Ist der Kauf ei­nes (hoch­prei­si­gen) Neu­wa­gens – hier: ei­nes Rolls-Roy­ce Dawn – so­wohl für den Ver­käu­fer als auch für den Käu­fer ein Han­dels­ge­schäft i. S. des §§ 343, 344 HGB, dann hat der Käu­fer grund­sätz­lich die Ob­lie­gen­heit, das Fahr­zeug un­ver­züg­lich nach der Ab­lie­fe­rung durch den Ver­käu­fer zu un­ter­su­chen und ei­nen da­bei zu­ta­ge ge­tre­te­nen Man­gel dem Ver­käu­fer un­ver­züg­lich an­zu­zei­gen (§ 377 I HGB ). Dar­an än­dert nichts, dass das der Ver­käu­fer das Fahr­zeug vor der Über­ga­be an den Käu­fer „durch­ge­se­hen“ hat. Mit ei­ner sol­chen „Über­ga­be­durch­sicht“ ist ins­be­son­de­re kein (kon­klu­den­ter) Ver­zicht des Ver­käu­fers auf den Ein­wand ver­bun­den, die Män­gel­rü­ge des Käu­fers sei ver­spä­tet.

OLG Mün­chen, Be­schluss vom 25.05.2020 – 7 U 5611/19
(vor­an­ge­hend: OLG Mün­chen, Be­schluss vom 16.03.2020 – 7 U 5611/19)

Sach­ver­halt: Die kla­gen­de Ge­sell­schaft mit be­schränk­ter Haf­tung (GmbH) be­stell­te bei der Be­klag­ten, ei­ner Rolls-Roy­ce-Ver­trags­händ­le­rin, am 15.09.2016 ei­nen Rolls-Roy­ce Dawn zum Preis von 314.647,90 €. In ei­ner An­la­ge zur Be­stel­lung ist ver­merkt, dass die­ser Pkw über „Front Mas­sa­ge Seats“ ver­fü­gen soll. Die Be­klag­te be­stä­tig­te die Be­stel­lung am 26.09.2016.

Am 12.10.2016 schloss die Klä­ge­rin mit der L-GmbH ei­nen Lea­sing­ver­trag über das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug. Die­ses wur­de der Klä­ge­rin am 03.02.2017 über­ge­ben.

Aus­weis­lich der Be­triebs­an­lei­tung ver­fügt der Pkw über so­ge­nann­te Ak­tiv­sit­ze, de­ren Funk­ti­ons­wei­se in der Be­triebs­an­lei­tung wie folgt be­schrie­ben wird:

„Ei­ne ak­ti­ve Ver­än­de­rung der Sitz­flä­che hilft, Ver­span­nun­gen und Er­mü­dungs­er­schei­nun­gen der Mus­ku­la­tur und da­durch Rü­cken­schmer­zen im Len­den­wir­bel­be­reich zu ver­mei­den“.

Der Ge­schäfts­füh­rer der Klä­ge­rin nutz­te das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug zu­nächst nur für kür­ze­re Fahr­ten von längs­tens ei­ner Stun­de. Für län­ge­re Fahr­ten en­ga­gier­te er ei­nen Fah­rer. Bei ei­ner län­ge­ren Fahrt im Som­mer 2018, die der Ge­schäfts­füh­rer der Klä­ge­rin selbst durch­führ­te, woll­te er die Mas­sa­ge­funk­ti­on des Fah­rer­sit­zes ak­ti­vie­ren, konn­te al­ler­dings kei­ne Mas­sa­ge­wir­kung wahr­neh­men. Dies teil­te er der Be­klag­ten mit Schrei­ben vom 20.08.2018 mit. Die­se tausch­te im Sep­tem­ber 2018 tausch­te die Sitz­ein­heit aus.

Nach­dem der Ge­schäfts­füh­rer der Klä­ge­rin an­schlie­ßend kei­ne Ver­bes­se­rung der Mas­sa­ge­funk­ti­on ver­spürt und dies der Be­klag­ten mit­ge­teilt hat­te, er­klär­te ihm die Be­klag­te, dass der Pkw – wie in der Be­triebs­an­lei­tung an­ge­ge­ben – über „Ak­tiv­sit­ze“ und nicht über Mas­sa­gesit­ze ver­fü­ge. Im Zeit­raum vom 24.09. bis zum 28.09.2018 ver­stärk­te die Be­klag­te die Sitz­un­ter­kon­struk­ti­on und er­höh­te den Auf­blas­druck.

