1. Ein Ge­braucht­wa­gen, der bei ei­nem Ein­bruch­dieb­stahl be­schä­digt wur­de, darf auch dann als un­fall­frei be­zeich­net wer­den, wenn zur Be­sei­ti­gung des Scha­dens die Fah­rer­tür aus­ge­tauscht wur­de.
  2. Der Ver­käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens muss ei­nem Kauf­in­ter­es­sen­ten nicht un­ge­fragt mit­tei­len, dass das Fahr­zeug bei ei­nem Ein­bruch­dieb­stahl be­schä­digt wor­den ist und die­ser Scha­den durch ei­nen Aus­tausch der Fah­rer­tür – voll­stän­dig – be­sei­tigt wur­de.

LG Kle­ve, Ur­teil vom 24.10.2003 – 5 S 93/03

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin ver­langt die Her­ab­set­zung des Kauf­prei­ses, den sie für ei­nen Ge­braucht­wa­gen ge­zahlt hat, weil sie nach ih­rer Auf­fas­sung – ent­ge­gen der Zu­si­che­rung der be­klag­ten Ver­käu­fe­rin – kein un­fall­frei­es Fahr­zeug er­hal­ten hat.

Am 25.11.2000 kauf­te die Klä­ge­rin von der Be­klag­ten un­ter Aus­schluss der Ge­währ­leis­tung ei­nen da­mals zwei Jah­re al­ten VW Golf für 20.950 DM. Im schrift­li­chen Kauf­ver­trag wur­de das Fahr­zeug als un­fall­frei be­zeich­net. Es war al­ler­dings – was die Be­klag­te der Klä­ge­rin nicht mit­teil­te – bei ei­nem Ein­bruch­dieb­stahl be­schä­digt wor­den, und die­ser Scha­den in Ge­stalt von Kratz­spu­ren an dem sei­ner­zeit erst drei Mo­na­te al­ten Fahr­zeug war durch Aus­tau­schen der Schließ­an­la­ge und der Fah­rer­tür be­sei­tigt wor­den.

Die Klä­ge­rin be­haup­tet, trotzt die­ser Maß­nah­men sei ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert von 4.000 € (= 2.045,17 €) ver­blie­ben und ver­langt von der Be­klag­ten die Zah­lung die­ses Be­tra­ges nebst Zin­sen.

Das Amts­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, dass die Klä­ge­rin kei­nen An­spruch auf Scha­dens­er­satz ge­gen die Be­klag­te ha­be, da das der Klä­ge­rin über­ge­be­ne Fahr­zeug – ent­spre­chend den An­ga­ben der Be­klag­ten – un­fall­frei ge­we­sen sei. Die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung der Klä­ge­rin hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Der Klä­ge­rin steht ge­gen­über der Be­klag­ten kein Zah­lungs­an­spruch zu.

Ein An­spruch auf Her­ab­set­zung des Kauf­prei­ses (Min­de­rung) we­gen des Feh­lens ei­ner zu­ge­si­cher­ten Ei­gen­schaft ge­mäß §§ 459 II, 462 BGB a.F. be­steht nicht, weil die Be­klag­te le­dig­lich die Un­fall­frei­heit des Wa­gens und nicht dar­über hin­aus das Feh­len jeg­li­cher Vor­schä­den zu­ge­si­chert hat.

Bei der Fra­ge, was un­ter „un­fall­frei“ zu ver­ste­hen ist, ist auf die Ver­kehrs­auf­fas­sung ab­zu­stel­len (Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 8. Aufl. [2003], Rn. 1146). Wenn durch stra­ßen­ver­kehrs­un­ty­pi­sche Ein­wir­kun­gen von au­ßen Schä­den an ei­nem Kraft­fahr­zeug ver­ur­sacht wer­den, die schon nach ih­rem äu­ße­ren Er­schei­nungs­bild Fol­gen ei­ner de­lik­ti­schen Pla­nung sind, han­delt es sich nicht um ei­nen „Un­fall“ (vgl. – zur straf­recht­li­chen Sicht – BGH, Urt. v. 15.11.2001 – 4 StR 233/01, NJW 2002, 626 [627]; Trönd­le/Fi­scher, StGB, 50. Aufl., § 142 Rn. 12). Es wür­de auch dem all­ge­mei­nen Ver­kehrs­in­ter­es­se wi­der­spre­chen, wenn der Be­griff „un­fall­frei“ das Feh­len jeg­li­cher Vor­be­schä­di­gun­gen um­fas­sen wür­de. Falls selbst ge­ring­fü­gi­ge, aus­ge­bes­ser­te Schä­den, wie zum Bei­spiel Lack­schä­den, die durch Stein­schlag, un­vor­sich­ti­ges Tür­öff­nen oder ähn­li­che Un­acht­sam­kei­ten ent­stan­den sind, ein Fahr­zeug zu ei­nem Un­fall­wa­gen ma­chen wür­den, gä­be es kei­nen un­fall­frei­en Ge­braucht­wa­gen, denn Kleinst­schä­den die­ser Art las­sen sich beim mehr­jäh­ri­gen Ge­brauch ei­nes Kraft­fahr­zeu­ges nicht ver­mei­den (vgl. OLG Mün­chen, Urt. v. 20.06.2002 – 19 U 5820/01; OLG Hamm, Urt. v. 29.09.1994 – 28 U 175/93).

