1. Hat ein Verbraucher einen Gebrauchtwagen nach dem Inhalt des Kaufvertrags nicht von einem Kfz-Händler, sondern unter dessen Vermittlung von einem privaten Verkäufer gekauft (Agenturgeschäft), so ist aus Sicht des Verbrauchers davon auszugehen, dass Ansprüche wegen eines Mangels des Fahrzeugs gegenüber dem privaten Verkäufer geltend zu machen sind. Stellt sich der Verbraucher dagegen auf den Standpunkt, nicht der private Verkäufer, sondern der Händler sei in Wahrheit sein Vertragspartner, so ist es an ihm, Tatsachen vorzutragen und zu beweisen, die für ein Umgehungsgeschäft sprechen. Das Risiko, nur vermutete Tatsachen im Prozess nicht beweisen zu können, kann einer Prozesspartei auch unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes nicht abgenommen werden.
  2. Wird beim Verkauf eines Gebrauchtwagens ein Agenturgeschäft nach der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise missbräuchlich eingesetzt, um ein in Wahrheit vorliegendes Eigengeschäft des Kfz-Händlers zu verschleiern, so hat dies zur Folge, dass sich der Händler gemäß § 475 I 2 BGB so behandeln lassen muss, als hätte er selbst das Fahrzeug an den Verbraucher verkauft. Demzufolge führt die Verschleierung eines Eigengeschäfts dazu, dass ein kaufvertraglich vereinbarter Gewährleistungsausschluss unwirksam ist und der Käufer des Fahrzeugs Mängelrechte gegenüber dem Händler selbst geltend machen kann.

LG Berlin, Urteil vom 09.05.2017 – 55 S 133/16

Sachverhalt: Der Kläger verlangt von den Beklagten die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages.

Dieser Vertrag wurde auf dem Betriebsgelände des Beklagten zu 1, der gewerblich mit Kraftfahrzeugen handelt, geschlossen, nachdem der Kläger mit einem Mitarbeiter des Beklagten zu 1 Vertragsverhandlungen geführt hatte. Die Vertragsurkunde, die dem Kläger von dem Mitarbeiter des Beklagten zu 1 zur Unterschrift vorgelegt wurde, ist mit „Privatkaufvertrag zwischen zwei Verbrauchern“ überschrieben und weist als Verkäuferin des streitgegenständlichen Fahrzeugs F aus. Sie enthält weder den Namen des Beklagten zu 1 noch den Namen, unter dem er im Geschäftsverkehr auftritt. An der für die Unterschrift des Verkäufers vorgesehen Stelle findet sich die Unterschrift des Mitarbeiters der Beklagten zu 1 mit dem Zusatz „i. A.“.

Das Amtsgericht (AG Pankow/Weißensee, Urt. v. 28.04.2016 – 3 C 380/15) hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.

Aus den Gründen: Entgegen der von dem Amtsgericht vertretenen Auffassung ist zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1 kein Kaufvertrag über den Pkw zustande gekommen. Aus dem Vertragsformular war für den Kläger eindeutig erkennbar, dass er den Pkw von einem/einer Privatmann/-frau und nicht von einem gewerbsmäßigen Händler erwirbt.

Nach dem Inhalt des schriftlichen Kaufvertrages hat der Kläger das Fahrzeug nicht von dem Beklagten zu 1, sondern von F, deren Name und Anschrift an der dafür vorgesehenen Stelle des Formulars handschriftlich eingetragen wurden, gekauft. Der Beklagte zu 1 selbst erscheint in der Vertragsurkunde weder namentlich noch unter der von ihm im Geschäftsverkehr verwendeten Bezeichnung. Der Mitarbeiter des Beklagten zu 1, mit dem der Kläger wegen des Fahrzeugkaufs verhandelte, hat die Vertragsurkunde in der für den Verkäufer vorgesehenen Unterschriftszeile mit dem Zusatz „i. A.“ unterzeichnet. Der Beklagte zu 1 ist damit nach dem Vertragsinhalt eindeutig nicht als Verkäufer des Fahrzeugs in Erscheinung getreten (vgl. insoweit BGH, Urt. v. 26.01.2005 – VIII ZR 175/04, NJW 2005, 1039). Für eine Auslegung des Verkaufsangebotes gemäß §§ 133, 157 BGB gibt es somit entgegen der vom Amtsgericht vertretenen Ansicht bereits keinen Anlass, zumal auch der Vorname der Verkäuferin … eindeutig weiblich ist.

