Ein Kfz-Ver­käu­fer, der ein an­geb­lich man­gel­haf­tes Fahr­zeug auf ein Nach­bes­se­rungs­ver­lan­gen des Käu­fers hin zu sei­nem Be­triebs­ge­län­de trans­por­tie­ren lässt, hat ge­gen den Käu­fer ei­nen An­spruch auf Er­satz der Ab­schlepp­kos­ten, wenn sich das Nach­bes­se­rungs­ver­lan­gen als un­be­rech­tigt er­weist.

LG Neu­bran­den­burg, Ur­teil vom 03.11.2022 – 1 S 20/21

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von dem Be­klag­ten am 11.03.2016 für 4.950 € ei­nen Pkw Opel Cor­sa 1.3 1.3 CD­TI. Gleich­zei­tig er­hielt er ei­ne Ga­ran­tie­ver­si­che­rung mit Ga­ran­tie­leis­tun­gen von ma­xi­mal 1.250 € für das Fahr­zeug.

Am 13.01.2017 blieb der Pkw in der Nä­he von O. mit ei­nem Mo­tor­scha­den lie­gen. Er wur­de auf Auf­for­de­rung des Klä­gers an­schlie­ßend von dem Be­klag­ten in des­sen Werk­statt ab­ge­schleppt, um dort re­pa­riert zu wer­den. Beim Zer­le­gen des An­triebs­ag­gre­gats stell­te der Be­klag­te fest, dass die Steu­er­ket­te ge­ris­sen war. Er bot dem Klä­ger an, den Opel Cor­sa für 2.644,32 € zu re­pa­rie­ren. Der Ga­ran­tie­ver­si­che­rer er­klär­te sei­ne Ein­stands­pflicht.

Der Klä­ger ver­lang­te dem­ge­gen­über ei­ne Nach­bes­se­rung (§ 439 I Fall 1 BGB) sei­nes Fahr­zeugs. Die Par­tei­en konn­ten sich in­des nicht dar­über ei­ni­gen, ob und ge­ge­be­nen­falls in wel­cher Hö­he sich der Klä­ger an den da­für auf­zu­wen­den­den Kos­ten be­tei­li­gen wer­de. Der Opel Cor­sa wur­de schließ­lich auf Wunsch des Klä­gers im März 2017 von dem Be­klag­ten ab­ge­mel­det und ver­blieb auf des­sen Be­triebs­ge­län­de.

Mit Schrei­ben vom 29.08.2017 for­der­te der Klä­ger den Be­klag­ten auf, das Fahr­zeug bis zum 04.09.2017 zu re­pa­rie­ren und fahr­be­reit an ihn, den Klä­ger, her­aus­zu­ge­ben. Der Be­klag­te teil­te dem Klä­ger am 05.09.2017 mit, dass ei­ne Her­aus­ga­be des Pkw nur ge­gen Zah­lung von 300 € er­fol­gen wer­de, und ver­wies auf sein Un­ter­neh­mer­pfand­recht. Bis zum 12.09.2017 gab der Be­klag­te den Pkw nicht her­aus. An­sprü­che des Klä­gers aus der Ga­ran­tie­ver­si­che­rung wa­ren zwi­schen­zeit­lich ver­fal­len.

Un­ter dem 08.12.2017 er­hob der Klä­ger ei­ne auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags ge­rich­te­te Kla­ge. Am 27.02.2020 stell­te der Be­klag­te dem Klä­ger förm­lich ei­nen Be­trag von 300 € brut­to in Rech­nung und er­klär­te, den Pkw frei­zu­ge­ben. Bei des­sen Be­sich­ti­gung stell­te der Klä­ger meh­re­re Schä­den fest. So war die Front­schei­be ge­ris­sen; die hin­te­re rech­te Tür wies ei­ne Schram­me auf, und der In­nen­raum war ver­schmutzt.

