1. Der Ver­käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens muss den Käu­fer dar­über auf­klä­ren, dass das Fahr­zeug für ei­ne ge­wis­se Zeit in ei­nem Fluss ge­le­gen hat. An die­ser Auf­klä­rungs­pflicht än­dert nichts, dass dem Ver­käu­fer un­be­kannt sein mag, wie lan­ge (hier: et­wa ein Jahr lang) das Fahr­zeug in dem Fluss ge­le­gen hat.
  2. Der Ver­käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens ist ver­pflich­tet, dem Käu­fer al­le Tat­sa­chen zu of­fen­ba­ren, die für den Kauf­ent­schluss des Käu­fers und die Durch­füh­rung des Kauf­ver­trags von Be­deu­tung sein kön­nen und de­ren Mit­tei­lung der Käu­fer im kon­kre­ten Fall nach Treu und Glau­ben er­war­ten kann.

OLG Ko­blenz, Ur­teil vom 05.09.2002 – 5 U 44/02

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von dem Be­klag­ten, die ein Au­to­haus be­treibt, am 05.05.1999 un­ter Aus­schluss der Ge­währ­leis­tung ei­nen ge­brauch­ten Pkw BMW 316i zum Preis von 13.950 DM.

Be­vor das am 10.04.1992 erst­zu­ge­las­se­ne Fahr­zeug, das sei­ner­zeit ei­ne Lauf­leis­tung von 69.430 km auf­wies, an den Be­klag­ten ge­langt war, hat­te es den Ehe­leu­ten E/ ge­hört. Die­se hat­ten es ih­rer­seits von V ge­kauft. V wie­der­um hat­te den Pkw schwerst­be­schä­digt von ei­nem Schrott­händ­ler er­wor­ben, nach­dem das Fahr­zeug Leit­plan­ken durch­bro­chen und an­schlie­ßend et­wa ein Jahr lang im Rhein ge­le­gen hat­te, und dann neu her­ge­rich­tet.

In dem schrift­li­chen Kauf­ver­trag, den der Klä­ger mit dem Be­klag­ten schloss, wird un­ter „Un­fall­schä­den laut Vor­be­sit­zer“ ein „Front­scha­den“ er­wähnt. Die Fra­ge da­nach, ob dem Ver­käu­fer „auf an­de­re Wei­se Un­fall­schä­den be­kannt“ sei­en, ist ver­neint.

In dem vor­lie­gen­den Rechts­streit hat der Klä­ger den Be­klag­ten auf Zah­lung von 11.550 DM nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Rück­ge­währ des BMW 316i, in An­spruch ge­nom­men und die Fest­stel­lung be­gehrt, dass der Be­klag­te mit der An­nah­me des Fahr­zeugs in Ver­zug ist. Dem Zah­lungs­an­spruch liegt zu­grun­de, dass der Klä­ger sich auf den zu­rück­zu­ge­wäh­ren­den Kauf­preis (13.950 DM) ei­ne dem Be­klag­ten zu­ste­hen­de Nut­zungs­ent­schä­di­gung für 24.000 ge­fah­re­ne Ki­lo­me­ter in Hö­he von 2.400 DM an­rech­nen lässt.

Das Land­ge­richt hat die Ehe­leu­te E und ei­nen Ver­kaufs­mit­ar­bei­ter des Be­klag­ten (M) als Zeu­gen ge­hört und die Kla­ge so­dann ab­ge­wie­sen. Es hat ge­meint, dass dem Be­klag­ten ein arg­lis­ti­ges Ver­hal­ten nicht nach­zu­wei­sen sei. Greif­ba­re An­halts­punk­te da­für, dass der Be­klag­te oder ei­ner sei­ner Mit­ar­bei­ter ge­wusst hät­ten, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che Pkw lan­ge im Rhein ge­le­gen ha­be, be­stün­den nicht. Zwar sei auf­sei­ten des Be­klag­ten be­kannt ge­we­sen, dass sich das Fahr­zeug über­haupt im Was­ser be­fun­den ha­be, doch ha­be dies dem Klä­ger nicht of­fen­bart wer­den müs­sen.

