1. Zur Gewährung einer Umweltprämie für die Verschrottung eines älteren Dieselfahrzeugs.
  2. Für die Auslegung einer Willenserklärung nach § 133 BGB sind nur solche Umstände heranzuziehen, die dem Erklärungsempfänger bekannt oder erkennbar waren (im Anschluss an BGH, Urt. v. 05.10.2006 – III ZR 166/05, juris Rn. 18). Auf seinen „Horizont“ und seine Verständnismöglichkeiten ist bei der Auslegung selbst dann abzustellen, wenn der Erklärende die Erklärung anders verstanden hat und auch verstehen durfte.
  3. Diejenigen Tatsachen, die zu einem bestimmten Auslegungsergebnis führen sollen, hat die Partei darzulegen und zu beweisen, die sich auf jenes Auslegungsergebnis beruft (im Anschluss an OLG Koblenz, Beschl. v. 05.06.2019 – 9 UF 104/19, juris Rn. 41 m. w. Nachw.).

LG Regensburg, Urteil vom 18.12.2020 – 33 O 1091/20
(nachfolgend: OLG Nürnberg, Urteil vom 29.07.2021 – 13 U 236/21)

Sachverhalt: Die Klägerin, die ein Autohaus betreibt, nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht auf Zahlung eines restlichen Kaufpreises in Höhe von 5.355 € für einen fabrikneuen VW Caddy in Anspruch.

Dieses Fahrzeug bestellte der Beklagte am 29.03.2018 bei einer Kfz-Händlerin, der H-GmbH, zum Preis von insgesamt 31.436 € brutto; es wurde ihm am 18.09.2018 übergeben. Den Kaufvertrag über den Pkw hatte die Klägerin vermittelt. Unter dem 18.09.2018 stellte die H-GmbH dem Beklagten den Kaufpreis (31.436 €) abzüglich einer Aktionsprämie in Höhe von 4.500 € netto (= 5.355 € brutto) und damit 26.081 € (brutto) in Rechnung. Der Beklagte zahlte diesen Betrag an die H-GmbH.

Diese trat ihren Anspruch auf Zahlung des restlichen Kaufpreis am 25.09.2019 wirksam an die Klägerin ab.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte bei Abschluss des Kfz-Kaufvertrags beantragt, von der Fahrzeugherstellerin – der Volkswagen AG – eine sogenannte Umweltprämie in Höhe von 4.500 € netto zu erhalten. Es sei vereinbart worden, dass dieser Betrag nur dann vom Kaufpreis abgezogen werde, wenn die Volkswagen AG dem Beklagten die Umweltprämie gewähre. Grundvoraussetzung für die Gewährung der Umweltprämie sei gewesen, dass der Beklagte im Zuge des Erwerbs des VW Caddy ein Dieselfahrzeug mit einem bestimmten Alter verschrotten lasse. Die Zeugin M habe den Beklagten im Verkaufsgespräches darauf hingewiesen, dass das zu verschrottende Fahrzeug komplett sein müsse. Der Beklagte – so behauptet die Klägerin weiter – habe zwar, wie vereinbart, ein Dieselfahrzeug verschrotten lassen, doch habe dieses Fahrzeug nicht den Anforderungen der Volkswagen AG genügt, die für die Gewährung einer Umweltprämie erfüllt sein müssten. Vielmer habe das Fahrzeug – entgegen der dem Beklagten erteilten Auskunft, dass es komplett sein müsse – nur noch aus der Außenhaut bestanden und insbesondere nicht mehr, was zwingend erforderlich gewesen wäre, über einen Motor verfügt. Nach Auffassung der Klägerin waren somit die Voraussetzungen für die Gewährung der Umweltprämie hier nicht erfüllt, sodass der Beklagte noch die Zahlung der zu Unrecht vom Kaufpreis abgezogenen 5.355 € (brutto) schulde.