Der Klä­ger be­haup­tet, ur­säch­lich für den Mo­tor­scha­den sei nicht das Rei­ßen der Steu­er­ket­te ge­we­sen; viel­mehr sei der Kipp­he­bel ge­ris­sen, wo­durch an­schlie­ßend die Steu­er­ket­te ge­ris­sen sei. Der Man­gel sei schon bei Über­ga­be des Pkw an ihn, den Klä­ger, vor­han­den ge­we­sen. Das Fahr­zeug sei ge­pflegt und ord­nungs­ge­mäß ge­war­tet worde. Die Schä­den am Fahr­zeug sei­en in der Sphä­re des Be­klag­ten ent­stan­den. Die­ser – so macht der Klä­ger gel­tend – ha­be kein Recht ge­habt, die Her­aus­ga­be des Opel Cor­sa zu ver­wei­gern. Ins­be­son­de­re ha­be dem Be­klag­ten kein Werk­un­ter­neh­mer­pfand­recht zu­ge­stan­den. Er, der Klä­ger, ha­be sich nie ge­wei­gert, ir­gend­wel­che Zah­lun­gen zu leis­ten. Er ha­be le­dig­lich ei­ne Bar­zah­lung oh­ne Rech­nung ver­wei­gert.

Ur­sprüng­lich hat der Klä­ger be­an­tragt, den Be­klag­ten zur Zah­lung von 4.009,50 € nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen die Rück­ge­währ des Opel Cor­sa, zu ver­ur­tei­len und den An­nah­me­ver­zug des Be­klag­ten fest­zu­stel­len. Die­se An­trä­ge hat der Klä­ger in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 27.02.2020 zu­rück­ge­nom­men und statt­des­sen be­an­tragt, den Be­klag­ten zur Zah­lung von 2.700 € nebst Rechts­hän­gig­keits­zin­sen zu ver­ur­tei­len.

Der Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen, und be­haup­tet, die Steu­er­ket­te sei nicht be­reits bei der Über­ga­be des Fahr­zeugs an den Klä­ger ge­ris­sen ge­we­sen. Viel­mehr ha­be ein Be­dien­feh­ler oder die Nut­zung von al­tem oder min­der­wer­ti­gem Öl zu dem Riss ge­führt. Er, der Be­klag­te, ha­be den Klä­ger im Zu­ge der Ab­mel­dung des Pkw dar­auf hin­ge­wie­sen, dass er für die Un­ver­sehrt­heit des Fahr­zeugs nicht ga­ran­tie­ren kön­ne und der Wa­gen nicht über sei­ne Be­triebs­haft­pflicht­ver­si­che­rung ver­si­chert sei. Er ha­be er­klärt, dass auf dem Be­triebs­ge­län­de auch un­be­fug­te Drit­te an das Fahr­zeug her­an­kä­men und er kei­ner­lei Haf­tung für von Drit­ten ver­ur­sach­te Schä­den an dem Fahr­zeug über­neh­me. Er selbst – so hat der Be­klag­te gel­tend ge­macht – ha­be die in Re­de ste­hen­den Schä­den nicht ver­ur­sacht.

Der Be­klag­te hat wei­ter be­haup­tet, er ha­be dem Klä­ger per Post ei­ne Rech­nung über­sandt und ihm spä­ter aus Ku­lanz an­ge­bo­ten, statt des Rech­nungs­be­trags nur 300 € zu zah­len. Al­ler­dings – so hat der Be­klag­te ge­meint – wer­de ei­ne Werklohn­for­de­rung auch dann fäl­lig, wenn kei­ne Rech­nung er­stellt wer­de. Die Fäl­lig­keit tre­te mit der Fer­tig­stel­lung des Werks ein, die hier im Aus­ein­an­der­bau­en des Fahr­zeugs und der Feh­ler­su­che be­stan­den ha­be. Ein Werk­un­ter­neh­mer­pfand­recht zu sei­nen – des Be­klag­ten – Guns­ten sei da­her ent­stan­den, so­dass ihm im frag­li­chen Zeit­punkt ein Zu­rück­be­hal­tungs­recht zu­ge­stan­den ha­be.

