Mit der Un­ter­zeich­nung ei­nes Be­stell­for­mu­lars trägt der po­ten­zi­el­le Käu­fer ei­nem Kraft­fahr­zeug­händ­ler i. S. von § 145 BGB den Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­trags über das in dem Be­stell­for­mu­lar be­zeich­ne­te Fahr­zeug an. Nimmt der Händ­ler die­sen schrift­li­che An­trag nicht so­gleich an, so ist er als An­trag an ei­nen Ab­we­sen­den i. S. von § 147 II BGB zu be­han­deln (vgl. BGH, Urt. v. 17.09.1984 – II ZR 23/84, WM 1984, 1391 = NJW 1985, 196 un­ter 2 m. w. Nachw.).

BGH, Ur­teil vom 15.10.2003 – VI­II ZR 329/02

Sach­ver­halt: Der Klä­ger un­ter­zeich­ne­te am 31.07.2001 ein For­mu­lar, mit dem er bei der Be­klag­ten für 10.041,83 DM ein ge­brauch­tes, am 06.08.2001 zu lie­fern­des Mo­tor­rad der Mar­ke Y be­stell­te. In dem Be­stell­for­mu­lar wur­de un­ter „Zah­lungs- und Fi­nan­zie­rungs­be­din­gun­gen“ auf­ge­nom­men, dass am 03.08.2001 ei­ne An­zah­lung von 4.000 DM in bar er­fol­gen und die B-Bank den rest­li­chen Kauf­preis in Hö­he von 5.999 DM zah­len sol­le. Das For­mu­lar ent­hält fer­ner fol­gen­de Be­stim­mung:

„An die­se Be­stel­lung ist der Käu­fer vier Wo­chen ge­bun­den. Der Kauf­ver­trag ist ab­ge­schlos­sen, wenn der Ver­käu­fer die An­nah­me der Be­stel­lung in­ner­halb der Frist schrift­lich be­stä­tigt hat oder die Lie­fe­rung aus­ge­führt ist.“

Nach­dem die B-Bank ei­ne Fi­nan­zie­rungs­an­fra­ge der Be­klag­ten am 31.07.2001 ab­schlä­gig be­schie­den hat­te, ver­kauf­te die Be­klag­te das Mo­tor­rad am sel­ben Tag an ei­nen an­de­ren Kun­den.

Der Klä­ger hat ein Er­satz­mo­tor­rad zu ei­nem hö­he­ren Preis er­wor­ben und die Be­klag­te auf Scha­dens­er­satz in Hö­he des Dif­fe­renz­be­trags von 2.598,17 DM (= 1.328,42 €) in An­spruch ge­nom­men.

Das Amts­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen; das Land­ge­richt hat die hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung des Klä­gers zu­rück­ge­wie­sen. Auch des­sen Re­vi­si­on, mit der er sei­nen sei­nen Zah­lungs­an­spruch wei­ter­ver­folg­te, hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Zur Be­grün­dung hat das Land­ge­richt aus­ge­führt, das Amts­ge­richt ha­be zu Recht fest­ge­stellt, dass zwi­schen den Par­tei­en kein Kauf­ver­trag über das Mo­tor­rad ab­ge­schlos­sen wor­den sei. Es brau­che nicht ent­schie­den zu wer­den, ob die ver­ein­bar­te vier­wö­chi­ge Bin­dungs­frist un­an­ge­mes­sen lang und da­her ge­mäß § 10 Nr. 1 AGBG un­wirk­sam sei, da auch in die­sem Fall ein Kauf­ver­trag zwi­schen den Par­tei­en nicht zu­stan­de ge­kom­men sei. In die­sem Fall grif­fen ge­mäß § 6 II AGBG die all­ge­mei­nen ge­setz­li­chen Re­geln ein; sei­tens der Be­klag­ten sei we­der bei den Ver­trags­ver­hand­lun­gen über den Ver­trags­schluss ei­ne Ver­trags­an­nah­me un­ter An­we­sen­den ge­mäß § 147 I BGB er­klärt noch ei­ne An­nah­me­er­klä­rung un­ter Ab­we­sen­den ge­mäß § 147 II BGB ab­ge­ge­ben wor­den.