Der Beklagte ist der auf Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen gerichteten Klage, mit der die Klägerin auch vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 297,62 € nebst Zinsen ersetzt verlangt hat, entgegengetreten. Er behauptet, es sei nicht vereinbart worden, dass er die Gewährung einer Umweltprämie beantrage und der entsprechende Betrag gegebenenfalls – bei Gewährung der Umweltprämie – vom Kaufpreis für den VW Caddy abgezogen werde. Vielmehr sei ihm bereits bei Abschluss des Kaufvertrags eine Aktionsprämie in Höhe von 4.500 € netto zugesichert worden. Man habe ihm auch zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, dass das zu verschrottende Fahrzeug noch über einen Motor verfügen müsse. Auf seine Frage, in welchem Zustand das zu verschrottende Fahrzeug sein müsse, habe man ihm mitgeteilt, dass es lediglich rollfähig sein müsse.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Die Klage ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das LG Regensburg zuständiges Gericht. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus § 23 Nr. 1, § 71 I 1 GVG i. V. mit §§ 1, 4 I ZPO, da der Wert des Streitgegenstands 5.000 € übersteigt. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich jedenfalls aus §§ 12, 13 ZPO i. V. mit § 7 BGB, da der Beklagte seinen Wohnsitz im Gerichtsbezirk des LG Regensburg hat.

2. Die Klage ist unbegründet.

a) Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung des restlichen Kaufpreises in Höhe von 5.355 € aus §§ 433 II, 398 BGB.

Zwischen der H-GmbH und dem Beklagten ist zwar unstreitig ein Kaufvertrag i. S. des § 433 BGB über ein Neufahrzeug der Marke VW Caddy zustande gekommen; einen Anspruch aus abgetretenem Recht auf Zahlung in Höhe von weiteren 5.355 € hat die Klägerin gleichwohl nicht.

Ein solcher Anspruch auf Zahlung des restlichen Kaufpreises in Höhe von 5.355 € bestünde nur, wenn zwischen den Parteien – der H-GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer, und dem Beklagten – wirksam vereinbart worden wäre, dass die Prämie nur für den Fall ihrer Bewilligung gewährt werden sollte. Das ist aber nicht der Fall. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts besteht zwischen den Vertragsparteien keine wirksame Vereinbarung dahin gehend, dass der Abzug einer Prämie in Höhe von 4.500 € netto beziehungsweise 5.355 € brutto unter der Bedingung der Verschrottung eines Altfahrzeugs steht.

Eine vertragliche Abrede ist gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, dass ihr Inhalt dem von beiden Parteien vernünftigerweise objektiv gemeinsam gewollten Sinn und Zweck unter Berücksichtigung ihrer Interessenlage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses entspricht (BeckOK-BGB/​Wendtland, Stand: 01.11.2020, § 157 Rn. 12). Die Ermittlung des in diesem Sinne objektiv Vereinbarten erfolgt nach Maßgabe der Grundsätze über die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen. Insoweit ist entscheidend, wie der Erklärungsempfänger die jeweilige zum Vertragsabschluss führende Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (Palandt/​Ellenberger, BGB, 79. Aufl. [2020], § 133 Rn. 9). Dabei dürfen nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung ihrem Empfänger bekannt oder für ihn erkennbar waren (BGH, Urt. v. 05.10.2006 – III ZR 166/05, juris Rn. 18; Palandt/​Ellenberger, a. a. O., sect; 133 Rn. 9). Auf seinen „Horizont“ und seine Verständnismöglichkeiten ist die Auslegung abzustellen, und zwar selbst dann, wenn der Erklärende die Erklärung anders verstanden hat und auch verstehen durfte (MünchKomm-BGB/​Busche, 8. Aufl. [2018], § 133 Rn. 12). Auch wenn nach § 133 BGB der wirkliche Wille zu erforschen ist, stellt nämlich nicht der innere, sondern der bekundete Wille das Thema der von § 133 BGB geregelten Auslegung dar. Mithin sind in erster Linie gerade der von den Parteien gewählte Wortlaut sowie der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 15.10.2014 – XII ZR 111/12, juris Rn. 48).

