1. Der Um­stand, dass bei ei­nem Ge­braucht­wa­gen bei ei­ner Lauf­leis­tung von 112.400 km der Zahn­rie­men reißt, recht­fer­tigt auch mit Blick auf § 476 BGB nicht die Ver­mu­tung, dass der Zahn­rie­men schon bei Ge­fahr­über­gang (§ 446 Satz 1 BGB) schad­haft ge­we­sen sei. Die­se Ver­mu­tung ist viel­mehr mit der Art der Sa­che un­ver­ein­bar (§ 476 letz­ter Halb­satz BGB), weil je­der Ge­braucht­wa­gen ei­ne Viel­zahl von Tei­len auf­weist, die mehr oder we­ni­ger ver­schlis­sen sind.
  2. Ein Kfz-Ver­käu­fer, der das Feh­len ei­nes – ge­mäß § 281 I 1, § 323 I BGB grund­sätz­lich er­for­der­li­chen – Nach­bes­se­rungs­ver­lan­gens rügt, ver­stößt da­mit auch dann nicht ge­gen Treu und Glau­ben (§ 242 BGB), wenn er über kei­ne ei­ge­ne Werk­statt ver­fügt. Denn wie der Ver­käu­fer ei­ne Nach­bes­se­rung des Fahr­zeugs be­werk­stel­ligt, ist sei­ne Sa­che.

AG Aa­chen, Ur­teil vom 10.12.2003 – 14 C 161/03

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt den Be­klag­ten, von dem er im Sep­tem­ber 2002 für 11.250 € ei­nen ge­brauch­ten, im No­vem­ber 2001 erst­zu­ge­las­se­nen Pkw Au­di A3 er­wor­ben hat, auf Scha­dens­er­satz in An­spruch.

Er be­haup­tet, am 27.01.2003 sei bei ei­ner Lauf­leis­tung von 112.400 km der Zahn­rie­men ge­ris­sen. Da­durch sei es zu ei­nem Mo­tor­scha­den ge­kom­men, und das Fahr­zeug sei in die nächst­ge­le­ge­ne – von der Fir­ma F be­trie­be­ne – Werk­statt in Aa­chen ver­bracht wor­den. Nach­dem Ver­su­che, mit dem Be­klag­ten Kon­takt auf­zu­neh­men, ge­schei­tert ge­we­sen sei­en, ha­be er, der Klä­ger, der Fir­ma F ei­nen Re­pa­ra­tur­auf­trag er­teilt, weil er auf ei­ne kurz­fris­ti­ge In­stand­set­zung des Pkw an­ge­wie­sen ge­we­sen sei. Die Fir­ma F ha­be das Fahr­zeug re­pa­riert und ihm da­für, wie zu­vor zu­ge­sagt, aus Ku­lanz le­dig­lich die Hälf­te der an­ge­fal­le­nen Kos­ten in Rech­nung ge­stellt. Die­se von ihm, dem Klä­ger, zu tra­gen­den Re­pa­ra­tur­kos­ten hät­ten 2.533,89 € be­tra­gen.

Mit sei­ner Kla­ge hat der Klä­ger den Be­klag­ten auf Zah­lung die­ses Be­trags nebst Zin­sen in An­spruch ge­nom­men. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, ge­mäß § 476 BGB sei vor­lie­gend zu ver­mu­ten, dass der Zahn­rie­men schon bei der Über­ga­be des Pkw im Sep­tem­ber 2002 schad­haft ge­we­sen sei.

Der Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Er hat gel­tend ge­macht, dass ihm der Klä­ger zu kei­nem Zeit­punkt Ge­le­gen­heit zur Be­sei­ti­gung des Man­gels ge­ge­ben ha­be, und be­strit­ten, dass der Klä­ger über­haupt ver­sucht ha­be, mit ihm vor Er­tei­lung des Re­pa­ra­tur­auf­trags Kon­takt auf­zu­neh­men. Äu­ßerst vor­sorg­lich hat der Be­klag­te dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sich der Klä­ger je­den­falls un­ter dem Ge­sichts­punkt „neu für alt“ ei­nen Vor­teils­aus­gleich an­rech­nen las­sen müs­se.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Dem Klä­ger steht kein An­spruch auf Zah­lung des ge­for­der­ten Be­trags ge­gen den Be­klag­ten zu.

Nach § 437 Nr. 3 Fall 1 BGB kann der Käu­fer vom Ver­käu­fer nach den §§ 440, 280, 281, 283, 311a BGB Scha­dens­er­satz ver­lan­gen, wenn die Sa­che man­gel­haft ist und der Käu­fer dem Ver­käu­fer er­folg­los ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Nach­er­fül­lung be­stimmt hat oder ei­ne Frist­set­zung (aus­nahms­wei­se) ent­behr­lich ist. Im hier zu ent­schei­den­den Fall fehlt es je­doch so­wohl am Sach­man­gel als auch an der not­wen­di­gen Frist­set­zung.

Nach Auf­fas­sung des Klä­gers ist al­lein aus der Tat­sa­che, dass bei ei­ner Ge­samt­lauf­leis­tung des Mo­tors von 11.2400 km der Zahn­rie­men der Mo­tor­steue­rung ge­ris­sen ist, zu fol­gern, dass das Fahr­zeug be­reits im Zeit­punkt der Über­ga­be an ihn ei­nen Sach­man­gel auf­ge­wie­sen hat. Dem kann je­doch – auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung des § 476 BGB – nicht ge­folgt wer­den.

