Durch die Zusicherung, ein zum sofortigen Gebrauch auf öffentlichen Straßen verkauftes Fahrzeug sei „fahrbereit“, übernimmt der Verkäufer die Gewähr dafür, dass das Fahrzeug nicht mit verkehrsgefährdenden Mängeln behaftet ist, aufgrund derer es bei einer Hauptuntersuchung als verkehrsunsicher eingestuft werden müsste.
BGH, Urteil vom 21.04.1993 – VIII ZR 113/92
Diese Entscheidung ist zum „alten“ Schuldrecht und vor Inkrafttreten der ZPO-Reform 2002 ergangen. Sie kann nicht ohne Weiteres auf das seit dem 01.01.2002 geltende Recht übertragen werden (so ist z. B. an die Stelle der Wandelung der Rücktritt vom Kaufvertrag getreten). Die genannten Vorschriften existieren heute möglicherweise nicht mehr oder haben einen anderen Inhalt.
Sachverhalt: Der Kläger kaufte von dem beklagten Gebrauchtwagenhändler am 04.03.1989 einen aus den USA reimportierten Pkw (Fiat) zu einem Preis von 9.900 DM. Beiden Parteien war bei Abschluss des Kaufvertrags bekannt, dass das Fahrzeug wegen Bauartveränderungen, die in den USA vorgenommen worden waren, umgerüstet werden musste, um eine allgemeine Betriebserlaubnis auf bundesdeutschen Straßen zu erhalten.
Der Beklagte verwendete als Vertragsurkunde ein im Kfz-Handel übliches Formular mit der Überschrift „Verbindliche Bestellung eines gebrauchten Kraftfahrzeuges/Anhängers“ und unterstrich darin von der neben dem vorgedruckten Satz „Das Fahrzeug ist fahrbereit“ stehenden Alternative „ja/nein“ handschriftlich das Wort „ja“. Weiter findet sich neben den vorformulierten Worten „nächste Hauptuntersuchung“ die handschriftliche Bemerkung des Beklagten „ohne TÜV“.
Bei Übergabe des Fahrzeugs am 12.03.1989 unterschrieb der Kläger eine besondere „Erklärung“ zu dem Kaufvertrag, in der es – vorformuliert – heißt:
„Das Fahrzeug wurde unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung verkauft. Mündliche Absprachen wurden keine getroffen. Diese haben rechtlich nur Gültigkeit, wenn sie schriftlich festgehalten werden. Das Fahrzeug wurde ausgiebig besichtigt und probegefahren. Der Käufer hat sich selbst ein Bild über den Zustand des Kaufgegenstandes gemacht und ist damit einverstanden. Für Schäden kann der Verkäufer nicht haftbar gemacht werden. Zu dem Ausmaß von Unfallschäden wird keinerlei Gewähr übernommen.“
Zur Überführung des Pkw von der Niederlassung des Beklagten im Saarland zum Wohnsitz des Klägers im Raum Stuttgart stellte der Beklagte ein rotes Nummernschild zur Verfügung. Noch auf der Fahrt nach Hause fielen dem Kläger verschiedene Mängel insbesondere an den Bremsen auf, die er nach seiner Behauptung so bei einer Probefahrt vor Abschluss des Kaufvertrags – deren Dauer zwischen den Parteien streitig ist – nicht bemerkt hat. Nachdem der Kläger durch Anwaltsschreiben vom 20.03.1989 vom Beklagten vergeblich Wandelung des Kaufvertrags begehrt hatte, stellte er das Fahrzeug dem DEKRA e. V. vor, der es wegen gravierender Mängel der Lenk- und Bremsanlagen als „verkehrsunsicher“ i. S. des § 29 StVZO einstufte. Auf eine Probefahrt verzichtete der Gutachter „aus Sicherheitsgründen“.
