- Zum – hier verneinten – Anspruch eines Kfz-Käufers gegen den Verkäufer auf Herausgabe eines Schreibens, mit dem der Fahrzeughersteller den Verkäufer über einen auch dem erworbenen Fahrzeug anhaftenden Serienfehler (hier: Flecken auf den Sitzen wegen der Verwendung eines nicht freigegebenen Klebstoffs) unterrichtet hat.
- Zwar verstößt § 476 II letzter Halbsatz BGB n.F. (= § 475 II letzter Halbsatz BGB a.F.) gegen die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, indem er zulässt, dass bei einem Verbrauchsgüterkauf (§ 474 I BGB) über eine gebrauchte Sache die Verjährungsfrist für die Ansprüche des Käufers wegen eines Sachmangels auf ein Jahr abgekürzt wird. Die Vorschrift ist jedoch bis zu einer gesetzlichen Neuregelung weiterhin anzuwenden (im Anschluss an BGH, Urt. v. 18.11.2020 – VIII ZR 78/20, NJW 2021, 1008 Rn. 19 ff.). Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Kraftfahrzeughändlers, die für Kaufverträge über Gebrauchtwagen die Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr vorsieht, ist demnach wirksam.
AG Bocholt, Urteil vom 30.03.2021 – 11 C 67/20
Sachverhalt: Der Kläger kaufte von der Beklagten zu 1, die keine Vertragshändlerin der Daimler AG ist, auf der Grundlage einer verbindlichen Bestellung vom 27.06.2018 einen Pkw Mercedes-Benz C 180. Die Beklagten zu 2 und zu 3 sind die Gesellschafter, der Beklagte zu 4 ist ein Mitarbeiter der Beklagten zu 1.
In der von den Parteien unterzeichneten verbindlichen Bestellung heißt es unter „Sonstige Vereinbarungen“:
„Die Gewährleistung wird auf zwölf Monate beschränkt, hiervon unberührt bleibt die Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und grobem Verschulden.“
Das gekaufte Fahrzeug wurde dem Kläger noch am 27.06.2018 übergeben. In der Folgezeit wandte sich der Kläger an die Beklagte zu 1, weil sich auf beiden Vordersitzen des Pkw Flecken gebildet hatten. Ansprechpartner des Klägers war der Beklagte zu 4. Auf seine Veranlassung unternahm am 07.03.2019 ein Dritter den Versuch, die Flecken durch Bürsten und eine Spezialreinigung zu beseitigen. Dies gelang jedoch nicht; die Flecken traten immer wieder auf. Außerdem bildeten sich Flecken auf der Rückbank.
Wie sich später herausstellte, ist das Fahrzeug des Klägers hinsichtlich der Flecken auf den Sitzbezügen von einem werkseitigen Problem betroffen, das nach Angaben der Daimler AG auf den bei der Fahrzeugherstellung verwendeten Kleber zurückzuführen ist. Über dieses Problem wurde die Beklagte zu 1 seitens der Daimler AG schriftlich informiert. Das Datum und der genaue Inhalt des entsprechenden Schreibens sind dem Kläger nicht bekannt.
Mit Schreiben vom 07.02.2020 forderte der – anwaltlich vertretene – Kläger die Beklagte zu 1 auf, ihm das in Rede stehende Schreiben der Daimler AG herauszugeben. Unter dem 03.03.2020 forderte der Kläger die Beklagte zu 1 des Weiteren zur Beseitigung der Flecken und ihrer Ursache auf. Anfang März 2020 versah die Beklagte zu 1 das streitgegenständliche Fahrzeug mit neuen Sitzbezügen und stellte dem Kläger für die Dauer der Nachbesserung ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung.
Der Kläger behauptet, ursächlich für die Fleckenbildung sei die Verwendung eines nicht freigegebenen, ungeeigneten und gesundheitsgefährdenden Klebstoffs. Darüber habe die Daimler AG die Beklagte zu 1 informiert. Das entsprechende Schreiben habe der Beklagte zu 2 oder der der Beklagte zu 3 – vermutlich der Beklagte zu 2 – ihm, dem Kläger, gezeigt und daraus zitiert. Aus dem Schreiben ergebe sich, dass das Problem durch einen Austausch der Sitze zu lösen sei. Das Schreiben sei nur deshalb nicht an ihn, den Kläger, herausgegeben worden, weil der Beklagte zu 4 heftig interveniert habe.