Mit sei­ner da­ge­gen ge­rich­te­ten Be­ru­fung hat der Klä­ger sein erst­in­stanz­li­ches Kla­ge­ziel der Sa­che nach wei­ter­ver­folgt, al­ler­dings nur noch die Zah­lung von 11.500 DM ver­langt. Der Klä­ger hat ge­meint, dass der Be­klag­te ihn – ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Land­ge­richts – je­den­falls dar­über hät­te auf­klä­ren müs­sen, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che Pkw im Was­ser ge­le­gen ha­be.

Das Rechts­mit­tel hat­te im We­sent­li­chen Er­folg.

Aus den Grün­den: Die Be­ru­fung führt zur Auf­he­bung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils und zu ei­nem weit­rei­chen­den Zu­spruch der Kla­ge. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Land­ge­richts kann der Klä­ger den Be­klag­ten auf Scha­dens­er­satz in An­spruch neh­men.

1. Die For­de­rungs­be­rech­ti­gung des Klä­gers er­gibt sich aus § 463 BGB a.F.

Sie wird nicht da­durch ein­ge­schränkt, dass sich die Par­tei­en am 08.08.2001 im Zu­ge des erst­in­stanz­li­chen Ver­fah­rens auf ei­ne Zah­lung von le­dig­lich 4.000 DM durch den Be­klag­ten ver­gli­chen ha­ben und die­ser Ver­gleich nicht in­ner­halb der da­für grund­sätz­lich vor­ge­se­he­nen, bis zum 22.08.2001 ter­mi­nier­ten Frist, son­dern erst da­nach, näm­lich am 27.08.2001 von­sei­ten des Klä­gers und am 31.08.2001 durch den Be­klag­ten, wi­der­ru­fen wur­de. Denn die Wi­der­rufs­frist war ent­spre­chend ver­län­gert wor­den. Das konn­te zwar nicht da­durch ge­sche­hen, dass dies das Land­ge­richt am 20.08.2001 ver­füg­te, weil es sich we­der um ei­ne ge­setz­li­che noch um ei­ne rich­ter­lich be­stimm­te Frist han­del­te. Aber da­zu kam es kraft ei­ner da­hin ge­hen­den Par­tei­ver­ein­ba­rung (vgl. Zöl­ler/Stö­ber, ZPO, 23. Aufl., § 794 Rn. 10c). Der Klä­ger hat un­wi­der­spro­chen vor­ge­tra­gen, dass es vor dem re­gu­lä­ren Frist­ab­lauf ei­ne sol­che Ab­re­de gab.

2. An­ders als das Land­ge­richt sieht der Se­nat be­reits in dem Um­stand, dass sich der ver­kauf­te Pkw über­haupt für ei­ne ge­wis­se Zeit im Rhein be­fun­den hat, ei­ne auf­klä­rungs­pflich­ti­ge Tat­sa­che, die dem Klä­ger vor­ent­hal­ten wur­de.

In­so­fern kann es den Be­klag­ten nicht ent­las­ten, wenn er von ei­nem lang­fris­ti­gen Ver­bleib (mehr als ein Jahr, wie er Be­klag­te erst­in­stanz­lich bin­dend zu­ge­stan­den hat; vgl. Kla­ge­er­wi­de­rung, S. 2) des Au­tos im Was­ser kei­ne Kennt­nis hat­te. Denn sein Un­ter­neh­men hat­te, wie er nicht be­strei­tet, auf­grund der An­ga­ben der Ehe­leu­te E je­den­falls da­von er­fah­ren, dass das Fahr­zeug in den Rhein ge­langt und dort Feuch­tig­keits­ein­wir­kun­gen aus­ge­setzt ge­we­sen war. Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob der Be­klag­te per­sön­lich ent­spre­chend in­for­miert war oder ob le­dig­lich sein Ver­käu­fer M, an des­sen Un­ter­rich­tung der Se­nat nach den vor­lie­gen­den Zeu­gen­aus­sa­gen eben­so we­nig wie das Land­ge­richt zwei­felt, Be­scheid wuss­te. Denn des­sen Wis­sen muss sich der Be­klag­te zu­rech­nen las­sen (§ 166 I BGB).