Am 12.10.2018 er­klär­te die Klä­ge­rin den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag und setz­te der Be­klag­ten eei­ne Frist zur Rück­ab­wick­lung die­ses Ver­trags bis zum 19.10.2018. Die Be­klag­te wies die von der Klä­ge­rin gel­tend ge­mach­ten Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che zu­rück.

Die Klä­ge­rin macht gel­tend, die Vor­der­sit­ze in dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw sei­en kei­ne „Front Mas­sa­ge Seats“, so­dass dem Fahr­zeug ei­ne ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit feh­le. ei­ner „Mas­sa­gesitz­funk­ti­on“. Zu­dem ha­be die Be­klag­te sie arg­lis­tig ge­täuscht, weil in der Be­stel­lung von Mas­sa­gesit­zen die Re­de sei, ob­wohl tat­säch­lich Ak­tiv­sit­ze ge­meint sei­en. § 377 HGB – so meint die Klä­ge­rin – sei im Streit­fall nicht an­zu­wen­den, weil der Käu­fer ei­nes Neu­wa­gens das Fahr­zeug nur bei kon­kre­ten An­halts­punk­ten für ei­nen Man­gel un­ter­su­chen müs­se. Zu­dem ha­be die Be­klag­te da­durch, dass sie Nach­bes­se­rungs­ver­su­che un­ter­nom­men ha­be, kon­klu­dent auf die An­wen­dung von § 377 HGB ver­zich­tet.

Die Klä­ge­rin hat in ers­ter Li­nie die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags (Zah­lung von 320.222,30 € nebst Zin­sen an die L-GmbH, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be Fahr­zeugs) und die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten be­gehrt. Hilfs­wei­se hat sie be­an­tragt, die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, bei dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug die Mas­sa­ge­funk­ti­on der Vor­der­sit­ze der­ge­stalt her­zu­stel­len, dass für Fah­rer und Bei­fah­rer ei­ne Mas­sa­ge­be­we­gung so­wohl in der Sitz­flä­che als auch ent­lang der Rü­cken­leh­ne deut­lich wahr­nehm­bar ist. Au­ßer­dem hat die Klä­ge­rin die Er­stat­tung vor­ge­richt­lich ent­stan­de­ner Rechts­an­walts­kos­ten (4.723,40 € nebst Zin­sen) ver­langt.

Die Be­klag­te hat ei­nen Man­gel des Rolls-Roy­ce Dawn in Ab­re­de ge­stellt und gel­tend ge­macht, dass die Klä­ge­rin den aus ih­rer Sicht vor­lie­gen­den Man­gel nicht un­ver­züg­lich i. S. von § 377 I, III HGB an­ge­zeigt ha­be. Der Aus­tausch der Sit­ze und die wei­te­ren Re­pa­ra­tur­maß­nah­men sei­en nur aus Ku­lanz er­folgt und nicht als An­er­kennt­nis ei­ner Ge­währ­leis­tungs­pflicht zu wer­ten.

Das Land­ge­richt hat de Kla­ge ab­ge­wie­sen (LG Mün­chen I, Urt. v. 30.08.2019 – 22 O 1189/19). Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug nicht man­gel­haft sei. Im Üb­ri­gen sei­en Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che der Klä­ge­rin schon des­halb aus­ge­schlos­sen, weil das Fahr­zeug ge­mäß § 377 II, III HGB als von der Klä­ge­rin ge­neh­migt gel­te.

Mit ih­rer Be­ru­fung ver­folg­te die Klä­ge­rin ihr erst­in­stanz­li­ches Kla­ge­ziel grund­sätz­lich voll­um­fäng­lich wei­ter. Al­ler­dings ver­langt sie die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses statt an die L-GmbH an sich selbst, da sie den Rolls-Roy­ce Dawn mitt­ler­wei­le er­wor­ben hat­te.

Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die Be­ru­fung zu­rück­ge­wie­sen, nach­dem es mit Hin­weis­be­schluss vom 16.03.2020 dar­ge­legt hat­te, war­um das Rechts­mit­tel aus sei­ner Sicht kei­ne Aus­sicht auf Er­folg ha­be. In die­sem Hin­weis­be­schluss heißt es:

„Die Wür­di­gung des Land­ge­richts ist frei von Rechts­feh­lern (§§ 513 I, 546 ZPO). Oh­ne Rechts­feh­ler hat das Land­ge­richt an­ge­nom­men, dass schon kein Sach­man­gel vor­lie­ge und im Üb­ri­gen Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che der Klä­ge­rin schon des­halb aus­ge­schlos­sen wä­ren, weil das Fahr­zeug nach § 377 HGB als ge­neh­migt gel­te, und des­halb die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Auf den Tat­be­stand und die Ent­schei­dungs­grün­de des an­ge­grif­fe­nen Ur­teils wird Be­zug ge­nom­men.