Das Amts­ge­richt hat den Be­klag­ten ver­ur­teilt, an den Klä­ger 1.200 € zu zah­len, und die Kla­ge im Üb­ri­gen ab­ge­wie­sen. Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, der Klä­ger ha­be kei­nen An­spruch auf Er­satz der (be­haup­te­ten) Schä­den, die der Opel Cor­sa auf dem Be­triebs­ge­län­de des Be­klag­ten er­lit­ten ha­be. In­so­weit sei ei­ne von dem Be­klag­ten zu ver­tre­ten­de Pflicht­ver­let­zung nicht be­wie­sen. Der Klä­ger ha­be je­doch ei­nen An­spruch auf Scha­dens­er­satz in Hö­he ent­gan­ge­ner Leis­tun­gen aus der Ga­ran­tie­ver­si­che­rung, mit­hin in Hö­he von 1.200 € (§§ 280 I, 241 II, 311 II BGB). Der Be­klag­te ha­be den Opel Cor­sa un­be­rech­tigt zu­rück­be­hal­ten; ein Werk­un­ter­neh­mer­pfand­recht (§ 647 BGB) ha­be ihm nicht zu­ge­stan­den. Ein Werk­un­ter­neh­mer dür­fe sich nur auf sein Pfand­recht be­ru­fen, wenn er ei­nen fäl­li­gen und durch­setz­ba­ren Ver­gü­tungs­an­spruch ha­be. Dem Klä­ger ha­be in­des sei­ner­seits ein Zu­rück­be­hal­tungs­recht zu­ge­stan­den, weil er von Be­klag­ten trotz ent­spre­chen­der Auf­for­de­rung kei­ne Rech­nung i. S. von § 14 UStG er­hal­ten ha­be. Da­durch, dass der Be­klag­te den Opel Cor­sa un­be­rech­tigt zu­rück­be­hal­ten ha­be, sei dem Klä­ger ein Scha­den in Hö­he von 1.200 € ent­stan­den, da er Leis­tun­gen aus der Ga­ran­tie­ver­si­che­rung nicht ha­be in An­spruch neh­men kön­nen.

Mit sei­ner da­ge­gen ge­rich­te­ten Be­ru­fung hat der Be­klag­te die voll­stän­di­ge Ab­wei­sung der Kla­ge er­rei­chen wol­len und zur Be­grün­dung im We­sent­li­chen gel­tend ge­macht, ein Werk­un­ter­neh­mer­pfand­recht ent­ste­he un­ab­hän­gig von der Aus­stel­lung ei­ner Rech­nung. Das Rechts­mit­tel hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: II. Die Be­ru­fung des Be­klag­ten ist zu­läs­sig und be­grün­det.

Dem Klä­ger steht Scha­dens­er­satz in Hö­he von 1.200 € ge­mäß § 280 I, 241  II, 311 II Nr. 2 BGB we­gen der ver­hin­der­ten In­an­spruch­nah­me der Ga­ran­tie­ver­si­che­rung nicht zu. Der Be­klag­te hat die Her­aus­ga­be des Fahr­zeu­ges zu Recht ver­wei­gert. Ihm stand ein Zu­rück­be­hal­tungs­recht ge­mäß § 273 I BGB we­gen der nicht er­folg­ten Be­zah­lung der Ab­schlepp­kos­ten zu. Der Klä­ger durf­te die Be­zah­lung die­ser Kos­ten nicht we­gen Feh­lens ei­ner Rech­nung ver­wei­gern.