Gemessen hieran ist die maßgebliche Vertragsabrede – anders als die Klagepartei meint – nicht so auszulegen, dass die Prämie nur für den Fall ihrer Bewilligung von dem Gesamtbetrag in Höhe von 31.436 € in Abzug gebracht werden sollte. Eine schriftliche Fixierung des Kaufvertrags als solchen ist nicht erfolgt. Insoweit ist zur Ermittlung des Parteiwillens zunächst die dem Gericht vorgelegte Rechnung der H-GmbH vom 18.09.2018 heranzuziehen. Dieser Rechnung ist schon nicht zu entnehmen, dass eine sogenannte Umweltprämie gewährt werden soll. In den Rechnungsunterlagen ist lediglich von einer Aktionsprämie die Rede. Überdies ist nichts für einen etwaigen Vorbehalt ersichtlich. Vielmehr wurde der Betrag von 4.500 € netto beziehungsweise 5.355 € brutto sogleich – ohne einen entsprechenden Hinweis auf eine bedingte Gewährung der Prämie – in Abzug gebracht.

Dies gilt umso mehr, als dem Beklagten im Rahmen der Verkaufsgespräche zu keinem Zeitpunkt Unterlagen hinsichtlich der streitgegenständlichen Umweltprämie zur Verfügung gestellt wurden. Auch im Übrigen wurde der Beklagte nicht über das Verfahren der Bewilligung aufgeklärt. Der Beklagte hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung angegeben, ihm sei lediglich mitgeteilt worden, dass er das Altfahrzeug „einfach“ zur H-GmbH verbringen solle und dieses „schon rollfähig“ sein müsse. Weitergehende Informationen hinsichtlich der Umweltprämie habe er nicht erhalten. Bestätigt wurde dies seitens der Zeugin M, die aussagte, dass Kunden, die Interesse an der Umweltprämie bekundeten, keine Unterlagen erhielten, in denen die Voraussetzungen ihres Erhalts näher dargelegt werden, da es sich hierbei um konzerninterne Dokumente handele, die nicht herausgegeben werden dürften. Das Gericht hält diese Angaben für glaubhaft, da sie sich – trotz der gegensätzlichen Positionen in der hiesigen Streitsache – inhaltlich decken. Demgemäß wusste der Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht um den Ablauf des konkreten Bewilligungsverfahrens.

Ein anderes gilt auch dann nicht, wenn dem Beklagten gegenüber im Rahmen der Verkaufsgespräche folgender Satz verlautbart worden wäre: „Ein Fahrzeug muss ein Fahrzeug sein, es muss rollfähig sein, ein Motorschaden ist egal; das Fahrzeug muss aber bewegbar sein und es muss ausschauen wie ein Auto“. Zum einen steht zur Überzeugung des Gerichts schon nicht fest, dass diese Aussage dem Beklagten gegenüber vor dem Vertragsabschluss tatsächlich getätigt worden ist, da die Zeugin M keine konkrete Erinnerung mehr an ein Verkaufsgespräch mit dem Beklagten hatte und der Umstand, dass der vorgenannte Satz „immer“ von allen Verkäufern der H-GmbH vorgetragen wird, nicht automatisch den Schluss zulässt, dass dies auch im Rahmen des Gesprächs mit dem Beklagten der Fall war. Zum anderen gibt der beschriebene Zustand des Altfahrzeugs keinerlei Aufschluss über das Bewilligungsverfahren. Auch wenn der Käufer, namentlich der Beklagte, um den erforderlichen Zustand des Altfahrzeuges weiß, ist ihm jedenfalls nicht bekannt, dass der Erhalt der Umweltprämie erst nach der Abgabe eines Verwertungsnachweises überprüft wird, und zwar nicht vom Vertragspartner selbst, sondern von Dritten.

