru­brik „Zahl, Art und Um­fang von Un­fall­schä­den lt. Vor­be­sit­zer“ als zu­tref­fen­de An­ga­be „kei­ne“ ein­ge­tra­gen. Die Be­zeich­nung ei­nes Fahr­zeugs als „un­fall­frei“ be­deu­tet un­ter Zu­grun­de­le­gung der Ver­kehrs­an­schau­ung im Kraft­fahr­zeug­han­del in der Re­gel, dass das Fahr­zeug kei­ne über Ba­ga­tell­schä­den hin­aus­ge­hen­de Un­fall­schä­den er­lit­ten hat. Je nach den Um­stän­den des Ein­zel­falls (z. B. Al­ter des Fahr­zeugs) stel­len klei­ne Krat­zer, Fahr­schram­men und klei­ne­re Beu­len kei­ne „Un­fall­schä­den“ dar mit der Fol­ge, dass die Aus­sa­ge des Ver­käu­fers, das Fahr­zeug sei laut Vor­be­sit­zer un­fall­frei, dann nicht ob­jek­tiv un­rich­tig ist (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 29.09.1994 – 28 U 175/93, OLGR 1995, 55 = ju­ris Rn. 2; OLG Karls­ru­he, Urt. v. 27.03.2001 – 3A U 2/01, DAR 2002, 167 = ju­ris Rn. 8 f.). Die Ba­ga­tell­gren­ze wird re­gel­mä­ßig bei Re­pa­ra­tur­kos­ten von et­wa 500 € ge­zo­gen (vgl. OLG Frank­furt a. M., Urt. v. 07.07.2000 – 25 U 62/00, OLGR 2001, 29 = ju­ris Rn. 41).

Im vor­lie­gen­den Fall hat die Be­klag­te ein­ge­räumt, dass das Fahr­zeug zum Zeit­punkt des Er­werbs durch den Vor­ei­gen­tü­mer Krat­zer an der vor­de­ren und hin­te­ren Stoß­stan­ge auf­wies und dass die hin­te­re lin­ke Sei­ten­wand ge­spach­telt und la­ckiert wur­de. Der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten hat bei sei­ner per­sön­li­chen An­hö­rung er­klärt, die in dem Pri­vat­gut­ach­ten der S er­wähn­ten und auf den dor­ti­gen Licht­bil­dern 3 und 5 er­kenn­ba­ren Spu­ren sei­en auf die da­ma­li­gen In­stand­set­zungs­ar­bei­ten durch die Be­klag­te zu­rück­zu­füh­ren. Die Fra­ge, ob die ge­nann­ten Schä­den als er­heb­lich oder als blo­ße Ba­ga­tel­len zu be­zeich­nen sind, die von der Er­klä­rung der Un­fall­frei­heit nicht er­fasst wer­den, kann da­hin­ste­hen. Der das Ver­kaufs­ge­spräch füh­ren­de Zeu­ge M hat näm­lich bei den Ver­trags­ver­hand­lun­gen zu­sätz­lich noch er­klärt, das Au­to sei „su­per in Schuss“ und es sei „nie et­was dar­an“ ge­we­sen. Die Be­klag­te ist der ent­spre­chen­den Be­haup­tung der Klä­ge­rin nicht ent­ge­gen­ge­tre­ten. Durch die­se Zu­sät­ze hat die Be­klag­te zum Aus­druck ge­bracht, dass das Fahr­zeug noch über­haupt kei­ne Schä­den, al­so auch kei­ne Ba­ga­tell­schä­den, er­lit­ten hat. An die­ser Er­klä­rung muss sich die Be­klag­te fest­hal­ten las­sen, so­dass es auf das üb­li­che Ver­ständ­nis der An­ga­be der Un­fall­frei­heit nicht an­kommt (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 14.06.1994 – 28 U 245/93, NJW-RR 1995, 48 = ju­ris Rn. 6 f.). Die Aus­sa­ge der Be­klag­ten war so­mit ob­jek­tiv falsch.