Die Of­fen­ba­rungs­pflicht ent­fiel nicht et­wa des­halb, weil der Pkw vor sei­nem Ver­kauf über­prüft wor­den war und sich da­bei, wenn man dem Be­klag­ten folgt, kei­ne greif­ba­ren Män­gel her­aus­ge­stellt hat­ten. Denn das ge­währ­leis­te­te nicht, dass das Au­to den Was­ser­ein­tritt, zu dem es ge­kom­men war, un­be­scha­det über­stan­den hat­te. Viel­mehr muss­te mit dem Ge­gen­teil ge­rech­net wer­den. So hat auch der Ver­käu­fer M als Zeu­ge be­kun­det, ihm sei be­kannt ge­we­sen, dass es wäh­rend der Be­sitz­zeit des Ehe­paars E im­mer wie­der Re­pa­ra­tur­pro­ble­me mit dem Wa­gen ge­ge­ben ha­be. Zu­dem ist der Zeu­gen­aus­sa­ge E zu ent­neh­men, dass der Sohn des Be­klag­ten das Au­to als „Schrott­hau­fen“ be­zeich­net hat­te. Da­mit steht im Ein­klang, dass dann in der Be­sitz­zeit des Klä­gers im­mer wie­der Schwä­chen in der Elek­tro­nik auf­tra­ten und das Fahr­zeug häu­fig nicht an­sprang.

Vor die­sem Hin­ter­grund durf­te man sich auf­sei­ten des Be­klag­ten nicht dar­auf be­schrän­ken, den Klä­ger le­dig­lich auf ei­nen Front­scha­den hin­zu­wei­sen. Das ver­schlei­er­te die Ge­fah­ren­la­ge, die, aus­ge­hend von den Näs­see­inwir­kun­gen, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die elek­trisch ge­steu­er­ten Ein­rich­tun­gen am Au­to be­stand.

Es ist an­er­kannt, dass der Ver­käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens ver­pflich­tet ist, al­le Tat­sa­chen zu of­fen­ba­ren, die für die Ver­trags­ent­schlie­ßung des Käu­fers oder für die Ver­trags­durch­füh­rung von Be­deu­tung sein kön­nen und de­ren Mit­tei­lung un­ter den kon­kre­ten Ge­ge­ben­hei­ten nach Treu und Glau­ben er­war­tet wer­den kann (BGH, Urt. v. 26.10.1988 – VI­II ZR 230/87, NJW-RR 1989, 211, 212; Rein­king/​Eg­gert, Der Au­to­kauf, 5. Aufl., Rn. 1873). Des­halb hat­te im vor­lie­gen­den Fall auch der Klä­ger ei­nen An­spruch dar­auf, au­ßer auf den der Ver­käu­fer­sei­te be­kann­ten Front­scha­den, auf den zu­sätz­li­chen Um­stand hin­ge­wie­sen zu wer­den, dass das Au­to, wie der Ver­käu­fer M sei­nen Kennt­nis­stand be­schrie­ben hat, „im Was­ser ge­stan­den hat­te“.

In­dem das nicht ge­schah, wur­de die Vor­schä­di­gung in ih­rem Aus­maß ver­harm­lost.