Nach § 476 BGB wird, wenn sich in­ner­halb von sechs Mo­na­ten seit Ge­fahr­über­gang ein Sach­man­gel zeigt, ver­mu­tet, dass die Sa­che be­reits bei Ge­fahr­über­gang man­gel­haft war, es sei denn, die­se Ver­mu­tung sei mit der Art der Sa­che oder des Man­gels un­ver­ein­bar. Un­ver­ein­bar­keit mit der Art der Sa­che be­trifft vor al­lem ge­brauch­te Sa­chen, da es bei sol­chen we­gen des sehr un­ter­schied­li­chen Grads der Ab­nut­zung kei­nen ent­spre­chen­den all­ge­mei­nen Er­fah­rungs­satz gibt (vgl. Faust, in: Bam­ber­ger/​Roth, BGB, 2003, § 476 Rn. 4). Je­der ge­brauch­te Pkw weist ei­ne Viel­zahl von Tei­len auf, die sich in ei­nem mehr oder we­ni­ger fort­ge­schrit­te­nen Ver­schleiß­zu­stand be­fin­den. Et­was an­de­res kann und darf der Ge­braucht­wa­gen­käu­fer (wenn nicht et­was Be­son­de­res, bei­spiels­wei­se ei­ne Ga­ran­tie, ver­ein­bart wird) auch nicht er­war­ten (vgl. auch § 434 I 2 Nr. 2 BGB). Der Schluss, dass ein kurz nach dem Kauf ein­tre­ten­der Man­gel schon von An­fang an vor­han­den ge­we­sen sei, ist dann je­doch nicht ge­recht­fer­tigt (vgl. Faust, in: Bam­ber­ger/​Roth, a. a. , § 476 Rn. 4, und spe­zi­ell für den Riss ei­nes Zahn­rie­mens AG Of­fen­bach, Urt. v. 15.01.2003 – 380 C 286/02, DAR 2003, 178). Da nach den Vor­ga­ben des Fahr­zeug­her­stel­lers beim hier in Re­de ste­hen­den Pkw der Zahn­rie­men erst­mals bei ei­ner Lauf­leis­tung von 180.000 km aus­ge­tauscht wer­den soll, kann schon des­halb auch nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass Ur­sa­che des Scha­dens ein feh­len­der Hin­weis des Be­klag­ten an den Klä­ger auf ei­nen not­wen­di­gen Zahn­rie­men­aus­tausch war.

Ei­ne Frist zur Nach­er­fül­lung hat der Klä­ger dem Be­klag­ten un­strei­tig nicht ge­setzt. Dies will der Klä­ger da­mit recht­fer­ti­gen, dass der Be­klag­te zwi­schen­zeit­lich sei­nen Ge­schäfts­sitz ver­legt ge­habt ha­be. Dem­ge­gen­über be­ruft sich der Be­klag­te dar­auf, sei­nen Ge­schäfts­sitz nach wie vor un­ter der im schrift­li­chen Ver­trag an­ge­ge­be­nen An­schrift zu ha­ben. Dem hat auch der Klä­ger nicht wi­der­spro­chen. Im Üb­ri­gen ist der Be­klag­te zur Gü­te­ver­hand­lung auch un­ter der im schrift­li­chen Ver­trag an­ge­ge­be­nen An­schrift ge­la­den wor­den. Al­lein der Um­stand, dass der Be­klag­te die Aus­stel­lungs­flä­che in der …stra­ße auf­ge­ge­ben hat­te, be­frei­te den Klä­ger nicht von der Not­wen­dig­keit der Frist­set­zung un­ter der im Kauf­ver­trag an­ge­ge­be­nen An­schrift, und zwar wäh­rend der üb­li­chen Ge­schäfts­zei­ten. Die vom Klä­ger her­vor­ge­ho­be­ne Dring­lich­keit der Re­pa­ra­tur hät­te al­len­falls da­zu füh­ren kön­nen, die „an­ge­mes­se­ne“ Frist recht kurz zu be­mes­sen, nicht aber, die­se Frist­set­zung als gänz­lich ent­behr­lich an­zu­se­hen. Wenn der Klä­ger es un­ter­las­sen hat, vor Er­tei­lung des Re­pa­ra­tur­auf­trags über­haupt Ein­sicht in den schrift­li­chen Ver­trag zu neh­men, kann er sich nun­mehr nicht mit Er­folg dar­auf be­ru­fen, ihm sei­en wei­te­re Er­mitt­lun­gen hin­sicht­lich des Ge­schäfts­sit­zes des Be­klag­ten nicht zu­mut­bar ge­we­sen.

So­weit der Klä­ger sich dar­auf be­ru­fen will, der Be­klag­te han­de­le treu­wid­rig, wenn er sich auf das feh­len­de Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen be­ru­fe, da der Be­klag­te über kei­ne ei­ge­ne Re­pa­ra­tur­werk­statt ver­fü­ge, kann dem nicht ge­folgt wer­den. Wie der Ver­käu­fer, der zur Nach­er­fül­lung ver­pflich­tet ist, die­se be­werk­stel­ligt, ist sei­ne Sa­che. Über ei­ne ei­ge­ne Re­pa­ra­tur­werk­statt dürf­ten sehr vie­le Ver­käu­fer nicht ver­fü­gen. Woll­te man die­sen über § 242 BGB die Be­ru­fung auf das feh­len­de Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen des Käu­fers ver­sa­gen, wür­de da­mit die ge­setz­li­che Re­ge­lung über die Rech­te und Pflich­ten von Ver­käu­fern und Käu­fern aus­ge­he­belt. Dies kann nicht Sinn und Zweck des § 242 BGB sein. …

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