Schließt ein Gebrauchtwagenverkäufer seine Haftung für Sachmängel formularmäßig aus („wie besichtigt unter Ausschluss jeder Gewährleistung“) und sichert er dem Käufer zugleich die Unfallfreiheit des Fahrzeugs zu, so wird diese Zusicherung von dem Haftungsausschluss jedenfalls insoweit nicht erfasst, als es um das Recht des Käufers geht, die Rückgängigmachung des Kaufs zu verlangen.

BGH, Urteil vom 10.10.1977 – VIII ZR 110/76

Diese Entscheidung ist zum „alten“ Schuldrecht und vor Inkrafttreten der ZPO-Reform 2002 ergangen. Sie kann nicht ohne Weiteres auf das seit dem 01.01.2002 geltende Recht übertragen werden (so ist z. B. an die Stelle der Wandelung der Rücktritt vom Kaufvertrag getreten). Die genannten Vorschriften existieren heute möglicherweise nicht mehr oder haben einen anderen Inhalt.

Sachverhalt: Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 13.05.1972 kaufte der Kläger von dem Beklagten einen gebrauchten Pkw Fiat 125. Der Kaufpreis betrug 1.900 DM; einen Gebrauchtwagen des Klägers, den die Parteien damals übereinstimmend mit 600 DM bewerteten, nahm der Beklagte in Zahlung.

Das hektographierte, von dem Beklagten handschriftlich ausgefüllte und von beiden Parteien unterzeichnete Vertragsformular enthält den formularmäßigen Hinweis, dass der Käufer den gebrauchten Pkw „wie besichtigt unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung“ kaufe. Am Ende des Vertragsformulars ist unter der Rubrik „Besondere Vereinbarungen“ handschriftlich unter anderem eingetragen: „Verkäufer versichert, dass das Fahrzeug unfallfrei ist und nicht mehr als 61.000 km gelaufen hat.“

Eigentumsübertragung und Zahlung des Kaufpreises erfolgten am Tage des Vertragsabschlusses.

Tatsächlich war der Fiat 125, was dem Kläger bei Vertragsabschluss nicht bekannt war, bei dem Voreigentümer des Beklagten in einen Unfall mit nicht unerheblichen Folgen verwickelt gewesen. Nachdem der Kläger – durch die Fahrweise des Wagens misstrauisch geworden – einen Sachverständigen mit der Prüfung des Fahrzeugs beauftragt und dieser eine unfallbedingte Stauchung des Längsträgers festgestellt hatte, ließ der Kläger dem Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 29.06.1972 unter anderem mitteilen:

„Namens und in Vollmacht meines Mandanten fechte ich hiermit den Kaufvertrag vom 13.05. 1972 wegen arglistiger Täuschung an. Durch diese Anfechtungserklärung ist der Kaufvertrag rechtsunwirksam. Die von den Parteien gewährten Leistungen sind damit einander zurückzugewähren.

Durch den arglistig verschwiegenen Mangel am Kfz sind meinem Mandanten ferner folgende Schäden entstanden: …“ (Es folgen mehrere Schadensposten.)

Nach fruchtloser Zahlungsaufforderung nahm der Kläger den Beklagten mit einem am 05.08.1972 zugestellten Zahlungsbefehl „aus Rückgewährsansprüchen aus angefochtenem Kfz-Kaufvertrag vom 13.05.1972 und Schadensersatzansprüchen gemäß begründetem Anspruchsschreiben vom 29.06.1972“ auf Zahlung von 2.675,97 DM nebst Zinsen in Anspruch. Der Beklagte machte in erster Linie geltend, dass er trotz eigener Prüfung des Pkw von dem Unfall und seinen Folgen keine Kenntnis gehabt habe; überdies berief er sich auf den Gewährleistungsausschluss sowie auf Verjährung.