Der Klä­ger be­ruft sich dar­auf, er ha­be die Ga­ran­tie­ver­si­che­rung in Hö­he von 1.200 € nicht in An­spruch neh­men kön­nen, da der Be­klag­te das Fahr­zeug auf sei­ne Auf­for­de­rung hin nicht her­aus­ge­ge­ben ha­be. Die­ser Vor­trag ist be­reits nicht nach­zu­voll­zie­hen. Die Ver­si­che­rung hat­te un­strei­tig ih­ren Ein­tritt er­klärt. Die Par­tei­en ha­ben un­ter Vor­la­ge der All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen der Ga­ran­tie­ver­si­che­rung in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor­ge­tra­gen, dass sol­che An­sprü­che sechs Mo­na­te nach Scha­den­s­ein­tritt ver­jähr­ten. Das Scha­dens­er­eig­nis da­tiert auf den 13.01.2017, so­dass dem­zu­fol­ge die Ver­jäh­rung am 13.07.2017 ein­ge­tre­ten wä­re. Der Klä­ger hat je­doch nach ei­ge­nem Vor­trag erst mit Schrei­ben vom 29.08.2017 vom Be­klag­ten ver­langt, das Fahr­zeug zu re­pa­rie­ren und her­aus­zu­ge­ben. Zu die­sem Zeit­punkt war die Ver­jäh­rung der An­sprü­che ge­gen­über der Ga­ran­tie­ver­si­che­rung je­doch be­reits ein­ge­tre­ten.

Im Er­geb­nis kommt es hier­auf je­doch nicht an. Der Klä­ger konn­te vom Be­klag­ten zwar dem Grun­de nach die Her­aus­ga­be sei­nes Fahr­zeugs ge­mäß § 985 BGB ver­lan­gen, dem Be­klag­ten stand je­doch ge­mäß § 273 I BGB ein Zu­rück­be­hal­tungs­recht aus ei­ner of­fe­nen Er­satz­for­de­rung we­gen der un­be­rech­tig­ten Auf­for­de­rung des Klä­gers vom 13.01.2017, das Fahr­zeug zur Werk­statt des Be­klag­ten ab­zu­schlep­pen, zu.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Amts­ge­richts konn­te sich der Be­klag­te nicht auf ein Werk­un­ter­neh­mer­pfand­recht an dem Fahr­zeug ge­mäß § 647 BGB stüt­zen. Vor­aus­set­zung ei­nes sol­chen wä­re ge­we­sen, dass die Par­tei­en ei­nen Werk­ver­trag ge­schlos­sen hät­ten. Hier­für ha­ben sie je­doch nichts vor­ge­tra­gen. Die Par­tei­en ha­ben am 13.01.2017 und auch nach die­sem Da­tum über­haupt kei­nen Ver­trag ge­schlos­sen.

Der Ab­schluss ei­nes Werk­ver­trags hät­te ein ent­spre­chen­des An­ge­bot und des­sen An­nah­me vor­aus­ge­setzt. Hier liegt be­reits kein An­ge­bot des Klä­gers auf Ab­schluss ei­nes Werk­ver­trags vor. Die Auf­for­de­rung des Klä­gers, den bei O. lie­gen ge­blie­be­nen Wa­gen zur Werk­statt des Be­klag­ten ab­zu­schlep­pen, ist ge­mäß §§ 133, 157 BGB aus­zu­le­gen. Der Klä­ger, der da­von aus­ging, dass an sei­nem Kraft­fahr­zeug ein Man­gel vor­lie­ge, den der Be­klag­te zu be­sei­ti­gen ha­be, woll­te – ei­nen ob­jek­ti­ven Emp­fän­ger­ho­ri­zont zu­grun­de ge­legt – zum Aus­druck brin­gen, dass der Be­klag­te ei­ne Nach­er­fül­lung an dem Kauf­ge­gen­stand ge­mäß § 433 I 2 BGB, § 434 I BGB a.F., § 437 Nr. 1, 439 I Fall 1 BGB er­brin­ge.

Macht der Käu­fer ei­nes Fahr­zeugs ei­nen Nach­er­fül­lungs­an­spruch gel­tend, ist er ge­mäß § 439 V BGB ge­hal­ten, den Wa­gen zur Prü­fung des Vor­lie­gens ei­nes Man­gels und zu des­sen Re­pa­ra­tur zum Er­fül­lungs­ort der Nach­er­fül­lung, hier der Werk­statt des Be­klag­ten, zu ver­brin­gen (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VI­II ZR 278/16 Rn. 21 ff.).