b) Et­was an­de­res er­gibt sich auch nicht dar­aus, dass die Be­klag­te be­teu­ert, die be­ho­be­nen Krat­zer sei­en nicht Fol­ge ei­nes Ver­kehrs­un­falls. Die Ent­ste­hung des Scha­dens im Zu­sam­men­hang mit dem Stra­ßen­ver­kehr wird bei dem Ge­brauch des Be­griffs „Un­fall­scha­den“ nicht vor­aus­ge­setzt. Es heißt ge­ra­de nicht „Ver­kehrs­un­fall­scha­den“. Da­her liegt ein Un­fall­scha­den nach der Ver­kehrs­an­schau­ung auch dann vor, wenn das ge­park­te Fahr­zeug bei­spiels­wei­se durch bös­wil­li­ge Hand­lun­gen frem­der Per­so­nen be­schä­digt wird. Maß­geb­lich ist die Sicht des Ei­gen­tü­mers, der von Be­schä­di­gun­gen im flie­ßen­den Ver­kehr eben­so be­trof­fen ist wie von sol­chen im ge­park­ten Zu­stand (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 14.06.1994 – 28 U 245/93, NJW-RR 1995, 48 = ju­ris Rn. 5).

2. Die Be­klag­te han­del­te arg­lis­tig. Sie kann­te die Un­rich­tig­keit ih­rer Aus­sa­ge zur Un­fall­frei­heit, denn die Re­pa­ra­tur der Schä­den war von ihr selbst durch­ge­führt wor­den. Es ist zu ver­mu­ten, dass die Klä­ge­rin bei Kennt­nis der wah­ren Ge­ge­ben­heit den Ver­trag so nicht ab­ge­schlos­sen hät­te.

Die Be­klag­te muss sich das Ver­hal­ten ih­res Ver­käu­fers zu­rech­nen las­sen. Der Zeu­ge M ist nicht „Drit­ter“ i. S. des § 123 II BGB, denn er ist als Er­fül­lungs­ge­hil­fe der Be­klag­ten tä­tig ge­wor­den, so­dass sein Ver­hal­ten nach § 278 Satz 1 BGB der Be­klag­ten an­zu­las­ten ist.

3. Die Klä­ge­rin hat mit Schrift­satz vom 26.06.2003 die An­fech­tung in­ner­halb der Jah­res­frist des § 124 I, II 1 BGB seit Ent­de­ckung der Täu­schung er­klärt.

4. Die Be­klag­te hat den in­fol­ge der An­fech­tung rechts­grund­los durch Leis­tung er­lang­ten Kauf­preis zu­rück­zu­er­stat­ten. Die Klä­ge­rin brauch­te Ge­gen­an­sprü­che des Be­rei­che­rungs­geg­ners nicht be­reits im Kla­ge­an­trag zu be­rück­sich­ti­gen, so­dass Nut­zungs­ent­schä­di­gungs­an­sprü­che we­gen des zwi­schen­zeit­li­chen Ge­brauchs des Fahr­zeugs für Fahr­ten von ins­ge­samt cir­ca 21.000 km nicht au­to­ma­tisch an­zu­rech­nen wa­ren. Zwar ent­steht nach der Sal­do­theo­rie grund­sätz­lich ein ein­heit­li­cher An­spruch auf Aus­gleich der bei­der­sei­ti­gen Ver­mö­gens­ver­schie­bun­gen. Die Sal­do­theo­rie ist aber im Fal­le der Arg­list nicht an­zu­wen­den, weil der Be­rei­che­rungs­geg­ner in die­sem Fall nicht schutz­wür­dig ist. Er hat sei­ne et­wai­gen Ge­gen­an­sprü­che viel­mehr selbst­stän­dig gel­tend zu ma­chen und kann dies auch im glei­chen Rechts­streit tun (OLG Karls­ru­he, Urt. v. 20.03.1992 – 15 U 260/91, NJW-RR 1992, 1144 f.). Dies hat die Be­klag­te vor­lie­gend aber nicht ge­tan.

