- Ein Darlehensnehmer, der seine auf den Abschluss des Darlehensvertrag gerichtete Willenserklärung gestützt auf §§ 495 I, 355 BGB widerruft, muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass es sich bei dem Darlehensvertrag um einen Verbraucherdarlehensvertrag (§ 491 BGB) handelt. Dabei kommt dem Darlehensnehmer die Annahme, dass eine natürliche Person Verträge grundsätzlich als Verbraucher schließt, dann nicht zugute, wenn der Darlehensnehmer im Darlehensvertrag als „Selbstständiger“ bezeichnet und ausgeführt wird, das Darlehen sei für seine bereits ausgeübte gewerbliche oder selbstständige Tätigkeit bestimmt. Vielmehr gilt dann der Grundsatz, dass derjenige, der beim Abschluss eines Vertrags wahrheitswidrig als Unternehmer (§ 14 BGB) auftritt, sich später nicht auf verbraucherschützende Vorschriften berufen darf.
- Auf ein vertraglich eingeräumtes Widerrufsrecht finden die für gesetzliche Widerrufsrechte geltenden Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung keine Anwendung.
OLG Bremen, Urteil vom 08.06.2021 – 1 U 24/21
Sachverhalt: Der Kläger, der seinen Wohnsitz in Bremen hat, nahm bei der in Mönchengladbach ansässigen beklagten Bank mit Vertrag vom 05.12.2017 ein Darlehen auf, um den Kaufpreis für einen Gebrauchtwagen zu finanzieren. Der Darlehensvertrag, der von dem Verkäufer des Fahrzeugs, dem Gebrauchtwagenhändler H, vermittelt worden war, weist einen Nennbetrag von 29.529,91 € aus, von denen 22.599 € auf den Kaufpreis für das Fahrzeug entfallen. Weitere 3.185,62 € wurden dem Kläger als Darlehen gewährt, weil er von der Beklagten als Versicherungsnehmerin geschlossenen Gruppenversicherungsverträgen beigetreten ist.
In dem Darlehensvertrag wird der Kläger als Selbstständiger bezeichnet und es ist angegeben, dass das Darlehen für eine bereits ausgeübte gewerbliche oder selbstständige Tätigkeit des Klägers bestimmt sei.
Der Darlehensvertrag enthält eine Widerrufsinformation, in der es unter anderem heißt:
„Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“
Mit Schreiben vom 20.11.2019 widerrief der Kläger gegenüber der Beklagten seine auf den Abschl
uss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung. Unter dem 08.01.2020 ließ der – nun anwaltlich vertretene – Kläger die Beklagte (erfolglos) auffordern, die Wirksamkeit des Widerrufs anzuerkennen.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass er infolge des erklärten Widerrufs weder Zinsen zahlen noch Tilgungsleistungen erbringen müsse. Der Kläger macht geltend, er habe seine auf den Darlehensvertrag gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen.
Dieser Vertrag sei als Verbraucherdarlehensvertrag anzusehen, weil er, der Kläger, ihn als Verbraucher geschlossen habe. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei seinem Privatvermögen zugeordnet. Darauf, ob er den Darlehensvertrag in Ausübung einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit geschlossen habe, könne indes dahinstehen. Denn selbst wenn das der Fall gewesen sein sollte, könne er sich auf die verbraucherschützenden Vorschriften der §§ 491 bis 512 BGB berufen, weil der Darlehensbetrag 75.000 € nicht übersteige.