Ein taug­li­ches Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen des Käu­fers muss auch des­sen Be­reit­schaft um­fas­sen, dem Ver­käu­fer die Kauf­sa­che zur Über­prü­fung der er­ho­be­nen Män­gel­rü­gen am rech­ten Ort, näm­lich dem Er­fül­lungs­ort der Nach­er­fül­lung, für ei­ne ent­spre­chen­de Un­ter­su­chung zur Ver­fü­gung zu stel­len. Hier­durch soll es dem Ver­käu­fer er­mög­licht wer­den, die ver­kauf­te Sa­che dar­auf zu über­prü­fen, ob der be­haup­te­te Man­gel be­steht, ob er be­reits im Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs vor­ge­le­gen hat, auf wel­cher Ur­sa­che er be­ruht so­wie ob und auf wel­che Wei­se er be­sei­tigt wer­den kann. Dem­entspre­chend ist der Ver­käu­fer grund­sätz­lich nicht ver­pflich­tet, sich auf ein Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen des Käu­fers ein­zu­las­sen, be­vor die­ser ihm die Ge­le­gen­heit zu ei­ner sol­chen Un­ter­su­chung der Kauf­sa­che ge­ge­ben hat (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VI­II ZR 278/16 Rn. 27).

Nach § 439 II BGB hat ein Ver­käu­fer die zum Zwe­cke der Nach­er­fül­lung er­for­der­li­chen Kos­ten, ins­be­son­de­re Trans­port-, We­ge-, Ar­beits- und Ma­te­ri­al­kos­ten zu tra­gen. Hier­bei han­delt es sich um ei­ne Kos­ten­tra­gungs­re­ge­lung mit An­spruch­s­cha­rak­ter, wel­che die von Art. 3 III 1, IV der Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie1Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter, ABl. 199 L 171, 12. er­for­der­li­che Un­ent­gelt­lich­keit der Nach­er­fül­lung ge­währ­leis­ten soll (vgl. BGH, Urt. v. 30.04.2014 – VI­II ZR 275/13, BGHZ 201, 83 Rn. 11). Dies be­grün­det in Fäl­len, in de­nen – wie hier – ei­ne Nach­er­fül­lung die Ver­brin­gung des Fahr­zeugs an ei­nen ent­fernt lie­gen­den Nach­er­fül­lungs­ort er­for­dert und bei dem Käu­fer des­halb Trans­port­kos­ten zwecks Über­füh­rung des Fahr­zeugs an die­sen Ort an­fal­len, aber nicht nur ei­nen Er­stat­tungs­an­spruch ge­gen den Ver­käu­fer. Der Käu­fer kann nach dem Schutz­zweck des Un­ent­gelt­lich­keits­ge­bots viel­mehr grund­sätz­lich schon vor­ab ei­nen (ab­re­chen­ba­ren) Vor­schuss zur Ab­de­ckung die­ser Kos­ten be­an­spru­chen (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VI­II ZR 278/16 Rn. 29).

Stellt sich her­aus, dass tat­säch­lich ein Man­gel vor­liegt, hat der Ver­käu­fer dem Käu­fer ge­mäß § 439 II BGB die auf­ge­wen­de­ten Trans­port­kos­ten zu er­stat­ten oder ei­nen Vor­schuss ab­zu­rech­nen. Der Klä­ger, der von ei­nem Man­gel aus­ging, woll­te so­mit die­sen Weg ab­kür­zen und den Be­klag­ten im Vor­griff ei­nes Er­satz­an­spruchs den Trans­port un­mit­tel­bar auf des­sen Kos­ten vor­neh­men las­sen. Dass der Be­klag­te die­ser Auf­for­de­rung nach­kam, führ­te in Er­man­ge­lung ei­nes An­ge­bots des Klä­gers so­mit nicht zu ei­nem Ver­trags­schluss.

