1. Der Rück­tritt von ei­nem Kfz-Kauf­ver­trag ist aus­ge­schlos­sen, wenn das er­wor­be­ne Fahr­zeug zwar ei­nen un­be­heb­ba­ren Man­gel auf­weist, die­ser die Ge­brauchs­taug­lich­keit des Fahr­zeugs und den Fahrt­kom­fort je­doch nur un­we­sent­lich min­dert und sich nicht bei je­dem Fah­rer in glei­cher Wei­se be­merk­bar macht.
  2. Ob ein Man­gel i. S. des § 323 V 2 BGB un­er­heb­lich und des­halb ein Rück­tritt aus­ge­schlos­sen ist, hängt da­von ab, ob sich der Man­gel be­he­ben lässt oder nicht. Bei ei­nem be­heb­ba­ren Man­gel ist ein Rück­tritt aus­ge­schlos­sen, wenn die Kos­ten der Man­gel­be­sei­ti­gung im Ver­hält­nis zum Kauf­preis ge­ring sind. Da­ge­gen kommt es bei ei­nem un­be­heb­ba­ren Man­gel oder ei­nem Man­gel, des­sen Be­sei­ti­gung ho­he Kos­ten er­for­dert, auf das Aus­maß der Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung an. Glei­ches gilt, wenn die Man­gel­ur­sa­che im Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung un­ge­klärt war, zum Bei­spiel weil auch der Ver­käu­fer sie nicht fest­stel­len konn­te.

OLG Saar­brü­cken, Ur­teil vom 20.03.2013 – 1 U 38/12-11

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­gehrt die Rück­gän­gig­ma­chung ei­nes Pkw-Kauf­ver­trags.

Er er­warb am 17.09.2010 von der Be­klag­ten ein Neu­fahr­zeug zum Preis von 13.140 € und re­kla­mier­te in der Fol­ge­zeit mehr­fach ein Mo­tor­ge­räusch, das beim Last­wech­sel auf­trat. Die Be­klag­te ver­such­te mehr­fach er­folg­los, die­ses Ge­räusch zu be­sei­ti­gen.

Mit Schrei­ben vom 28.10.2010 wur­de die Be­klag­te schließ­lich un­ter Frist­set­zung auf­ge­for­dert, das Fahr­zeug des Klä­gers in ei­nen ord­nungs­ge­mä­ßen Zu­stand zu ver­set­zen und an den Klä­ger her­aus­zu­ge­ben. Die Her­aus­ga­be er­folg­te, oh­ne dass das Mo­tor­ge­räusch be­sei­tigt wor­den war.

Der Klä­ger hat be­haup­tet, das Ge­räusch tre­te bei je­dem Schalt­vor­gang auf. Er meint, es lie­ge ein tech­ni­scher Man­gel vor, weil das er­wor­be­ne Fahr­zeug nicht dem Stand der Tech­nik ent­spre­che, und hat des­halb den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag er­klärt.

Mit Ur­teil vom 29.12.2011 hat das LG Saar­brü­cken die auf Zah­lung von 9.840 € ge­rich­te­te Kla­ge ab­ge­wie­sen. Es hat ge­meint, falls das Fahr­zeug ei­nen Man­gel auf­wei­se, sei die­ser je­den­falls i. S. von § 323 V 2 BGB un­er­heb­lich. Die Be­ru­fung des Klä­gers hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Der Klä­ger hat kei­nen An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs aus §§ 346 I, 348, 323, 434 I 2 Nr. 2, 437 Nr. 2 Fall 1, 440 BGB. Es liegt zwar ein Man­gel vor, die­ser ist je­doch nicht er­heb­lich.

1. Das an den Klä­ger über­las­se­ne Fahr­zeug ist auf­grund der Ge­räusch­ent­wick­lung man­gel­haft.

Da An­halts­punk­te für ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung und ei­ne ver­trag­lich vor­aus­ge­setz­te Ver­wen­dung feh­len, ist hin­sicht­lich der Man­gel­haf­tig­keit des Fahr­zeugs auf des­sen Eig­nung zur ge­wöhn­li­chen Ver­wen­dung und ei­ne bei Sa­chen der glei­chen Art üb­li­che und vom Käu­fer zu er­war­ten­de Be­schaf­fen­heit ab­zu­stel­len (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB).

