Zur se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last hin­sicht­lich der Fra­ge, wer die Ent­schei­dung über den Ein­satz ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung bei dem be­klag­ten Fahr­zeug­her­stel­ler ge­trof­fen hat­te und ob der Vor­stand hier­von Kennt­nis hat­te.

BGH, Ur­teil vom 26.01.2021 – VI ZR 405/19

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin nimmt den be­klag­ten Fahr­zeug­her­stel­ler we­gen der Ver­wen­dung ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung auf Scha­dens­er­satz in An­spruch.

Sie er­warb am 14.10.2011 von ei­nem Händ­ler ei­nen ge­brauch­ten, von der Be­klag­ten her­ge­stell­ten Pkw VW Golf VI 2.0 TDI zum Preis von 26.400 €. Das Fahr­zeug ist mit ei­nem Die­sel­mo­tor des Typs EA189 aus­ge­stat­tet; für den Fahr­zeug­typ wur­de die Typ­ge­neh­mi­gung nach der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schad­stoff­klas­se Eu­ro 5 er­teilt.

Die das Ab­gas­rück­füh­rungs­ven­til steu­ern­de Soft­ware des Mo­tor­steue­rungs­ge­räts er­kennt, ob das Fahr­zeug auf ei­nem Prüf­stand dem Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus (NEFZ) un­ter­zo­gen wird, und schal­tet in die­sem Fall in ei­nen Ab­gas­rück­füh­rungs­mo­dus mit nied­ri­gem Stick­oxid­aus­stoß. Im nor­ma­len Fahr­be­trieb au­ßer­halb des Prüf­stands schal­tet der Mo­tor da­ge­gen in ei­nen Ab­gas­rück­füh­rungs­mo­dus mit hö­he­rem Stick­oxid­aus­stoß. Für die Er­tei­lung der Typ­ge­neh­mi­gung der Emis­si­ons­klas­se Eu­ro 5 maß­geb­lich war der Stick­oxid­aus­stoß auf dem Prüf­stand. Nur dort wur­den die Stick­oxid­grenz­wer­te der Eu­ro-5-Norm ein­ge­hal­ten.

Das Kraft­fahrt-Bun­des­amt er­kann­te in der ge­nann­ten Soft­ware ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung und ord­ne­te Mit­te Ok­to­ber 2015 ei­nen Rück­ruf an, der auch das Fahr­zeug der Klä­ge­rin be­traf. Die Be­klag­te ent­wi­ckel­te dar­auf­hin ein Soft­ware­up­date, das das Kraft­fahrt-Bun­des­amt frei­gab. Die­ses Soft­ware­up­date ließ die Klä­ge­rin im De­zem­ber 2016 in­stal­lie­ren.

Die Klä­ge­rin hat mit ih­rer Kla­ge in ers­ter Li­nie im We­sent­li­chen – Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs – die Zah­lung von 14.192,87 € (Kauf­preis ab­züg­lich Nut­zungs­ent­schä­di­gung) so­wie De­likt­szin­sen aus 26.400 € und Pro­zess­zin­sen ver­langt. Au­ßer­dem hat sie die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten be­gehrt. Hilfs­wei­se hat die Klä­ge­rin den Er­satz ei­nes Min­der­werts des Fahr­zeugs in Hö­he von 20 % des Kauf­prei­ses ver­langt.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen; die Be­ru­fung der Klä­ge­rin hat­te kei­nen Er­folg. Auf die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin, die da­mit ihr Be­geh­ren mit Aus­nah­me der De­likt­szin­sen und des An­trags auf Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs wei­ter­ver­folg­te, wur­de das Ur­teil des Be­ru­fungs­ge­richts auf­ge­ho­ben und die Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.