B. Der Ge­währ­leis­tungs­an­spruch

Die Klä­ge­rin kann die Kauf­prei­ser­stat­tung auch im We­ge des Scha­dens­er­sat­zes ge­mäß § 437 Nr. 3 Fall 1, §§ 280 I und III, 281 I 1 und I 3, II und V BGB gel­tend ma­chen.

1. Ein Sach­man­gel be­steht – ab­ge­se­hen von. der feh­len­den Un­fall­frei­heit – dar­in, dass die Rei­fen nicht die er­for­der­li­che Frei­gän­gig­keit auf­wei­sen. Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob in der An­ga­be im Kauf­ver­trag, die nächs­te Haupt­un­ter­su­chung sei im März 2003, ei­ne kon­kre­te Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung i. S. des § 434 I 1 BGB zu se­hen ist, denn auch die Eig­nung zur ver­trags­ge­mä­ßen oder ge­wöhn­li­chen Ver­wen­dung i. S. des § 434 I 2 BGB ist nicht ge­ge­ben. Bei ei­nem ge­brauch­ten Pkw sind grund­sätz­lich als Sach­män­gel al­le tech­ni­schen Män­gel an­zu­se­hen, wel­che die Zu­las­sung zum öf­fent­li­chen Ver­kehr und die Er­tei­lung der Prüf­pla­ket­te durch den TÜV ver­hin­dern wür­den (OLG Bam­berg, Urt. v. 08.05.1984 – 5 U 21/84, DAR 1985, 27). Ei­ne die Zu­las­sung des Fahr­zeugs zum öf­fent­li­chen Ver­kehr hin­dern­de Ge­fähr­dung von Ver­kehrs­teil­neh­mern liegt im Fall des Ein­baus ei­nes Sport­fahr­werks vor, wenn in­fol­ge der Tie­fer­le­gung die für den Wa­gen zu­ge­las­se­nen Rei­fen an der Ka­ros­se­rie schlei­fen (OLG Ko­blenz, Urt. v. 15.12.2003 – 12 U 444/99, DAR 2004, 147, 148). Dass dem so ist, steht zur Über­zeu­gung des Ge­richts fest auf­grund des Pri­vat­gut­ach­tens der S, das als ur­kund­lich be­leg­ter sub­stan­zi­ier­ter Par­tei­vor­trag zu be­han­deln ist. Der Pri­vat­sach­ver­stän­di­ge P hat in sei­ner Stel­lung­nah­me auf den Ka­ros­se­rie­kon­takt beim Ein­fe­dern bzw. Lenk­an­schlag hin­ge­wie­sen. Auf den Licht­bil­dern 6 bis 9 sind Schleif­spu­ren bzw. der feh­len­de Ab­stand zwi­schen Rei­fen und Ka­ros­se­rie er­kenn­bar. Die Be­klag­te hat sich in die­sem Punkt trotz rich­ter­li­chen Hin­wei­ses auf das Er­for­der­nis ei­nes sub­stan­zi­ier­ten Ge­gen­vor­trags da­mit be­gnügt, die in dem Gut­ach­ten ge­mach­ten Fest­stel­lun­gen pau­schal zu be­strei­ten. Ein kon­kre­ter Ein­wand ge­gen die gut­ach­ter­li­che Fest­stel­lung zur Frei­gän­gig­keit der Rä­der fehlt.

An der Er­heb­lich­keit des Sach­man­gels ge­mäß  § 281 I 3 BGB be­ste­hen kei­ne Zwei­fel. Ei­ne Aus­wir­kung des Schlei­fens an der Ka­ros­se­rie auf die Ver­kehrs­si­cher­heit liegt auf der Hand.