Das Landgericht gab dem Klagebegehren in Höhe von 2.500 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fiat 125 statt. Das Berufungsgericht bestätigte unter Abweisung der weitergehenden Klage die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 2.086,26 DM nebst Zinsen, hob dagegen die Zug-um-Zug-Verurteilung auf. Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht geht – insoweit in Übereinstimmung mit beiden Parteien – davon aus, dass zwar der Kläger eine arglistige Täuschung (§ 123 I BGB) durch den Beklagten hinsichtlich der Unfallfreiheit des Wagens nicht dargetan habe, dass im Kaufvertrag vom 13.05.1972 aber diese Unfallfreiheit durch den Beklagten als Eigenschaft i. S. des § 459 II BGB zugesichert worden sei – eine Eigenschaft, die dem Wagen im Zeitpunkt des Gefahrüberganges gefehlt habe.

Gegenüber dem Wandlungsbegehren – und darum geht in der Revisionsinstanz allein noch der Streit der Parteien – könne sich der Beklagte auf die Haftungsfreizeichnung deswegen nicht berufen, weil bei sinnvoller Auslegung die Freizeichnungsklausel jedenfalls eine Befugnis des Käufers, sich wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft durch Wandlung vom Vertrag zu lösen, nicht erfasse; eine Verjährung des Wandlungsanspruchs sei deswegen nicht eingetreten, weil der Kläger durch den mit dem Zahlungsbefehl hilfsweise geltend gemachten Wandlungsanspruch, aber auch mit den in erster Linie auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichteten Ansprüchen aus arglistiger Täuschung die sechsmonatige Verjährungsfrist (§ 477 BGB) rechtzeitig unterbrochen habe.

II. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision stand.

Das Berufungsgericht geht davon aus, dass bei sinnvoller Auslegung die formularmäßige Freizeichnungsklausel die Haftung für die zugesicherte Eigenschaft der Unfallfreiheit (§ 459 II BGB) jedenfalls insoweit nicht erfasst, als der Kläger aus dem Fehlen dieser Eigenschaft bei Gefahrübergang das Recht herleitet, sich durch Wandlung (§§ 462, 465 ff. BGB) vom Vertrag zu lösen. Da der Vertrag vom 13.05.1972 zumindest in den hier wesentlichen Teilen als Individualvertrag ausgestaltet ist, handelt es sich um eine grundsätzlich dem Tatrichter vorbehaltene Auslegung. Sie lässt nicht nur keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten erkennen, sondern ist naheliegend. Auch der Senat hätte den Vertrag nicht anders ausgelegt.

a) Ganz abgesehen von dem allgemeinen Grundsatz, dass vertragliche Freizeichnungsklauseln eng auszulegen sind (RG, JW 1937, 2591; vgl. dazu auch RGRK-BGB/Mezger, 12. Aufl., § 476 Anm. 1 m. w. Nachw.), ist bei der Auslegung von Klauseln, mit denen sich der Verkäufer von der Haftung für die Zusicherung von Eigenschaften der Kaufsache freizeichnen will, besondere Zurückhaltung geboten (RG, JW 1938, 1594; Staudinger/Ostler, BGB, 11. Aufl. § 476 Anm. 7 a). Das ergibt sich aus dem Wesen der Eigenschaftszusicherung, mit der der Verkäufer eine Einstandspflicht für das Vorliegen einer Eigenschaft dahin gehend übernimmt, dass er bei Fehlen dieser Eigenschaft Schadensersatz auch unbeschadet der Frage leistet, ob ihn insoweit ein Verschulden trifft und ob er den Schaden überhaupt voraussehen kann (BGH, Urt. v. 05.07.1979 – VII ZR 74/71, BGHZ 59, 158 [162]). Zeichnet sich daher der Verkäufer gleichzeitig von jeder Haftung einschließlich der Befugnis des Käufers, sich durch Wandlung oder Rücktritt vom Vertrag zu lösen, frei, so besteht die naheliegende Gefahr, dass die Zusicherung zur leeren Formel (RG, JW 1938, 1594) und dem Käufer die Einräumung einer Rechtsstellung vorgespiegelt wird, die er tatsächlich nicht erhält; denn die bloße Möglichkeit, mit der „Zusicherung“ für den Fall einer arglistigen Täuschung (§ 123 I BGB) jedenfalls die wahrheitswidrige Erklärung des Verkäufers nachweisen zu können, bringt dem Käufer schon deswegen nur wenig, weil erfahrungsgemäß die Schwierigkeit für ihn in dem Nachweis des zumindest bedingten Vorsatzes aufseiten des Verkäufers liegt und ihm dieser Nachweis durch die Aufnahme der Zusicherung in den Vertragstext nicht wesentlich erleichtert wird.