Wenn dem Beklagten aber diese Information nicht zuteil wird und auch der Rechnung kein Vorbehalt hinsichtlich der Gewährung der Umweltprämie entnehmen ist, der betreffende Betrag in Höhe von 5.355 € vielmehr schon bei Rechnungstellung in Abzug gebracht wird und die Verwertung des Altfahrzeugs sowie die Prüfung der Voraussetzungen der Umweltprämie erst im Anschluss erfolgen, darf und muss der Beklagte von einer unbedingten Gewährung des vorgenannten Betrags ausgehen. Dass die Prüfung der Voraussetzungen und letztlich die Entscheidung über die Umweltprämie nicht der H-GmbH obliegt, darf nicht zulasten des Käufers, namentlich des Beklagten, gehen. Wird die Umweltprämie sogleich bei Vertragsschluss vorbehaltlos vom Gesamtkaufpreis in Abzug gebracht, trägt das Risiko einer negativen Verbescheidung der Verkäufer, demnach die H-GmbH;. Eine Risikoüberwälzung auf den Käufer kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Käufer keinerlei Einblicke in das Verfahren der Bewilligung der Umweltprämie hat. Er verfügt nur über diejenigen Informationen, die ihm im Zuge des Verkaufsgesprächs bekannt werden. Nach den vorstehenden Ausführungen wurden dem Beklagten aber nur Auskünfte über den erforderlichen Zustand des Altfahrzeugs zuteilt. Kenntnisse über den Ablauf des Verfahrens, insbesondere im Hinblick auf die Verwertung des Altfahrzeugs, hatte der Beklagte gerade nicht. Insoweit unterfällt das Risiko einer etwaigen Nichtbewilligung der Umweltprämie allein dem Verantwortungsbereich der H-GmbH.

Nach alledem spricht nichts dafür, dass die Umweltprämie nur für den Fall ihrer Bewilligung in Abzug gebracht werden sollte.

Konkrete Anhaltspunkte für eine anderweitige Auslegung der Vertragsabrede sind im Übrigen weder dargetan noch sonst wie ersichtlich. Dies geht zulasten der Klägerin. Denn diejenigen Tatsachen, die zu einem bestimmten Auslegungsergebnis führen sollen, hat derjenige Beteiligte darzulegen und zu beweisen, der sich auf jenes Auslegungsergebnis beruft (OLG Koblenz, Beschl. v. 05.06.2019 – 9 UF 104/19, juris Rn. 41).

Im Hinblick auf die ebenfalls streitige – jedoch nicht mehr entscheidungserhebliche – Frage, welchen Anforderungen das Altfahrzeug genügen muss, vertritt das erkennende Gericht die Auffassung, dass der Beklagte den eingangs zitierten Satz der Zeugin M – unterstellt, dass er im Rahmen des Verkaufsgesprächs tatsächlich kundgegeben wurde – nicht so zu verstehen hatte, dass das Altfahrzeug noch zwingend über einen Motor verfügen musste. Die enthaltene Information, dass ein Motorschaden die Gewährung der Umweltprämie nicht hindere, lässt nicht zugleich den Schluss zu, dass in dem Fahrzeug noch tatsächlich ein Motor vorhanden sein muss. Zwar ließe der Zweck der Umweltprämie – die Anregung zum Kauf eines Neufahrzeugs zur Minderung der Anzahl betriebener schadstoffreicher Altfahrzeuge – durchaus die Annahme zu, dass es gerade auch auf die Verwertung des Fahrzeugmotors ankommt. Ein Kunde, der um die anstehende Verschrottung des Altfahrzeugs weiß, wird jedoch regelmäßig davon ausgehen, dass es, wenn schon ein Motorschaden dem Erhalt der Umweltprämie nicht entgegensteht, nicht auf das Vorhandensein eines Motors ankommt.

b) Mangels berechtigter Hauptforderung hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die Nebenforderung teilt das Schicksal der Hauptforderung.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I 1 ZPO. …