Auf­grund der Ge­räusch­ent­wick­lung beim Schalt­vor­gang weist das Fahr­zeug nicht die Be­schaf­fen­heit auf, die bei ei­nem Neu­fahr­zeug üb­lich ist und die der Käu­fer er­war­ten kann.

Wel­che Be­schaf­fen­heit üb­lich ist, hängt von den Um­stän­den des Ein­zel­falls ab, wie bei­spiels­wei­se dem Al­ter und der Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs, der An­zahl der Vor­be­sit­zer und der Art der Vor­be­nut­zung. Für das, was der Käu­fer er­war­ten darf, kann fer­ner der Kauf­preis von Be­deu­tung sein (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VI­II ZR 330/06, NJW 2008, 53, 54).

Für die Soll­be­schaf­fen­heit nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB kommt es we­der auf die kon­kret vor­han­de­ne Vor­stel­lung des je­wei­li­gen Käu­fers noch auf ei­nen durch­schnitt­li­chen tech­ni­schen In­for­ma­ti­ons­stand – so­fern ein sol­cher über­haupt fest­stell­bar sein soll­te – der Käu­fer­sei­te, son­dern al­lein dar­auf an, wel­che Be­schaf­fen­heit der Käu­fer „nach der Art der Sa­che“ er­war­ten kann. Maß­stab ist da­nach die ob­jek­tiv be­rech­tig­te Käu­fe­rer­war­tung, die sich in Er­man­ge­lung ab­wei­chen­der An­halts­punk­te an der üb­li­chen Be­schaf­fen­heit gleich­ar­ti­ger Sa­chen ori­en­tiert. Da­ge­gen ist nicht ent­schei­dend, wel­che Be­schaf­fen­heit der Käu­fer tat­säch­lich er­war­tet und wie er auf ei­ne hier­von ab­wei­chen­de Be­schaf­fen­heit re­agiert (vgl. BGH, Urt. v. 20.05.2009 – VI­II ZR 191/07, NJW 2009, 2807, 2808; Urt. v. 04.03.2009 – VI­II ZR 160/08, NJW 2009, 2056, 2057).

Nach den Fest­stel­lun­gen des Sach­ver­stän­di­gen Dipl.-Ing. H … ist am streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug im Rah­men von Last­wech­seln ein Kla­cker­ge­räusch wahr­nehm­bar. Er be­zeich­net dies in sei­nem Gut­ach­ten als „Funk­ti­ons­ge­räusch“. Dies tre­te bei bau­artähn­li­chen Fahr­zeu­gen an­de­rer Fa­bri­ka­te nicht auf. Im Rah­men sei­ner münd­li­chen An­hö­rung schil­der­te er dies nä­her und sprach auch von ei­nem „Ru­cken“ bei Be­las­ten des Gas­pe­dals am En­de des Schalt­vor­gangs.

Auch wenn das Ge­räusch nicht bei je­dem Schalt­vor­gang auf­tritt, ist dies nach Vor­ste­hen­dem als Man­gel an­zu­se­hen. Der Klä­ger er­warb ein Neu­fahr­zeug. Un­ab­hän­gig von der Fra­ge, ob Ge­räusch­ent­wick­lun­gen ei­nen Man­gel des Fahr­zeugs dar­stel­len und wel­che In­ten­si­tät die­se er­rei­chen müs­sen, kann der Käu­fer ei­nes sol­chen Fahr­zeugs er­war­ten, dass beim Schalt­vor­gang kei­ne ano­ma­len, das heißt nicht durch den Fahr­be­trieb her­vor­ge­ru­fe­ne bzw. be­ding­ten Ge­räu­sche wahr­nehm­bar sind.

Dem steht der Um­stand, dass es bei al­len Fahr­zeu­gen des glei­chen Typs zu den Klack­ge­räu­schen kommt, nicht ent­ge­gen.