Die Beklagte zu 1 – so hat der Kläger geltend gemacht – hätte ihn über die ihr bekannte Fleckenproblematik aufklären müssen. Indem sie dies unterlassen habe, habe sie eine vertraglich Pflicht verletzt, sodass er, der Kläger, einen Anspruch auf Schadensersatz habe. Er habe außerdem einen Anspruch auf Herausgabe des Schreibens der Daimler AG, mit dessen Hilfe er prüfen wolle, ob die Fleckenproblematik den Beklagten schon bei Abschluss des hier interessierenden Kaufvertrags bekannt war.
Der Kläger behauptet weiter, seine Ehefrau und er hätten das streitgegenständliche Fahrzeug – auch mit Blick auf Krebserkrankungen – aus Sorge vor von dem Klebstoff ausgehenden gesundheitlichen Schäden in der Zeit vom 18.01. bis zum 04.03.2020 nicht genutzt. Für diese 47 Tage – so hat der Kläger geltend gemacht – stehe ihm eine Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 59 € pro Tag zu.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von (47 ×59 € =) 2.773 € nebst Zinsen in Anspruch genommen. Außerdem hat er von den Beklagten Auskunft darüber begehrt, seit wann die Beklagten wussten, dass sich bei Fahrzeugen der Baureihe, der auch der streitgegenständliche Pkw entstammt, Flecken auf den Sitzen bilden. Darüber hinaus hat der Kläger von den Beklagten die Herausgabe des Schreibens der Daimler AG verlangt, das diese Problematik adressiert, und er hat die Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten (334,75 €) begehrt.
Die Beklagten haben den geltend gemachten Auskunftsanspruch anerkannt und mitgeteilt, dass die Beklagten zu 2 bis 4 bis zu dem Tag, an dem der Kläger Flecken auf den Sitzen seines Fahrzeugs reklamiert habe, nichts von der Problematik gewusst hätten. Im Übrigen haben die Beklagten die Einrede der Verjährung erhoben und geltend gemacht, die Sitzbezüge seien bei dem streitgegenständlichen Pkw lediglich aus Kulanz ausgetauscht worden. Das Schreiben der Daimler AG, dessen Herausgabe der Kläger begehre, sei bereits vernichtet worden, sodass es nicht mehr an den Kläger herausgegeben werden könne.
Das Amtsgericht hat die Beklagten ihrem Anerkenntnis gemäß verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Aus den Gründen: Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche stehen dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
I. 1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit vom 18.01. bis zum 04.03.2020 aus §§ 433 I, 434 I, 437 Nr. 3 Fall 1, §§ 280 I, II, 286 BGB, § 128 HGB gegen die Beklagten.
Ein vertraglicher Anspruch gegen den Beklagten zu 4 ist bereits mangels eines Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien nicht gegeben.
Etwaige Ansprüche des Klägers auf Schadenersatz wegen einer schuldhaft verzögerten Nachbesserung in Form des Austauschs der Sitzbezüge im Pkw des Klägers unterliegen der von der Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung. Aus diesem Grund kann dahinstehen, ob und in welchem Umfang dem Kläger derartige Ansprüche zustehen. Denn jedenfalls steht einer Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen, sodass die Beklagten berechtigt sind, gemäß § 214 I 1 BGB die Leistung zu verweigern.