Hinweis: Auf die Berufung der Klägerin hat der 13. Zivilsenat des OLG Nürnberg das vorstehende Urteil teilweise geändert und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 5.355 € nebst Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen. Im Übrigen – hinsichtlich der ersetzt verlangten Rechtsanwaltskosten – hat es die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das OLG Nürnberg in seinem Urteil vom 29.07.2021 – 13 U 236/21 – ausgeführt:

„II. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung des Restkaufpreises in Höhe von 5.355 € aus abgetretenem Recht gemäß §§ 433 I, 398 BGB zu.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen unter der unzutreffenden Annahme, dass zwischen den Vertragsparteien keine wirksame Vereinbarung dahin gehend, dass der Abzug einer Prämie in Höhe von 5.355 € brutto unter der Bedingung der Verschrottung eines Altfahrzeugs gestanden habe, zustande gekommen sei. Das Landgericht hat bereits einen unzutreffenden rechtlichen Ansatz gewählt. Außerdem ist die Beweiswürdigung fehlerhaft erfolgt. Bei zutreffender Würdigung des unstreitigen Sachverhalts und der durchgeführten Beweisaufnahme ist die Annahme gerechtfertigt, dass der streitgegenständliche Betrag von der Ersetzungsbefugnis des Beklagten umfasst war, er jedoch durch sein Verhalten die Gewährung einer Umweltprämie durch den Fahrzeughersteller verhindert hat, sodass er den noch ausstehenden Restkaufpreis an die Klägerin zu zahlen hat.

1. Nach § 286 I 1, II ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Soweit das Beweismaß betroffen ist, hat der Tatrichter ohne Bindung an Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Jedoch setzt das Gesetz keine von allen Zweifeln freie Überzeugung voraus. Das Gericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH, Urt. v. 06.05.2015 – VIII ZR 161/14, juris Rn. 11).

Die Berufung dient in erster Linie der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung; das Berufungsgericht ist daher an die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen grundsätzlich gebunden. Eine neue Tatsachenfeststellung ist nur als Ausnahme vorgesehen, soweit in erster Instanz die Feststellungen nicht vollständig und nicht überzeugend getroffen worden sind (§ 529 I Nr. 1 ZPO). Die Beweiswürdigung ist generell Aufgabe des erstinstanzlichen Tatrichters. Allerdings können sich Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertungen ergeben (BGH, Urt. v. 09.03.2005 – VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 313, 317 = juris Rn. 7; Beschl. v. 10.05.2016 – VIII ZR 214/15, juris Rn. 16). Hat sich das Erstgericht mit den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt – ist die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze – und ist auch das Berufungsgericht von der Richtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung überzeugt, so sind die Feststellungen bindend. Eine Partei kann dann nicht in zulässiger Weise ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Erstgerichts setzen.

2. Das Landgericht hat die durchgeführte Beweisaufnahme fehlerhaft gewürdigt.

a) Der Beklagte hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung in der Sitzung am 02.11.2020 ausgeführt, er habe vor den Kaufverhandlungen über das streitgegenständliche Fahrzeug in Erfahrung gebracht, dass Volkswagen eine Umweltprämie anpreise. Er sei schon vor den Verkaufsgesprächen einmal im Autohaus gewesen und habe besprochen, in Höhe welchen Betrags er eine Umweltprämie gutgeschrieben bekommen könne. Hinsichtlich des Zustands des Altfahrzeugs habe die Zeugin M nur mitgeteilt, dass das Fahrzeug ‚schon rollfähig‘ sein solle. Er habe dies so interpretiert, dass er alles ausbauen könne, was er noch brauchen könne. Er habe dann den Motor und sämtliche anderen Bestandteile, die er brauchen könne, aus dem Fahrzeug entfernt. Das Fahrzeug habe im Wesentlichen nur noch aus der Karosserie und den Türen bestanden. Die Räder seien abmontiert worden, aber noch im Fahrzeug gelagert gewesen. Den Motor habe er nicht verwertet; dieser sei noch bei ihm zu Hause.