Mit der Klage hat der Kläger Schadensersatz in Höhe von 1.0911,75 DM nebst Zinsen und in der Berufungsinstanz außerdem die Feststellung beansprucht, dass sich der Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Verzug befinde. Das Oberlandesgericht hat das Urteil erster Instanz teilweise abgeändert und der Klage zum größten Teil stattgegeben. Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klage sei gemäß §§ 463 Satz 1, 459 II BGB begründet, weil dem vom Beklagten verkauften Fahrzeug zur Zeit des Gefahrübergangs (hier: Übergabe) die zugesicherte Eigenschaft „fahrbereit“ gefehlt habe. In dem handschriftlichen Unterstreichen des Wortes „ja“ hinter dem vorgedruckten Satz „Das Fahrzeug ist fahrbereit“ sei eine Zusicherung des Beklagten zu sehen. Das Fahrzeug sei zum Zwecke der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr verkauft worden. Gerade unter Berücksichtigung des im Übrigen vereinbarten Gewährleistungsausschlusses habe der Kläger die Erklärung „fahrbereit“ so verstehen dürfen, dass der Beklagte für deren Richtigkeit auch habe einstehen wollen. Damit habe der Beklagte einen Sicherheitsstandard zugesichert, der es erlaube, das Fahrzeug ohne Gefährdung des Fahrers und anderer Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr einzusetzen. Bei einer Prüfung nach § 29 StVZO dürfe das Fahrzeug nicht als „verkehrsunsicher“ eingestuft werden. Mit dieser Auslegung sei der Beklagte nicht unangemessen benachteiligt, denn er hätte sich auch insoweit wirksam freizeichnen können. Dass das Fahrzeug nicht fahrbereit im Sinne dieser Anforderungen gewesen sei, habe das Gutachten des DEKRA erwiesen. Auch seien dem Kläger die erheblichen Mängel der Lenk- und Bremsanlagen bei Vertragsschluss nicht bekannt gewesen. Selbst wenn ihm anlässlich der Probefahrt bei einer Fiat-Werkstätte gesagt worden sei – wie der Beklagte behaupte –, für den Preis könne er nicht mehr erwarten, ergebe sich hieraus nicht, dass der Kläger auf die später gutachtlich festgestellten Mängel aufmerksam gemacht worden sei. Das Wissen des Klägers, dass eine Umrüstung des Fahrzeugs notwendig sei, um eine allgemeine Betriebserlaubnis zu erhalten, schade ihm nicht, weil die in den USA vorgenommenen Bauartveränderungen nichts mit den festgestellten Sicherheitsmängeln zu tun hätten. Auf der Probefahrt habe der Kläger zwar die Bremswirkung beanstandet. Aber auch hieraus könne nicht geschlossen werden, dass dem Kläger der Umfang der erheblichen Mängel bekannt gewesen sei, zumal der Beklagte zugesagt habe, die Bremsen nachzusehen, und dem Kläger das Fahrzeug am 12.03.1989 ohne Vorbehalte übergeben habe.
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
1. Das vom Berufungsgericht im Wege der Auslegung gewonnene Ergebnis, die Erklärung, das Fahrzeug sei fahrbereit, enthalte die Zusicherung einer Eigenschaft, ist nicht zu beanstanden.
a) Ob eine Angabe zur Kaufsache lediglich deren Beschreibung dient (§ 459 I BGB) oder mit ihr eine Eigenschaft zugesichert wird (§ 459 II BGB) ist, wie bei jeder Willenserklärung, nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 157 BGB) in erster Linie danach zu beurteilen, in welchem Sinne sie der Geschäftsgegner als Erklärungsempfänger verstehen durfte. Entscheidend für die Annahme einer Zusicherung ist, dass aus der Sicht des Käufers der Wille des Verkäufers erkennbar wird, die Gewähr für das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft zu übernehmen. An eine derartige (auch konkludente) Gewährübernahme sind im Gebrauchtwagenhandel mit Rücksicht auf dessen besondere Marktverhältnisse generell keine hohen Anforderungen zu stellen (st. Rspr. des Senats, z. B. BGHZ 87, 302 [305]; 103, 275 [280]).
b) Hier erfolgte die Erklärung, das Fahrzeug sei „fahrbereit“, nicht nur konkludent, sondern durch die handschriftliche Unterstreichung des Wortes „ja“ ausdrücklich. Daraus durfte der Kläger – wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat – bei verständiger Würdigung entnehmen, der Beklagte wolle für die Fahrbereitschaft des Fiat und alle Folgen deren Fehlens im Sinne einer Gewährübernahme einstehen. Entgegen der Auffassung der Revision vermag der vereinbarte Gewährleistungsausschluss an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Er ist durch die Annahme einer Zusicherung nicht „entwertet“, sondern beschränkt sich auf etwaige Mängel, die die Fahrbereitschaft des Fahrzeugs nicht beeinträchtigen (vgl. zur Durchsetzung von Eigenschaftszusicherungen gegenüber Freizeichnungsklauseln grundlegend BGHZ 74, 383 ff.; BGHZ 87, 302 [308]; für einen Fall des privaten Verkaufs zuletzt BGH, Urt. v. 17.04.1991 – VIII ZR 114/90 = WM 1991, 1224 [1225]). Im Übrigen ist es Sache des Verkäufers, ob er Zusicherungen gibt oder nicht. Gibt er sie, muss er sich daran festhalten lassen.
