„Endpreis“ i. S. des § 8 III EStG ist der am Ende von Verkaufsverhandlungen als letztes Angebot stehende Preis und umfasst deshalb auch Rabatte.
BFH, Urteil vom 26.07.2012 – VI R 30/09
Sachverhalt: Streitig ist, ob und in welcher Höhe der vom Arbeitgeber beim Kauf eines Neufahrzeugs eingeräumte Rabatt einen als Arbeitslohn zu erfassenden geldwerten Vorteil begründet.
Der Kläger ist bei der X-AG, einem Automobilhersteller, nichtselbstständig beschäftigt. In seinem Bruttolohn der Streitjahre (2000, 2002) sind geldwerte Vorteile von 5.966 DM (2000) bzw. 5.253 € (2002) aus der Gewährung von Jahreswagenrabatten enthalten. Der Arbeitgeber hatte diese geldwerten Vorteile (Rabatte) nach Maßgabe des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 30.01.1996 (BStBl. I 1996, 114) ermittelt. Er legte dabei als Endpreis i. S. des § 8 III EStG den Preis zugrunde, der sich nach Abzug der Hälfte des üblicherweise auf den Bruttolistenpreis gewährten durchschnittlichen Preisnachlasses ergab.
Nachdem der Kläger und seine Ehefrau, die Klägerin, erklärungsgemäß zusammen zur Einkommensteuer der Streitjahre veranlagt worden waren, machten sie unter Berufung auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urt. v. 05.09.2006 – VI R 41/02, BFHE 214, 561 = BStBl. II 2007, 309) mit Einspruch geltend, dass Lohn nur insoweit vorliege, als der Arbeitgeberrabatt über den vollen durchschnittlichen auch fremden Dritten gewährten Preisnachlass hinausgehe.
Der Beklagte (das Finanzamt) wies den Einspruch zurück. Er stützte sich dazu auf einen zum Senatsurteil vom 05.09.2006 ergangenen sog. Nichtanwendungserlass (BMF-Schreiben vom 28.03.2007, BStBl. I 2007, 464). Der geldwerte Vorteil sei danach zwingend nach der typisierenden (Spezial-)Vorschrift des § 8 III EStG zu bewerten; ein Wahlrecht auf Durchführung einer günstigeren Bewertung nach § 8 II EStG bestehe entgegen der Ansicht des BFH nicht.
Die dagegen gerichtete Klage auf volle Berücksichtigung des durchschnittlichen Preisnachlasses war erfolgreich. Das Finanzgericht minderte entsprechend dem Senatsurteil vom 05.09.2006 die anzusetzenden Arbeitslöhne in den streitigen Einkommensteuerbescheiden jeweils um den gesamten üblichen Händlerrabatt. Denn Rabatte des Arbeitgebers seien nur insoweit zu versteuernde geldwerte Vorteile, als fremde Dritte solche Rabatte nicht auch erhielten.
Das Finanzamt wendet sich dagegen mit der Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 8 EStG). Das Wahlrecht entspreche nicht dem Wortlaut und Zweck des Gesetzes und auch nicht dem gesetzgeberischen Willen. § 8 III EStG sei Spezialvorschrift und verdränge § 8 II EStG. § 8 III EStG typisiere und vereinfache das Besteuerungsverfahren, ohne dass es darauf ankomme, ob im Einzelfall § 8 II EStG günstiger sei.
Das BMF hat den Beitritt zum Revisionsverfahren erklärt (§ 122 II FGO). Es vertritt die Auffassung, dass ein Wahlrecht nicht bestehe. Regelmäßig sei der nach der Preisangabenverordnung anzugebende und auszuweisende Preis maßgebend. Die gesetzliche Vorschrift beziehe allgemein am Markt gewährte Rabatte nicht ein. Soweit hierdurch im Einzelfall Vorteile erfasst würden, die auch im allgemeinen Geschäftsverkehr erzielt werden könnten, habe dies der Gesetzgeber bewusst hingenommen. Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sei auch dann gewahrt, wenn es im Einzelfall zu einer höheren Steuerbelastung komme.
Die Revision hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: [9] II. … Das Finanzgericht hat bei der Ermittlung der Vorteile aus den vom Kläger verbilligt erworbenen Jahreswagen die Rabatte, die auch Nichtarbeitnehmern beim Fahrzeugkauf gewährt werden, zu Recht als nicht aus dem Arbeitsverhältnis sich ergebende und deshalb auch nicht der Einkommensteuer zu unterwerfende Vorteile beurteilt.