Der Klä­ger kön­ne die Mehr­kos­ten für das er­satz­wei­se be­schaff­te Mo­tor­rad auch nicht aus dem Ge­sichts­punkt des Ver­schul­dens bei Ver­trags­schluss er­setzt ver­lan­gen. Hier be­haup­te der Klä­ger, er ha­be der Be­klag­ten noch am 31.07.2001 nach Mit­tei­lung des Schei­terns der Fi­nan­zie­rung die Bar­zah­lung des ge­sam­ten Kauf­prei­ses an­ge­bo­ten, das Mo­tor­rad sei je­doch zu die­sem Zeit­punkt schon ver­kauft ge­we­sen. Ei­ne Haf­tung we­gen Ver­schul­dens bei Ver­trags­schluss kä­me nur dann in Be­tracht, wenn der Klä­ger der Be­klag­ten die so­for­ti­ge Bar­zah­lung des ge­sam­ten Kauf­prei­ses nach Schei­tern der Fi­nan­zie­rungs­an­fra­ge zu ei­nem Zeit­punkt an­ge­bo­ten hät­te, in dem das Mo­tor­rad noch nicht an­der­wei­tig ver­äu­ßert wor­den sei. Hier aber ha­be die Be­klag­te das Mo­tor­rad nach der ne­ga­ti­ven Aus­kunft der B-Bank oh­ne wei­te­re Rück­fra­ge beim Klä­ger an ei­nen Drit­ten ver­äu­ßert. Die­se Vor­ge­hens­wei­se stel­le kein Ver­schul­den bei Ver­trags­ver­hand­lun­gen dar, da den Ver­käu­fer bei Schei­tern der Fi­nan­zie­rung kei­ne Rück­fra­ge­pflicht beim Käu­fer tref­fe, ob die­ser den Kauf­preis auf an­de­re Wei­se er­brin­gen kön­ne, be­vor er, der Ver­käu­fer, be­rech­tigt sei, das Fahr­zeug an­der­wei­tig zu ver­äu­ßern. Die In­ter­es­sen­la­ge des Ver­käu­fers ver­bie­te es auch, den Ver­trag da­hin ge­hend aus­zu­le­gen, dass ei­ne vor­ver­trag­li­che Bin­dung ge­wollt sei.

II. Ge­gen die­se Aus­füh­run­gen wen­det sich die Re­vi­si­on oh­ne Er­folg und ist da­her zu­rück­zu­wei­sen.

1. Auf das vor dem 01.01.2002 ent­stan­de­ne Schuld­ver­hält­nis der Par­tei­en sind die Vor­schrif­ten des Bür­ger­li­chen Ge­setz­bu­ches und des AGB-Ge­set­zes in der bis zu die­sem Zeit­punkt gel­ten­den Fas­sung an­wend­bar (Art. 229 § 5 EGBGB).

Ei­nen ver­trag­li­chen Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klä­gers we­gen Nicht­er­fül­lung ge­mäß § 326 I 2 BGB a.F. ha­ben die Vor­in­stan­zen zu Recht ver­neint. Da­bei kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob die in dem vom Klä­ger un­ter­zeich­ne­ten Be­stell­for­mu­lar zu­guns­ten der Be­klag­ten be­stimm­te vier­wö­chi­ge An­nah­me­frist un­an­ge­mes­sen lang und da­mit nach § 10 Nr. 1 AGBG (jetzt: § 308 Nr. 1 BGB) un­wirk­sam ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.09.2000 – VI­II ZR 34/00, BGHZ 145, 139, 143 [Ver­kauf vor­rä­ti­ger Mö­bel]). In letz­te­rem Fall tritt an die Stel­le der un­wirk­sa­men An­nah­me­frist ge­mäß § 6 II AGBG (jetzt: § 306 II BGB) die ge­setz­li­che Re­ge­lung des § 147 BGB. Da die schrift­li­che Be­stel­lung des Klä­gers vom 31.07.2001, die von der Be­klag­ten nicht so­fort an­ge­nom­men wur­de, als ein An­trag un­ter Ab­we­sen­den zu be­han­deln ist (vgl. BGH, Urt. v. 17.09.1984 – II ZR 23/84, WM 1984, 1391 = NJW 1985, 196 un­ter 2 m. w. Nachw.), konn­te die­ser An­trag nur in­ner­halb der Frist des § 147 II BGB an­ge­nom­men wer­den.

Nach­dem die Be­klag­te je­doch – nach Ab­leh­nung der vor­ge­se­he­nen Fi­nan­zie­rung des Rest­kauf­prei­ses durch die B-Bank – den Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­trags mit dem Klä­ger ver­wei­gert hat, ist des­sen An­trag er­lo­schen (§ 146 BGB).

2. Ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on liegt auch kein Vor­ver­trag zwi­schen den Par­tei­en vor, durch den die Be­klag­te im Fal­le der – auch an­der­wei­tig – ge­si­cher­ten Kauf­preis­zah­lung zum Ab­schluss des Kauf­ver­trags ver­pflich­tet ge­we­sen wä­re. Da­bei ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass die An­nah­me ei­nes Vor­ver­trags nur ge­recht­fer­tigt ist, wenn be­son­de­re Um­stän­de dar­auf schlie­ßen las­sen, dass die Par­tei­en sich – aus­nahms­wei­se – schon bin­den woll­ten, be­vor sie al­le Ver­trags­punk­te ab­schlie­ßend ge­re­gelt hat­ten (Se­nat, Urt. v. 26.03.1980 – VI­II ZR 150/79, WM 1980, 805 = NJW 1980, 1577 un­ter 1 c cc m. w. Nachw.; s. auch Münch­Komm-BGB/​Kra­mer, 4. Aufl., vor § 145 Rn. 43). Durch die Ver­wen­dung des Be­stell­for­mu­lars der Be­klag­ten ha­ben die Par­tei­en je­doch, wie das Be­ru­fungs­ge­richt rechts­feh­ler­frei an­ge­nom­men hat (§§ 133, 157 BGB), zum Aus­druck ge­bracht, dass vor ei­ner An­nah­me des An­trags durch die Ver­käu­fe­rin kei­ne ver­trag­li­che Bin­dung be­ste­hen soll­te, dem­nach auch nicht auf­grund ei­nes Vor­ver­trags.

3. Ei­ne Scha­dens­er­satz­pflicht der Be­klag­ten we­gen Ver­schul­dens bei Ver­trags­ver­hand­lun­gen schei­det gleich­falls aus.

Im Rah­men der Ver­trags­frei­heit hat je­der Ver­trags­part­ner grund­sätz­lich bis zum Ver­trags­ab­schluss das Recht, von dem in Aus­sicht ge­nom­me­nen Ver­trags­ab­schluss Ab­stand zu neh­men. Ein Scha­dens­er­satz­an­spruch we­gen Ab­bruchs von Ver­trags­ver­hand­lun­gen kommt dann in Be­tracht, wenn ein Ver­trags­part­ner bei der Ge­gen­sei­te zu­re­chen­bar das aus des­sen Sicht be­rech­tig­te Ver­trau­en er­weckt hat, der Ver­trag wer­de mit Si­cher­heit zu­stan­de kom­men, so­dann aber die Ver­trags­ver­hand­lun­gen oh­ne trif­ti­gen Grund ab­bricht (vgl. Se­nat, Urt. v. 10.01.1996 – VI­II ZR 327/94, WM 1996, 738 un­ter II 3 b bb; BGH, Urt. v. 07.12.2000 – VII ZR 360/98, WM 2001, 684 = NJW-RR 2001, 381 un­ter II 2 a, je­weils m. w. Nachw.). Wenn auch das Ver­trags­an­ge­bot beim An­ge­bots­emp­fän­ger ge­wis­se Sorg­falts­pflich­ten, ins­be­son­de­re die Pflicht zu ei­ner sorg­fäl­ti­gen Be­hand­lung des An­ge­bots, aus­lö­sen kann (vgl. RG, Urt. v. 12.07.1923 – VI 5/23, RGZ 107, 240, 242; Stau­din­ger/​Bork, BGB, Neu­be­arb. 2003, § 145 Rn. 37), ist die­ser doch in sei­ner Ent­schei­dung frei, ob er den an­ge­tra­ge­nen Ver­trag schlie­ßen will.

Ein treu­wid­ri­ges Ver­hal­ten im Sin­ne der oben­ge­nann­ten Recht­spre­chung ist der Be­klag­ten nicht vor­zu­wer­fen. Wie die Be­klag­te un­wi­der­legt vor­ge­tra­gen hat und es auch der Le­bens­er­fah­rung ent­spricht, soll­te die An­nah­me der Be­stel­lung des Klä­gers al­lein noch von der Fi­nan­zie­rungs­zu­sa­ge der B-Bank ab­hän­gen. Nach­dem die Kre­dit­an­fra­ge für den Klä­ger sei­tens der B-Bank noch am 31.07.2001 ab­schlä­gig be­schie­den wor­den war, war die Be­klag­te im In­ter­es­se ei­nes bal­di­gen Ver­kaufs des vor­rä­ti­gen ge­brauch­ten Mo­tor­rads be­fugt, die­ses an ei­nen zur Bar­zah­lung be­rei­ten Käu­fer zu ver­äu­ßern. Ei­ne Ver­pflich­tung zu ei­nem noch­ma­li­gen Ein­tritt in Ver­trags­ver­hand­lun­gen mit dem Klä­ger, wo­bei nicht da­von aus­zu­ge­hen war, dass die­ser nun­mehr zu ei­ner Bar­zah­lung in der La­ge sein wür­de, traf die Be­klag­te ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on nach dem ge­schei­ter­ten Ver­trags­ab­schluss nicht. Auf den Ge­sichts­punkt, dass im Re­gel­fall we­gen treu­wid­ri­gen Ab­bruchs der Ver­trags­ver­hand­lun­gen zwi­schen den künf­ti­gen Ver­trags­par­tei­en nur das Ver­trau­ens­in­ter­es­se er­setzt wird, kommt es nicht mehr an (vgl. BGH, Urt. v. 06.06.1998 – XII ZR 126/96, NJW 1998, 2900 m. w. Nachw.).

PDF er­stel­len