Zur Frage, welche rechtliche Bedeutung die im Kaufvertrag enthaltene Angabe der Laufleistung des Fahrzeugs beim privaten Verkauf eines Gebrauchtwagens hat (Abgrenzung zu BGH, Urt. v. 18.02.1981 – VIII ZR 72/80).
BGH, Urteil vom 15.02.1984 – VIII ZR 327/82
Sachverhalt: Der Kläger hat von den Beklagten für 6.200 DM einen gebrauchten Pkw gekauft, den die Beklagten etwa ein Jahr vorher selbst gebraucht erworben hatten. Der schriftliche Kaufvertrag vom 18.04.1980 enthält die vorgedruckte Klausel, der Wagen werde verkauft „gebraucht, wie besichtigt und unter Ausschluss jeder Gewährleistung“. Handschriftlich ist in dem Vertragsformular eingetragen: „Das Fahrzeug hat eine Gesamtlaufzeit von 27.600 km.“
Die Beklagten hatten das Fahrzeug vor dem Verkauf, damit es verkaufsbereit sei, dem Tankstellenbesitzer T mit der Bitte um Durchsicht und Durchführung kleinerer Reparaturen übergeben. T hatte den Kläger als Käufer geworben.
Dieser hat behauptet, die Beklagten hätten ihm zugesichert, der Motor sei noch fast neuwertig. Jedoch habe er schon zwei Tage nach der Ingebrauchnahme am 01.07.1980 und rund 800 bis 900 km Fahrleistung versagt. Die Reparatur des Motors durch Austausch verschlissener Teile habe 3.401,35 DM gekostet. Ausweislich des im Beweissicherungsverfahren eingeholten Gutachtens müsse der Motor mindestens 70.000 km gelaufen sein.
Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft und hat die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von 3.401,35 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Gegen die Beklagten erging antragsgemäß ein Versäumnisurteil, das jedoch auf ihren Einspruch hin unter Abweisung der Klage aufgehoben worden ist. Die Berufung des Klägers und seine Revision blieben erfolglos.
Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht sieht als zugesichert an, dass der Pkw eine Gesamtfahrleistung von (nur) 27.600 km hat. Einer Haftung für das Fehlen dieser zugesicherten Eigenschaft stehe die Klausel im Kaufvertrag nicht entgegen, das Fahrzeug werde verkauft wie besichtigt und unter Ausschluss jeder Gewährleistung, weil hiervon die Haftung aus der vertraglichen Zusicherung nicht erfasst werde. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 463 BGB a.F. auf Ersatz der Reparaturkosten für den Motor scheitere aber schon deshalb, weil die angegebene Laufleistung von 27.600 km zutreffe. Darauf, ob der Verschleißzustand des Motors dieser Laufleistung oder – wie der Kläger behaupte – einer Laufleistung von 70.000 km entsprochen habe, komme es im vorliegenden Fall nicht an. Denn anders als bei dem Sachverhalt, der dem Senatsurteil vom 18.02.1981 – VIII ZR 72/80, LM BGB § 463 Nr. 40 = NJW 1981, 1268 = WM 1981, 380 – zugrundegelegen hat, sei hier an dem Verkauf kein sachkundiger Gebrauchtwagenhändler beteiligt gewesen. Weder die Verkäufer noch der Tankstellenbesitzer T hätten die Voraussetzungen erfüllt, unter denen der Käufer dem Verkäufer eines gebrauchten Fahrzeugs besonderes Vertrauen entgegenbringe. Insbesondere könne ein Tankstellenbesitzer, der – wie hier T – kleinere Reparaturen ausführe und für einen Kunden einen Käufer seines Gebrauchtfahrzeugs werbe, ohne mit dem Abschluss bevollmächtigt zu sein und ohne dabei eigene wirtschaftliche Interessen zu verfolgen oder auch nur verfolgen zu können, mit einem Händler mit uneingeschränkter Sachwalterstellung auch aus der Sicht des Käufers nicht verglichen werden. Die neben der Laufleistung für den Erhaltungszustand des Fahrzeugs, insbesondere seines Motors, wesentlichen Faktoren könne der technische Laie – selbst wenn sie ihm als solche bekannt seien – in ihrer Bedeutung nicht zuverlässig einschätzen; er sei auch nicht gehalten, das Fahrzeug, das er verkaufen wolle, zuvor auf seinen Erhaltungszustand untersuchen zu lassen. Daher übernehme der Privatmann und Laie, der seinen Gebrauchtwagen unter Zusicherung eines bestimmten Kilometerstands und unter Gewährleistungsausschluss im Übrigen verkaufe, die Gewähr für die Laufleistung im engeren Sinne, das heißt seine Zusicherung erschöpfe sich in der Zahl der gefahrenen Kilometer.
II. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die für das Fahrzeug angegebene Laufleistung zutraf, greift die Revision nicht an. Nach dem von ihr auch für den vorliegenden Fall als maßgeblich angesehenen Senatsurteil vom 18.02.1981 (VIII ZR 72/80, LM BGB § 463 Nr. 40 = NJW 1981, 1268 = WM 1981, 380; vgl. schon Senat, Urt. v. 17.03.1976 – VIII ZR 208/74, WM 1976, 614 [615 f.]; s. auch Hiddemann, WM 1982, Sonderbeil. Nr. 5, S. 31) wird indessen mit der Angabe einer bestimmten, nach Kilometern bezifferten Laufleistung des Austauschmotors, mit dem der verkaufte Gebrauchtwagen ausgerüstet ist, zwar in erster Linie zugesichert, dass die bisherige Laufleistung nicht wesentlich höher liege als die angegebene Leistung. Damit sei der Inhalt der Zusicherung jedoch nicht erschöpft. Vielmehr lege der Käufer auf die Angabe deshalb Wert, weil er sich ein Bild über die wahrscheinliche Lebensdauer des Motors sowie über das Reparaturrisiko verschaffen wolle; daher dürfe er die Angabe der Laufleistung nach Treu und Glauben als Zusicherung auffassen, der Motor sei nicht wesentlich stärker verschlissen, als es die angegebene Laufzeit erwarten lasse.
a) Diese Interessenlage des Käufers ist eindeutig und wird auch vom Berufungsgericht nicht in Zweifel gezogen. Sie ist auch grundsätzlich unabhängig davon, ob – wie hier – die Laufleistung des Fahrzeugs oder speziell des Motors angegeben wird. Ihr steht aber, was die Vorinstanz zutreffend zugrunde legt, das Interesse des privaten Verkäufers gegenüber, für nicht mehr als dasjenige einstehen zu müssen, was er nach seiner laienhaften Kenntnis beurteilen kann. Sein Vertragspartner kann nicht erwarten, dass der ihm als Laie gegenübertretende Verkäufer eines Gebrauchtwagens mit der Angabe einer bestimmten Laufleistung zugleich zusichere, der Verschleißgrad entspreche dieser Laufleistung (§§ 133, 157 BGB). Demgemäß hatte der Senat in dem Urteil vom 18.02.1981 (VIII ZR 72/80, LM BGB § 463 Nr. 40 = NJW 1981, 1268 = WM 1981, 380) auch darauf abgestellt (unter II 1b aa; ebenso in dem Urteil vom 17.03.1976 – VIII ZR 208/74, WM 1976, 614 [615 f.]), dass die Angabe über die Laufleistung von einem sachkundigen Gebrauchtwagenhändler gemacht worden war. In einem solchen Fall gebieten es Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte, der Angabe der Laufleistung des Fahrzeugs nicht nur die Bedeutung einer Information über ein in der Regel auch für den Laien unmittelbar zugängliches Datum (Tachometerstand) beizulegen, sondern die – bei einem Fachmann zu erwartende – Bedeutung als Zusicherung, dass das Fahrzeug eine bestimmte Laufleistung habe und sein Erhaltungszustand im Wesentlichen dieser Laufleistung entspreche.
Für den privaten Verkäufer treffen diese Erwägungen nicht zu. Er muss sich zwar daran festhalten lassen, dass er mit der Angabe der Laufleistung regelmäßig eine Zusicherung des Inhalts abgibt, die Laufleistung liege nicht wesentlich höher als die angegebene. Eine darüber hinausgehende Zusicherung in Bezug auf den Erhaltungszustand des Fahrzeugs kann der Kaufinteressent jedoch in der Regel nicht erwarten (§§ 133, 157 BGB), und zwar unabhängig davon, ob der Verkäufer das Fahrzeug selber schon gebraucht oder als Neuwagen erworben hatte.