Die Parteien haben die Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche in dem Kaufvertrag vom 27.06.2018 auf zwölf Monate verkürzt.
a) Die Verkürzung der Verjährungsfrist ist rechtlich zulässig. Auch wenn § 476 II letzter Halbsatz BGB, woraus sich die Zulässigkeit einer Verkürzung der Gewährleistungsfrist auf zwölf Monate ergibt, nach den Feststellungen des EuGH1EuGH, Urt. v. 13.07.2017 – C-133/16, ECLI:EU:C:2017:541 – Ferenschild. gegen die europäische Verbrauchsgüterkaufrichtlinie2Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, Abl. 1999 L 171, 12. verstößt, bleibt die Vorschrift bis zu einer gesetzlichen Neuregelung anwendbar und eine mit ihr übereinstimmende AGB-Klausel wirksam. Zur Begründung wird verwiesen auf die diesbezügliche Entscheidung des BGH vom 18.11.2020 – VIII ZR 78/20. Danach verstößt § 475 II letzter Halbsatz BGB a.F. bzw. § 476 II letzter Halbsatz BGB n.F. bei wortlautgemäßer Anwendung gegen die europäische Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Jedoch scheidet eine richtlinienkonforme Auslegung aus, da eine solche nicht contra legem des innerstaatlichen Rechts erfolgen darf, sofern dadurch die Grenzen der verfassungsmäßigen Bindung des Richters an das Gesetz gesprengt werden würde. Dies ist aber dann der Fall, wenn die Vorschrift entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut und entgegen dem Willen des Gesetzgebers so ausgelegt wird, dass statt einer Verkürzung der Verjährungsfrist nur eine Verkürzung der Haftungsdauer zulässig wäre. Auch eine teleologische Reduktion im Sinne einer Unanwendbarkeit der Vorschrift für Verbrauchsgüterkaufverträge scheidet danach aus. Denn die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gegen die zusätzliche Einführung einer Haftungsfrist ist von der Rechtsprechung zu akzeptieren. Wenn die aktuelle Gesetzeslage bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber in Kraft bleibt, so sind auch die damit in Einklang stehenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig.
b) Gemäß § 438 II BGB beginnt die Verjährung von Mängelansprüchen mit Ablieferung der Sache, vorliegend also mit Übergabe des Pkw am 27.06.2018. Gewährleistungsansprüche aus und im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag unterlagen daher spätestens mit Ablauf des Monats Juni 2019 der Einrede der Verjährung.
Eine Hemmung der Verjährung aufgrund von schwebenden Verhandlungen gemäß § 203 BGB ist nicht eingetreten. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob es als Verhandlung i. S. des § 203 BGB zu betrachten ist, dass der Kläger am Montag, den 04.03.2019, mit dem Beklagten zu 4 telefoniert und dieser sodann einen Termin für den 07.03.2019 zur Beseitigung der Schäden im Wege einer Spezialreinigung … veranlasst hat. Denn jedenfalls ist dem Vortrag des Klägers zu entnehmen, dass dieser sich zunächst nach der Spezialreinigung mit dem Zustand zufriedengegeben und erst im Januar 2020 erneut Kontakt zu den Beklagten aufgenommen hat. Selbst wenn also mit der Durchführung der Spezialreinigung am 07.03.2019 eine Hemmung gemäß § 203 BGB eingetreten wäre, wäre die Verjährung gemäß § 203 Satz 2 BGB frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung eingetreten. Da die Parteien nach Durchführung der Spezialreinigung am 07.03. 2019 nicht weiter verhandelt haben, unterlagen die Gewährleistungsansprüche des Klägers somit weiterhin spätestens mit Ablauf des Monats Juni 2019 der Einrede der Verjährung.
c) Auch ein Neubeginn der Verjährungsfrist durch die später erfolgte Beseitigung der Mängel durch Austausch der Sitzbezüge scheidet aus, da der Austausch unstreitig ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und lediglich im Erledigungsinteresse erfolgt ist.
