Ein Ver­käu­fer haf­tet nur dann we­gen ei­ner arg­lis­ti­gen Täu­schung durch Ver­schwei­gen ei­nes of­fen­ba­rungs­pflich­ti­gen Man­gels, wenn er den Man­gel kann­te oder ihn zu­min­dest für mög­lich hielt und bil­li­gend in Kauf nahm, dass der Käu­fer den Man­gel nicht kann­te und der Kauf­ver­trag bei Of­fen­ba­rung des Man­gels nicht oder nicht mit dem ver­ein­bar­ten In­halt ge­schlos­sen wor­den wä­re.

OLG Ko­blenz, Be­schluss vom 24.01.2013 – 3 U 846/12

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin, die seit Ju­ni 1992 ein Ge­wer­be für Klein­trans­por­te an­ge­mel­det hat, er­warb von der Be­klag­ten am 17.11.2011 ei­nen Mer­ce­des-Benz Sprin­ter mit ein­ge­bau­ter Luft­fe­der­an­la­ge. Der Kauf­preis be­trug 22.000 €. Die Par­tei­en ver­ein­bar­ten ei­nen Aus­schluss der Ge­währ­leis­tung.

An­läss­lich des Kauf­ver­trags­schlus­ses teil­te die Klä­ge­rin der Be­klag­ten mit, dass sie ein Trans­port­un­ter­neh­men füh­re und das Fahr­zeug für ihr Ein­zel­un­ter­neh­men vor­ge­se­hen sei.

Nach Ab­ho­lung des Fahr­zeu­ges be­merk­te der Ehe­mann der Klä­ge­rin auf der Au­to­bahn ab ei­ner Ge­schwin­dig­keit von et­wa 120 km/h, dass das Fahr­zeug nicht mehr ge­ra­de­aus fuhr und zu schwim­men be­gann. Er wand­te sich des­we­gen noch am sel­ben Tag an die Fir­ma X, die ei­ne elek­tro­ni­sche Achs­ver­mes­sung vor­nahm und die Spur ein­stell­te. Hier­für be­rech­ne­te sie 60 €. Da sich das Fahr­ver­hal­ten nicht än­der­te, wand­te sich der Ehe­mann der Klä­ge­rin am 26.10.2011 an den Fahr­zeug­her­stel­ler. Die­ser ver­maß das Fahr­zeug und stell­te Spur und Sturz ein, wo­für der Klä­ge­rin 349,99 € in Rech­nung ge­stellt wur­den. Bei der Über­prü­fung des Fahr­zeugs stell­te Mer­ce­des-Benz ei­nen Rah­menscha­den fest und teil­te der Klä­ge­rin mit, dass das Fahr­zeug des­we­gen nicht mehr ver­kehrs­si­cher sei.

Mit Schrei­ben vom 26.10.2011 be­gehr­te die Klä­ge­rin von der Be­klag­ten zu­nächst die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags.

Im No­vem­ber be­auf­trag­te sie dann die Fir­ma Y mit der In­stand­set­zung des Fahr­zeu­ges, wo­für sie 3.272,50 € zahl­te. An­schlie­ßend wur­den bei Mer­ce­des-Benz al­le Rä­der noch ein­mal aus­ge­baut und aus­ge­wuch­tet. Hier­für be­rech­ne­te Mer­ce­des-Benz 134,76 €. Schließ­lich ließ die Klä­ge­rin den Fahr­zeug­scha­den durch ei­nen Sach­ver­stän­di­gen be­gut­ach­ten, wo­für sie 1.996,59 € be­zahl­te.

