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Kategorie: Gebrauchtwagen

Serienfehler als Sachmangel eines Gebrauchtwagens – herstellerübergreifender Vergleich

Bei der Beurteilung, ob ein Gebrauchtwagen einen Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB aufweist, weil er keine „bei Sachen der gleichen Art“ übliche und vom Käufer „nach der Art der Sache“ zu erwartende Beschaffenheit aufweist, ist gegebenenfalls ein am Stand der Technik orientierter herstellerübergreifender Vergleich mit allen Fahrzeugen anzustellen, die eine nach Bauart und Typ vergleichbare technischen Ausstattung haben. Für eine hersteller- oder gar fahrzeugtypspezifische Eingrenzung des Vergleichsmaßstabes besteht kein Anlass.

BGH, Beschluss vom 16.05.2017 – VIII ZR 102/16

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Rücktritt von einem Gebrauchtwagen-Kaufvertrag wegen fehlender Unfallfreiheit des Fahrzeugs

  1. Heißt es in einem Kaufvertrag über einen Gebrauchtwagen uneingeschränkt, das Fahrzeug sei unfallfrei, liegt eine Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 I 1 BGB) des Inhalts vor, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als bloßen Bagatellschäden gekommen ist.
  2. Nehmen die Vertragsparteien in den Kaufvertrag über einen Gebrauchtwagen auf, dass das Fahrzeug keine Nachlackierungen aufweise, treffen sie damit eine Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 I 1 BGB) und schuldet der Verkäufer die Lieferung eines Fahrzeugs, das noch die Originallackierung aufweist.
  3. Ein pauschaler Gewährleistungsausschluss gilt regelmäßig nicht für einen Mangel, der darin besteht, dass der Kaufsache eine vereinbarte Beschaffenheit fehlt (im Anschluss an BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, NJW 2007, 1346 Rn. 28 ff.; Urt. v. 19.12.2012 – VIII ZR 117/12, NJW 2013, 1733 Rn. 15).
  4. Grobe Fahrlässigkeit i. S. des § 442 I 2 BGB setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß des Käufers gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Daran fehlt es mangels einer entsprechenden Obliegenheit grundsätzlich, wenn der Käufer eines Gebrauchtwagens das Fahrzeug nicht gründlich auf (Unfall-)Schäden und Mängel untersucht. Denn der Käufer darf sich im Regelfall selbst dann, wenn er gewerblich mit Kraftfahrzeugen handelt, auf die Angaben des Verkäufers (z. B. zur Unfallfreiheit) verlassen und sich auf eine Sichtprüfung beschränken. Hat er danach oder aufgrund sonstiger Erkenntnisse konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben des Verkäufers unzutreffend sind, kann es allerdings grob fahrlässig sein, wenn der Käufer das Fahrzeug nicht genauer untersucht.

OLG Hamm, Urteil vom 16.05.2017 – 28 U 101/16

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Übermäßig verstopfter Rußpartikelfilter als Sachmangel eines Gebrauchtwagens

Der Käufer eines sechs Jahre alten Gebrauchtwagens, der eine Laufleistung von 181.000 km aufweist, muss zwar einen altersüblichen Verschleiß des Fahrzeugs hinnehmen. Dazu mag bei einem Dieselfahrzeug auch zählen, dass der Dieselpartikelfilter mit Ruß zugesetzt ist. Kein bloßer Verschleiß, sondern ein Mangel im Rechtssinne liegt jedoch vor, wenn der Rußpartikelfilter zugesetzt ist, weil sich infolge eines technischen Defekts im Laufe der Zeit mehr Ruß als üblich dort angesammelt hat.