Die hier­ge­gen von­sei­ten der Klä­ge­rin mit der Be­ru­fung vor­ge­brach­ten Ein­wän­de, die ein­ge­bau­ten Vor­der­sit­ze sei­en kei­ne ‚Mas­sa­ge Seats‘, ei­ne Un­ter­su­chungs- und Rü­ge­ob­lie­gen­heit nach § 377 I HGB be­ste­he bei Neu­wa­gen nicht, die Be­klag­te ha­be aber je­den­falls durch die von ihr vor­ge­nom­me­nen Nach­bes­se­rungs­ver­su­che kon­klu­dent auf ih­re Rech­te aus § 377 I HGB ver­zich­tet, und die Be­klag­te ha­be die Man­gel­haf­tig­keit auch arg­lis­tig ver­schwie­gen, ver­mö­gen ih­rer Be­ru­fung nicht zum Er­folg zu ver­hel­fen.

1. Wie das Land­ge­richt un­ter B I 1 sei­nes Ur­teils in je­der Hin­sicht zu­tref­fend fest­ge­stellt hat, war das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug nicht man­gel­haft i. S. des § 434 I BGB. Auf die dies­be­züg­li­chen Aus­füh­run­gen kann da­her un­ein­ge­schränkt Be­zug ge­nom­men wer­den. Er­gän­zend sei auf­grund des dies­be­züg­li­chen Be­ru­fungs­an­grif­fes nur noch Fol­gen­des aus­ge­führt:

Noch zu­tref­fend stellt der Be­klag­ten­ver­tre­ter dar­auf ab, dass ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung auch kon­klu­dent ge­trof­fen wer­den kann, wenn der Käu­fer dem Ver­käu­fer be­stimm­te An­for­de­run­gen an den Kauf­ge­gen­stand zur Kennt­nis bringt und die­ser zu­stimmt. Der Be­klag­ten­ver­tre­ter lei­tet aus der An­la­ge I zum Kauf­ver­trag, in der als Aus­stat­tung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw ‚Mas­sa­ge Seats‘ auf­ge­führt sind, ab, dass da­mit ei­ne deut­lich wahr­nehm­ba­re Mas­sa­ge­funk­ti­on so­wohl in der Rü­cken­leh­ne als auch in der Sitz­flä­che ver­ein­bart ge­we­sen sei. Aus der Be­zeich­nung ‚Mas­sa­ge Seats‘ lässt sich al­ler­dings nicht ent­neh­men, in wel­chen Tei­len des Sit­zes ei­ne Mas­sa­ge­funk­ti­on vor­han­den sein muss (in der Rü­cken­leh­ne, der Sitz­flä­che oder bei­den) und wie stark spür­bar die­se Mas­sa­ge­funk­ti­on sein muss. Dass der Ge­schäfts­füh­rer der Klä­ge­rin mit ‚Mas­sa­ge Seats‘ die Mas­sa­gesit­ze in an­de­ren Rolls-Roy­ce-Ty­pen kon­no­tier­te, hat er bei Ver­trags­ab­schluss der Be­klag­ten ge­gen­über nicht of­fen­ge­legt. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­ru­fung hät­te er dies aber tun müs­sen. Denn al­lein aus der Tat­sa­che, dass der Ge­schäfts­füh­rer der Klä­ge­rin vor dem Kauf des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs ein Rolls-Roy­ce-Mo­dell nutz­te, das die von ihm ge­wünsch­ten Sit­ze auf­wies, muss­te sich für die Be­klag­te nicht er­ge­ben, dass er dies auch für die streit­ge­gen­ständ­li­che Bau­rei­he vor­aus­setz­te, ob­wohl die­se se­ri­en­mä­ßig nur Sit­ze mit ei­ner schwä­che­ren Mas­sa­ge­funk­ti­on in der Sitz­flä­che auf­weist. Kauft ein Käu­fer ein Fahr­zeug ei­ner an­de­ren Bau­rei­he als der bis­her von ihm ge­fah­re­nen des­sel­ben Her­stel­lers, wird da­mit nicht au­to­ma­tisch still­schwei­gend ver­ein­bart, dass das neue Fahr­zeug min­des­tens über die sel­ben Aus­stat­tungs­merk­ma­le ver­fügt wie das bis­her ge­nutz­te, wenn das je­wei­li­ge Aus­stat­tungs­merk­mal nur all­ge­mein um­schrie­ben ist. Wenn dem Ge­schäfts­füh­rer tat­säch­lich so viel an der Mas­sa­ge­funk­ti­on ge­le­gen wä­re, hät­te er sich vor Ab­schluss des Kauf­ver­trags durch ei­ne ent­spre­chen­de Nach­fra­ge bei der Be­klag­ten dar­über Klar­heit ver­schaf­fen müs­sen.