Ein Widerruf – so macht der Kläger weiter geltend – sei auch am 20.11.2019 noch möglich gewesen, da er nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden sei. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 EGBGB a.F. könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie die Gestaltungshinweise zu diesem Muster nicht ordnungsgemäß umgesetzt habe. Insbesondere stehe der Gesetzlichkeitsfiktion entgegen, dass die Beklagte ihn, den Kläger, als den Darlehensnehmer hinsichtlich der Folgen des Widerrufs auch in Bezug auf mit dem Dahrlehensvertrag verbundene Geschäfte belehrt habe, die er gar nicht geschlossenen habe. Die in der Widerrufsbelehrung verwendete Kaskadenverweisung auf die „Pflichtangaben nach § 492 II BGB“, der diese nicht nenne, sondern seinerseits auf Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB verweise, werde der Verbraucher nicht klar und prägnant über den Zeitpunkt des Beginns der Widerrufsfrist belehrt. Zudem seien ihm, dem Kläger, die erforderlichen Pflichtangaben teils gar nicht, teils nur fehlerhaft mitgeteilt worden. Schließlich sei die Widerrufsinformation auch optisch nicht dem Deutlichkeitsgebot entsprechend ausgestaltet.
Hilfsweise für den Fall, dass sein Feststellungsbegehren Erfolg hat, hat der Kläger von der Beklagten die Zahlung von 16.761,91 € nebst Rechtshängigkeitszinsen beansprucht, und zwar nach Übergabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs. Zugleich hat er beantragt, den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen, und diese zu verurteilen, ihn von außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.952,55 € nebst Rechtshängigkeitszinsen freizustellen.
Die Beklagte hat die örtliche Zuständigkeit des LG Bremen gerügt. Sie meint, der Wohnsitz des Klägers begründe als Erfüllungsort für vertragliche Verbindlichkeiten keinen Gerichtsstand für eine auf die Feststellung des Nichtbestehens dieser Verbindlichkeiten gerichtete Klage. Hinsichtlich des (hilfsweise zur Entscheidung gestellten) Zahlungsantrags sei das LG Bremen ebenfalls örtlich unzuständig, da der bestimmungsgemäße Belegenheitsort der finanzierten Sache in Widerrufsfällen keine Gerichtszuständigkeit an diesem Ort für infolge des Widerrufs geltend gemachte Zahlungsansprüche begründe. Anders als bei einem mangelbedingten Rücktritt vom Kaufvertrag bestehe im Falle eines Widerrufs kein einheitlicher Erfüllungsort für die wechselseitigen Rückgewähransprüche.
In der Sache hat die Beklagte geltend gemacht, dass dem Kläger – der kein Existenzgründer sei – kein Widerrufsrecht zugestanden habe. Den Darlehensvertrag habe der Kläger nicht als Verbraucher geschlossen; vielmehr habe er darauf bestanden, den Vertrag seiner gewerblichen Tätigkeit zuzuordnen. Ob der Kläger das Fahrzeug nach dem Abschluss des Darlehensvertrags überwiegend privat oder überwiegend gewerblich genutzt habe, sei unerheblich. Es sei davon auszugehen, dass das Fahrzeug Sonderbetriebsvermögen des Klägers sei; jedenfalls habe es der Kläger bei der Versteuerung seiner Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit geltend gemacht.
Dadurch, dass sie, die Beklagte, dem Kläger dennoch eine Widerrufsbelehrung erteilt habe, sei kein vertragliches Widerrufsrecht begründet worden. Jedenfalls aber sei die dem Kläger möglicherweise zugestandene Widerrufsfrist bereits abgelaufen, als der Kläger den Widerruf erklärt habe. Dem Kläger sei eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt worden, die dem Muster (Anlage 7 zu Art. 247 § 6 II EGBGB a.F.) entsprochen habe. Abgesehen davon – sei die Ausübung eines dem Kläger möglicherweise zustehenden Widerrufsrechts rechtsmissbräuchlich und das Widerrufsrecht verwirkt gewesen.
