Ein Ge­braucht­wa­gen, der laut Vor­be­sit­zer we­der als Ta­xi noch als Fahr­schul- oder Miet­wa­gen ein­ge­setzt wur­de, ist je­den­falls dann nicht man­gel­haft, wenn er von wech­seln­den Fah­rern für Ein­satz­fahr­ten zur Be­treu­ung pfle­ge­be­dürf­ti­ger Per­so­nen ein­ge­setzt wur­de und sich die Nut­zung mit ei­ner Lauf­leis­tung von ca. 27.000 km in­ner­halb von 2,5 Jah­ren in ei­nem üb­li­chen Rah­men be­weg­te.

LG Kas­sel, Ur­teil vom 27.04.2010 – 7 O 2091/08

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin ver­langt von der Be­klag­ten die Rück­ab­wick­lung ei­nes Pkw-Kauf­ver­trags.

Die Klä­ge­rin be­stell­te am 23.08.2007 bei der Be­klag­ten ei­nen Pkw (Erst­zu­las­sung: 14.01.2005) zum Preis von 6.880 €. Im Be­stell­for­mu­lar gab die Be­klag­te an, dass das Fahr­zeug laut Vor­be­sit­zer nicht als Ta­xi, Miet- oder Fahr­schul­wa­gen ge­nutzt wor­den war. Vor­be­sit­zer des Fahr­zeugs war ein Zweck­ver­band, bei dem das Fahr­zeug von wech­seln­den Fah­rern für Ein­satz­fahr­ten zur Be­treu­ung pfle­ge­be­dürf­ti­ger Per­so­nen ein­ge­setzt wor­den war. Die Be­klag­te hat­te den Wa­gen vor Ver­äu­ße­rung an die Klä­ge­rin als Lea­sing­fahr­zeug von dem Zweck­ver­band zu­rück­ge­kauft.

Die Klä­ge­rin zahl­te den ver­ein­bar­ten Kauf­preis an die Be­klag­te und er­hielt den Wa­gen am 30.08.2007 mit ei­ner Lauf­leis­tung von 27.007 km über­ge­ben. Bei Über­ga­be schlos­sen die Par­tei­en ei­nen Ser­vice­ga­ran­tie­ver­trag für Ge­braucht­wa­gen.

Am 09.10.2007 brach­te die Klä­ge­rin das Fahr­zeug in die Werk­statt der Be­klag­ten und rüg­te ein man­gel­haf­tes Leis­tungs­ver­mö­gen des Mo­tors in be­stimm­ten Fahr­si­tua­tio­nen. Die Be­klag­te prüf­te die elek­tri­sche An­la­ge des Fahr­zeugs und die Kom­pres­si­on der Zy­lin­der. Ei­ner der Zy­lin­der­köp­fe wur­de nach­ge­schlif­fen. Am 08.01.2008 gab die Klä­ge­rin den Wa­gen er­neut in die Werk­statt der Be­klag­ten, rüg­te er­neut ei­ne un­re­gel­mä­ßi­ge Mo­tor­leis­tung und gab zur Ver­län­ge­rung der Ser­vice­ga­ran­tie ei­ne In­spek­ti­on in Auf­trag.

Mit dem Ver­lan­gen auf Nach­bes­se­rung brach­te die Klä­ge­rin das Fahr­zeug am 02.04.2008 noch­mals zur Werk­statt der Be­klag­ten. Die Zy­lin­der­köp­fe wur­den wie­der­um über­prüft, und ein Zy­lin­der­kopf wur­de er­neu­ert. Am 24.04.2008 fuhr die Klä­ge­rin mit dem Fahr­zeug ein wei­te­res Mal zur Werk­statt der Be­klag­ten und rüg­te Aus­fall­er­schei­nun­gen des Mo­tors. In der Werk­statt wur­de die elek­tri­sche An­la­ge über­prüft, und die Lamb­da­son­de wur­de aus­ge­tauscht.

Wei­te­re Re­pa­ra­tur­ver­lan­gen der Klä­ge­rin lehn­te die Be­klag­te in der Fol­ge­zeit mit der Be­grün­dung ab, es lie­ge kein Man­gel vor.

Mit An­walts­schrei­ben vom 29.07.2008 er­klär­te die Klä­ge­rin die „Wand­lung des Fahr­zeug­kaufs“ und for­der­te die Be­klag­te auf, 6.827,80 € bis zum 11.08.2008 Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs zu er­stat­ten. Sie ist der An­sicht, die Be­klag­te sei zur Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses (6.880 €) ab­züg­lich ge­zo­ge­ner Nut­zun­gen (165,12 €) so­wie zum Er­satz der Zu­las­sungs­kos­ten in Hö­he von 35,60 € Zug um Zug ge­gen Rück­über­eig­nung des Kfz ver­pflich­tet und be­fin­de sich mit des­sen Rück­nah­me in An­nah­me­ver­zug.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: I. … 1. Das Ge­richt legt die ein­sei­ti­ge Er­le­di­gungs­er­klä­rung der Klä­ge­rin im Schrift­satz vom 06.04.2010 als zu­läs­si­ge Kla­ge­än­de­rung auf Fest­stel­lung, dass sich der Rechts­streit in der Haupt­sa­che er­le­digt hat, aus.

2. Ei­ne Er­le­di­gung der Haupt­sa­che war al­ler­dings nicht fest­zu­stel­len, weil die Kla­ge be­reits an­fäng­lich un­be­grün­det war und nicht durch ein (nach Rechts­hän­gig­keit ein­tre­ten­des) er­le­di­gen­des Er­eig­nis un­be­grün­det ge­wor­den ist.