Aus der Preis­ka­te­go­rie er­gibt sich für den streit­ge­gen­ständ­li­chen Fall nichts an­de­res, da es auch bei Lu­xus­au­to­mo­bi­len Aus­stat­tungs­un­ter­schie­de gibt.

2. Selbst wenn – wie nicht – ei­ne Man­gel­haf­tig­keit des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs zu be­ja­hen sein soll­te, wür­de das Fahr­zeug aber nach § 377 II HGB als von der Klä­ge­rin ge­neh­migt gel­ten.

a) Der Se­nat folgt nicht der von Eg­gert in Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 14. Aufl. (2020), Rn. 3946, ver­tre­te­nen An­sicht, auf die sich die Klä­ge­rin stützt, die ge­rin­ge Feh­ler­wahr­schein­lich­keit bei fa­brik­neu­en Kraft­fahr­zeu­gen sei ein ein­leuch­ten­der Grund da­für, auch ei­nen Kauf­mann von ei­ner all­ge­mei­nen Pflicht zur Un­ter­su­chung frei­zu­stel­len, so­dass Neu­fahr­zeu­ge un­ge­prüft in Be­trieb ge­nom­men wer­den könn­ten (in die glei­che Rich­tung, aber un­klar Oet­ker/Koch, HGB, 6. Aufl. [2019], § 377 Rn. 45: ‚Bei Wa­ren von ho­hem Wert (z. B. Neu-Kfz) […] kann die Un­ter­su­chung na­he­zu ganz ent­fal­len.‘).

Für ei­ne sol­che all­ge­mei­ne Ein­schrän­kung gibt es in § 377 I HGB kei­nen An­halt. Die­ser sta­tu­iert im Aus­gangs­punkt die Ob­lie­gen­heit des Käu­fers zu ei­ner grund­sätz­lich von ihm vor­zu­neh­men­den Prü­fung des Kauf­ge­gen­stands und – bei Fest­stel­lung ei­nes of­fe­nen Man­gels – zur un­ver­züg­li­chen Rü­ge ge­gen­über dem Ver­käu­fer. Nur wenn die Un­ter­su­chung im Ein­zel­fall ‚nach ord­nungs­mä­ßi­gem Ge­schäfts­gang‘ nicht tun­lich ist (z. B. bei tech­ni­scher Un­mög­lich­keit), kann sie ent­fal­len (RG, Urt. v. 26.06.1929 – I 17/29, RGZ 125, 76, 79). Nach der Recht­spre­chung des BGH kann da­bei selbst ein be­ste­hen­der Han­dels­brauch den kauf­män­ni­schen Käu­fer nicht von je­der Un­ter­su­chungs­pflicht ent­bin­den, son­dern le­dig­lich die Art und den Um­fang der Un­ter­su­chungs­pflicht be­ein­flus­sen (BGH, Urt. v. 17.09.2002 – X ZR 248/00, ju­ris Rn. 18). Selbst wenn Feh­ler der Kauf­sa­che sel­ten sein soll­ten, wür­de dies – auch bei Mar­ken­wa­ren – nicht aus­rei­chen, um die Un­ter­su­chung über­flüs­sig wer­den zu las­sen (RG, Urt. v. 26.06.1929 – I 17/29, RGZ 125, 76, 79; Münch­Komm-HGB/Gru­ne­wald, 4. Aufl. [2018], § 377 Rn. 42; Hopt, in: Baum­bach/Hopt, HGB, 39. Aufl. [2020], § 377 Rn. 26 a. E., G. Mül­ler, in: Eben­roth/Bou­jong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. [2015], § 377 Rn. 93; für die An­wend­bar­keit des § 377 HGB beim Neu­wa­gen­kauf auch OLG Hamm, Urt. v. 06.02.2006 – 2 U 197/05, das die Fra­ge nicht ein­mal pro­ble­ma­ti­siert).