Jedenfalls ständen ihr, der Beklagten, ein Anspruch auf Kapitalnutzungsersatz und ein Anspruch auf Ersatz des Wertverlusts des finanzierten Fahrzeugs zu. Mit diesen Gegenansprüchen hat die Beklagte hilfsweise für den Fall, dass das Gericht den Widerruf des Klägers für wirksam hält, gegen die Ansprüche des Klägers aufgerechnet.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es folge nicht der sogenannten Spiegelbildformel, wonach für eine negative Feststellungsklage grundsätzlich jedes für eine Leistungsklage umgekehrten Rubrums zuständige Gericht zuständig sei. Dieser Grundsatz unterlaufe das in § 12 ZPO verankerte Prinzip, dass eine Klage bei dem für den Beklagten örtlich zuständigen Gericht erhoben werden müsse. Zudem komme dem Feststellungsantrag hier die Funktion einer Zwischenfeststellungsklage (§ 256 II ZPO) zu, da der Kläger auch Zahlungsanträge stelle und diesen den Kern seines Klagebegehrens ausmachten. Die örtliche Zuständigkeit für eine Zwischenfeststellungsklage folge aber der örtlichen Zuständigkeit für die Hauptklage, und für diese sei hier das LG Bremen nicht zuständig.
Mit seiner dagegen gerichteten Berufung hat der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren weiterverfolgt. Das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, das Rechtsmittel durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen.
Aus den Gründen: II. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden; in der Sache hat sie aber keine Aussicht auf Erfolg. Der Kläger kann mit seinem Berufungsvorbringen nicht mit Aussicht auf Erfolg die mit dem Klagantrag zu 1 begehrte Feststellung geltend machen, aus dem Darlehensvertrag vom 05.12.2017 aufgrund der Widerrufserklärung weder die Zahlung von Zinsen noch die Erbringung von Tilgungsleistungen zu schulden.
1. Dabei sieht der Senat entgegen der Auffassung des Landgerichts die örtliche Zuständigkeit der Gerichte in Bremen für die Entscheidung über die negative Feststellungsklage als gegeben an. Die Ansicht, dass der Gerichtsstand der negativen Feststellungsklage sich regelmäßig danach bestimmt, wo die gegenläufige Leistungsklage zu erheben wäre, entspricht nicht nur der nahezu einheitlichen Auffassung der Oberlandesgerichte, sondern ist auch ausdrücklich vom BGH in seiner jüngeren Rechtsprechung bestätigt worden (s. BGH, Urt. v. 31.10.2018 – I ZR 224/17, NJOZ 2019, 1265 = juris Rn. 15). Die Existenz von besonderen Gerichtsständen in den §§ 20 ff. ZPO bestätigt, dass es – entgegen der Auffassung des Landgerichts – gerade keinen ausnahmslos zu befolgenden Grundsatz gibt, wonach Klagen gegen einen Beklagten an dessen allgemeinem Gerichtsstand einzureichen sind. Auch verfängt der Vergleich zur Zwischenfeststellungsklage nicht, zumal die Feststellung hier gerade nicht – wie in der Konstellation des § 256 II ZPO – durch Erweiterung eines bereits anhängigen Hauptantrags beantragt wurde, sondern vielmehr als Hauptantrag selbst, dessen Zuständigkeit mithin autonom zu bestimmen ist. Da die Darlehensverbindlichkeiten des Klägers an dessen Wohnsitz zu erfüllen wären (§§ 270 IV, 269 I BGB), ist damit auch für die auf das Nichtbestehen dieser Verbindlichkeiten gerichtete negative Feststellungsklage ein Gerichtsstand am Wohnsitz des Klägers als Schuldner begründet (§ 29 ZPO).
2. In der Sache bestehen allerdings keine Erfolgsaussichten für die begehrte Feststellung, dass der Kläger aus dem Darlehensvertrag vom 05.12.2017 aufgrund der Widerrufserklärung weder die Zahlung von Zinsen noch die Erbringung von Tilgungsleistungen schuldet.
a) Das Bestehen eines gesetzlichen Widerrufsrechts für den Kläger im Verbraucherdarlehensvertrag nach § 495 BGB kann der Kläger bereits deswegen nicht mit Aussicht auf Erfolg geltend machen, weil nicht ersichtlich ist, dass der Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags als Verbraucher handelte. Vorliegend wurde der Kläger im Darlehensvertrag als Selbstständiger bezeichnet und es wurde weiter angegeben, dass das Darlehen für eine bereits ausgeübte gewerbliche oder selbstständige Tätigkeit des Klägers bestimmt sei.