Die Klä­ge­rin hat vor­ge­tra­gen, sie ha­be das Fahr­zeug als Pri­vat­per­son er­wor­ben, da sie ei­nen Haus­stand in die Tür­kei ha­be trans­por­tie­ren wol­len. Erst nach die­sem Trans­port sei das Fahr­zeug in ihr Un­ter­neh­men über­nom­men wor­den. Die ein­ge­bau­te Luft­fe­der­an­la­ge, auf die der fest­ge­stell­te Rah­menscha­den zu­rück­zu­füh­ren sei, sei von Mer­ce­des-Benz nicht frei­ge­ge­ben. Die Klä­ge­rin – die die An­fech­tung des Ver­trags we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung er­klärt hat – meint, die Be­klag­te ha­be sie arg­lis­tig ge­täuscht, da sie ge­wusst ha­be, dass die Luft­fe­der­an­la­ge für das Fahr­zeug nicht ge­eig­net ge­we­sen und auch nicht von ei­nem Sach­ver­stän­di­gen ab­ge­nom­men wor­den sei. Im Üb­ri­gen sei der Scha­den auch an­hand des Fahr­ver­hal­tens fest­stell­bar ge­we­sen.

Mit ih­rer Kla­ge hat die Klä­ge­rin Er­satz der ihr von X, Y und Mer­ce­des-Benz in Rech­nung ge­stell­ten Be­trä­ge be­gehrt. Au­ßer­dem hat sie die Er­stat­tung der für das Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten an­ge­fal­le­nen Kos­ten so­wie den Aus­gleich ei­ner Wert­min­de­rung (1.500 €) ver­langt.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das OLG Ko­blenz hat die Klä­ge­rin dar­auf hin­ge­wie­sen, dass be­ab­sich­tigt sei, ih­re Be­ru­fung ge­mäß § 522 II ZPO zu­rück­zu­wei­sen, da das Rechts­mit­tel of­fen­sicht­lich kei­ne Aus­sicht auf Er­folg ha­be.

Aus den Grün­den: II. … 1. Das Land­ge­richt hat zu Recht der Klä­ge­rin kei­ne Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che we­gen ei­nes Man­gels an dem ver­äu­ßer­ten Sprin­ter der Mar­ke Mer­ce­des-Benz ge­mäß §§ 437 Nr. 3, 280 BGB zu­ge­spro­chen. Ei­ne Haf­tung der Be­klag­ten schei­det auf­grund des zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bar­ten Ge­währ­leis­tungs­aus­schlus­ses aus.

Es han­delt sich vor­lie­gend nicht um ei­nen Ver­brauchs­gü­ter­kauf ge­mäß §§ 474 ff. BGB. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Klä­ge­rin in ih­rer Be­ru­fung hat sie das Fahr­zeug nicht als Pri­vat­per­son ge­kauft. Zwar lässt sich dem Kauf­ver­trag kein Hin­weis auf das von der Klä­ge­rin ge­führ­te Trans­port­un­ter­neh­men ent­neh­men. Aus­weis­lich der als An­la­ge zum Schrift­satz der Be­klag­ten vom 01.03.2012 über­reich­ten Aus­kunft aus dem Ge­wer­be­re­gis­ter … be­treibt die Klä­ge­rin je­doch seit dem 01.09.1992 ein Ge­wer­be für Klein­trans­por­te. Auch das Rück­tritts­schrei­ben der Klä­ge­rin vom 26.10.2011 ist mit Brief­kopf der Fir­ma A-Trans­port & Ku­rier­dienst ver­se­hen. Das Land­ge­richt hat tat­be­stand­lich un­strit­tig fest­ge­stellt, dass die Klä­ge­rin der Be­klag­ten an­läss­lich des Kauf­ver­trags­schlus­ses mit­ge­teilt ha­be, dass sie ein Trans­port­fahr­zeug füh­re und das Fahr­zeug für ihr Ein­zel­un­ter­neh­men vor­ge­se­hen sei.