b) Die vorstehenden Erwägungen gelten gerade auch für einen Fall wie den vorliegenden.

Mit der Klausel, der Gebrauchtwagen sei verkauft „wie besichtigt unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung“, stellt der Verkäufer in erster Linie klar, dass er auch für verborgene Mängel – insbesondere also auch für nicht von vornherein erkennbare Unfallfolgen oder die schlechthin mit der Unfallbeteiligung verbundene Minderung des Verkehrswertes – seine Haftung ausschließen will.

Dass ein solcher völliger Haftungsausschluss bei Gebrauchtwagen zulässig ist, entspricht gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats (zuletzt Senat, Urt. v. 29.06.1977 – VIII ZR 43/76, WM 1977, 1048 m. w. Nachw.). Diese Rechtsprechung trägt dem Umstand Rechnung, daß der Verkäufer eines Gebrauchtwagens – insbesondere wenn dieser, wie hier, bereits durch die Hände mehrerer Voreigentümer gegangen ist – in seinen Informationsmöglichkeiten beschränkt ist und damit rechnen muss, dass das Fahrzeug bereits in einen Unfall verwickelt war. Der Senat hat demgemäß auch bei früherer Gelegenheit die Abwälzung dieses Risikos auf den Käufer eines Gebrauchtwagens geradezu als ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft bezeichnet (Senat, Urt. v. 21.03.1966 – VIII ZR 44/64, WM 1966, 473 = NJW 1966, 1070).

c) Anders ist die Sachlage dagegen dann, wenn der Verkäufer die Unfallfreiheit ausdrücklich zusichert. Hier wird und darf der Käufer davon ausgehen, dass der Verkäufer – etwa aufgrund seiner Kenntnis der Voreigentümer oder einer sorgfältigen Untersuchung des Kraftwagens, zu der er an sich nicht verpflichtet ist (Senat, Urt. v. 16.03.1977 – VIII ZR 283/75, WM 1977, 584 = NJW 1977, 1055; vgl. aber auch Senat, Urt. v. 29.06.1977 – VIII ZR 43/76, WM 1977, 1048) – das Risiko der Unfallfreiheit entsprechend der gesetzlichen Regelung (§ 463 BGB) behalten will. Hat er diesen Willen nicht, so muss er dies unmissverständlich und für den Käufer deutlich – bezogen gerade auf die abgegebene Zusicherung – im Vertragstext oder sonst bei Vertragsabschluss zum Ausdruck bringen.

Diesem Gebot genügte, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausführt, die formularmäßige Freizeichnungsklausel nicht. Vielmehr konnte der Kläger davon ausgehen, dass die handschriftlich am Ende des Vertragstextes – und damit auch räumlich von der Freizeichnungsklausel getrennt – beigefügte Zusicherung der Unfallfreiheit von dem Haftungsausschluss jedenfalls insoweit nicht erfasst werden sollte, als es um seine, hier allein im Streit befindliche etwaige Wandlungsbefugnis ging.

d) Wird mithin die aus dem Fehlen der zugesicherten Eigenschaft hergeleitete Wandlungsbefugnis bereits durch die formularmäßige Freizeichnungsklausel nicht erfasst, so kommt es auf die weitere Frage nicht an, ob eine derart umfassende formularmäßige Freizeichnung einschließlich der Befugnis des Käufers, sich wegen der Unfallbeteiligung des Kraftwagens durch Wandlung vom Vertrag zu lösen, überhaupt zulässig wäre (vgl. dazu etwa Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, § 11 Nr. 11 Anm. 6 m. w. Nachw., sowie die Rechtsprechungsübersicht bei Thamm, NJW 1976, 225 f.).