b) Die Zeugin M hat bekundet, dass alle Verkäufer im Autohaus immer denselben Satz sagten bezogen auf die Umweltprämie, nämlich: ‚Ein Fahrzeug muss ein Fahrzeug sein, das heißt, es muss ein Auto sein und es muss noch rollfähig sein.‘ Die Umweltprämie werde nicht garantiert, sondern nur dann gewährt, wenn deren Voraussetzungen vorlägen. Sie habe nicht explizit darauf hingewiesen, dass das Auto nicht ausgeschlachtet sein dürfe. Auch habe sie nicht darauf hingewiesen, dass ein Motorschaden kein Problem sei. Als der Sohn des Beklagten das Altfahrzeug geliefert habe, habe sie gleich gesagt, das gehe nicht. Das könne auf keinen Fall verwertet werden. Das Altfahrzeug habe nur noch aus der Außenhülle bestanden. Es habe keine Sitze mehr gehabt und auch keinen Ganghebel. Der Sohn des Beklagten habe mitgeteilt, dass er die Reifen extra abgemacht und durch Schwerlastrollen ersetzt habe. Nach der Verwertung des Altfahrzeugs habe der Sohn des Beklagten einen Verwertungsschein vorgelegt und dann versucht, den Voraussetzungen der Umweltprämie durch eine nachträgliche Verwertung des Motors zu genügen. Dies habe aber dabei nicht geklappt, weil der Motor dem Altfahrzeug nicht mehr zugeordnet werden könne. Auf dem Motor sei nämlich keine Fahrgestellnummer vermerkt, sondern nur eine Motorkennzahl. Diese sei aber nicht individuell zuordenbar.

c) Der Sohn des Beklagten, der Zeuge S, hat im Wesentlichen den Verwertungsvorgang geschildert. Als er beim Autohaus gewesen sei, habe ihm F gesagt, dass es sich bei dem mitgebrachten Altfahrzeug nicht mehr um ein Fahrzeug handele, sondern um eine Karosserie. Sie habe auch gemeint, dass es ein Problem geben könnte, weil das Fahrzeug nicht mehr zusammengeschraubt sei. Das Altfahrzeug habe auch keine Motorklappe mehr gehabt. Diese sei abgeschraubt gewesen. Sowohl F als auch Frau M hätten erkennen können, dass in dem Fahrzeug kein Motor mehr verbaut gewesen sei. Er sei aber nicht darauf hingewiesen worden, dass das ein Problem geben könne.

d) Die Zeugin F hat im Wesentlichen ausgeführt, dass sie selbst das Fahrzeug zu keinem Zeitpunkt gesehen habe. Sie sei auch nicht dafür zuständig, alte Fahrzeuge entgegenzunehmen. Zum ersten Mal persönlich zu tun habe sie mit dem Sohn des Beklagten gehabt, als dieser erfolglos versucht habe, das Altfahrzeug bei dem Verwerter, der Firma V, zu verwerten. Als er nach dem erfolglosen Versuch zum Autohaus gekommen sei, hätten sie und M ihn darauf hingewiesen, dass der Verwerter zertifiziert sein müsse und dass das Fahrzeug im Ganzen verschrottet werden müsse. Er müsse, um die Umweltprämie zu erhalten, einen Verwertungsnachweis für das gesamte Fahrzeug vorlegen. Darauf habe sie den Sohn des Beklagten ausdrücklich hingewiesen. Es stimme nicht, dass sie den Verschrottungsnachweis angenommen und ‚passt‘ gesagt habe. Sie sei dazu gar nicht befugt. Außerdem habe sie gleich gesehen, dass auf dem Verschrottungsnachweis der Zusatz „ohne Motor“ vermerkt gewesen sei. Der Entsorgungsnachweis werde erst einmal an das Autohaus A weitergeleitet; das prüfe dann, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Umweltprämie vorliegen. Sie habe den Entsorgungsnachweis zur Prüfung an das Autohaus A weitergegeben, verbunden mit der Bitte, einen Kulanzantrag zu stellen. In der Folge sei mitgeteilt worden, dass Kulanz gewährt werden könne, wenn der Motor, der noch verwertet werden solle, der Fahrgestellnummer zugeordnet werden könne. Sie habe daraufhin eine E-Mail an den Beklagten oder seinen Sohn geschrieben, die nie beantwortet worden sei. Sie habe auch versucht, den Beklagten telefonisch zu erreichen. Auch dies sei nicht erfolgreich gewesen. Sie könne sich nur an ein Telefonat mit dem Sohn des Beklagten erinnern. Dieser habe sinngemäß gemeint, er würde den Motor notfalls schon nachträglich verwerten; er wolle aber aus mehreren alten Fahrzeugbestandteilen lieber ein Fahrzeug zusammenbauen.