Wel­che An­for­de­run­gen an die Art und Wei­se der dem­nach grund­sätz­lich vor­zu­neh­men­de Un­ter­su­chung zu stel­len sind, lässt sich nicht all­ge­mein fest­le­gen. Es ist viel­mehr dar­auf ab­zu­stel­len, wel­che in den Rah­men ei­nes ord­nungs­ge­mä­ßen Ge­schäfts­gangs fal­len­den Maß­nah­men ei­nem or­dent­li­chen Kauf­mann im kon­kre­ten Ein­zel­fall un­ter Be­rück­sich­ti­gung auch der schutz­wür­di­gen In­ter­es­sen des Ver­käu­fers zur Er­hal­tung sei­ner Ge­währ­leis­tungs­rech­te zu­ge­mu­tet wer­den kön­nen. Da­bei kommt es auf die ob­jek­ti­ve Sach­la­ge und auf die all­ge­mei­ne Ver­kehrs­an­schau­ung an, wie sie sich hin­sicht­lich ei­nes Be­triebs ver­gleich­ba­rer Art her­aus­ge­bil­det hat. Die An­for­de­run­gen an ei­ne Un­ter­su­chung sind letzt­lich durch ei­ne In­ter­es­sen­ab­wä­gung zu er­mit­teln, die in ers­ter Li­nie dem Tatrich­ter ob­liegt. Da­bei ist ei­ner­seits zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Vor­schrif­ten über die Män­gel­rü­ge in ers­ter Li­nie den In­ter­es­sen des Ver­käu­fers die­nen. Er soll, was auch dem all­ge­mei­nen In­ter­es­se an ei­ner ra­schen Ab­wick­lung der Ge­schäf­te im Han­dels­ver­kehr ent­spricht, nach Mög­lich­keit da­vor ge­schützt wer­den, sich län­ge­re Zeit nach der Lie­fe­rung oder nach der Ab­nah­me der Sa­che et­wai­gen, dann nur schwer fest­stell­ba­ren Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­chen aus­ge­setzt zu se­hen. An­de­rer­seits dür­fen im Rah­men der ge­bo­te­nen In­ter­es­sen­ab­wä­gung zwi­schen Ver­käu­fer und Käu­fer die An­for­de­run­gen an ei­ne ord­nungs­ge­mä­ße Un­ter­su­chung nicht über­spannt wer­den. Denn an­sons­ten könn­te der Ver­käu­fer, aus des­sen Ein­fluss­be­reich der Man­gel kommt, in die La­ge ver­setzt wer­den, das aus sei­nen ei­ge­nen feh­ler­haf­ten Leis­tun­gen her­rüh­ren­de Ri­si­ko auf dem We­ge über die Män­gel­rü­ge auf den Käu­fer ab­zu­wäl­zen. An­halts­punk­te für die Gren­zen der Zu­mut­bar­keit bil­den vor al­lem der für ei­ne Über­prü­fung er­for­der­li­che Kos­ten- und Zeit­auf­wand, die dem Käu­fer zur Ver­fü­gung ste­hen­den tech­ni­schen Prü­fungs­mög­lich­kei­ten, das Er­for­der­nis ei­ge­ner tech­ni­scher Kennt­nis­se für die Durch­füh­rung der Un­ter­su­chung bzw. die Not­wen­dig­keit, die Prü­fung von Drit­ten vor­neh­men zu las­sen (BGH, Urt. v. 24.02.2016 – VI­II ZR 38/15 Rn. 20–22).

Im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fall wä­re – wie das Land­ge­richt zu­tref­fend fest­ge­stellt hat – die von der Klä­ge­rin be­haup­te­te un­ge­nü­gen­de Mas­sa­ge­funk­ti­on oh­ne Wei­te­res durch ei­ne sim­ple Funk­ti­ons­prü­fung fest­zu­stel­len ge­we­sen; ei­ne Ak­ti­vie­rung der Mas­sa­ge­funk­ti­on nach Ab­lie­fe­rung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs hät­te näm­lich be­reits aus­ge­reicht, um den ver­meint­li­chen Man­gel fest­zu­stel­len. Da­zu wä­re nur ein ein­zi­ger Tas­ten­druck vor­zu­neh­men ge­we­sen (vgl. den Aus­zug aus der Be­die­nungs­an­lei­tung lt. S. 4 des Kla­ge­schrift­sat­zes). Der Ein­satz von Prüf­tech­nik wä­re des­halb eben­so we­nig er­for­der­lich ge­we­sen wie die Her­an­zie­hung ex­ter­nen tech­ni­schen Sach­ver­stands. Es wä­ren nicht ein­mal tech­ni­sche Kennt­nis­se der Klä­ge­rin er­for­der­lich ge­we­sen. Auf­grund des da­mit für die Klä­ge­rin ver­bun­de­nen, nur mi­ni­ma­len und da­her oh­ne Wei­te­res zu­mut­ba­ren Prüf­auf­wands über­wiegt das In­ter­es­se der Be­klag­ten an ra­scher Klar­heit über das Be­ste­hen von Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­chen das da­ge­gen ste­hen­de In­ter­es­se der Klä­ge­rin an der Ver­mei­dung von Prü­fungs­auf­wand bei Wei­tem, zu­mal § 377 I HGB in ers­ter Li­nie den Ver­käu­fer­in­ter­es­sen die­nen soll.

