1. Dass der Veräußerer eines Gebrauchtwagens unter dem aus den Fahrzeugpapieren ersichtlichen Namen auftritt, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme, der Kaufvertrag sei mit dem Namensträger zustande gekommen (im Anschluss an BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 9).
  2. Der Umstand, dass der Erwerber eines Gebrauchtwagens in der Regel bösgläubig i. S. von § 932 II BGB ist, wenn er nicht einmal in die Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) Einsicht nimmt, gibt für die Frage, mit wem der Kaufvertrag über das Fahrzeug zustande gekommen ist, nichts her. Denn dass der Name des Veräußerers mit dem in der Zulassungsbescheinigung Teil II angegebenen Namen übereinstimmt, ist zwar mit Blick auf einen gutgläubigen Erwerb relevant, aber nicht entscheidend für den Rechtsgeschäftsverkehr, wenn es darum geht, wer mit wem kontrahiert.

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 26.11.2020 – 26 U 64/20

Sachverhalt: Der Kläger kaufte mit Vertrag vom 29.05.2019 für 7.300 € einen Gebrauchtwagen, der zuvor mit dem Hinweis, dass er keine Kratzer oder Dellen aufweise, auf der Internetplattform eBay zum Kauf angeboten worden war. Als Verkäufer ist in dem Kaufvertragsformular handschriftlich „V“ – der Name der Beklagten zu 1 – eingetragen. Weiter heißt es in dem Kaufvertrag vorgedruckt, der Verkäufer versichere, „dass das Fahrzeug nebst Zusatzausstattung und Zubehör sein uneingeschränktes Eigentum“ sei. Außerdem wurde im Kaufvertrag erklärt, der Pkw weise – nach Kenntnis des Verkäufers – „keinen Unfallschaden“ und „keine sonstigen Beschädigungen an Karosse“, sondern „lediglich folgende Schäden: Motor ist überhitzt! Motorschaden!“ auf.

Eigentümer des Fahrzeugs war der Beklagte zu 2, der Sohn der Beklagten zu 1. Diese war in der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II als Halterin des Pkw eingetragen. Sie hat weder Kaufvertragsverhandlungen geführt noch ihren Sohn, der die Verhandlungen führte, damit beauftragt, Verhandlungen zu führen.

Nachdem der Kläger den Kaufpreis vor Ort in bar entrichtet hatte, ließ er das Fahrzeug von einem Transportunternehmen abholen und nach S. bringen.

Der Pkw, bei dem die Spaltmaße teils zu groß sind und eine Zierleiste gebrochen ist, weist mehrere Dellen und Lackschäden auf; seine Frontscheibe ist zerkratzt und durch Steinschläge beschädigt, und der linke Außenspiegel ist „blind“. Die Polster im Inneren des Fahrzeugs lösen sich von der Verkleidung, und einer der Sitze weist ein Loch auf. Der für die Instandsetzung des Wagens erforderliche Kostenaufwand beträgt ausweislich eines von dem Kläger eingeholten Gutachtens, für das der Kläger 563,58 € aufwenden musste, 12.618,95 € netto und ist damit geringer als der Verkehrswert des Fahrzeugs in mangelfreiem Zustand.

Mit anwaltlichem Schreiben 20.06.2019, das nach der Behauptung des Klägers von der Beklagten zu 1 beantwortet wurde, forderte der Kläger „Herrn V“ – erfolglos – auf, den Pkw bis zum 15.07.2019 nachzubessern.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Beklagten zuletzt auf Zahlung von (12.618,95 € + 563,58 € =) 13.182,53 € nebst Zinsen in Anspruch genommen.

Das LG Wiesbaden hat den Beklagten zu 2 mit einem am 01.10.2020 verkündeten „Urteil und Versäumnisurteil“ antragsgemäß verurteilt. Hinsichtlich der Beklagten zu 1 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, hinsichtlich des Beklagten zu 2 beruhe das Urteil auf dessen Säumnis im Termin. Die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage sei unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 437 Nr. 3 Fall 1, 280 I, III, 281 BGB) gegen die Beklagte zu 1 habe. Diese sei nicht passivlegitimiert, da sie nicht Verkäuferin des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei. Sie habe den Pkw weder im Internet zum Kauf angeboten noch den Kaufvertrag unterschrieben. Dass die Beklagte zu 1 in den Fahrzeugpapieren als Halterin eingetragen sei, beweise nicht, dass der Kläger mit ihr einen Kaufvertrag über das Fahrzeug geschlossen habe. Der Kläger habe gegen die Beklagte zu 1 auf keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 280 I, 241 II, 311 II und III BGB zu. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte zu 1 in irgendeiner Weise an den streitgegenständlichen Vorgängen beteiligt gewesen sei; insbesondere sei nicht erkennbar, dass sie auf das anwaltliche Schreiben vom 20.06.2019 geantwortet habe.

Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Berufung hat der Kläger sein Begehren gegenüber der Beklagten zu 1 weiterverfolgt. Er hat geltend gemacht, die angegriffene Entscheidung stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH, wonach der Erwerber eines gebrauchten Kraftfahrzeugs regelmäßig grob fahrlässig i. S. des § 932 II BGB handele, wenn er sich nicht anhand des Fahrzeugbriefs über das Eigentum des Veräußerers vergewissere. Bei der Beurteilung, ob der Erwerber eines gebrauchten Kraftfahrzeugs gutgläubig sei, sei auf seinen Erkenntnishorizont anzustellen. Danach begründe der Besitz des Fahrzeugbriefs den Rechtsschein der Verfügungsmacht über das Fahrzeug. Diesen Rechtsschein habe die Beklagte zu 1 durch ihr Verhalten – insbesondere durch die ihr nach den Umständen zuzuordnende Antwort auf das Schreiben vom 20.06.2019 – in erheblichem Maße verstärkt, sodass eine Rechtsscheinhaftung gegeben sei.

Sein Rechtsmittel hat der Kläger zurückgenommen, nachdem der 26. Zivilsenat des OLG Frankfurt a. M. auf seine Absicht hingewiesen hatte, die Berufung durch Beschluss nach § 522 II ZPO zurückzuweisen.

Aus den Gründen: I. … 2. Die zulässige Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht nämlich weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (vgl. § 513 I ZPO).

Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Kläger gegenüber der Beklagten zu 1 keinerlei Ansprüche zustehen. Der Kaufvertrag ist nicht zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 abgeschlossen worden. Zwar findet sich in dem Kaufvertragsformular die handschriftliche Eintragung „V“ im Feld „Verkäufer“, doch rührt diese Eintragung nicht von der Beklagten zu 1 her. Überdies findet sich in dem vorgelegten Kaufvertrag in dem dafür vorgesehenen Feld keine Unterschrift des Verkäufers.

Der Senat ist in diesem Zusammenhang gemäß § 314 Satz 1 ZPO an die tatbestandliche Feststellung des Landgerichts gebunden, dass die Beklagte zu 1 keine Kaufvertragsverhandlungen geführt und auch ihren Sohn nicht mit solchen beauftragt hat. Der Tatbestand des Ersturteils liefert nach § 314 ZPO nämlich den Beweis für das mündliche Vorbringen einer Partei im erstinstanzlichen Verfahren (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.1995 – V ZR 179/94, WM 1996, 89, 90; Urt. v. 02.02.1999 – VI ZR 25/98, BGHZ 140, 335, 339; Urt. v. 15.06.2000 – III ZR 305/98, WM 2000, 1548, 1549; Urt. v. 28.06.2005 – XI ZR 3/04, juris Rn. 16; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 05.10.2018 – 8 U 203/17, NJOZ 2019, 901 Rn. 27). Diese Beweiswirkung erstreckt sich auch darauf, ob eine bestimmte Behauptung bestritten ist oder nicht (vgl. BGH, Urt. v. 17.05.2000 – VIII ZR 216/99, WM 2000, 1871, 1872; Urt. v. 28.06.2005 – XI ZR 3/04, juris Rn. 16; BAG, Urt. v. 18.09.2003 – 2 AZR 498/02, NJW 2004, 1061, 1062). Daher ist eine im Tatbestand des angefochtenen Urteils als unstreitig dargestellte Tatsache selbst dann, wenn sie in den erstinstanzlichen Schriftsätzen tatsächlich umstritten war, als unstreitig und als für das Berufungsgericht bindend anzusehen, wenn der Tatbestand nicht berichtigt worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 24.06.2010 – III ZR 277/09, juris Rn. 3; Urt. v. 06.06.2012 – VIII ZR 198/11, NJW 2012, 2659 Rn. 17; Urt. v. 18.07.2013 – III ZR 208/12, MDR 2013, 1115 Rn. 8; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 24.05.2016 – 8 U 159/14, juris Rn. 51; Urt. v. 05.10.2018 – 8 U 203/17, NJOZ 2019, 901 Rn. 27).

Eine vertragliche Bindung der Beklagten zu 1 kommt auch nicht unter Rechtsscheinsgesichtspunkten in Betracht.

Die Voraussetzungen für eine Anscheinsvollmacht liegen nicht vor. Bei der Anscheinsvollmacht kann sich der Vertretene auf den Mangel der Vertretungsmacht seines Vertreters nicht berufen, wenn er schuldhaft den Rechtsschein einer Vollmacht veranlasst hat, sodass der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte von einer Bevollmächtigung ausgehen darf und auch von ihr ausgegangen ist (vgl. etwa BGH, Urt. v. 09.05.2014 – V ZR 305/12, NJW 2014, 2790 Rn. 12). Im Streitfall hat die Beklagte zu 1 jedoch nicht schuldhaft den Rechtsschein einer Vollmacht veranlasst. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass Eigentümer des Fahrzeugs der Beklagte zu 2 war; die Beklagte zu 1 war lediglich Halterin des Fahrzeugs. Bei dieser Sachlage durfte der Kläger aus der Haltereigenschaft der Beklagten zu 1 nicht den Schluss ziehen, dass die Beklagte zu 1 den Beklagten zu 2 bevollmächtigt hatte, das Fahrzeug mit Wirkung für und gegen sie zu veräußern.