3. Eine Wiederholung der Beweisaufnahme durch den Senat war nicht erforderlich, weil sich bereits aus den protokollierten Aussagen der Zeugen und den Angaben des Beklagten selbst ergibt, dass das Landgericht die durchgeführte Beweisaufnahme nicht vollständig gewürdigt hat, wobei die Lücken bei der Beweiswürdigung entscheidungserhebliche Punkte betreffen.

a) Entgegen den Ausführungen des Landgerichts hat die Zeugin M ausdrücklich bekundet, sie habe im Rahmen des Verkaufsgesprächs mit dem Beklagten den Satz gesagt, der immer gesagt werde (‚Ein Fahrzeug muss ein Fahrzeug sein, das heißt, es muss ein Auto sein und es muss noch rollfähig sein.‘). Die Zeugin hat sich also konkret an das Gespräch mit dem Beklagten erinnert. Das Landgericht hat außerdem den eigenen Vortrag des Beklagten im Rahmen der informatorischen Anhörung unberücksichtigt gelassen. Dieser hat nämlich ausgeführt, er habe sich im Vorfeld des Fahrzeugkaufs über eine von Volkswagen beworbene Umweltprämie erkundigt. Sinn und Zweck derartiger Werbeaktionen (Verschrottungsprämie), bei denen dem Käufer ein zusätzlicher Preisnachlass eingeräumt wird, um aus Umweltschutzgründen ältere Fahrzeuge aus dem Verkehr zu ziehen, ist die Verschrottung des vom Käufer in Zahlung gegebenen Fahrzeugs (vgl. Bachmeier, Rechtshandbuch Autokauf, 2. Aufl. [2013], Rn. 279). Dass eine solche Umweltprämie nur den Sinn haben kann, die Umwelt vor den Emissionen alter Fahrzeuge zu schützen, indem diese aus dem Verkehr gezogen werden, ist für jeden durchschnittlichen Käufer ohne Weiteres erkennbar. Dass dieses Ziel mit einem völlig ausgeschlachteten Altfahrzeug ohne Motor, wie es vom Beklagten präsentiert wurde, nicht erreicht werden kann, ebenfalls.

b) Auch ist der rechtliche Ansatz des Landgerichts sowie die landgerichtliche Würdigung der vorgelegten Unterlagen unzutreffend. Die Rechnung vom 18.09.2018 weist nämlich den Betrag von 31.436 € aus. Die Umweltprämie in Höhe von 5.355 € brutto wurde entgegen der Annahme des Landgerichts nicht ‚sogleich in Abzug gebracht‘, sondern auf einer gesonderten Rechnung als „Aktionsprämie“ ausgewiesen. Es handelte sich somit erkennbar um eine Ersetzungsbefugnis des Beklagten hinsichtlich eines Teils des Kaufpreises. Der Händler lässt sich in einem solchen Fall auf die Inzahlungnahme des Altfahrzeugs nur ein, um das von ihm erstrebte Geschäft abschließen zu können. Dies bedeutet nicht, dass sich die Vertragsparteien auf eine Gegenleistung einigen, die zum einen Teil in Geld und zum anderen Teil in der Überlassung des Altfahrzeugs bestehen soll. Vielmehr bleibt im Regelfall die vom Käufer geschuldete Gegenleistung in voller Höhe eine Geldschuld. Es liegt deshalb bei einer solchen Fallgestaltung regelmäßig ein einheitlicher Kaufvertrag vor. Jedoch hat der Käufer aufgrund der Parteivereinbarungen das Recht, anstelle der ausbedungenen Geldschuld zum Zwecke der Erfüllung seinen gebrauchten Wagen in Zahlung zu geben. Mit dieser Ersetzungsbefugnis des Käufers ist den Interessen beider Beteiligten ausreichend genügt (BGH, Urt. v. 30.10.2002 – VIII ZR 119/02, juris Rn. 11).