An diesem Ergebnis würde auch eine etwa vorhandene Fehlvorstellung des Klägers darüber, dass der Beklagte zu 1 Verkäufer des Fahrzeugs sei, nichts zu ändern vermögen. Denn ein ausreichender Hinweis darauf ist darin zu sehen, dass die von dem Mitarbeiter des Beklagten zu 1 handschriftlich ergänzte und dem Kläger sodann zur Unterschrift vorgelegte Vertragsurkunde nicht den Beklagten zu 1, sondern F als Verkäuferin des Fahrzeugs bezeichnet und das Schriftstück zudem betitelt ist mit „Privatkaufvertrag zwischen zwei Verbrauchern“. Die vollständige Lektüre des Vertrages ist Sache des Käufers, sodass etwaige bei seiner Unterschrift vermeintlich abgedeckte Textpassagen die rechtliche Bewertung nicht beeinflussen können. Dasselbe gilt für den Umstand, dass der Beklagte zu 1 nach Auffassung des Amtsgerichts die auf seinem Betriebsgelände ausgestellten Fahrzeuge auch im Internet so präsentierte, dass für die Kunden nicht erkennbar war, ob der Beklagte zu 1 als Verkäufer oder nur als Vermittler in Erscheinung treten wollte. Allein der Umstand, dass die Präsentation des Fahrzeugs auf dem Betriebsgelände des Beklagten zu 1 erfolgte, spielt für die rechtliche Bewertung jedoch keine Rolle, weil hieraus für den Kläger nichts Eindeutiges herzuleiten ist. Vermittlungsgeschäfte sind eine seit Langem bekannte Geschäftsform. Für den Verkäufer wie für den Käufer eines Gebrauchtwagens kann es von Vorteil sein, einen Gebrauchtwagenhändler als Vermittler einzuschalten. Auch für den Händler selbst kann es legitime Gründe geben, Gebrauchtfahrzeuge nicht anzukaufen, sondern ihren Weiterverkauf nur zu vermitteln (OLG Stuttgart, Urt. v. 19.05.2004 – 3 U 12/04, NJW 2004, 2169). Allein mit dem Angebot eines Gebrauchtfahrzeugs durch einen Händler ist also nicht eindeutig, ob er den Kauf in eigenem Namen oder in Vertretung für den Eigentümer abschließen möchte.

Der zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1 zustande gekommene Kaufvertrag ist kein Scheingeschäft i. S. des § 117 I BGB und somit nicht nichtig. Nach dieser Bestimmung ist eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, nichtig, wenn sie mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben wird. Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor, weil die mit dem Kaufvertrag verbundenen Rechtsfolgen von beiden Parteien, insbesondere auch vom Kläger, gewollt waren. Damit scheidet ein Scheingeschäft aus (BGH, Urt. v. 12.12.2012 – VIII ZR 89/12, DAR 2013, 511 Rn. 14).

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot vorliegt, wenn durch bestimmte Vertragsgestaltungen ein in Wahrheit vorliegendes Eigengeschäft des Unternehmers verschleiert wird und damit die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf umgangen werden, insbesondere indem ein Agenturgeschäft nach der insoweit gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise missbräuchlich eingesetzt oder ein „Strohmann“ zwischengeschaltet wird (BGH, Urt. v. 22.11.2006 – VIII ZR 72/06, BGHZ 170, 67 Rn. 14 ff.). Denn wenn ein Agenturgeschäft nach der hierbei gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise missbräuchlich dazu eingesetzt wird, ein in Wahrheit vorliegendes Eigengeschäft des Unternehmers zu verschleiern, so hat dies zur Folge, dass sich der Händler beim Weiterverkauf des Gebrauchtwagens gemäß § 475 I 2 BGB so behandeln lassen muss, als hätte er selbst das Fahrzeug an den Kläger verkauft, während das gleichwohl gewählte Agenturgeschäft nach § 475 I 2 BGB keine Anerkennung finden kann (BGH, Urt. v. 22.11.2006 – VIII ZR 72/06, BGHZ 170, 67 Rn. 16). Dementsprechend führt die Verschleierung eines Eigengeschäfts des Unternehmers beim Agenturgeschäft dazu, dass der Gebrauchtwagenkäufer Mängelrechte aus der Unwirksamkeit eines Gewährleistungsausschlusses gegenüber dem Händler (und nicht gegenüber dem vom Händler vertretenen Verbraucher) geltend machen kann.

Stellt sich der Verbraucher – wie hier der Kläger – jedoch auf den Standpunkt, nicht der Privatverkäufer, sondern der Händler sei in Wahrheit sein Vertragspartner, so ist es an ihm, Tatsachen vorzutragen und unter Beweis zu stellen, die für einen Umgehungstatbestand sprechen (BGH, Urt. v. 26.01.2005 – VIII ZR 175/04, NJW 2005, 1039, 1040 f.). Das Risiko, nur vermutete Tatsachen im Prozess nicht beweisen zu können, kann einer Prozesspartei auch unter Verbraucherschutzgesichtspunkten nicht abgenommen werden.

Der Beklagte zu 1 hat vorgetragen, dass er das wirtschaftliche Risiko des Verkaufs nicht getragen habe. Dem Kläger hätte es daher oblegen, Gegenteiliges darzulegen und gegebenenfalls unter Benennung der F zu beweisen. Hieran fehlt es.