Die Klä­ge­rin hät­te da­her den von ihr im Rah­men der ihr ob­lie­gen­den Un­ter­su­chungs­pflicht un­schwer fest­zu­stel­len­den und da­her (un­ter­stell­ten) of­fe­nen Man­gel als­bald nach Ab­lie­fe­rung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs am 03.02.2017 ge­mäß § 377 I HGB rü­gen müs­sen. Da ei­ne Rü­ge je­doch erst am 20.08.2018 er­folg­te, gilt das Fahr­zeug nach § 377 II HGB als ge­neh­migt.

b) Dar­an än­dert auch die un­strei­ti­ge Tat­sa­che nichts, dass die Klä­ge­rin den Rolls-Roy­ce Te­le­Ser­vice mit­ge­kauft hat. Denn da­bei han­delt es sich um ei­ne Zu­satz­leis­tung der Be­klag­ten, durch die laut der im Schrift­satz des Klä­ger­ver­tre­ters vom 13.05.2019 (dort S. 5 und 6) wie­der­ge­ge­be­nen Leis­tungs­be­schrei­bung ‚wich­ti­ge In­for­ma­tio­nen zur War­tung di­rekt an [den] au­to­ri­sier­ten Rolls-Roy­ce Händ­ler über­tra­gen‘ wer­den. Die War­tung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs, das heißt die Über­prü­fung des Fahr­zeugs auf im Lau­fe des Be­triebs ein­tre­ten­den Ver­schleiß oder Schä­den, hat aber nichts mit der Prü­fung des Fahr­zeugs nach der Ab­lie­fe­rung auf an­fäng­li­che Män­gel i. S. des § 377 I HGB zu tun. Auch be­zie­hen sich die vom Rolls-Roy­ce Te­le­Ser­vice er­ho­be­nen In­for­ma­tio­nen nach der Leis­tungs­be­schrei­bung auf ‚über­wach­te Ver­schleiß­tei­le‘, den Fahr­zeugsta­tus und den La­de­zu­stand der Bat­te­rie. Dass die Front­sit­ze durch den Rolls-Roy­ce Te­le­Ser­vice über­wacht wür­den, ist schon nicht vor­ge­tra­gen.

c) Oh­ne Er­folg bleibt auch der Ein­wand der Klä­ge­rin, durch die Re­pa­ra­tur­ver­su­che der Be­klag­ten im Herbst 2018 ha­be die­se kon­klu­dent auf die Ver­spä­tungs­rüge nach § 377 I HGB ver­zich­tet.

In der Recht­spre­chung des BGH ist an­er­kannt, das der Ver­käu­fer auf den Ein­wand der Ver­spä­tung ei­ner Män­gel­rü­ge auch still­schwei­gend ver­zich­ten kann. Die Mög­lich­keit ei­nes der­ar­ti­gen Ver­zichts wird für den Gel­tungs­be­reich des § 377 HGB ins­be­son­de­re dann be­jaht, wenn der Ver­käu­fer die be­an­stan­de­ten Wa­ren vor­be­halt­los zu­rück­ge­nom­men oder vor­be­halt­los Nach­bes­se­rung ver­spro­chen oder den Ver­spä­tungs­ein­wand nicht er­ho­ben hat (BGH, Urt. v. 25.11.1998 – VI­II ZR 259/97, ju­ris Rn. 17). Die ober­ge­richt­li­che Recht­spre­chung hat dies auf die vor­be­halt­lo­se Nach­bes­se­rung aus­ge­dehnt (OLG Stutt­gart, Urt. v. 20.09.1997 – 10 U 246/06, ju­ris Rn. 26).

