Zum Um­fang der Pflicht des In­ha­bers ei­ner Kfz-Werk­statt, In­for­ma­tio­nen des Her­stel­ler­werks in sei­nem Be­trieb wei­ter­zu­ge­ben, die Er­satz­tei­le be­tref­fen, von de­nen die Ver­kehrs­si­cher­heit der Fahr­zeu­ge ab­hängt und bei de­nen es leicht zu Ver­wechs­lun­gen kom­men kann.

BGH, Ur­teil vom 30.05.1978 – VI ZR 113/77

Sach­ver­halt: Der Klä­ger ver­langt von der be­klag­ten Ge­sell­schaft mit be­schränk­ter Haf­tung, die ei­ne Kfz-Werk­statt be­treibt, Er­satz des ihm bei ei­nem Ver­kehrs­un­fall im Ok­to­ber 1974 ent­stan­de­nen Scha­dens.

In dem von dem Klä­ger ge­braucht er­wor­be­nen Por­sche-Pkw hat­te ein Mon­teur der Be­klag­ten an­läss­lich ei­ner für den Vor­ei­gen­tü­mer bei ei­nem Ki­lo­me­ter­stand von 31.800 durch­ge­führ­ten Re­pa­ra­tur ein fal­sches Er­satz­teil an der Rad­auf­hän­gung vor­ne links ver­wen­det: Er bau­te ein Ku­gel­ge­lenk für Dop­pel­keil­klem­mung in ein Dämp­fer­bein für Klemm­schraub­ver­bin­dung ein, ob­wohl dies nach den Wei­sun­gen des Fahr­zeug­her­stel­lers nicht zu­läs­sig war. Der Feh­ler wur­de we­der bei der Schluss­ab­nah­me die­ser Re­pa­ra­tur durch ei­nen Kraft­fahr­zeug­meis­ter noch bei der vom Klä­ger – eben­falls bei der Be­klag­ten – in Auf­trag ge­ge­be­nen 40.000-km-In­spek­ti­on fest­ge­stellt.

Der Klä­ger führt sei­nen bei ei­ner Lauf­leis­tung von 51.164 km er­lit­te­nen Un­fall auf die feh­ler­haf­te Mon­ta­ge des Ku­gel­ge­lenks zu­rück.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen; das Ober­lan­des­ge­richt hat den Kla­ge­an­spruch dem Grun­de nach für ge­recht­fer­tigt er­klärt. Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten, die die Wie­der­her­stel­lung des land­ge­richt­li­chen Ur­teils er­streb­te, hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Das Be­ru­fungs­ge­richt (sein Ur­teil ist in VersR 1977, 867 ab­ge­druckt) hat – sach­ver­stän­dig be­ra­ten und in­so­weit von der Re­vi­si­on nicht be­an­stan­det – fest­ge­stellt, dass der Un­fall ur­säch­lich auf die bei der Be­klag­ten un­ter­lau­fe­ne Fehl­mon­ta­ge zu­rück­zu­füh­ren ist. Es hält die Be­klag­te ge­mäß § 823 BGB für ver­pflich­tet, den Scha­den des Klä­gers zu er­set­zen, da ih­re tech­ni­sche Be­triebs­lei­tung dem die Schluss­ab­nah­me vor­neh­men­den Meis­ter nicht die aus­drück­li­che Wei­sung er­teilt hat­te, bei Re­pa­ra­tu­ren am Dämp­fer­bein und Ku­gel­ge­lenk der Por­sche-Pkw die­ses Typs auf die An­wei­sun­gen des Her­stel­ler­werks und die dro­hen­de Ver­wechs­lungs­ge­fahr be­son­ders zu ach­ten. Ei­ne sol­che aus­drück­li­che An­wei­sung sei auf­grund der der Be­klag­ten ob­lie­gen­den Ver­kehrs­si­che­rungs­pflicht ge­bo­ten ge­we­sen.