2. Auch den Umfang der dem Kläger gegebenen Zusicherung hat das Berufungsgericht zutreffend ermittelt. Insoweit kann der Senat allerdings die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Klausel „Das Fahrzeug ist fahrbereit“ uneingeschränkt überprüfen. Dabei braucht nicht entschieden zu werden, ob die Klausel durch die handschriftliche Unterstreichung des Wortes „ja“ den Charakter einer vorformulierten Allgemeinen Geschäftsbedingung der von dem Beklagten verwendeten „Verbindlichen Bestellung …“ verlor; denn jedenfalls stellt die Abrede in dieser oder einer ähnlichen sinnentsprechenden Fassung eine typische, im Gebrauchtwagenhandel nicht nur im Bezirk des Berufungsgerichts häufig verwendete Vereinbarung dar (vgl. z. B. die hierzu ergangenen Urteile des LG Freiburg, MDR 1983, 667, des OLG Hamburg, MDR 1991, 1039 und des OLG Hamm, recht intern 1993, 69 sowie Reinking/Eggert, Der Autokauf, 5. Aufl. [1992], Rn. 1687 m. w. Nachw.), die auch als individualrechtliche Erklärung im Interesse einer einheitlichen Handhabung und damit der Rechtssicherheit inhaltlich voll vom Revisionsgericht zu prüfen ist (BGHZ 103, 275 [279]; 87, 302 [306]). Diese Prüfung führt jedoch zu keinem von der tatrichterlichen Wertung abweichenden Bedeutungsinhalt der Bezeichnung „fahrbereit“.
a) Der Inhalt des Begriffs „fahrbereit“ wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beurteilt. So finden sich hierfür Definitionen wie „betriebstüchtiger und betriebssicherer Zustand“ (OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.08.1986, mitgeteilt von Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1687), „verkehrssicher“ (LG Freiburg, MDR 1983, 667; Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 459 Rn. 315; ähnlich Mehnle, DAR 1979, 272 [273]), „funktions- und betriebsfähig“ (OLG Hamburg, MDR 1991,1039) oder „einsatzbereit“ (Tempel, Materielles Recht im Zivilprozeß, 2. Aufl. [1992], S. 18). Auch wird – vereinzelt – die von der Revision aufgegriffene Meinung vertreten, die Zusicherung „fahrbereit“ weise keinen Bezug auf einen bestimmten technischen Zustand des Fahrzeugs auf, sondern erschöpfe sich in dem bloßen Hinweis auf den vertragsgemäßen Gebrauch (soweit ersichtlich nur MünchKomm-BGB/H. P. Westermann, 2. Aufl., § 459 Rn. 57a).
Entscheidend für das Begriffsverständnis muss auch hier sein, wie der Käufer die ihm gegenüber abgegebene Erklärung, „das Fahrzeug ist fahrbereit“, bei verständiger Würdigung aller Umstände verstehen durfte. Wird ein Fahrzeug zum sofortigen Gebrauch auf öffentlichen Straßen verkauft, so kann er im Allgemeinen erwarten, dass es sich in einem Zustand befindet, der seine gefahrlose Benutzung im Straßenverkehr erlaubt. Etwas anderes gilt im konkreten Fall nicht deshalb, weil für das streitige Fahrzeug keine Betriebserlaubnis bestand. Auch ohne Betriebserlaubnis dürfen Fahrten unter anderem dann ausgeführt werden, wenn sie – wie hier – der Überführung des Fahrzeuges dienen und dieses mit einem roten Kennzeichen ausgestattet ist (§ 28 I StVZO). In seinem schutzwürdigen Vertrauen auf die gefahrlose Benutzbarkeit des Fahrzeugs im Straßenverkehr wird der Käufer jedenfalls dann enttäuscht, wenn das Fahrzeug bei einer an der „Richtlinie für die Beurteilung von Mängeln bei Hauptuntersuchungen von Fahrzeugen nach § 29 StVZO und Anlage VIII, Nr. 1.2 i. V. mit Nr. 3.1, 3.3 und 4.2 StVZO“ vom 17.02.1988 … ausgerichteten Überprüfung als „verkehrsunsicher“ eingestuft werden müsste, weil es mit gravierenden Mängeln behaftet ist, die zu einer unmittelbaren Verkehrsgefährdung führen können. Wie der „Mindestsicherheitsstandard“ eines Fahrzeugs im Einzelnen beschaffen sein muss, um der Zusicherung „fahrbereit“ noch gerecht zu werden, kann den Mängelgruppen der genannten Richtlinie vom 17.02.1988 entnommen werden. Die Zusicherung ist danach auch dann als eingehalten anzusehen, wenn zwar eine Prüfplakette wegen Abweichungen von StVZO-Vorschriften nicht erteilt werden kann, verkehrsgefährdende Mängel jedoch nicht festgestellt werden können.
b) Mit dem Berufungsgericht und entgegen der Meinung der Revision sind besondere Umstände, die hier ein anderes Verständnis des Klägers von der Zusicherung „fahrbereit“ begründen könnten bzw. eine die Haftung des Beklagten ausschließende Kenntnis des Klägers von dem Fehlen der zugesicherten Eigenschaft (§ 460 BGB) nahelegten, weder ersichtlich noch vorgetragen …