Im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fall fehlt es aber be­reits an der not­wen­di­gen Vor­be­halts­lo­sig­keit der Nach­bes­se­rung durch die Be­klag­te. Denn in der E-Mail des M vom 11.09.2018 an den Ge­schäfts­füh­rer der Klä­ge­rin (wie­der­ge­ge­ben im Kla­ge­schrift­satz, S. 5) wird aus­drück­lich mit­ge­teilt, dass ‚Eng­land‘, i. e. die Her­stel­le­rin, der Auf­fas­sung sei, dass die im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ver­bau­ten Sit­ze der ‚Se­ri­en­stand‘ sei­en. Da­mit wird der Stand­punkt ver­tre­ten, dass die Sit­ze ver­trags­ge­mäß und des­halb nicht man­gel­haft sei­en. Ein trotz­dem vor­ge­nom­me­ner Aus­tausch ist dann aber kei­ne vor­be­halt­lo­se Nach­bes­se­rung, die ei­nen Ver­zicht auf die Ver­spä­tungs­rüge nach § 377 I HGB be­grün­den könn­te, son­dern, da die Be­klag­te ge­ra­de nicht von ei­nem Man­gel aus­geht, le­dig­lich ei­ne Ku­lanz­leis­tung.

d) Fern­lie­gend ist schließ­lich die Be­haup­tung der Klä­ger­sei­te, die Be­klag­te ha­be die (un­ter­stell­te) Man­gel­haf­tig­keit vor­sätz­lich ver­schwie­gen und des­halb arg­lis­tig ge­han­delt, so­dass er sich ge­mäß § 377 V HGB nicht auf die Un­ter­su­chungs­pflicht nach § 377 I HGB be­ru­fen kön­ne. Die­ser Vor­trag ist nicht ge­eig­net, um die Vor­aus­set­zun­gen des § 377 V HGB als er­füllt an­zu­se­hen.

Nach der Recht­spre­chung des BGH setzt Arg­list i. S. des § 377 V HGB näm­lich vor­aus, dass die Be­klag­te als Ver­käu­fe­rin die Man­gel­haf­tig­keit kann­te oder zu­min­dest mit die­ser Mög­lich­keit rech­ne­te und ihr be­wusst war, dass der Klä­ge­rin der Man­gel un­be­kannt sein kön­ne und sie bei Kennt­nis der Sach­la­ge die an­ge­bo­te­ne Wa­re nicht als Ver­trags­er­fül­lung an­neh­men wer­de (BGH, Urt. v. 25.09.1985 – VI­II ZR 175/84, ju­ris Rn. 19). Bei ei­nem – wie hier (vgl. oben) – un­schwer fest­stell­ba­ren of­fe­nen (un­ter­stell­ten) Man­gel ist von Arg­list nur aus­zu­ge­hen, wenn die Ver­käu­fe­rin mit ei­nem Un­ter­su­chungs- und Rü­ge­ver­säum­nis durch die Klä­ge­rin rech­net und ihr be­wusst ist, dass die Kauf­sa­che für die Klä­ge­rin un­brauch­bar ist (BGH, Urt. v. 25.09.1985 – VI­II ZR 175/84, ju­ris Rn. 21; Hopt, in: Baum­bach/Hopt, a. a. O., § 377 Rn. 53).

Wie sich al­lein schon aus der Tat­sa­che er­gibt, dass die Klä­ge­rin das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug trotz des of­fe­nen (un­ter­stell­ten) Man­gels von der Über­ga­be am 03.02.2017 bis zur Rü­ge am 20.08.2018 und da­mit mehr als ein­ein­halb Jah­re be­an­stan­dungs­los nutz­te, war das Fahr­zeug je­den­falls für die Klä­ge­rin nicht un­brauch­bar. Da­mit liegt aber schon al­lein des­halb kei­ne Arg­list vor.

Im Üb­ri­gen wird auf die Aus­füh­run­gen des Land­ge­richts un­ter 2 e des an­ge­grif­fe­nen Ur­teils Be­zug ge­nom­men, die der Se­nat aus den dort an­ge­ge­be­nen Grün­den für in je­der Hin­sicht zu­tref­fend er­ach­tet und die des­halb nicht noch ein­mal wie­der­holt wer­den müs­sen.

Ein Be­weis für die be­strit­te­ne Be­haup­tung der Klä­ge­rin ist schließ­lich auch nicht an­ge­bo­ten.“

Aus den Grün­den: II. Die Be­ru­fung der Klä­ge­rin ge­gen das En­dur­teil des LG Mün­chen I … ist ge­mäß § 522 II ZPO zu­rück­zu­wei­sen, weil nach ein­stim­mi­ger Auf­fas­sung des Se­nats das Rechts­mit­tel of­fen­sicht­lich kei­ne Aus­sicht auf Er­folg hat, der Rechts­sa­che auch kei­ne grund­sätz­li­che Be­deu­tung zu­kommt, we­der die Fort­bil­dung des Rechts noch die Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung ei­ne Ent­schei­dung des Be­ru­fungs­ge­richts er­for­de­ren und die Durch­füh­rung ei­ner münd­li­chen Ver­hand­lung über die Be­ru­fung nicht ge­bo­ten ist.