2. Das Ge­richt ist fer­ner da­von über­zeugt, dass Ver­än­de­run­gen am Fahr­werk durch die Klä­ger­sei­te nach Über­nah­me von der Be­klag­ten nicht vor­ge­nom­men wor­den sind. Die ent­spre­chen­de Mut­ma­ßung der Be­klag­ten er­folg­te sicht­lich ins Blaue hin­ein. Das Ge­richt hat die Klä­ge­rin hier­zu per­sön­lich an­ge­hört. Ih­re Be­teue­rung, sie ha­be an dem Fahr­zeug nichts ver­än­dert, sind ab­so­lut glaub­haft ge­we­sen. Auch an­sons­ten lie­gen kei­ner­lei An­knüp­fungs­punk­te für die Fest­stel­lung der Un­glaub­wür­dig­keit der Klä­ge­rin vor. Sie hat nicht den Ein­druck ver­mit­telt, ein­sei­tig zu ih­ren Guns­ten vor­zu­tra­gen. So hat sie bei­spiels­wei­se of­fen zu­ge­stan­den, mit dem Aus­puff ein­mal auf­ge­setzt zu sein. Sie ist zu­dem an­ge­sichts der Vor­hal­tun­gen der Be­klag­ten­sei­te sicht­lich emo­tio­nal ge­trof­fen ge­we­sen. Der Ver­stoß ge­gen die Ab­sichts­er­klä­rung aus dem ers­ten Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung, das Fahr­zeug bei der Be­klag­ten ei­ner Haupt­un­ter­su­chung zu un­ter­zie­hen, ist als Aus­druck be­son­de­ren Miss­trau­ens ein­zu­ord­nen und spricht nicht schon ge­gen die Glaub­wür­dig­keit der Klä­ge­rin.

3. Die Be­klag­te wur­de vor Er­klä­rung der An­fech­tung frucht­los zur Nach­er­fül­lung in Form der Män­gel­be­sei­ti­gung auf­ge­for­dert.

4. Der Ge­währ­leis­tungs­an­spruch der Klä­ge­rin ist auch nicht ver­jährt. Die Ab­kür­zung der Ver­jäh­rungs­frist in Zif­fer VI 1 der All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen ist we­gen Ver­sto­ßes ge­gen § 202 I BGB un­wirk­sam, weil sie sich auch auf den Fall der Haf­tung we­gen Vor­sat­zes er­streckt. Zwar fin­det sich am En­de der Zif­fer VI 1 ei­ne Be­schrän­kung für den Fall der Arg­list oder Ga­ran­tie­über­nah­me. Nach dem Ge­samt­kon­text be­zieht sich die­ser Zu­satz aber le­dig­lich auf den Ver­kauf von Nutz­fahr­zeu­gen. Un­klar­hei­ten in All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen ge­hen ge­mäß § 305c II BGB zu­las­ten des Ver­wen­ders. Vor Ab­lauf der zwei­jäh­ri­gen Ver­jäh­rungs­frist des § 438 I Nr. 3 BGB ist durch die Kla­ge­er­he­bung zum 03.09.2003 (Ein­gang der am 06.09.2003 zu­ge­stell­ten Kla­ge) die Hem­mung ein­ge­tre­ten (§§ 253, 167 ZPO). Auf die Fra­ge der Arg­list (§ 438 III BGB) kommt es dem­nach nicht an.

5. Die Klä­ge­rin kann im We­ge des „gro­ßen“ Scha­dens­er­sat­zes (Scha­dens­er­satz statt der gan­zen Leis­tung) auch die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ver­lan­gen. Dem Schuld­ner steht zwar ge­mäß § 281 V BGB, § 346 I BGB ein An­spruch auf Nut­zungs­er­satz zu. Aus­weis­lich des Wort­lauts des § 281 V BGB ist der Schuld­ner je­doch nur zur Rück­for­de­rung „be­rech­tigt“. Vor­lie­gend hat die Be­klag­te ei­nen Aus­gleich der Ge­brauchs­vor­tei­le je­doch nicht be­an­sprucht. …