OLG Hamm, Urteil vom 11.05.2017 – 28 U 89/16

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Darlegungs- und Beweislast des Käufers für ein Umgehungsgeschäft – Agenturgeschäft

  1. Hat ein Verbraucher einen Gebrauchtwagen nach dem Inhalt des Kaufvertrags nicht von einem Kfz-Händler, sondern unter dessen Vermittlung von einem privaten Verkäufer gekauft (Agenturgeschäft), so ist aus Sicht des Verbrauchers davon auszugehen, dass Ansprüche wegen eines Mangels des Fahrzeugs gegenüber dem privaten Verkäufer geltend zu machen sind. Stellt sich der Verbraucher dagegen auf den Standpunkt, nicht der private Verkäufer, sondern der Händler sei in Wahrheit sein Vertragspartner, so ist es an ihm, Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, die für ein Umgehungsgeschäft sprechen. Das Risiko, nur vermutete Tatsachen im Prozess nicht beweisen zu können, kann einer Prozesspartei auch unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes nicht abgenommen werden.
  2. Wird beim Verkauf eines Gebrauchtwagens ein Agenturgeschäft nach der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise missbräuchlich eingesetzt, um ein in Wahrheit vorliegendes Eigengeschäft des Kfz-Händlers zu verschleiern, so hat dies zur Folge, dass sich der Händler gemäß § 475 I 2 BGB so behandeln lassen muss, als hätte er selbst das Fahrzeug an den Verbraucher verkauft. Demzufolge führt die Verschleierung eines Eigengeschäfts dazu, dass ein kaufvertraglich vereinbarter Gewährleistungsausschluss unwirksam ist und der Käufer des Fahrzeugs Mängelrechte gegenüber dem Händler selbst geltend machen kann.

LG Berlin, Urteil vom 09.05.2017 – 55 S 133/16

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Kein Abschluss eines Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen durch Scherzerklärung

Dass jemand, der einen Gebrauchtwagen im Internet zum Kauf anbietet und dabei einen – dem Verkehrswert des Fahrzeugs entsprechenden – Kaufpreis von 11.500 € angibt, bereit ist, das Fahrzeug für nur 15 € an einen ihm völlig unbekannten Kaufinteressenten zu veräußern, ist derart abwegig, dass der Kaufinteressent eine entsprechende Willenserklärung des Anbieters als Scherzerklärung i. S. des § 118 BGB erkennen muss.

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 02.05.2017 – 8 U 170/16

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Verkauf eines bei einem Unfall schwer beschädigten Pkw durch einen Kfz-Händler

  1. Nennt der Verkäufer eines Gebrauchtwagens, der offenkundig einen schweren Unfall erlitten hat und dabei massiv beschädigt worden ist, im schriftlichen Kaufvertrag einzelne Mängel, führt dies regelmäßig nicht zu einer (stillschweigenden) Beschaffenheitsvereinbarung des Inhalts, das der Pkw im Übrigen mangelfrei ist. Etwas anderes mag allenfalls gelten, wenn der Käufer keine Möglichkeit hat, das Fahrzeug vor Abschluss des Kaufvertrages zu untersuchen.
  2. Grobe Fahrlässigkeit i. S. des § 442 I 2 BGB setzt einen besonders schwerwiegenden Verstoß des Käufers gegen die Anforderungen der im Einzelfall erforderlichen Sorgfalt voraus. Mängel eines Gebrauchtwagens können dem Käufer deshalb infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt bleiben, wenn der Käufer sich nicht über den Umfang eines Unfallschadens informiert, obwohl geradezu mit Händen zu greifen ist, dass das Fahrzeug einen schweren Unfall erlitten hat, bei dem es nicht nur sichtbare (äußerliche) Beschädigungen davongetragen hat, sondern das gesamte Fahrzeuggefüge in Mitleidenschaft gezogen worden ist.
  3. Den Verkäufer eines Gebrauchtwagens, der erkennbar einen schweren Unfall erlitten hat und dabei massiv beschädigt worden ist, trifft hinsichtlich der Unfallschäden keine Offenbarungspflicht. Vielmehr kann ein Käufer keine Aufklärung über Mängel erwarten, die einer Besichtigung zugänglich und damit ohne Weiteres erkennbar sind, da er diese Mängel selbst wahrnehmen kann, wenn er die im eigenen Interesse gebotene Sorgfalt walten lässt.
  4. Grundsätzlich muss ein gewerblicher Kfz-Händler einem Kaufinteressenten Vorschäden eines zum Verkauf stehenden Fahrzeugs selbst dann offenbaren, wenn der Kaufinteressent Unternehmer (§ 14 BGB) ist. Der pauschale Hinweis, das Fahrzeug sei ein „Unfallfahrzeug“ oder ein „Bastlerfahrzeug“, reicht dafür zwar in der Regel nicht; allerdings muss der Händler von sich aus auch nicht darauf hinweisen, dass ein Kfz-Sachverständiger den Schaden als „wirtschaftlichen Totalschaden“ eingestuft hat.