Auch eine Duldungsvollmacht kommt offensichtlich nicht in Betracht, da es an jedem Vortrag und an jedem Beweis dafür fehlt, dass die Beklagte zu 1 wusste, dass der Beklagte zu 2 in das Kaufvertragsformular nicht seinen, sondern ihren Namen eintragen würde.

Überdies führt allein das Auftreten des Veräußerers unter dem aus den Fahrzeugpapieren ersichtlichen Namen noch nicht zu der Annahme, der Kaufvertrag sei mit dem Namensträger zustande gekommen (s. etwa BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 9).

Die Erwägungen des Klägers in der Berufungsbegründung tragen kein anderes Ergebnis. Nach dem sogenannten Trennungsgrundsatz ist im deutschen Zivilrecht streng zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungsvertrag einerseits und der dinglichen Verfügung andererseits zu unterscheiden (vgl. dazu etwa Schellhammer, Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen, 4. Aufl. [2013], Rn. 1457 ff.). Vor diesem Hintergrund gibt der Umstand, dass das Unterlassen der Einsicht in den Fahrzeugbrief in der Regel einen gutgläubigen Erwerb beim Käufer eines Gebrauchtwagens ausschließt (vgl. etwa BGH, Urt. v. 05.02.1975 – VIII ZR 151/73, NJW 1975, 735, 736), für die Frage, mit wem der Kaufvertrag über das Fahrzeug abgeschlossen worden ist, nichts her. Denn das Übereinstimmen des Namens im Fahrzeugbrief mit dem des Handelnden ist zwar für den gutgläubigen Erwerb relevant, aber für den Rechtsgeschäftsverkehr eben nicht entscheidend bei der Frage, wer mit wem kontrahiert (vgl. etwa MünchKomm-BGB/​Schubert, 8. Aufl. [2018], § 164 Rn. 140).

Soweit der Kläger eine Rechtsscheinhaftung der Beklagten zu 1 mit der Erwägung begründet möchte, dass diese ihm auf das anwaltliche Forderungsschreiben vom 20.06.2019 geantwortet habe, geht dieses Argument gleich aus zwei Gründen fehl. Zum einen ist der Kläger für seine streitige Behauptung, die Antwort auf das anwaltliche Forderungsschreiben vom 20.06.2019 sei von der Beklagten zu 1 verfasst worden, beweisfällig geblieben. Zum anderen war der Kaufvertrag zu dem Zeitpunkt dieses Schreibens längst geschlossen.

3. Auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 II 1 ZPO liegen vor. Die Beurteilung, dass eine Berufung offensichtlich unbegründet ist, setzt nicht voraus, dass ihre Unbegründetheit auf der Hand liegt; sie kann auch das Ergebnis vorgängiger gründlicher Prüfung sein (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.09.1990 – 2 BvE 2/90, BVerfGE 82, 316, 319 f.; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 16.04.2018 – 8 U 108/17, juris Rn. 47; Beschl. v. 26.11.2018 – 8 U 168/17, juris Rn. 25; Beschl. v. 25.11.2013 – 18 U 1/13, juris Rn. 21).

Nach der Funktion des Verfahrens nach § 522 II ZPO ist eine erneute mündliche Verhandlung nur dann geboten, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts auf eine umfassend neue rechtliche Würdigung gestützt wird und diese mit den Parteivertretern im schriftlichen Verfahren nicht sachgerecht erörtert werden kann (vgl. etwa OLG Hamm, Beschl. v. 02.03.2012 – I-20 U 228/11, VersR 2013, 604; OLG Koblenz, Beschl. v. 16.02.2012 – 10 U 817/11, juris Rn. 28; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 25.11.2013 – 18 U 1/13, juris Rn. 22; HK-ZPO/​Wöstmann, ZPO, 8. Aufl. [2019], § 522 Rn. 12.1). Eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hingegen reicht nicht, um eine mündliche Verhandlung als geboten anzusehen (vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 16.04.2018 – 8 U 108/17, juris Rn. 48; OLG Koblenz, Beschl. v. 16.02.2012 – 10 U 817/11, juris Rn. 28; HK-ZPO/​Wöstmann, a. a. O., § 522 Rn. 12.1). Im vorliegenden Fall ist eine Erörterung der Sach- und Rechtslage im schriftlichen Verfahren ohne Weiteres möglich. …

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