Hin­weis: Der 5. Zi­vil­se­nat des OLG Bam­berg hat die Be­ru­fung der Be­klag­ten nach Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens mit Ur­teil vom 03.05.2005 – 5 U 99/04 – zu­rück­ge­wie­sen und zur Be­grün­dung aus­ge­führt:

„Auch das Be­ru­fungs­ge­richt be­jaht das Vor­lie­gen ei­ner arg­lis­ti­gen Täu­schung sei­tens der Be­klag­ten. Das arg­lis­ti­ge Ver­hal­ten der Be­klag­ten liegt dar­in, dass sie un­strei­tig der Klä­ge­rin – ent­ge­gen der die Be­klag­te tref­fen­den Ver­pflich­tung – nicht of­fen­bar­te, dass an dem von der Klä­ge­rin ge­kauf­ten Pkw BMW 325t­ds Tou­ring von der Be­klag­ten selbst um­fang­rei­che La­ckier­ar­bei­ten mit Spach­te­lung (La­ckie­rung der Stoß­stan­ge und des lin­ken hin­te­ren Sei­ten­teils, dies mit lo­ka­len Spach­tel­ar­bei­ten; vgl. das Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten vom 28.2.2005, S. 3) vor­ge­nom­men wor­den sind.

Un­ter Ver­weis auf die­se La­ckier- und Spach­tel­ar­bei­ten hat die Klä­ge­rin, bei Kennt­nis durch das DE­KRA-Gut­ach­ten vom 04.12.2003, in­ner­halb der Jah­res­frist des § 124 I, II BGB mit der Be­ru­fungs­er­wi­de­rung vom 26.08.2004 den Kauf­ver­trag über den Pkw BMW 325t­ds Tou­ring we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung i. S. von § 123 I Fall 1 BGB wirk­sam an­ge­foch­ten.

Bei den oben ge­nann­ten um­fang­rei­chen La­ckier­ar­bei­ten durch die Be­klag­te han­delt es sich um ei­nen of­fen­ba­rungs­pflich­ti­gen Um­stand, auch wenn ih­nen kein Un­fall­scha­den, son­dern le­dig­lich Krat­zer am Fahr­zeug zu­grun­de la­gen. Es muss da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass auch ein mög­li­cher Kauf­in­ter­es­sent – bei­spiels­wei­se bei ei­nem Wei­ter­ver­kauf des Fahr­zeugs durch die Klä­ge­rin – die Tat­sa­che der um­fang­rei­chen Nachla­ckie­rung, ins­be­son­de­re an der Sei­ten­wand, durch ei­ne blo­ße Sicht­prü­fung er­ken­nen kann (vgl. in­so­weit das von der Klä­ge­rin er­hol­te DE­KRA-Pri­vat­gut­ach­ten, das we­gen der Nachla­ckie­run­gen an­nahm, dass ein Un­fall­scha­den vor­lie­gen wür­de). Dem­ge­mäß liegt es na­he, dass der Kauf­in­ter­es­sent auch ei­nen – wenn auch letzt­lich nicht be­grün­de­ten – Un­fall­ver­dacht he­gen und aus die­sem Grund nur ei­nen er­heb­lich ver­min­der­ten Kauf­preis ak­zep­tie­ren oder gar vom Kauf Ab­stand neh­men wird. Des­halb stellt die Tat­sa­che der La­ckie­rungs- und Spach­tel­ar­bei­ten des Fahr­zeugs der Klä­ge­rin – auch oh­ne Un­fall – ei­nen of­fen­ba­rungs­pflich­ti­gen, weil für den Wert des Fahr­zeugs er­heb­li­chen Um­stand dar.

Im Üb­ri­gen wird auf die zu­tref­fen­den Grün­de des an­ge­foch­te­nen Ur­teils des LG Co­burg zur Pro­ble­ma­tik der arg­lis­ti­gen Täu­schung wie auch zur Ver­nei­nung der Ver­jäh­rung der An­sprü­che der Klä­ge­rin ver­wie­sen. …“

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