Ein Mit­ver­schul­den des Klä­gers ver­neint das Be­ru­fungs­ge­richt, weil er den 40.000-km-War­tungs­dienst bei der Be­klag­ten hat­te aus­füh­ren las­sen und wei­te­re An­halts­punk­te für ein un­fall­ur­säch­li­ches Mit­ver­schul­den sich we­der aus dem Vor­trag der Par­tei­en er­gä­ben noch sonst er­sicht­lich sei­en.

II. Die Re­vi­si­on hat kei­nen Er­folg.

1. Im Er­geb­nis zu­tref­fend be­jaht das Be­ru­fungs­ge­richt ei­ne Ver­let­zung der Ver­kehrs­si­che­rungs­pflicht durch die tech­ni­sche Be­triebs­lei­tung der Be­klag­ten (§§ 823, 31 BGB).

a) Ver­kehrs­si­che­rungs­pflich­ten ent­stan­den für die Be­klag­te schon da­durch, dass ih­re Mon­teu­re in der Kfz-Werk­statt Ar­bei­ten zu ver­rich­ten hat­ten, die – wenn sie nicht ord­nungs­ge­mäß vor­ge­nom­men wur­den – er­heb­li­che Ge­fah­ren so­wohl für die Kraft­fahr­zeug­be­nut­zer wie auch für Drit­te, vor al­lem sons­ti­ge Ver­kehrs­teil­neh­mer, mit sich brach­ten. Ob für die Be­klag­te, wie das Be­ru­fungs­ge­richt an­zu­neh­men scheint, sol­che Pflich­ten nur des­halb ent­stan­den, weil sie ei­ne vom Kfz-Her­stel­ler­werk au­to­ri­sier­te Ver­trags­werk­statt be­trieb und des­halb das Ver­trau­en ih­rer Kun­den in be­son­de­rem Ma­ße auf sich zog (zu­stim­mend in­so­weit Nie­wöh­ner, VersR 1977, 1086 [1088]), muss be­zwei­felt wer­den. Die Pflicht, den Be­trieb so zu or­ga­ni­sie­ren, dass die in ihm in­stand ge­setz­ten Fahr­zeu­ge ver­kehrs­si­cher wa­ren, er­gab sich be­reits all­ge­mein aus dem Be­trei­ben der Werk­statt, in der ge­fahr­träch­ti­ge Ar­bei­ten aus­ge­führt wur­den (vgl. BGH, Urt. v. 15.02.1978 – VI­II ZR 257/76, WM 1978, 515 [518]).