[10] 1. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats gehören zu den nach § 8 EStG zu bewertenden und zu Einnahmen führenden Vorteilen i. S. des § 19 I 1 EStG auch solche, die Arbeitnehmern daraus entstehen, dass ihnen ihre Arbeitgeber Personalrabatte gewähren, indem sie Waren – z. B. „Jahreswagen“ aufgrund des Dienstverhältnisses verbilligt überlassen (zuletzt Senat, Urt. v. 17.06.2009 – VI R 18/07, BFHE 225, 388 = BStBl. II 2010, 67; Urt. v. 01.02.2007 – VI R 72/05, BFH/NV 2007, 898). Denn in diesem Fall vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht nur den Kauf eines Kraftfahrzeugs, sondern treffen auch eine besondere Preisabsprache, die im Umfang der Verbilligung ihren Rechtsgrund im Arbeitsverhältnis haben kann. Wird der Vorteil der Verbilligung „für“ eine Beschäftigung gewährt, ist er durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst und insoweit Lohn (Senat, Urt. v. 17.06.2009 – VI R 18/07, BFHE 225, 388 = BStBl. II 2010, 67; Urt. v. 01.02.2007 – VI R 72/05, BFH/NV 2007, 898). Soweit und in der Höhe, als Preisnachlässe auch im normalen Geschäftsverkehr erzielt werden können, spricht nichts dafür, dass diese Rabatte, wenn sie auch Arbeitnehmern eingeräumt werden, als Vorteil „für“ deren Beschäftigung gewährt werden und deshalb zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehören. Denn in diesem Fall fehlt es an einem aus dem Arbeitsverhältnis stammenden Vorteil als einer Grundvoraussetzung für Einkünfte i. S. des § 19 I 1 EStG (vgl. BFH, Urt. v. 02.02.1990 – VI R 15/86, BFHE 159, 513, BStBl. II 1990, 472; Urt. v. 04.05.2006 – VI R 28/05, BFHE 213, 484 = BStBl. II 2006, 781, zum zinsverbilligten Arbeitgeberdarlehen). Deshalb sind zur Unterscheidung von auch im normalen Geschäftsverkehr erzielbaren Preisnachlässen einerseits und durch das Arbeitsverhältnis begründeten besonderen Vorteilen andererseits die vom Arbeitgeber stammenden Leistungen nach den Grundsätzen des § 8 EStG zu bewerten.
[11] a) Erhält ein Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden und deren Bezug nicht nach § 40 EStG pauschal versteuert wird, so gelten nach § 8 III 1 EStG als deren Werte abweichend von § 8 II EStG die um 4 % geminderten Endpreise, zu denen der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige Abnehmer die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im Allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet. Unter Anwendung des § 8 III 1 EStG bestimmt sich der lohnsteuerrechtlich erhebliche, durch einen Personalrabatt veranlasste geldwerte Vorteil mithin nicht nach dem allgemeinen Marktpreis, sondern nach dem Endpreis, zu dem der Arbeitgeber die entsprechenden Waren fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet. Das ist nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats der „Angebotspreis“ (vgl. dazu BFH, Urt. v. 17.06.2009 – VI R 18/07, BFHE 225, 388 = BStBl. II 2010, 67; Urt. v. 04.06.1993 – VI R 95/92, BFHE 171, 74 = BStBl. II 1993, 687; Urt. v. 05.09.2006 – VI R 41/02, BFHE 214, 561 = BStBl. II 2007, 309; Thomas, DB 2006 Beilage 6, S. 58 [64]).
[12] b) Dieser Angebotspreis ist nach bisheriger Senatsrechtsprechung grundsätzlich der unabhängig von Rabattgewährungen nach der Preisangabenverordnung ausgewiesene Preis; dieser Grundsatz galt allerdings schon seit Einführung des § 8 III EStG nicht uneingeschränkt (BFH, Urt. v. 04.06.1993 – VI R 95/92, BFHE 171, 74 = BStBl. II 1993, 687; Urt. v. 05.09.2006 – VI R 41/02, BFHE 214, 561 = BStBl. II 2007, 309). An diesem Grundsatz hält der erkennende Senat nicht mehr länger fest. Der angebotene Endpreis i. S. des § 8 III EStG ist vielmehr derjenige, der am Ende von Verkaufsverhandlungen als letztes Angebot des Händlers steht. Der angebotene Endpreis umfasst daher auch Rabatte.
[13] aa) „Endpreise“ i. S. des § 8 III 1 EStG sind keine typisierten und pauschalierten Werte, wie etwa der „inländische Listenpreis" i. S. des § 6 I Nr. 4 Satz 2 EStG. Endpreise, zu denen Waren angeboten werden, bestimmen sich vielmehr auch nach den Gepflogenheiten im allgemeinen Geschäftsverkehr. Angesichts dessen hatte der Senat schon früher entschieden, dass die unverbindliche Preisempfehlung eines Automobilherstellers nicht der Endpreis i. S. des § 8 III EStG sein müsse (Urt. v. 04.06.1993 – VI R 95/92, BFHE 171, 74 = BStBl. II 1993, 687) und erst recht keine geeignete Grundlage darstelle, um den lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil eines Personalrabatts für Jahreswagen zu bewerten (Urt. v. 17.06.2009 – VI R 18/07, BFHE 225, 388 = BStBl. II 2010, 67).