Es trifft grundsätzlich denjenigen, der sich auf die für ihn günstigen Rechtsfolgen einer Verbraucherstellung beruft, die Darlegungs- und Beweislast dafür, tatsächlich als Verbraucher gehandelt zu haben. Mit den vorstehenden Angaben im Darlehensvertrag dürfte die Anwendung des sonst geltenden allgemeinen Zweifelssatzes versperrt sein, dass bei einem Vertragsschluss mit einer natürlichen Person im Zweifel von einem Verbraucherhandeln auszugehen ist (s. hierzu BGH, Urt. v. 30.09.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780 = juris Rn. 11). Der Kläger hat auch gegenüber den vorstehenden Angaben im Vertrag bereits lediglich unsubstanziiert dazu vorgetragen, dass das streitgegenständliche Fahrzeug seinem Privatvermögen zugeordnet sei.
Aus der Betragsgrenze von 75.000 € nach § 513 BGB ergibt sich für den Kläger nichts, da er schon nicht geltend macht, dass das Darlehen oder die Finanzierung des Gebrauchtfahrzeugs erst für die Aufnahme einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit bestimmt gewesen sei.
Vor allem aber ist vorliegend der Grundsatz zu beachten, dass sich nicht auf den Schutz der Verbraucherschutzvorschriften berufen kann, wer bei Geschäftsabschluss wahrheitswidrig als Gewerbetreibender auftritt und dadurch einen gewerblichen Geschäftszweck vortäuscht (s. BGH, Urt. v. 22.12.2004 – VIII ZR 91/04, NJW 2005, 1045 = juris Rn. 11 ff.; ebenso EuGH, Urt. v. 20.01.2005 – C-464/01, ECLI:EU:C:2005:32 = NJW 2005, 653 = juris Rn. 51 – Gruber). Dies entspricht der Konstellation des vorliegenden Falls, in dem der Kläger nach den Angaben im Darlehensvertrag als Gewerbetreibender auftrat, was sich als wahrheitswidrig darstellen würde, wenn er nunmehr geltend machen sollte, tatsächlich als Verbraucher gehandelt haben zu wollen.
b) Aus der dem Kläger erteilten Widerrufsinformation ist auch nicht auf die Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrechts zu schließen, welches der Kläger am 26.11.2019 noch geltend zu machen berechtigt gewesen wäre. Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob überhaupt im vorliegenden Fall diese Information im Sinne der Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrechts für den Fall des Nichtbestehens eines gesetzlichen Widerrufsrechts auszulegen ist (s. einerseits BGH, Urt. v. 08.11.2018 – III ZR 628/16, WM 2018, 2317 = juris Rn. 19; andererseits dagegen BGH, Beschl. v. 26.03.2019 – XI ZR 372/18, WM 2019, 721 = juris Rn. 17). Selbst wenn vorliegend ein vertragliches Widerrufsrecht vereinbart worden sein sollte, wäre die darin bestimmte Widerrufsfrist von zwei Wochen bereits abgelaufen. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung in Bezug auf ein gesetzliches Widerrufsrecht fänden für ein vertraglich vereinbartes Widerrufsrecht keine Anwendung und auch auf die Frage des Erhalts von Pflichtangaben nach § 492 II BGB käme es nicht an, da diese nur für einen Verbraucherdarlehensvertrag gelten.
3. Die weiteren Anträge sind nur unter der Bedingung gestellt, dass der Antrag zu 1 begründet ist, und bedürfen daher keiner Entscheidung.
4. Der Senat beabsichtigt, gemäß § 522 II ZPO durch Beschluss statt durch Urteil zu entscheiden, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch Urteil erfordern. …