Den ihr so ob­lie­gen­den Pflich­ten ge­nüg­te die Be­klag­te nicht schon mit der Be­stel­lung an sich ge­eig­ne­ter Per­so­nen, für de­ren Tun und Las­sen sie sich nach § 831 BGB ent­las­ten kann. Sie muss­te viel­mehr bei der Be­deu­tung, die der Ver­kehrs­si­cher­heit von Kraft­fahr­zeu­gen für die All­ge­mein­heit zu­kommt, durch ih­re Or­ga­ne oder durch sons­ti­ge Ver­tre­ter i. S. der §§ 30, 31 BGB ge­eig­ne­te An­ord­nun­gen er­las­sen, die ge­währ­leis­te­ten, dass die Re­pa­ra­tu­ren ord­nungs­ge­mäß vor­ge­nom­men wur­den (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.1951 – III ZR 95/50, BGHZ 4, 1 [3]; vgl. auch Se­nat, Urt. v. 23.10.1973 – VI ZR 162/72, VersR 1974, 243 [244]). Zur sach­ge­rech­ten Or­ga­ni­sa­ti­on des Un­ter­neh­mens ge­hör­te es un­ter an­de­rem selbst­ver­ständ­lich, dass ih­re tech­ni­sche Be­triebs­lei­tung die An­wei­sun­gen des Her­stel­ler­werks zur Ver­wen­dung der Er­satz­tei­le an ih­re An­ge­stell­ten und Ar­bei­ter wei­ter­gab. Im Streit­fall braucht nicht ent­schie­den zu wer­den, ob die Be­triebs­lei­tung be­son­de­re Vor­keh­run­gen auch da­für tref­fen muss­te, dass sämt­li­che tech­ni­schen An­wei­sun­gen des Kfz-Her­stel­lers al­len ih­ren Mon­teu­ren und Meis­tern be­kannt wur­den, und ob und in wel­cher Wei­se sie sich da­von über­zeu­gen muss­te, dass ih­re Hin­wei­se be­ach­tet wur­den, oder ob es für be­stimm­te Be­rei­che auch ge­nü­gen konn­te, dem für die Schluss­ab­nah­me der Re­pa­ra­tur zu­stän­di­gen Kfz-Meis­ter die ihr zu­ge­gan­ge­nen In­for­ma­tio­nen des Her­stel­ler­werks aus­zu­hän­di­gen und ihm da­bei die Be­ach­tung der er­hal­te­nen Un­ter­la­gen auf­zu­tra­gen. Bei Er­satz­tei­len je­den­falls, von de­nen die Ver­kehrs­si­cher­heit der Fahr­zeu­ge ab­hängt und bei de­nen es wie hier leicht zu Ver­wechs­lun­gen kom­men kann, hat der In­ha­ber ei­ner Kfz-Werk­statt be­son­de­re Vor­keh­run­gen da­für zu tref­fen, dass die Her­stel­ler­wei­sun­gen im Ein­zel­nen al­len Mon­teu­ren, zu­min­dest aber – wie das Be­ru­fungs­ge­richt dies for­dert – den für die Schluss­ab­nah­me zu­stän­di­gen Kfz-Meis­tern be­kannt wer­den, und da­für zu sor­gen, dass die­se sie mit be­son­de­rer Sorg­falt be­ach­ten, da­mit die na­he­lie­gen­den und so ge­fah­ren­träch­ti­gen Ver­wechs­lun­gen ver­mie­den wer­den. Die­se Pflicht ent­fällt nicht et­wa schon da­durch, dass sich aus der Er­satz­teil­num­mer be­reits er­gibt, dass ver­wechs­lungs­fä­hi­ge Tei­le nicht zu­sam­men­ge­hö­ren kön­nen.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on über­spannt da­her das Be­ru­fungs­ge­richt nicht die An­for­de­run­gen an die Ver­kehrs­si­che­rungs­pflicht der Be­klag­ten, wenn es von ihr for­dert, an die für die Schluss­ab­nah­me zu­stän­di­gen Stel­len ih­res Be­triebs die aus­drück­li­che Wei­sung zu ge­ben, bei Re­pa­ra­tu­ren an Dämp­fer­bein und Ku­gel­ge­lenk der Por­sche-Pkw des Typs 914/4 auf die dro­hen­de Ver­wechs­lungs­mög­lich­keit be­son­ders zu ach­ten. Denn hier war die tech­ni­sche Aus­bil­dung der Ku­gel­ge­lenk­be­fes­ti­gung durch Schraub­klem­mung ei­ner­seits und durch Dop­pel­keil­klem­mung an­de­rer­seits vom Her­stel­ler­werk so ge­stal­tet, dass ei­ne Ver­wechs­lung durch­aus mög­lich war. Der Ein­bau nicht pas­sen­der Tei­le in die­sem Be­reich be­trifft, wor­auf das Be­ru­fungs­ge­richt zu­tref­fend hin­weist, die Rad­auf­hän­gung und da­mit ei­nen für die Ver­kehrs­si­cher­heit des Fahr­zeugs äu­ßerst wich­ti­gen Teil. Die Be­klag­te hat je­doch, ob­schon sie das Be­ru­fungs­ge­richt dar­auf hin­ge­wie­sen hat­te, nichts da­zu vor­ge­tra­gen, ob und wie sie die maß­ge­ben­den Wei­sun­gen des Her­stel­ler­wer­kes in ih­rem Be­trieb wei­ter­ge­ge­ben und für de­ren Be­ach­tung ge­sorgt hat.