3. Das führt auf der Grund­la­ge des § 463 BGB a.F. zur Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags („gro­ßer Scha­dens­er­satz“) der­ge­stalt, dass der Be­klag­te grund­sätz­lich ge­hal­ten ist, dem Klä­ger den Kauf­preis von 13.950,00 DM Zug um Zug ge­gen die Rück­über­tra­gung des Fahr­zeugs zu er­stat­ten. Da der Klä­ger mit dem Wa­gen ge­fah­ren ist und da­durch Nut­zun­gen ge­zo­gen hat, muss er al­ler­dings im We­ge der Vor­teils­aus­glei­chung ei­ne An­spruchs­kür­zung hin­neh­men. In­so­weit ist für je­den zu­rück­ge­leg­ten Ki­lo­me­ter ein Be­trag in Ab­zug zu brin­gen, der dem Quo­ti­en­ten aus dem Kauf­preis von 13.950 DM und der im Zeit­punkt des Kaufs zu er­war­ten­den Rest­lauf­leis­tung von, wie be­reits das Land­ge­richt be­merkt hat, 100.000 km ent­spricht (BGH, Urt. v. 26.06.1991 – VI­II ZR 198/90, BGHZ 115, 47, 49; Urt. v. 17.05.1995 – VI­II ZR 70/94, NJW 1995, 2159, 2161 = MDR 1995, 787).

Nach sei­nem ei­ge­nen Vor­trag fuhr der Klä­ger das Au­to über ei­ne Stre­cke von 24.000 km. Wei­ter­ge­hen­de Ge­brauchs­vor­tei­le hat der Be­klag­te nicht un­ter Be­weis ge­stellt. Da­mit ge­langt man zu ei­nem An­rech­nungs­be­trag von \left(\frac{\text{13.950 €}\times\text{24.000 km}}{\text{100.000 km}}=\right) 3.348 DM. Mit­hin ver­bleibt für den Klä­ger ein Rück­ge­währan­spruch von 10.602 DM oder 5.420,72 €.

Dar­auf hat der Be­klag­te, aus­ge­löst durch das an­walt­li­che Mahn­schrei­ben des Klä­gers vom 16.12.1999, für die Zeit ab dem 23.12.1999 Zin­sen in Hö­he von 6,15 % zu ent­rich­ten (§ 284 I 1, § 286 I BGB a.F.) Der Se­nat geht nach den vor­ge­leg­ten Un­ter­la­gen da­von aus (§§ 286, 287 ZPO), dass der Klä­ger sei­ner­seits in die­sem Um­fang fort­lau­fen­de Auf­wen­dun­gen für Bank­kre­di­te hat­te. Die Un­ter­la­gen wei­sen so­gar dar­auf hin, dass zeit­wei­se noch hö­he­re Auf­wen­dun­gen ent­stan­den. Der Klä­ger hat je­doch ver­säumt, dies nach­voll­zieh­bar auf­zu­schlüs­seln, so­dass sein Vor­trag in die­sem Punkt oh­ne die nö­ti­ge Sub­stanz ist. Dem Ver­zug­s­ein­tritt des Be­klag­ten steht nicht ent­ge­gen, dass der Klä­ger sei­ne Zah­lungs­for­de­rung durch den An­satz ei­nes Nut­zungs­ent­gelts von le­dig­lich 0,10 DM je ge­fah­re­nem Ki­lo­me­ter, statt, wie dies kor­rekt ge­we­sen wä­re, 0,1395 DM ge­ring­fü­gig zu hoch be­mes­sen hat­te (Pa­landt/​Hein­richs, BGB, 61. Aufl., § 284 Rn. 19).

4. Dar­über hin­aus ist fest­zu­stel­len, dass sich der Be­klag­te mit der Rück­nah­me des Au­tos in Ver­zug be­fin­det. An die­ser Fest­stel­lung hat der Klä­ger ein in § 756 I, § 765 Nr. 1 ZPO be­grün­de­tes In­ter­es­se. Auch der An­nah­me­ver­zug wur­de nicht da­durch aus­ge­schlos­sen, dass der Klä­ger von dem Be­klag­ten ei­ne zu ho­he Ge­gen­leis­tung ver­langt hat (Stau­din­ger/Lö­wisch, BGB, Neu­be­arb. 2001, § 298 Rn. 4). Au­ßer­dem be­durf­te es ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­klag­ten kei­nes An­ge­bots an des­sen Ge­schäfts­sitz, da der Be­klag­te die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags stets ab­ge­lehnt hat (§ 295 Satz 1 Fall 1 BGB).

5. Nach al­le­dem dringt die Be­ru­fung und da­mit auch die Kla­ge weit­hin durch. …

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