Bei dem Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen des Klä­gers han­del­te es sich je­doch um ein so­ge­nann­tes un­be­rech­tig­tes Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen (vgl. M. The­len, BRJ 2012, 151). Ent­ge­gen der zum Aus­druck ge­brach­ten Vor­stel­lung des Klä­gers war das Fahr­zeug, ins­be­son­de­re sein Mo­tor, nicht man­gel­haft. Dies er­gibt sich aus den Fest­stel­lun­gen des an­ge­grif­fe­nen Ur­teils, das wie­der­um auf den Fest­stel­lun­gen des ge­richt­lich be­auf­trag­ten Sach­ver­stän­di­gen be­ruht. Die­se Fest­stel­lun­gen greift der Klä­ger nicht an; sie ge­ben auch an­sons­ten kei­nen An­lass, an dem Vor­lie­gen ei­nes man­gel­frei­en Kauf­ge­gen­stands zu zwei­feln.

Steht fest, dass der Kauf­ge­gen­stand kei­nen Man­gel auf­wies, kann der Ver­käu­fer, hier der Be­klag­te, sei­ne Auf­wen­dun­gen zur Prü­fung des Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gens des Käu­fers nur un­ter sehr en­gen Vor­aus­set­zun­gen, näm­lich ei­ner schuld­haft pflicht­wid­ri­gen Be­haup­tung ei­nes Man­gels durch den Käu­fer, er­setzt ver­lan­gen.

Je­den­falls ein un­be­rech­tig­tes Man­gel­be­sei­ti­gungs­ver­lan­gen nach § 439 I BGB stellt ei­ne zum Scha­dens­er­satz ver­pflich­ten­de schuld­haf­te Ver­trags­ver­let­zung dar, wenn der Käu­fer er­kannt oder fahr­läs­sig nicht er­kannt hat, dass ein Man­gel nicht vor­liegt, son­dern die Ur­sa­che für die von ihm be­an­stan­de­te Er­schei­nung in sei­nem ei­ge­nen Ver­ant­wor­tungs­be­reich liegt. Für den Käu­fer liegt es auf der Hand, dass von ihm ge­for­der­te Man­gel­be­sei­ti­gungs­ar­bei­ten auf­sei­ten des Ver­käu­fers ei­nen nicht un­er­heb­li­chen Kos­ten­auf­wand ver­ur­sa­chen kön­nen. Die in­ner­halb ei­nes be­ste­hen­den Schuld­ver­hält­nis­ses ge­bo­te­ne Rück­sicht­nah­me auf die In­ter­es­sen der geg­ne­ri­schen Ver­trags­par­tei er­for­dert des­halb, dass der Käu­fer vor In­an­spruch­nah­me des Ver­käu­fers im Rah­men sei­ner Mög­lich­kei­ten sorg­fäl­tig prüft, ob die in Be­tracht kom­men­den Ur­sa­chen für das Sym­ptom, hin­ter dem er ei­nen Man­gel ver­mu­tet, in sei­ner ei­ge­nen Sphä­re lie­gen. Ei­ne sol­che Ver­pflich­tung hat nicht zur Fol­ge, dass Käu­fer ihr Recht, Man­gel­be­sei­ti­gung zu ver­lan­gen, so vor­sich­tig aus­üben müss­ten, dass ih­re Män­gel­rech­te da­durch ent­wer­tet wür­den. Der Käu­fer braucht nicht vor­ab zu klä­ren und fest­zu­stel­len, ob die von ihm be­an­stan­de­te Er­schei­nung Sym­ptom ei­nes Sach­man­gels ist. Er muss le­dig­lich im Rah­men sei­ner Mög­lich­kei­ten sorg­fäl­tig über­prü­fen, ob sie auf ei­ne Ur­sa­che zu­rück­zu­füh­ren ist, die nicht dem Ver­ant­wor­tungs­be­reich des Ver­käu­fers zu­zu­ord­nen ist. Bleibt da­bei un­ge­wiss, ob tat­säch­lich ein Man­gel vor­liegt, darf der Käu­fer Män­gel­rech­te gel­tend ma­chen, oh­ne Scha­dens­er­satz­pflich­ten we­gen ei­ner schuld­haf­ten Ver­trags­ver­let­zung be­fürch­ten zu müs­sen, auch wenn sich sein Ver­lan­gen im Er­geb­nis als un­be­rech­tigt her­aus­stellt. Da es bei der den Käu­fer tref­fen­den Prü­fungs­pflicht um den Aus­schluss von Ur­sa­chen in sei­nem ei­ge­nen Ein­fluss­be­reich geht, kommt es auf be­son­de­re, die Kauf­sa­che be­tref­fen­de Fach­kennt­nis­se nicht an, über die un­ter Um­stän­den nur der Ver­käu­fer ver­fügt (vgl. BGH, Urt. v. 23.01.2008 – VI­II ZR 246/06 Rn. 12 f.)