OLG Köln, Urteil vom 28.04.2017 – 19 U 1/17

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Unzumutbarkeit der Nachbesserung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens

  1. Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Gebrauchtwagen ist mangelhaft, da sein Schadstoffausstoß die einschlägigen Emissionsgrenzwerte (hier: die Euro-5-Emissionsgrenzwerte) überschreitet und sich das Fahrzeug deshalb mangels Zulassungsfähigkeit nicht für die vorausgesetzte Verwendung eignet. Dem steht nicht entgegen, dass das Kraftfahrt-Bundesamt die Nutzung des Fahrzeugs im Straßenverkehr einstweilen toleriert. Denn der tatsächliche Umgang des Kraftfahrt-Bundesamtes mit vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen ändert nichts daran, dass diese Fahrzeuge nicht zulassungsfähig sind.
  2. Dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen – mangelhaften – Gebrauchtwagens ist eine Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) vor allem deshalb unzumutbar, weil die begründete Befürchtung besteht, dass das Fahrzeug auch nach der Installation des vorgesehenen Softwareupdates nicht mangelfrei sein wird. Vielmehr ist die Sorge des Käufers berechtigt, dass das Update sich nachteilig auf die Schadstoffemissionen, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung auswirken wird. Denn nach den Gesetzen der Logik hätte die Volkswagen AG keine den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechende Fahrzeuge konzipiert, wenn sie mit einem geringfügigen Mehraufwand, wie er jetzt für die Entwicklung des Softwareupdates betrieben wurde, gleich gute Fahrzeuge hätte konzipieren können, die den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Wenn es aber für die sonstigen Eigenschaften der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge vorteilhaft gewesen ist, erhöhte Stickoxidemissionen in Kauf zu nehmen, dann müssen spiegelbildlich diese sonstigen Eigenschaften negativ betroffen sein, wenn nunmehr der Stickoxidausstoß mittels eines Softwareupdates reduziert wird.
  3. Eine Nachbesserung ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens auch dann unzumutbar, wenn sein Vertrauensverhältnis zur Herstellerin des Fahrzeugs, der Volkswagen AG, die auch das für eine Nachbesserung erforderliche Softwareupdate entwickelt hat, nachhaltig gestört ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Volkswagen AG sowohl die Behörden als auch die Käufer ihrer Fahrzeuge mithilfe einer Manipulationssoftware über Jahre hinweg systematisch irregeführt hat. Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs hat deshalb wenig Anlass, der Volkswagen AG dahin gehend zu vertrauen, dass es im Zusammenhang mit dem für eine Nachbesserung erforderlichen Softwareupdate nicht erneut zu Manipulationen kommt.
  4. Der Mangel, der einem vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagen anhaftet, ist schon deshalb nicht geringfügig i. S. des § 323 V 2 BGB, weil der Käufer praktisch gezwungen ist, das Fahrzeug durch die Installation eines Softwareupdates nachbessern zu lassen, um nicht die Zulassung des Fahrzeugs zum Straßenverkehr zu gefährden. Es ist indes nicht ausgeschlossen, dass sich das Update negativ etwa auf den Kraftstoffverbrauch auswirken und trotz seiner Installation ein merkantiler Minderwert verbleiben wird.
  5. Zwar ist der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs, der von der Volkswagen AG Schadensersatz wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung (§ 826 BGB) verlangt, dafür darlegungs- und beweisbelastet, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Volkswagen AG i. S. des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Allerdings trifft die Volkswagen AG insoweit eine sekundäre Darlegungslast, wenn der Käufer greifbare Anhaltspunkte dafür vorträgt, dass verfassungsmäßig berufene Vertreter der Volkswagen AG (§ 31 BGB) Kenntnis von der Entwicklung und dem Einsatz der den VW-Abgasskandal kennzeichnenden Manipulationssoftware hatten. Dieser sekundären Darlegungslast genügt die Volkswagen AG durch den Vortrag, wer die Entscheidung, die Manipulationssoftware zu entwickeln und einzusetzen, getroffen hat.