Bei Se­ri­en- oder Kon­struk­ti­ons­feh­lern kann bei der Be­ur­tei­lung der Fra­ge der Man­gel­haf­tig­keit i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB als Ver­gleichs­maß­stab nicht al­lein auf Fahr­zeu­ge des glei­chen Typs ab­ge­stellt wer­den. Es ist viel­mehr ein her­stel­ler­über­grei­fen­der Ver­gleich an­zu­stel­len. Maß­stab ist das Ni­veau, das nach Typ, Al­ter und Lauf­leis­tung ver­gleich­ba­re Fahr­zeu­ge an­de­rer Her­stel­ler er­rei­chen und das der Markt­er­war­tung ent­spricht (vgl. OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 18.01.2008 – 17 U 2/07, NJW-RR 2008, 1230).

Nach den Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen H … tre­ten die Ge­räu­sche bei Ver­gleichs­fahr­zeu­gen nicht auf. Da­mit sei die Ge­räusch­bil­dung Stand der Se­rie, nicht je­doch Stand der Tech­nik. Der Käu­fer ei­nes Neu­fahr­zeugs der vor­lie­gen­den Art kann je­doch er­war­ten, dass im Zu­ge des Schalt­vor­gangs kei­ne ano­ma­len Ge­räu­sche auf­tre­ten.

2. Der Man­gel lag auch zum Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs (§ 446 Satz 1 BGB) vor. Zum ei­nen greift zu­guns­ten des Klä­gers die Ver­mu­tung des § 476 BGB ein. Er hat den Man­gel auch mehr­fach bin­nen der Frist von sechs Mo­na­ten ge­rügt, was sich al­lein dar­aus er­gibt, dass be­reits in­ner­halb die­ser Frist der An­trag auf Ein­lei­tung des selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­rens ge­stellt wur­de. Zum an­de­ren liegt ein Kon­struk­ti­ons­feh­ler des Fahr­zeugs vor, der die­sem von An­fang an in­ne­wohn­te.

3. Die in der Lie­fe­rung des man­gel­haf­ten Fahr­zeugs lie­gen­de „Pflicht­ver­let­zung” ist je­doch un­er­heb­lich, so­dass ein Rück­tritt nach § 323 V 2 BGB aus­schei­det. Da­bei trägt der Ver­käu­fer die Be­weis­last für die Un­er­heb­lich­keit (vgl. Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 11. Aufl. [2012], Rn. 1064). Die­sen Be­weis hat die Be­klag­te er­bracht.

a) Für die Fra­ge, wie die Er­heb­lich­keit zu be­ur­tei­len ist, kommt es auf die Be­heb­bar­keit des Man­gels an. Ist der Man­gel be­heb­bar, ist der Rück­tritt nach § 323 V 2 BGB dann aus­ge­schlos­sen, wenn die Kos­ten sei­ner Be­sei­ti­gung im Ver­hält­nis zum Kauf­preis ge­ring­fü­gig sind. Liegt da­ge­gen ein un­be­heb­ba­rer Man­gel oder ein sol­cher vor, der nur mit ho­hen Kos­ten be­heb­bar ist, kommt es für die Fra­ge der Er­heb­lich­keit der Pflicht­ver­let­zung auf das Aus­maß der Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung an. Glei­ches gilt, wenn die Man­gel­ur­sa­che im Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung un­ge­klärt war, et­wa weil auch der Ver­käu­fer sie nicht fest­stel­len konn­te (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VI­II ZR 202/10, NJW 2011, 2872, 2874).

b) Vor­lie­gend ist der Man­gel nicht be­heb­bar. Da­von ge­hen nicht nur die Par­tei­en aus. Viel­mehr hat dies auch der Sach­ver­stän­di­ge Dipl.-Ing. H fest­ge­stellt.

Selbst wenn man nicht von der Un­be­heb­bar­keit des Man­gels aus­geht, so war die Man­gel­ur­sa­che im Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung im obi­gen Sin­ne un­ge­klärt. Auch die Ver­käu­fe­rin konn­te die­se nicht fest­stel­len.

(1) Da­mit ist für die Fra­ge der Er­heb­lich­keit i. S. von § 323 V 2 BGB auf das Aus­maß der Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gung ab­zu­stel­len. Hier­für ist auch maß­geb­lich, ob die Ge­brauchs­taug­lich­keit ein­ge­schränkt ist (vgl. BGH, Urt. v. 05.11.2008 – VI­II ZR 166/07, NJW 2009, 508, 509). Da­bei ist ein un­be­heb­ba­rer Man­gel nicht stets er­heb­lich (vgl. BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VI­II ZR 253/05, NJW 2008, 1517, 1519). Für die Fra­ge der Ge­brauchs­taug­lich­keit spielt ne­ben der Ein­satz­fä­hig­keit und der Fahr­si­cher­heit auch der Fahr­kom­fort ei­ne Rol­le, wo­bei ein blo­ßer Kom­fort­man­gel in der Re­gel we­ni­ger stark ins Ge­wicht fällt (vgl. Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 1036, 1039).