Der Klä­ge­rin stand der gel­tend ge­mach­te An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags ge­mäß §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 323 BGB be­reits an­fäng­lich nicht zu, da die Kauf­sa­che im maß­geb­li­chen Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs (bei Über­ga­be des Pkw an die Klä­ge­rin am 30.08.2007) nicht man­gel­haft war.

a) Be­züg­lich der Fehl­funk­ti­on des Pkw (man­geln­des Leis­tungs­ver­mö­gen bzw. Stot­tern des Mo­tors) steht dies zur Über­zeu­gung des Ge­richts auf­grund der Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen fest. Der Sach­ver­stän­di­ge hat in sei­nem Gut­ach­ten fol­gen­de Aus­füh­run­gen ge­macht:

„Auf­grund der Ein­deu­tig­keit und der re­la­tiv leich­ten Dia­gno­se­fä­hig­keit des vor­lie­gen­den Man­gels geht der Un­ter­zeich­ner nicht da­von aus, dass die­ser Man­gel be­reits bei Über­ga­be am 30.08.2007 vor­ge­le­gen hat. Die­ser Man­gel, al­so der Iso­la­ti­ons­feh­ler an der Zünd­spu­le, kann da­zu füh­ren, dass das Fahr­zeug stot­tert und ins­be­son­de­re beim An­fah­ren an Licht­zei­chen­an­la­gen es auch zum Ab­ster­ben des Mo­tors kommt.“

Die­sen in sich schlüs­si­gen, oh­ne Wei­te­res nach­voll­zieh­ba­ren und über­zeu­gen­den Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen schließt sich das Ge­richt an, so­dass zwar fest­steht, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che Pkw ei­nen Man­gel in Form ei­nes Iso­la­ti­ons­feh­lers an der Zünd­spu­le auf­wies (was da­durch be­stä­tigt wird, dass der Pkw nach Aus­tausch der Zünd­spu­le wie­der ein­wand­frei funk­tio­niert), dass die­ser Man­gel aber im Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs nicht vor­ge­le­gen hat, son­dern erst spä­ter auf­ge­tre­ten ist.

b) Dar­über hin­aus wies der Pkw im Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs auch kei­ne an­de­ren Män­gel auf.

Die Tat­sa­che, dass der (sei­ner­zeit ge­leas­te) Pkw beim Vor­be­sit­zer … von wech­seln­den Fah­rern für Ein­satz­fahr­ten zur Be­treu­ung pfle­ge­be­dürf­ti­ger Per­so­nen ein­ge­setzt wor­den war, ob­wohl die Be­klag­te im Be­stell­for­mu­lar an­ge­ge­ben hat, dass das Fahr­zeug vom Vor­be­sit­zer nicht als Ta­xi/Miet-/Fahr­schul­wa­gen ge­nutzt wur­de, stellt kei­nen Man­gel dar.

Zum ei­nen wur­de der Pkw – wie von der Be­klag­ten kor­rekt an­ge­ge­ben – nicht als Ta­xi oder Miet- bzw. Fahr­schul­wa­gen, son­dern als Fir­men­wa­gen ge­nutzt. Selbst wenn man aber die für Ta­xen und Miet­wa­gen ent­wi­ckel­ten Grund­sät­ze – we­gen ei­ner grund­sätz­lich ver­gleich­ba­ren In­ter­es­sen­la­ge – auch auf Fir­men­wa­gen an­wen­den wür­de, er­gä­be sich im vor­lie­gen­den Fall kein Man­gel.

Ob ei­ne aty­pi­sche Vor­be­nut­zung des Fahr­zeugs zu ei­ner Be­ein­träch­ti­gung und/oder Wert­min­de­rung ge­führt hat und da­her ei­nen Man­gel dar­stellt, hängt von dem je­wei­li­gen Ein­zel­fall ab. Ent­schei­dend ist da­bei auf Kri­te­ri­en wie zum Bei­spiel Al­ter, Fahr­leis­tung, Art des Mo­tors, Dau­er der aty­pi­schen Vor­be­nut­zung ab­zu­stel­len (vgl. Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 7. Aufl., Rn. 1610).

Bei ei­ner mehr­jäh­ri­gen un­un­ter­bro­che­nen Nut­zung als Ta­xi, ei­nem lang­jäh­ri­gen un­un­ter­bro­che­nen Ein­satz als Fahr­schul­wa­gen oder auch als Miet­wa­gen wird beim Ver­kauf re­gel­mä­ßig ei­ne Of­fen­le­gung der Vor­be­nut­zung er­fol­gen müs­sen (vgl. BGH, BB 1977, 6; OLG Nürn­berg, MDR 1985, 672; OLG Köln, NJW-RR 1990, 1144). Denn ei­ne der­ar­ti­ge aty­pi­sche Vor­be­nut­zung stellt ei­nen die Wert­bil­dung ne­ga­tiv be­ein­flus­sen­den Fak­tor dar und löst in der Re­gel ei­nen mer­kan­ti­len Min­der­wert des Fahr­zeugs aus.

Die Um­stän­de des vor­lie­gen­den Falls füh­ren in­des­sen zur Ver­nei­nung ei­nes mer­kan­ti­len Min­der­wer­tes und da­mit zur Ver­nei­nung ei­nes Man­gels, da kei­ne lang­jäh­ri­ge Nut­zung durch den Vor­ei­gen­tü­mer als Fir­men­wa­gen er­folgt ist und sich die Lauf­leis­tung mit 27.007 km in­ner­halb von 2,5 Jah­ren im üb­li­chen Rah­men be­wegt …

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