b) Etwas anderes kann unter dem Gesichtspunkt der Auslegung einer typischen Zusicherung auch nicht im Hinblick darauf gelten, dass der Tankstellenbesitzer T das Fahrzeug im Auftrag der Beklagten verkaufsbereit gemacht und den Kläger als Käufer geworben hatte (dazu, ob insoweit unter den Umständen des Einzelfalls das Berufungsgericht die Zusicherung unzutreffend ausgelegt hat, vgl. zu 2.). Die Kenntnis des Kaufinteressenten von Maßnahmen des Verkäufers, das Fahrzeug in seinem eigenen Interesse für den Verkauf vorbereiten zu lassen, berechtigt ihn nicht zu der Erwartung, die Zusicherung über die Laufleistung ebenso zu verstehen, als wäre sie von einem gewerblich tätigen Verkäufer gemacht worden. Es kann dahingestellt bleiben, ob etwas anderes gilt, wenn der private Verkäufer bei den Verkaufsverhandlungen werbend auf eine Werkstattprüfung des Fahrzeugs hingewiesen hat (vgl. Senat, Urt. v. 25.05.1983 – VIII ZR 55/82, WM 1983, 755 = ZIP 1983, 948). Hierfür ist aus dem Prozessstoff nichts ersichtlich.
2. Auch die Umstände des Einzelfalls gebieten es nicht, der Angabe der Laufleistung durch die Beklagten eine darüber hinausgehende Zusicherung zu entnehmen.
a) Die Revision meint zwar, dass Berufungsgericht habe nach der Lebenserfahrung davon ausgehen müssen, dass der Kläger auf die Sachkunde von T vertraut habe. Zu diesem Gesichtspunkt kann auf die Ausführungen unter 1b) verwiesen werden. Grundsätzlich darf der Kaufinteressent Erklärungen des privaten Verkäufers eines Gebrauchtwagens nicht schon deshalb als von technischem Sachverstand getragen ansehen, weil dieser das Fahrzeug zur Vorbereitung für den Verkauf einem Fachmann übergeben hatte; hierbei kann auch dahingestellt bleiben, ob ein Tankstellenbesitzer hinsichtlich des Vorliegens von Verschleißschäden überhaupt als Fachmann anzusehen ist.
b) Ferner rügt die Revision, das Berufungsgericht hätte den unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers, T habe zugesichert, der Motor sei fast noch neuwertig und habe eine Gesamtlaufzeit von 27.000 km, nicht nur unter dem Gesichtspunkt prüfen müssen, ob in der behaupteten mündlichen Erklärung die selbstständige Zusicherung einer Eigenschaft liege. Vielmehr spiele der Vortrag auch für die Auslegung der im Kaufvertrag enthaltenen schriftlichen Zusicherung eine Rolle. Habe nämlich T im Zusammenhang mit der Laufleistung erklärt, dass der Motor fast noch neuwertig sei, habe der Kläger erst recht die Angabe, die Gesamtlaufleistung betrage 27.600 km, so auffassen dürfen, dass damit eine dieser Laufzeit entsprechende Beschaffenheit des Motors zugesichert werden sollte.
Auch diese Rüge greift nicht durch. Es ist schon nicht ersichtlich, inwiefern die angebliche Erklärung von T den Beklagten zugerechnet werden müsste, denn die Revision trägt nicht vor, dass T hierzu bevollmächtigt gewesen sei oder die Äußerung, der Motor sei fast noch neuwertig, in Gegenwart der Beklagten gemacht habe. Zudem weist das Berufungsgericht zutreffend darauf hin, dass es näherer Darlegung bedurft hätte, warum die behauptete mündliche Erklärung Vertragsinhalt geworden sei, obwohl der vom Kläger unterschriebene Vertrag die Klausel enthält: „Neben obigen Bedingungen sind keine weiteren Vereinbarungen getroffen und keine mündlichen Zusagen gemacht worden.“ Der Vortrag des Klägers, die Angabe über die Gesamtlaufzeit des Fahrzeugs sei auf seine Veranlassung in das Vertragsformular eingefügt worden, spricht sogar gegen die Annahme, dass er daneben der Bezeichnung des Motors als fast noch neuwertig eigene Bedeutung beigemessen hat; sonst hätte es nahegelegen, auch diese Angabe in den schriftlichen Kaufvertrag aufnehmen zu lassen.
3. Das Berufungsgericht hat nach alledem die Berufung des Klägers mit Recht deshalb zurückgewiesen, weil ein bestimmter Erhaltungszustand des Motors nicht zugesichert worden ist und demgemäß bereits die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch aus § 463 BGB a.F. fehlt. Auf den Gewährleistungsausschluss kommt es nicht mehr an, sodass es insoweit keiner Ausführungen bedarf …