Im Rah­men der Er­heb­lich­keits­prü­fung ist auch ent­schei­dend, ob der Man­gel zu ei­nem mer­kan­ti­len Min­der­wert des Fahr­zeugs führt (vgl. BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VI­II ZR 253/05, NJW 2008, 1517, 1519). Die­ser Um­stand ist nicht nur dann von Be­deu­tung, wenn es auf­grund der Art des Man­gels – im ent­schie­de­nen Fall die Ei­gen­schaft als Un­fall­fahr­zeug – aus­ge­schlos­sen ist, dass sich die­ser Man­gel in ei­ner Be­ein­träch­ti­gung der Ge­brauchs- oder Funk­ti­ons­fä­hig­keit nie­der­schlägt, son­dern ist al­ter­na­tiv zu prü­fen (vgl. Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 3516).

(2) Hier­nach war der Man­gel nicht er­heb­lich.

(a) Nach den Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen H ist die Funk­ti­on des Fahr­zeugs ge­währ­leis­tet. Von ei­ner Be­ein­träch­ti­gung der Fahr­si­cher­heit kann so­mit nicht aus­ge­gan­gen wer­den.

Ein er­heb­li­cher Kom­fort­man­gel liegt eben­falls nicht vor. Im Rah­men sei­ner An­hö­rung vor dem Se­nat hat der Sach­ver­stän­di­ge H aus­ge­führt, das Ge­räusch tre­te zwar bei je­dem Schalt­vor­gang des Klä­gers, aber bei ei­nem an­de­ren Fahr­zeug­be­trei­ber nicht stets auf. Je de­zen­ter der Schalt­vor­gang er­fol­ge, des­to we­ni­ger sei­en die Ge­räu­sche wahr­nehm­bar. Der Sach­ver­stän­di­ge konn­te dies auch nach­voll­zieh­bar da­mit er­klä­ren, dass der Klä­ger vor dem Er­werb des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs ein deut­lich leis­tungs­schwä­che­res Fahr­zeug ge­fah­ren und bei die­sem of­fen­sicht­lich schnel­ler den Gang­wech­sel voll­zo­gen ha­be.

Die An­ga­ben des Sach­ver­stän­di­gen sind auch nicht des­halb als un­glaub­haft an­zu­se­hen, weil sie in die­ser Form im schrift­li­chen Gut­ach­ten nicht ent­hal­ten wa­ren. Der Sach­ver­stän­di­ge hat im Ter­min nach­voll­zieh­bar und schlüs­sig dar­ge­legt, dass die Ge­räusch­ent­wick­lung vom Fah­rer­pro­fil ab­hän­ge. Da­mit geht ein­her, dass es Fah­rer gibt, bei de­nen das Ge­räusch nicht auf­tritt. Dies deckt sich durch­aus mit den sons­ti­gen Fest­stel­lun­gen im Gut­ach­ten. Dass es dar­in nicht wört­lich auf­ge­nom­men ist, macht die münd­lich er­folg­te Klar­stel­lung nicht un­glaub­haft.

(b) Es fehlt auch an ei­ner mer­kan­ti­len Wert­min­de­rung des Fahr­zeugs. Der Sach­ver­stän­di­ge konn­te ei­ne sol­che nicht er­mit­teln. Dies steht in Ein­klang mit sei­nen üb­ri­gen Fest­stel­lun­gen, wo­nach die Ge­räusch­ent­wick­lung sub­jek­tiv fah­rer­ab­hän­gig sei und durch ent­spre­chen­des Fahr­ver­hal­ten gänz­lich ver­mie­den wer­den kön­ne. Der Sach­ver­stän­di­ge sprach von ei­nem „Lust­ver­lust“, der sich je­doch wirt­schaft­lich nicht aus­wirkt. Da­her ist der Ver­kehrs­wert des Fahr­zeugs nicht ge­min­dert. …

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