[14] bb) Für diese Auslegung sprechen die Gesetzgebungsmaterialien zu § 8 III EStG (BT-Dr. 11/2157, S. 142); denn diese gehen davon aus, dass – zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens – die „tatsächlich vom Arbeitgeber geforderten Endpreise zugrunde gelegt werden“. Wenn deshalb nach den Gepflogenheiten im allgemeinen Geschäftsverkehr der Arbeitgeber üblicherweise einen niedrigeren Preis fordert – sei dies in der Form eines speziellen eigenen „Hauspreises“, sei dies durch einen eigens ausgewiesenen Rabatt –, ist dieser und nicht die tatsächlich nur unverbindliche Preisempfehlung des Kraftfahrzeugherstellers der Endpreis, zu dem der Arbeitgeber anbietet (so auch von Bornhaupt, BB 1993, 1640; a. A. Thomas, DB 2006 Beilage 6, S. 58 [64]).
[15] cc) Der Ansatz der tatsächlichen Angebotspreise unter Berücksichtigung üblicherweise eingeräumter Rabatte gewährleistet weiter, dass – wie der erkennende Senat schon in seinem Urteil in BFHE 171, 74 = BStBl. II 1993, 687 entschieden hatte – Scheinlohnbesteuerungen durch erkennbar überhöhte Preisauszeichnungen außer Ansatz bleiben. Dies entspricht auch der zivilrechtlichen Betrachtungsweise hinsichtlich der Gebräuche der Rabattgewährung im Kraftfahrzeughandel (BGH, Urt. v. 18.04.1985 – I ZR 220/83, NJW 1985, 2950 [2951]).
[16] dd) Schließlich geht selbst die Finanzverwaltung davon aus, dass jedenfalls die unverbindlichen Preisempfehlungen der Automobilbranche nach Maßgabe der Preisangabenverordnung nicht die Endpreise i. S. des § 8 III EStG darstellen. Denn schon seit 01.01.1996 setzt sie nach dem BMF-Schreiben in BStBl. I 1996, 114 für „Jahreswagen“ als Endpreis i. S. des § 8 III EStG den Preis an, der sich ergibt, wenn 50 % des Preisnachlasses, der durchschnittlich beim Verkauf an fremde Letztverbraucher im allgemeinen Geschäftsverkehr tatsächlich gewährt wird, von dem empfohlenen Preis abgezogen werden (Senat, Urt. v. 17.06.2009 – VI R 18/07, BFHE 225, 388 = BStBl. II 2010, 67); das BMF-Schreiben vom 18.12.2009 (BStBl. I 2010, 20) nimmt sogar angesichts der „Schwierigkeiten bei der Ermittlung des tatsächlichen Angebotspreises“ 80 % des Preisnachlasses vom Lohn aus.
[17] 2. Gemessen daran hält die Vorentscheidung revisionsrechtlicher Prüfung stand. Das Finanzgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger durch den Erwerb der Jahreswagen über den vom Finanzgericht festgestellten und einkommensteuerrechtlich berücksichtigten Vorteil hinaus keinen weiteren lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil erlangt hat.
[18] a) Das Finanzgericht hat insbesondere zu Recht einen als Arbeitslohn zu erfassenden geldwerten Vorteil durch den verbilligten Erwerb der Jahreswagen nur in dem Umfang angenommen, wie der Kläger Rabatte erhalten hatte, die über die üblichen durchschnittlichen Händlerrabatte hinausgegangen waren. Denn nur insoweit kann angenommen werden, dass der Rabatt nicht allein im Kaufvertrag gründet, sondern einen Vorteil darstellt, der gerade mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt worden war und daher als Vorteil bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zu erfassen ist.
[19] Dagegen ist nichts dafür dargetan, dass ein lohnsteuerrechtlicher Vorteil schon insoweit vorliegt, als der Rabatt über die Hälfte des üblichen Rabatts hinausreicht. Denn wenn fremden Dritten, die keinerlei arbeitsrechtliche Beziehungen zum Arbeitgeber des Klägers unterhalten, solche Rabatte eingeräumt werden, ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen die nämlichen Rabatte dann bei Arbeitnehmern als Lohn zu versteuern sein sollten. Schließlich konnten auch weder das Finanzamt noch das beigetretene BMF erläutern, aus welchen Gründen übliche nicht nur Arbeitnehmern, sondern auch fremden Dritten gewährte Rabatte bei den Arbeitnehmern zu lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteilen führen sollten.
[20] b) Angesichts dessen kommt es im Streitfall weder auf die Frage an, wie „Abgabeort“ i. S. des § 8 II, III EStG im Einzelnen zu bestimmen ist, noch auf das Wahlrecht des Steuerpflichtigen zwischen einer Bewertung nach § 8 II EStG und einer solchen nach § 8 III EStG (vgl. dazu Senat, Urt. v. 26.07.2012 – VI R 27/11).