Für ei­ne sol­che schuld­haf­te Pflicht­wid­rig­keit des Klä­gers hat der Be­klag­te nichts vor­ge­tra­gen; An­halts­punk­te hier­für er­ge­ben sich auch aus der Ak­te nicht. Die Auf­wen­dun­gen, die der Ver­käu­fer zur Prü­fung, ob die Kauf­sa­che ei­nen Man­gel auf­weist, tä­tigt, blei­ben so­mit beim Ver­käu­fer.

An­ders ver­hält es sich mit den Ab­schlepp­kos­ten. Da der Käu­fer im Fal­le ei­nes un­be­rech­tig­ten Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gens die Kos­ten des Trans­ports der Kauf­sa­che zum Ort der Nach­er­fül­lung (hier: Ab­schlepp­kos­ten) ge­mäß § 439 II BGB selbst zu tra­gen hat, sind dem Ver­käu­fer, hier dem Be­klag­ten, aus dem Ver­lan­gen des Klä­gers Auf­wen­dun­gen ent­stan­den, die die­ser vom Klä­ger aus § 812 I 1 Fall 1 BGB (ggf. auch aus §§ 675 ff. BGB) er­setzt ver­lan­gen kann (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VI­II ZR 278/16 Rn. 29; vgl. auch LG Saar­brü­cken, Urt. v. 20.09.2013 – 13 S 77/13, ju­ris Rn. 12 ff.). In dem An­ge­bot vom 26.03.2017 und auch in der Rech­nung vom 27.02.2020 hat er die­se Kos­ten mit 82,50 € zzgl. 19 % MwSt. be­zif­fert. We­gen die­ser Kos­ten – und auch we­gen der al­ler­dings in der Rech­nung nicht gel­tend ge­mach­ten Stand­kos­ten – stand dem Be­klag­ten ein Zu­rück­be­hal­tungs­recht ge­mäß § 273 I BGB ge­gen­über dem Her­aus­ga­be­ver­lan­gen des Klä­gers zu.

Dem Klä­ger wie­der­um stand hin­sicht­lich die­ser For­de­rung, die in dem Be­trag der ge­for­der­ten 300 € ent­hal­ten war, kein Zu­rück­be­hal­tungs­recht ge­mäß § 273 I BGB i. V. mit § 14 II UStG zu. Ein sol­ches Zu­rück­be­hal­tungs­recht setzt vor­aus, dass der Käu­fer ei­ne Rech­nung nach § 14 UStG über­haupt ver­lan­gen kann. Dies ist nicht fest­zu­stel­len. Ge­mäß § 14 II 1 Nr. 2 Satz 2 UStG ist der Un­ter­neh­mer le­dig­lich ge­gen­über ei­nem an­de­ren Un­ter­neh­mer zur Aus­stel­lung ei­ner Rech­nung ver­pflich­tet; ge­gen­über ei­nem Ver­brau­cher ist er hier­zu le­dig­lich be­rech­tigt. An­de­res gilt nur dann, wenn der Un­ter­neh­mer ge­mäß § 14 II 1 Nr. 1 UStG ei­ne steu­er­pflich­ti­ge Werk­lie­fe­rung (§ 3 IV 1 UStG) oder sons­ti­ge Leis­tung im Zu­sam­men­hang mit ei­nem Grund­stück aus­führt. Die­se Vor­aus­set­zun­gen lie­gen hier je­doch un­zwei­fel­haft nicht vor. Dass der Klä­ger Un­ter­neh­mer ist, hat er in die­sem Rechts­streit nicht vor­ge­tra­gen.