So­weit die Klä­ge­rin nun­mehr vor­trägt, sie ha­be als Pri­vat­per­son das Fahr­zeug er­wor­ben, ist sie im Hin­blick auf die Tat­be­stands­wir­kung des land­ge­richt­li­chen Ur­teils im Be­ru­fungs­ver­fah­ren mit die­sem Ein­wand aus­ge­schlos­sen. Der Se­nat hat ge­mäß § 529 I Nr. 1 ZPO die vom Land­ge­richt fest­ge­stell­ten Tat­sa­chen sei­ner Ent­schei­dung zu­grun­de zu le­gen (vgl. im Üb­ri­gen zur Fra­ge, in­wie­weit ei­ne Par­tei, die kei­nen Tat­be­stands­be­rich­ti­gungs­an­trag ge­stellt hat, in zwei­ter In­stanz ab­wei­chend vor­tra­gen kann, OLG Ko­blenz, Beschl. v. 12.06.2012 – 2 U 561/11, BauR 2012, 1838).

2. Das Land­ge­richt führt zu Recht aus, dass es der Be­klag­ten nicht im Hin­blick auf § 444 BGB ver­wehrt ist, sich auf den Aus­schluss der Sach­män­gel­haf­tung zu be­ru­fen.

Ei­ne Arg­lis­t­haf­tung we­gen der Täu­schung durch Ver­schwei­gen of­fen­ba­rungs­pflich­ti­ger Män­gel ge­mäß §§ 434 I 1 und 2, 437 Nr. 2, 444 BGB setzt vor­aus, dass dem Ver­käu­fer Feh­ler be­kannt wa­ren oder er sie zu­min­dest für mög­lich hielt und er bil­li­gend in Kauf nahm, dass dem Käu­fer die­se Feh­ler nicht be­kannt wa­ren und er bei de­ren Of­fen­le­gung den Kauf­ver­trag nicht oder nicht mit dem ver­ein­bar­ten In­halt ge­schlos­sen hät­te. Das Tat­be­stands­merk­mal der Arg­list er­fasst da­mit nicht nur ein Ver­hal­ten des Ver­äu­ße­rers, das von be­trü­ge­ri­scher Ab­sicht ge­tra­gen ist, son­dern auch sol­che Ver­hal­tens­wei­sen, die auf be­ding­ten Vor­satz im Sin­ne ei­nes „Für­mög­lich­hal­tens“ und „In­kauf­neh­mens“ re­du­ziert sind und mit de­nen kein mo­ra­li­sches Un­wert­ur­teil ver­bun­den sein muss (OLG Ko­blenz, Beschl. v. 04.10.2012 und v. 13.12.2012 – 2 U 1020/11; Beschl. v. 19.01.2009 – 2 U 422/08; Beschl. v. 20.02.2009 – 2 U 848/08; Beschl. v. 13.11.2009 – 2 U 443/09, NJW-RR 2010, 989).

Das Land­ge­richt konn­te auf­grund der durch­ge­führ­ten Be­weis­auf­nah­me nicht die Über­zeu­gung ge­win­nen (§ 286 ZPO), dass die Klä­ge­rin über ei­nen Man­gel arg­lis­tig ge­täuscht wor­den ist. Der Klä­ge­rin ist nicht der Nach­weis ge­lun­gen, dass ein Mit­ar­bei­ter [des Fahr­zeug­her­stel­lers] te­le­fo­nisch ge­gen­über dem Zeu­gen Z er­klärt ha­be, dass die Be­klag­te bei Ein­bau aus­drück­lich dar­auf hin­ge­wie­sen wor­den sei, dass die Luft­fe­der­an­la­ge nicht für das Fahr­zeug ge­eig­net sei. Der zu die­ser Be­haup­tung ver­nom­me­ne Zeu­ge Z konn­te ei­ne sol­che Äu­ße­rung ei­nes Mit­ar­bei­ters [des Fahr­zeug­her­stel­lers] bei sei­ner Aus­sa­ge vor dem Land­ge­richt nicht be­stä­ti­gen.