2. Eine Verjährung dieses durch die Freizeichnungsklausel nicht erfassten, auf Wandlung gerichteten Anspruchs des Klägers hat das Berufungsgericht mit der Begründung, durch den Zahlungsbefehl sei die sechsmonatige Verjährungsfrist (§ 477 I BGB) rechtzeitig gemäß § 209 II Nr. 1 BGB unterbrochen worden, rechtsfehlerfrei verneint.

Dabei mag dahinstehen, ob – worauf das Berufungsgericht in erster Linie abstellt – eine hilfsweise Geltendmachung dieses Wandlungsanspruchs durch den Kläger neben der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung in dem Zahlungsbefehl und dem dort in Bezug genommenen Anfechtungsschreiben vom 29.06.1972 bereits einen hinreichend deutlichen Niederschlag gefunden hat; Zweifel mögen sich insoweit deswegen ergeben, weil der Kläger von vornherein neben der Rückforderung des Kaufpreises auch den Ersatz des Schadens verlangt hat, der ihm durch Abschluss und Durchführung des Vertrages entstanden ist – einen Anspruch mithin, den ihm die Wandlung allein nicht eröffnete. Es bestehen jedoch keine Bedenken, in der Einleitung des Mahnverfahrens zumindest hilfsweise die Geltendmachung eines Anspruchs auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung (§ 463 Satz 2 BGB) zu sehen.

Dass die Unfallschäden an dem Kraftwagen und auch die bloße Unfallbeteiligung einen Mangel i. S. des § 459 I BGB darstellten, hat das Berufungsgericht angesichts der Vertragsgestaltung – insbesondere im Hinblick auf die „Besonderen Vereinbarungen“ – rechtsfehlerfrei bejaht. Das arglistige Verschweigen dieses Mangels hatte der Kläger, wenn auch zur Begründung der in erster Linie geltend gemachten Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung (§ 123 I BGB), von Anfang an behauptet. Dass schließlich die gerichtliche Geltendmachung eines solchen, auf das arglistige Verschweigen eines Fehlers gestützten Schadensersatzanspruchs, obwohl dieser in § 477 I BGB nur beiläufig erwähnt ist, geeignet war, auch die Verjährung eines auf denselben Mangel gestützten Wandlungsanspruchs zu unterbrechen, hat bereits das Reichsgericht in der Entscheidung RGZ 134, 272 unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte und den gesetzgeberischen Zweck des § 477 III BGB überzeugend dargelegt. Damit war die Verjährung auch des Wandlungsanspruchs rechtzeitig unterbrochen. Eines Eingehens auf die weitere, vom Berufungsgericht ebenfalls angeschnittene Frage, ob nicht bereits die gerichtliche Geltendmachung der aus einer arglistigen Täuschung über einen Sachmangel hergeleiteten Ansprüche – obwohl keine Gewährleistungsansprüche im eigentlichen Sinn – nach dem gesetzgeberischen Zweck der kurzen Verjährungsfrist (§ 477 I BGB) geeignet waren, die Verjährung der in § 477 III BGB genannten, auf denselben Sachmangel gestützten Gewährleistungsansprüche zu unterbrechen, bedarf es daher nicht (vgl. dazu Staudinger/Ostler, a. a. O., § 477 Anm. 29, sowie Ballerstedt, in: Soergel/Siebert, BGB, 10. Aufl., § 477 Anm. 16; s. auch Henckel, JZ 1962, 335 [338]).

III. Die Revision konnte mithin keinen Erfolg haben. …

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