LG Baden-Baden, Urteil vom 27.04.2017 – 3 O 163/16

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Fehlende Zulassungsfähigkeit als Mangel eines Gebrauchtwagens – VW-Abgasskandal

  1. Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Gebrauchtwagen ist nicht zulassungsfähig und deshalb i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft. Daran ändert nichts, dass das Kraftfahrt-Bundesamt den Betrieb der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr – einstweilen – toleriert.
  2. Eine Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens vor allem deshalb i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar, weil die begründete Befürchtung besteht, dass das Fahrzeug auch nach der Installation eines Softwareupdates nicht mangelfrei sein werde. Es drängt sich im Gegenteil der Verdacht auf, dass sich das Softwareupdate negativ auf den Kraftstoffverbrauch, die Motorleistung und die Schadstoffemissionen auswirken und zu einem erhöhten Verschleiß führen wird.
  3. Dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs ist eine Nachbesserung auch deshalb i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar, weil sein Vertrauensverhältnis zur – am Kaufvertrag nicht beteiligten – Volkswagen AG nachhaltig gestört ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass eine Nachbesserung die Installation eines von der Volkswagen AG entwickelten Softwareupdates erfordert und die Volkswagen AG sowohl die Behörden als auch die Käufer ihrer Fahrzeuge jahrelang systematisch getäuscht hat. Ein Käufer hat daher wenig Anlass, darauf zu vertrauen, dass er in Gestalt des Updates nicht wieder eine manipulierende Software erhält.
  4. Angesichts der mit einer Nachbesserung möglicherweise einhergehenden Nachteile besteht das naheliegende Risiko, dass der Verkaufswert eines vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeugs trotz Nachbesserung gemindert bleibt (merkantiler Minderwert). Schon dieses Risiko macht dem Käufer eines solchen Fahrzeugs eine Nachbesserung i. S. des § 440 Satz 1 Fall 3 BGB unzumutbar (im Anschluss an LG Kempten, Urt. v. 29.03.2017 – 13 O 808/16).
  5. Die Pflichtverletzung des Verkäufers, die in der Lieferung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen – mangelhaften – Fahrzeugs liegt, ist auch dann nicht i. S. des § 323 V 2 BGB unerheblich, wenn eine Beseitigung des Mangels einen Kostenaufwand von lediglich rund 100 € erfordert. Vielmehr ist der dem Fahrzeug anhaftende Mangel schon deshalb erheblich, weil nicht auszuschließen ist, dass eine Nachbesserung durch Installation eines Softwareupdates negative Auswirkungen auf das Fahrzeug hat und dessen Verkaufswert gemindert bleibt. Abgesehen davon nimmt allein der Umstand, dass der Käufer auf eine Nachbesserung faktisch nicht verzichten kann, weil er andernfalls die Zulassung des Fahrzeugs gefährdet, dem Mangel den Anschein der Unerheblichkeit.
  6. Indem die Volkswagen AG Fahrzeuge mit einer Software ausgestattet hat, die nur dann eine Verringerung des Stickoxidausstoßes bewirkt, wenn die Fahrzeuge auf einem Prüfstand einen Emissionstest absolvieren, hat sie den Käufern dieser – vom VW-Abgasskandal betroffenen – Fahrzeuge in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt.