Un­ter­stellt, der Klä­ger hät­te im Hin­blick auf die Ab­schlepp­kos­ten – und die Un­ter­stell­kos­ten – ei­nen An­spruch auf Aus­stel­lung ei­ner Rech­nung ge­mäß § 14 II UStG, wür­de sich hier­aus nichts an­de­res er­ge­ben. In die­sem Fall kann der Leis­tungs­emp­fän­ger das von ihm ge­schul­de­te Ent­gelt grund­sätz­lich nach § 273 I BGB zu­rück­hal­ten, bis der Leis­ten­de ihm die Rech­nung stellt (vgl. BGH, Urt. v. 26.06.2014 – VII ZR 247/13 Rn. 13). Ei­ne Rech­nung ist ge­mäß § 14 I 1 UStG je­des Do­ku­ment, mit dem über ei­ne Lie­fe­rung oder sons­ti­ge Leis­tung ab­ge­rech­net wird, gleich­gül­tig, wie die­ses Do­ku­ment im Ge­schäfts­ver­kehr be­zeich­net wird.

Das als An­la­ge B 5 vor­ge­leg­te Do­ku­ment ist kei­ne Rech­nung, son­dern ein An­ge­bot. Die Selbst­be­zeich­nung „An­ge­bot“ hat hier zwar nur In­dizwir­kung, al­ler­dings kann aus der Ge­samt­er­schei­nung des Do­ku­ments mit dem Schluss­satz „Wir wür­den uns sehr über ei­nen Auf­trag freu­en. An die­ses An­ge­bot füh­len wir uns 30 Ta­ge ge­bun­den.“ nicht auf ei­ne Rech­nungs­stel­lung ge­schlos­sen wer­den.

Das Zu­rück­be­hal­tungs­recht des Klä­gers stün­de in die­sem Fall dem Zu­rück­be­hal­tungs­recht des Be­klag­ten we­gen sei­ner For­de­rung auf Be­glei­chung der Ab­schlepp­kos­ten ge­gen­über. Die Gel­tend­ma­chung des Zu­rück­be­hal­tungs­rechts be­sei­tigt die Fäl­lig­keit der Ge­gen­for­de­rung nicht (MünchKomm-BGB/​Krü­ger, 6. Aufl., § 273 Rn. 912Eben­so an glei­cher Stel­le in der ak­tu­el­len 9. Auf­la­ge des Kom­men­tars.). Da­mit sich die bei­den Zu­rück­be­hal­tungs­rech­te nicht ge­gen­sei­tig blo­ckie­ren, führt die Gel­tend­ma­chung des Zu­rück­be­hal­tungs­rechts, ei­ner vom Schuld­ner zu er­he­ben­den Ein­re­de, zur Er­fül­lung Zug um Zug (§ 274 I BGB; vgl. BGH, Urt. v. 26.09.2013 – VII ZR 2/13 Rn. 33; MünchKomm-BGB/​Krü­ger, a. a. O., § 273 Rn. 13Eben­so an glei­cher Stel­le in der ak­tu­el­len 9. Auf­la­ge des Kom­men­tars.).

Der Klä­ger hät­te – hier­auf sei ab­schlie­ßend hin­ge­wie­sen – je­der­zeit ge­mäß § 273 III BGB die Aus­übung des Zu­rück­be­hal­tungs­rechts des Be­klag­ten durch Si­cher­heits­leis­tung oder Zah­lung un­ter Vor­be­halt ab­wen­den kön­nen. Sei­ne Rechts­an­sicht, dass dem Be­klag­ten Zah­lungs­an­sprü­che nicht oder nur ge­gen Rech­nung zu­ste­hen, hät­te er so­dann ge­richt­lich ent­schei­den las­sen kön­nen.

Die Kos­ten­ent­schei­dung er­gibt sich aus § 91 I ZPO. …

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