Das Land­ge­richt konn­te auch nicht fest­stel­len, dass die Be­klag­te Kennt­nis da­von hat­te, dass das Fahr­zeug ent­spre­chend dem von [dem Fahr­zeug­her­stel­ler] vor­ge­leg­ten Tei­le­gut­ach­ten des TÜV Nord vom 17.12.2009 nach dem Ein­bau der An­la­ge ei­nem Sach­ver­stän­di­gen vor­ge­führt wer­den muss­te. Es ist nicht er­sicht­lich, dass [der Fahr­zeug­her­stel­ler] der Be­klag­ten das Tei­le­gut­ach­ten tat­säch­lich aus­ge­hän­digt hat. Glei­cher­ma­ßen konn­te nicht fest­ge­stellt wer­den, dass der Be­klag­ten der Rah­menscha­den an dem Fahr­zeug bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags be­kannt ge­we­sen ist.

Die Klä­ge­rin ver­mag ei­ne Arg­lis­t­haf­tung der Be­klag­ten auch nicht aus dem von ihr vor­ge­leg­ten Gut­ach­ten des Sach­ver­stän­di­gen­bü­ros R vom 05.01.2012 er­folg­reich her­zu­lei­ten. Der Sach­ver­stän­di­ge R hat dort zwar aus­ge­führt (S. 14 des Gut­ach­tens), dass die von ihm fest­ge­stell­ten Schä­den in Form ei­nes Rah­menscha­dens im Fal­le ei­nes Ver­kau­fes of­fen­ba­rungs­pflich­tig sei­en und im Ver­kaufs­ge­spräch hät­ten be­nannt wer­den müs­sen. Es ist je­doch nicht er­sicht­lich, dass der Be­klag­ten der Rah­menscha­den be­kannt ge­we­sen ist oder sie ei­nen sol­chen je­den­falls ge­ge­be­nen­falls auf­grund des Fahr­ver­hal­tens für mög­lich ge­hal­ten hät­te. Es sind kei­ne An­halts­punk­te da­für vor­han­den, dass die Be­klag­te ab ei­ner Ge­schwin­dig­keit von 120 km/h glei­cher­ma­ßen die von dem Ehe­mann der Klä­ge­rin be­schrie­be­nen Fahr­pro­ble­me hat­te.

So­weit die Klä­ge­rin mit ih­rer Be­ru­fung vor­trägt, der Be­klag­ten müs­se als ge­werb­li­che Ver­käu­fe­rin der Rah­menscha­den be­kannt ge­we­sen sein, weil die­se ver­pflich­tet ge­we­sen sei, das Fahr­zeug ord­nungs­ge­mäß auf et­wai­ge Män­gel zu über­prü­fen, ver­fängt die­ser An­griff nicht.

Das Land­ge­richt konn­te des Wei­te­ren nicht die Über­zeu­gung ge­win­nen, dass der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten, W, zu­ge­si­chert ha­be, der Rah­menscha­den wer­de auf Ga­ran­tie be­ho­ben. Die Wür­di­gung des Land­ge­richts, ei­ne et­wai­ge Aus­sa­ge des Ge­schäfts­füh­rers W sei da­hin­ge­hend zu ver­ste­hen, dass der Scha­den mög­li­cher­wei­se von [dem Fahr­zeug­her­stel­ler] im Rah­men ei­ner be­ste­hen­den Ga­ran­tie be­ho­ben wer­de, ist nach­voll­zieh­bar. Es ist nicht er­sicht­lich, dass die Be­klag­te mit Rechts­bin­dungs­wil­len ei­ne Er­klä­rung ab­ge­ge­ben hat, bei dem ein­ge­tre­te­nen Scha­dens­fall han­de­le sich um ei­nen Ga­ran­tie­fall …

Hin­weis: Die Be­ru­fung der Klä­ge­rin wur­de mit Be­schluss vom 25.02.2013 „aus den im Hin­weis­be­schluss des Se­nats dar­ge­leg­ten Grün­den“ zu­rück­ge­wie­sen.

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