Die Stel­lung­nah­me des Klä­ger­ver­tre­ters vom 14.05.2020 gibt kei­nen An­lass, von den Aus­füh­run­gen im Hin­weis­be­schluss vom 16.03.2020 ab­zu­wei­chen.

1. Den in der Stel­lung­nah­me vom 14.05.2020 er­neut er­ho­be­nen Ein­wand der Klä­ger­sei­te, es sei nicht er­for­der­lich ge­we­sen, dass der Ge­schäfts­füh­rer der Klä­ge­rin ge­gen­über der Be­klag­ten of­fen­le­ge, dass er mit der Be­zeich­nung ‚Mas­sa­ge Seats‘ die Mas­sa­gesit­ze in an­de­ren Rolls-Roy­ce-Ty­pen in Ver­bin­dung brin­ge, hat der Se­nat be­reits im Hin­weis­be­schluss vom 16.03.2020 (dort S. 3) für nicht durch­grei­fend er­ach­tet. Neue Ar­gu­men­te hier­zu hat der Klä­ger auch in der Stel­lung­nah­me vom 14.05.2020 nicht vor­ge­bracht. Es ist im Üb­ri­gen in je­der Hin­sicht fern­lie­gend an­zu­neh­men, ein Pkw-Ver­käu­fer müs­se den Käu­fer ei­nes neu­en Fahr­zeugs, der bei ihm be­reits in der Ver­gan­gen­heit ei­nen Pkw der glei­chen Mar­ke, aber ei­nes an­de­ren Typs ge­kauft ha­be, über je­de Ab­wei­chung des neu­en Fahr­zeugs von der Aus­stat­tung des typ­ver­schie­de­nen frü­her ge­kauf­ten Pkw auf­klä­ren.

2. Hin­sicht­lich der von Eg­gert in Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 14. Aufl. (2020), Rn. 3946, ver­tre­te­nen Mei­nung zur Ent­behr­lich­keit ei­ner Un­ter­su­chung des ge­kauf­ten Fahr­zeugs hat sich der Se­nat be­reits aus­führ­lich in sei­nem Hin­weis­be­schluss vom 16.03.2020 (dort S. 3–5) ge­äu­ßert und ei­ne Un­ter­su­chung i. S. des § 377 HGB auch bei Neu­wa­gen wei­ter­hin für er­for­der­lich ge­hal­ten. Dass die Be­klag­te vor der Über­ga­be des Fahr­zeugs ih­rer­seits ei­ne „Über­ga­be­durch­sicht“ des Fahr­zeugs vor­ge­nom­men und hier­über ei­ne Be­schei­ni­gung er­stellt hat, än­dert dar­an nichts und führt ins­be­son­de­re nicht zu ei­nem (kon­klu­den­ten) Ver­zicht der Be­klag­ten auf die klä­ge­ri­sche Un­ter­su­chungs­pflicht aus § 377 I HGB.

3. Ein kon­klu­den­ter Ver­zicht der Be­klag­ten auf die Ver­spä­tungs­rüge folgt auch nicht – wie be­reits im Hin­weis­be­schluss des Se­nats vom 16.03.2020, S. 6 aus­ge­führt – aus dem Re­pa­ra­tur­ver­such der Be­klag­ten. In­wie­fern sich aus der in der Stel­lung­nah­me des Klä­ger­ver­tre­ters vom 14.05.2020 (dort S. 3) in Be­zug ge­nom­me­nen Äu­ße­rung des Ge­schäfts­füh­rers der Be­klag­ten „wo­bei die glau­ben, dass es Se­ri­en­stand ist“ er­ge­ben soll, dass die Be­klag­te da­von aus­ging, dass die im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug ein­ge­bau­ten Sit­ze nicht dem Se­ri­en­zu­stand ent­sprä­chen und des­halb man­gel­haft sei­en, er­schließt sich nicht.

Da so­mit schon kein Sach­man­gel vor­liegt und im Üb­ri­gen die Män­gel­rü­ge nicht recht­zei­tig er­folgt wä­re, ist auch der Hilfs­an­trag un­be­grün­det.

Nach al­le­dem bleibt die Be­ru­fung oh­ne Er­folg.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97  ZPO. …

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