Gegen den Beklagten zu 1 besteht auch kein Anspruch gemäß § 280 I BGB. Es ist nicht ersichtlich, dass er als Vermittler des Kaufvertrags eine Pflichtverletzung dahin gehend begangen hat, dass er seinen Aufklärungspflichten nicht nachgekommen ist oder in betrügerischer Absicht die technische Mangelfreiheit vortäuschte, damit das Fahrzeug verkauft wird.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten zu 1 aus einer Eigenhaftung des Vertreters gemäß § 311 II, II BGB, § 84 II HGB.

Ein Anspruch aus einer Eigenhaftung des Vertreters – der nur in Ausnahmefällen eingreift – setzt voraus, dass der Vertreter entweder ein besonderes wirtschaftliches Interesse am Abschluss des Vertrages hat oder dass er in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat. Mit Rücksicht auf den Ausnahmecharakter dieser Haftung müssen besonders deutliche Anhaltspunkte vorliegen. Zwar kann aus einem Verschulden bei Vertragsschluss nicht nur der Vertragspartner selbst, sondern auch ein für ihn auftretender Vertreter oder Beauftragter haften, wenn er wirtschaftlich in besonderem Maße an dem Abschluss interessiert ist und aus dem Geschäft eigenen Nutzen erstrebt oder besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat (BGH, Urt. v. 23.02.1983 – VIII ZR 325/81, BGHZ 87, 27, 33). Dabei muss es sich bei dem Haftenden nicht um den gesetzlichen oder vertraglich bestellten Vertreter des Vertragspartners handeln. Ausreichend ist, dass der Verhandelnde besonderen Einfluss in der vertretenden Firma ausübt, den Vertragspartner als diejenige Person gegenübertritt, von dessen Entscheidung nach den gegebenen Umständen der Abschluss des Geschäftes maßgeblich abhängt und von dessen Verhalten die Entschließung des anderen Teiles entscheidend beeinflusst wird (vgl. BGH, Urt. v. 05.04.1971 – VII ZR 163/69, BGHZ 56, 81, 85 f.; Urt. v. 16.11.1978 – II ZR 94/77, BGHZ 72, 382, 384 f.).

Die erste Voraussetzung für eine Haftung – das eigene wirtschaftliche Interesse des Beklagten zu 1 – ist nicht gegeben. Das allgemeine Interesse, dass jeder Gesellschafter eines Unternehmens an florierenden Handelsgeschäften seiner Firma hat, reicht dafür jedenfalls nicht aus. Vielmehr setzt die Haftung des Vertreters eine engere Beziehung zu dem mit dem Vertragsabschluss verfolgten Ziel voraus. Der Vertreter muss – wirtschaftlich betrachtet – gleichsam „in eigener Sache“ beteiligt sein (vgl. BGH, Urt. v. 05.04.1971 – VII ZR 163/69, BGHZ 56, 81, 84). Davon ist die Rechtsprechung in solchen Fällen ausgegangen, in denen der Vertreter alleiniger Geschäftsführer und Alleingesellschafter oder Mehrheitsgesellschafter einer GmbH war (BGH, Urt. v. 23.02.1983 – VIII ZR 325/81, BGHZ 87, 27), weil hier praktisch Identität zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter besteht. Eine ebenso enge Interessenverknüpfung ist anzunehmen, wenn die Gesellschafter durch unbeschränkte selbstschuldnerische Bürgschaft für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften und damit praktisch das ganze unternehmerische Risiko tragen.

Auch fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass der Beklagte zu 1 besonderes Vertrauen in Anspruch genommen hat. Es reicht nicht aus, dass der Vertragspartner dem Verhandelnden besonderes Vertrauen entgegenbringt. Der Vertreter muss durch sein Verhalten Einfluss auf die Entscheidung des anderen nehmen. Dabei reicht der Hinweis auf die vorhandene Sachkunde nicht aus, vielmehr muss der Vertreter über das allgemeine Verhandlungsvertrauen hinaus eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung der Geschäfte bieten (BGH, Urt. v. 04.07.1983 – II ZR 220/82, BGHZ 88, 67, 69 f.). Anhaltspunkte für eine persönliche Gewährsübernahme, die sich im Vorfeld einer Garantiezusage zu bewegen hat, fehlen. Es muss eine außergewöhnliche Sachkunde oder besondere persönliche Zuverlässigkeit gegeben sein.

Da es an einer Grundlage für eine Haftung des Beklagten zu 1 fehlt, kommt auch eine Haftung der Beklagten zu 2 gemäß § 25 I HGB nicht in Betracht. Denn eine Verpflichtung, die von der Beklagten zu 2 hätte übernommen werden können, gibt es nicht. …

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