Auch ein Scha­dens­er­satz­an­spruch we­gen Nicht­er­fül­lung nach § 463 Satz 1 BGB a.F. be­steht nicht, weil dem Wa­gen – wie dar­ge­stellt – zur Zeit des Kaufs kei­ne zu­ge­si­cher­te Ei­gen­schaft ge­fehlt hat.

Ein Scha­dens­er­satz­an­spruch we­gen Nicht­er­fül­lung nach § 463 Satz 2 BGB a.F. ist eben­falls nicht ge­ge­ben. Ein sol­cher An­spruch setzt vor­aus, dass der Ver­käu­fer ei­nen bei Ver­trags­schluss und Ge­fahr­über­gang vor­han­de­nen Feh­ler arg­lis­tig (mit Täu­schungs­wil­len) ver­schwie­gen hat. Da­bei kann die Arg­list auch in ei­ner un­ter­las­se­nen (recht­lich ge­bo­te­nen) Auf­klä­rung lie­gen.

Ist dem Ver­käu­fer ei­nes ge­brauch­ten Kraft­fahr­zeugs ein Man­gel oder ein frü­he­rer Un­fall­scha­den (der kein Ba­ga­tell­scha­den ist) be­kannt oder hält er sol­che Schä­den auf­grund kon­kre­ter An­halts­punk­te we­nigs­tens für mög­lich, so hat er die­sen Um­stand auch un­ge­fragt dem Käu­fer mit­zu­tei­len, wenn er sich nicht dem Vor­wurf arg­lis­ti­gen Ver­schwei­gens aus­set­zen will (BGH, Urt. v. 03.03.1982 – VI­II ZR 78/81, NJW 1982, 1386; Land­scheidt/Seg­bers, NZV 1991, 289 [293]; vgl. auch be­züg­lich Schä­den durch Ha­gel­schlag, die Fol­ge­schä­den durch Rost ver­ur­sa­chen kön­nen: OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 23.01.1992 – 13 U 148/91).

Ei­ne Aus­deh­nung die­ser Recht­spre­chung auf Vor­be­schä­di­gun­gen der vor­lie­gen­den Art ist bei Ge­braucht­fahr­zeu­gen nicht ge­recht­fer­tigt. Durch den Aus­tausch der Tür und der Schließ­an­la­ge ist der Auf­bruch­scha­den voll­stän­dig be­sei­tigt wor­den. Ei­ne Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung oder auch nur ei­ne op­ti­sche Be­ein­träch­ti­gung liegt nicht vor. Der Un­ter­schied zu den Fäl­len re­pa­rier­ter Un­fall­schä­den liegt im Fol­gen­den: Bei Ver­kehrs­un­fäl­len wir­ken sich häu­fig er­heb­li­che En­er­gi­en auf die be­tei­lig­ten Fahr­zeu­ge aus. Auch nach ei­ner Re­pa­ra­tur ver­bleibt da­her der be­grün­de­te Ver­dacht, dass es zu un­er­kann­ten Fol­ge­schä­den (Ver­zie­hun­gen, klei­ne Ris­se, Rost auch an nicht un­mit­tel­bar be­trof­fe­nen Tei­len) ge­kom­men ist oder kom­men kann. Dies ist bei ei­nem Auf­bruch­scha­den, des­sen Aus­wir­kun­gen ein­deu­tig nur die aus­ge­tausch­te Tür be­tref­fen, an­ders. Die In­ter­es­sen des Käu­fers sind hier­durch nicht un­zu­mut­bar be­schränkt. Er kann sich durch Nach­fra­ge und durch Ein­ho­lung ent­spre­chen­der Zu­si­che­run­gen ab­si­chern.

Es kann da­her da­hin­ge­stellt blei­ben, ob der Klä­ge­rin über­haupt ein Scha­den ent­stan­den ist (vgl. OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 08.11.2002 – 3 U 37/02, NZV 2003, 94, zur Nachla­ckie­rung ei­nes Ge­braucht­wa­gens).

Eben­so we­nig be­steht ein Scha­dens­er­satz­an­spruch un­ter dem Ge­sichts­punkt der po­si­ti­ven Ver­trags­ver­let­zung, des Ver­schul­dens bei Ver­trags­schluss oder aus un­er­laub­ter Hand­lung ge­mäß §§ 823, 826, 831 BGB, da ei­ne Auf­klä­rungs­pflicht hin­sicht­lich des re­pa­rier­ten Auf­bruch­scha­dens aus den ge­nann­ten Grün­den nicht be­stand. …

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