LG Baden-Baden, Urteil vom 27.04.2017 – 3 O 123/16

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Gewährleistungsausschluss vs. Vereinbarung der Rechtsmängelfreiheit – SIS-Eintragung

  1. Haben die Vertragsparteien in einem Kaufvertrag über ein gebrauchtes Kraftfahrzeug neben einem Gewährleistungsausschluss zusätzlich ausdrücklich die Rechtsmängelfreiheit der Kaufsache zum Gegenstand ihrer Vereinbarung gemacht, gilt der Haftungsausschluss nicht für Rechtsmängel gemäß § 435 BGB, sondern ausschließlich für Sachmängel gemäß § 434 BGB (Fortführung von BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 Rn. 30; Urt. v. 19.12.2012 – VIII ZR 117/12, NJW 2013, 1733 Rn. 15; Urt. v. 13.03.2013 – VIII ZR 172/12, NJW 2013, 2749 Rn. 19; Urt. v. 06.11.2015 – V ZR 78/14, BGHZ 207, 349 Rn. 9; Urt. v. 22.04.2016 – V ZR 23/15, NJW 2017, 150 Rn. 14).
  2. Die bei Gefahrübergang vorhandene und im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fortbestehende Eintragung eines Kraftfahrzeugs in dem Schengener Informationssystem (SIS) zum Zwecke der Sicherstellung und Identitätsfeststellung ist ein erheblicher Rechtsmangel, der den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt (Bestätigung von Senat, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, juris Rn. 22 ff.).
  3. Der Verkäufer eines Kraftfahrzeugs ist redlicherweise gehalten, einen potenziellen Käufer über das Bestehen einer Eintragung des Fahrzeugs in dem Schengener Informationssystem aufzuklären (Bestätigung von Senat, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, juris Rn. 27).

BGH, Urteil vom 26.04.2017 – VIII ZR 233/15

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Kein automatisches Erlöschen der EG-Typgenehmigung im VW-Abgasskandal

  1. Eine Frist zur Nachbesserung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs von nur einer Woche ist nicht angemessen i. S. der § 281 I 1 BGB, § 323 I BGB, sondern erheblich zu kurz.
  2. Der Verkäufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens verweigert eine Nachbesserung des Fahrzeugs nicht i. S. der § 281 II Fall 1 BGB, § 323 II Nr. 1 BGB ernsthaft und endgültig, wenn er erklärt, dass er keine autorisierte VW-Vertragswerkstatt betreibe und deshalb das von der Volkswagen AG entwickelte, für eine Nachbesserung erforderliche Softwareupdate nicht installieren könne, die Installation des Updates in einer autorisierten Vertragswerkstatt aber vermitteln werde.
  3. Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs genügt seiner Darlegungslast nicht, wenn er pauschal behauptet, dass sich eine Nachbesserung des Fahrzeugs durch Installation eines Softwareupdates insbesondere negativ auf den Kraftstoffverbrauch, die Motorleistung, die Geräuschemissionen und die „Lebenszeit“ des Fahrzeugs auswirken werde. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Nachbesserung der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge in Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt erfolgt und dieses davon überzeugt ist, dass die Installation des Softwareupdates keine negativen Auswirkungen auf die Fahrzeuge hat.
  4. Die EG-Typgenehmigung der vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge ist nicht gemäß § 19 II 2 Nr. 3, VII StVZO automatisch erloschen. Diese Vorschriften gelten nämlich nur für den Fall, dass (bestimmte) Änderungen an einem bereits in den Verkehr gebrachten Fahrzeug vorgenommen werden. Den – hier vorliegenden – Fall, dass der Fahrzeughersteller Änderungen bereits vor dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs vorgenommen hat, erfassen sie dagegen nicht.
  5. Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass er dem Verkäufer gemäß § 281 II Fall 2 BGB, § 323 II Nr. 3 BGB keine Frist zur Nachbesserung setzen müsse, weil eine Nachbesserung nur mithilfe der Volkswagen AG möglich sei und diese ihn – den Käufer – arglistig getäuscht habe. Denn zum einen kann dem Verkäufer ein möglicherweise arglistiges Verhalten der Verantwortlichen der Volkswagen AG nicht zugerechnet werden. Zum anderen trägt der Gedanke, dass eine (mögliche) arglistige Täuschung die für die Nachbesserung erforderliche Vertrauensgrundlage zerstört habe, im VW-Abgasskandal nicht, weil die Nachbesserung unter Aufsicht einer unabhängigen Behörde (Kraftfahrt-Bundesamt) erfolgt.

LG Braunschweig, Urteil vom 25.04.2017 – 11 O 4/17

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