Für das Be­ru­fungs­ge­richt brauch­ten sich auch nicht, wie die Re­vi­si­on in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat be­merkt hat, Zwei­fel an der Ur­säch­lich­keit der von der Be­klag­ten un­ter­las­se­nen Be­triebs­or­ga­ni­sa­ti­on für den Un­fall zu er­ge­ben. An­halts­punk­te da­für, dass der für die Schluss­ab­nah­me zu­stän­di­ge Kraft­fahr­zeug­meis­ter ei­nen ent­spre­chen­den Hin­weis der tech­ni­schen Be­triebs­lei­tung der Be­klag­ten nicht be­ach­tet hät­te, sind in den Tat­sa­chen­in­stan­zen nicht vor­ge­tra­gen wor­den.

b) Dem Be­ru­fungs­ge­richt ist fer­ner dar­in zu fol­gen, dass die ge­setz­li­chen Ver­tre­ter der Be­klag­ten ih­re Or­ga­ni­sa­ti­ons­pflicht schuld­haft, näm­lich fahr­läs­sig, ver­letzt ha­ben. Zwei­fel­haft könn­te dies al­len­falls sein, wenn in der Tech­ni­schen In­for­ma­ti­on Nr. 4 vom 20.02.1974 erst­mals auf die Ver­wechs­lungs­fä­hig­keit der Ku­gel­ge­len­ke für Dämp­fer­bei­ne hin­ge­wie­sen wor­den wä­re, ei­ne In­for­ma­ti­on die mög­li­cher­wei­se bei der Re­pa­ra­tur des Fahr­zeugs, mit dem der Klä­ger ver­un­glückt ist, in der Werk­statt der Be­klag­ten noch nicht vor­ge­le­gen hat­te. Denn sein Vor­ei­gen­tü­mer hat erst am 25.02.1974 den Auf­trag ge­ge­ben, den Wa­gen re­pa­rie­ren zu las­sen, wie aus der bei den Ak­ten be­find­li­chen Re­pa­ra­tur­kar­te er­sicht­lich ist. In der In­for­ma­ti­on des Her­stel­ler­wer­kes heißt es aber, dass „be­kannt­lich“ zwei un­ter­schied­li­che Klemm­ver­bin­dun­gen für die Mon­ta­ge des Ku­gel­ge­len­kes im Dämp­fer­bein gül­tig sei­en. Den Werk­stät­ten war al­so län­ge­re Zeit vor­her, viel­leicht schon ein bis zwei Jah­re, die Ver­wechs­lungs­fä­hig­keit be­kannt. Das Be­ru­fungs­ge­richt selbst weist dar­auf hin, dass es ur­sprüng­lich nur die (Schraub-)Klemm­kon­struk­ti­on gab, die spä­ter durch die Dop­pel­keil­klem­mung ab­ge­löst wor­den ist.

2. Auch die Aus­füh­run­gen des Be­ru­fungs­ur­teils zum feh­len­den Mit­ver­schul­den des Klä­gers sind recht­lich nicht zu be­an­stan­den.

a) Nach­dem das Be­ru­fungs­ge­richt fest­ge­stellt hat, dass der Klä­ger die 40.000-km-In­spek­ti­on nicht ver­säumt, son­dern die­se so­gar bei der Be­klag­ten in Auf­trag ge­ge­ben hat, kann dem Klä­ger je­den­falls in­so­weit kein Mit­ver­schul­den zur Last ge­legt wer­den. Ob die Nicht­vor­nah­me ei­nes vom Her­stel­ler­werk emp­foh­le­nen War­tungs­diens­tes für den Un­fall des Klä­gers über­haupt ein Mit­ver­schul­den be­grün­den kann, kann da­her of­fen­blei­ben.

b) Wei­te­re An­halts­punk­te für ein Mit­ver­schul­den des Klä­gers brauch­ten sich dem Be­ru­fungs­ge­richt nicht auf­zu­drän­gen. Die da­hin ge­hen­de Rü­ge der Re­vi­si­on aus § 286 ZPO hat der Se­nat ge­prüft, aber nicht für durch­grei­fend er­ach­tet. Er sieht ge­mä&sz­lig § 565a ZPO da­von ab, dies nä­her aus­zu­füh­ren.

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