aa) Der Beklagte als Käufer trägt für die Kaufpreiszahlung die Beweislast (Palandt/​Weidenkaff, BGB, 80. Aufl. [2021], § 433 Rn. 57), im vorliegenden Fall also zumindest dafür, dass er alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, um die Voraussetzungen der Umweltprämie zu schaffen. Geht man von der Vereinbarung einer Ersetzungsbefugnis aus, beeinflusst der notleidende Sekundärfahrzeugkaufvertrag den Kaufvertrag über das Primärfahrzeug nicht. Die dem Käufer obliegende Zahlungsverpflichtung steigt nach dem Wegfall des ersetzend wirkenden Altfahrzeugs um den für dieses Fahrzeug vereinbarten Preis an. Diese auf den ersten Blick massiv die Käuferinteressen beeinträchtigende rechtliche Folge kann gegen die Annahme einer Ersetzungsbefugnis jedoch nicht vorgebracht werden. Wer ein mangelhaftes Fahrzeug anbietet oder gar über den Zustand täuscht, ist nicht schutzbedürftig (Bachmeier, a. a. O., Rn. 281).

bb) So liegt der Fall hier. Das vom Beklagten angebotene Altfahrzeug genügte bereits auf den ersten Blick nicht einmal ansatzweise den Anforderungen an ein Fahrzeug. Nach Angaben des Sohns des Beklagten, des Zeugen S, wurde ihm das so auch von der Zeugin F gesagt. Im Übrigen hat die Zeugin von einem Telefonat mit ihm berichtet, bei dem S geäußert habe, er würde den Motor notfalls schon nachträglich verwerten, er wolle aber aus mehreren alten Fahrzeugbestandteilen lieber ein Fahrzeug zusammenbauen. Die Motivation des Beklagten bestand also darin, möglichst viele Fahrzeugbestandteile als Ersatzteile für andere Fahrzeuge zu verwerten, insbesondere auch den Motor, was dem Sinn und Zweck einer Umweltprämie erkennbar widerspricht. Entgegen der Annahme des Landgerichts war der Beklagte nicht schutzbedürftig.

4. Der Klägerin stehen weder Verzugszinsen noch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten zu. Die Klägerin hat bereits die Voraussetzungen des Verzugs gemäß § 286 BGB nicht schlüssig dargelegt. Sie hat lediglich auf die Rechnung der Zedentin vom 14.03.2019 abgestellt. Zur Mahnung gemäß § 286 I 1 BGB oder Entbehrlichkeit dieser gemäß § 286 II BGB hat sie nicht weiter vorgetragen.

Hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten fehlt es darüber hinaus am Vortrag des Zeitpunkts der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Der eingetretene Schuldnerverzug muss ursächlich für den geltend gemachten Schaden geworden sein. Das ist nicht der Fall, wenn die dem Schaden zugrunde liegende Vermögenseinbuße bereits vor Beginn des Verzugs eingetreten ist, wenn also der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei im Zeitpunkt des verzugsbegründenden Mahnschreibens bereits mandatiert war (BGH, Urt. v. 27.05.2015 – IV ZR 292/13, juris Rn. 51 m. w. Nachw.). Auch hierzu fehlt es an Tatsachenvortrag seitens der Klägerin.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen gemäß §§ 291, 288 I 2 BGB ab Rechtshängigkeit zu.

III. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I 1, § 92 II Nr. 1 ZPO. …

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