2. Die Beklagten haften dem Kläger auch nicht wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten als vertragliche Nebenpflicht. Unabhängig von der Frage, ob eine derartige Aufklärungspflicht überhaupt bestand, fehlt es bereits an einem auf die Verletzung einer solchen Aufklärungspflicht zurückzuführenden Schaden. Denn eine frühere Aufklärung über die Ursache der Fleckenbildung hätte die Notwendigkeit der Durchführung des Austauschs der Sitze, der von den Beklagten unstreitig vorgenommen wurde, nicht vermieden. Der Kläger hätte allerdings bei früherer Information weitere ihm nach den gesetzlichen Gewährleistungsregeln zustehende Rechte, insbesondere einen etwaigen Schadenersatzanspruch und einen Verzögerungsschaden, durchsetzen können, weil die Einrede der Verjährung solchen Ansprüchen nicht entgegengestanden hätte. Der Kläger hat aber bereits keinen Beweis für die von den Beklagten bestrittene Behauptung angetreten, sie hätten schon vor dem 28.06.2019 – also vor Eintritt der Verjährung von Gewährleistungsansprüchen – durch eine entsprechende Information der Daimler AG Kenntnis von der Ursache der Fleckenbildung gehabt.
3. Weitere Anspruchsgrundlagen auf die der Kläger sein Verlangen einer Zahlung von Nutzungsausfallentschädigung stützen kann, sind nicht ersichtlich.
Weil der Kläger keinen Beweis dafür angetreten hat, dass die Beklagten im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags Kenntnis von der Problematik hatten, kommt auch ein Anspruch aus § 823 II BGB, i. V. mit § 263 StGB nicht in Betracht.
II. Den Klageantrag zu 2 haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 27.07.2020 anerkannt, sodass sie gemäß § 307 Satz 1 ZPO ihrem Anerkenntnis gemäß zu verurteilen waren. Eines Antrags des Klägers bedurfte es dazu nicht (Zöller/Fesskorn, ZPO, 32. Aufl. [2018], § 307 Rn. 6).
III. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Herausgabe des Schreibens der Daimler AG bezüglich der Fleckenproblematik. Eine Anspruchsgrundlage, aus der sich der geltend gemachte Anspruch ergibt, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch nicht als vertragliche Nebenpflicht aus dem zwischen der Beklagten zu 1 und dem Kläger geschlossenen Kaufvertrag.
Bei dem von dem Kläger herausverlangten Dokument handelt es sich um eine interne Korrespondenz zwischen der Beklagten zu 1 und der Daimler AG. Unstreitig betraf der Inhalt des Schreibens lediglich die Modellreihe des streitgegenständlichen Fahrzeugs, nicht aber das konkrete Fahrzeug des Klägers. Den Inhalt des Schreibens hat die Beklagte zu 1 durch ihre Gesellschafter – soweit er das klägerische Fahrzeug betraf – auch an den Kläger weitergegeben, sodass dieser über die für ihn im Zusammenhang mit dem von der Beklagten zu 1 erworbenen Fahrzeug relevanten Informationen verfügte.
Da ein etwaiger Mangel an dem Fahrzeug durch Austausch der Sitzbezüge zwischenzeitig beseitigt wurde, ist auch kein Interesse des Klägers an dem weiteren Inhalt des Schreibens zur Durchsetzung seiner Rechte mehr erkennbar und auch von ihm nicht vorgetragen. Das Herausgabeverlangen hat einzig das Ziel, den Zeitpunkt der Erstellung des Schreibens zur Ermittlung der erstmaligen Kenntnis der Beklagten von der Fleckenproblematik zu ermitteln. Dem ist aber mit der bereits erteilen Auskunft der Beklagten Genüge getan. Konkrete Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass die im Verfahren erteilte Auskunft falsch ist, hat der Kläger nicht vorgetragen. Allein der Umstand, dass der Beklagte zu 4, wie vom Kläger behauptet, die Gesellschafter an der Herausgabe des Schriftstücks gehindert haben soll, lässt einen diesbezüglichen Schluss nicht zu.
IV. Mangels eines Anspruchs in der Hauptsache hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Freistellung von den entstandenen Rechtsanwaltskosten.
V. Die Kosten des Rechtsstreits sind gemäß § 91 I 1, § 92 II Nr. 1 ZPO dem Kläger aufzuerlegen. Bei dem anerkannten Anspruch auf Auskunftserteilung handelt es sich um ein verhältnismäßig geringfügiges Unterliegen, das keine höheren Kosten veranlasst hat. …