Aus den Grün­den: [7]    I. Nach Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts ste­hen der Klä­ge­rin kei­ne Scha­dens­er­satz­an­sprü­che ge­gen die Be­klag­te zu. An­sprü­che aus § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB schie­den aus, weil die Klä­ge­rin die Be­ge­hung ei­nes der Be­klag­ten zu­re­chen­ba­ren Be­trugs nicht schlüs­sig dar­ge­legt ha­be. Es feh­le an aus­rei­chen­dem Vor­trag da­zu, wer aus dem in Be­tracht kom­men­den Tä­ter­kreis den von der Klä­ge­rin an­ge­nom­me­nen Be­trugs­tat­be­stand ver­wirk­licht ha­be. Un­zu­rei­chend sei ins­be­son­de­re der Vor­trag, es sei da­von aus­zu­ge­hen, dass der Vor­stand, ein Mit­glied des Vor­stands oder ein an­de­rer ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ner Ver­tre­ter der Be­klag­ten die An­ord­nung ge­trof­fen ha­be, die streit­ge­gen­ständ­li­che Soft­ware in den Mo­tor des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs ein­zu­bau­en. Hier­bei han­de­le es sich um ei­ne durch kei­ne Tat­sa­chen un­ter­leg­te Ver­mu­tung der Klä­ge­rin, die die Ver­wirk­li­chung des Tat­be­stands durch ei­ne oder meh­re­re dem Per­so­nen­kreis des § 31 BGB zu­zu­rech­nen­de Per­son(en) ha­be dar­le­gen müs­sen. Der Klä­ge­rin kä­men auch die Grund­sät­ze der se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last nicht zu­gu­te. Un­ab­hän­gig da­von feh­le es bei den po­ten­zi­el­len Tä­tern an der Ab­sicht ei­ner stoff­glei­chen Be­rei­che­rung i. S. von § 263 StGB. Je­den­falls feh­le es an ei­nem Scha­den, weil die Klä­ge­rin die ge­rüg­te Be­ein­träch­ti­gung durch das Soft­ware­up­date ha­be be­sei­ti­gen las­sen. Zu­min­dest sei der Scha­den der Hö­he nach un­ter An­rech­nung der er­folg­ten Nut­zung des Fahr­zeugs er­heb­lich zu re­du­zie­ren.

[8]    Der gel­tend ge­mach­te Er­satz­an­spruch er­ge­be sich auch nicht aus § 826 BGB. Dies gel­te un­ab­hän­gig von der Fra­ge, ob die Klä­ge­rin ein sit­ten­wid­ri­ges vor­sätz­li­chen Ver­hal­ten der Be­klag­ten mit Sub­stanz dar­ge­legt ha­be. Denn auch in­so­weit ha­be die Klä­ge­rin nicht dar­ge­tan, wel­che Per­son aus dem Krei­se der in § 31 BGB Ge­nann­ten sich in die­ser Wei­se ver­hal­ten ha­be. Ab­ge­se­hen da­von feh­le es an dem er­for­der­li­chen Scha­den der Klä­ge­rin. Zwar schüt­ze § 826 BGB im Ge­gen­satz zu § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB auch die Dis­po­si­ti­ons­frei­heit der Ver­trags­schlie­ßen­den. Gleich­wohl kön­ne auch hier die spä­te­re Ver­än­de­rung durch das Soft­ware­up­date nicht au­ßer Be­tracht blei­ben. Schließ­lich fal­le der gel­tend ge­mach­te Scha­den auch nicht un­ter den Schutz­zweck des § 826 BGB. Der Schutz­zweck der hier al­lein als ver­letzt in Be­tracht kom­men­den Be­stim­mun­gen in §§ 6, 27 I EG-FGV und die ih­nen zu­grun­de­lie­gen­den eu­ro­pa­recht­li­chen Vor­schrif­ten dien­ten nicht dem Schutz in­di­vi­du­el­ler In­ter­es­sen, son­dern aus­schließ­lich In­ter­es­sen des Ge­mein­wohls. Aus die­sem Grund schie­den auch An­sprü­che aus § 823 II BGB i. V. mit §§ 6, 27 I EG-FGV aus.

[9]    An­sprü­che aus § 831 BGB kä­men schon des­halb nicht in Be­tracht, weil die Klä­ge­rin Tat­hand­lun­gen, die ein als Ver­rich­tungs­ge­hil­fe ein­zu­stu­fen­der Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten be­gan­gen ha­ben soll­te, nicht be­haup­tet ha­be.

[10]   II. Die­se Er­wä­gun­gen hal­ten der re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prü­fung nicht stand. Mit der Be­grün­dung des Be­ru­fungs­ge­richts kann ein Scha­dens­er­satz­an­spruch der Klä­ge­rin we­gen sit­ten­wid­ri­ger vor­sätz­li­cher Schä­di­gung aus § 826 BGB nicht ver­neint wer­den.

[11]   1. Die Re­vi­si­on wen­det sich mit Er­folg ge­gen die Be­ur­tei­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, ein An­spruch aus § 826 BGB schei­de be­reits des­halb aus, weil die Klä­ge­rin nicht sub­stan­zi­iert dar­ge­legt ha­be, wel­che kon­kre­te Per­son, de­ren Han­deln sich die Be­klag­te ge­mäß § 31 BGB zu­rech­nen las­sen müss­te, den de­lik­ti­schen Tat­be­stand ver­wirk­licht ha­be.

[12]   a) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat of­fen­ge­las­sen, ob im Un­ter­neh­men der Be­klag­ten im Zu­sam­men­hang mit der Ver­wen­dung der un­zu­läs­si­gen Mo­tor­steue­rungs­soft­ware sit­ten­wid­rig vor­sätz­lich ge­han­delt wur­de. Man­gels ab­wei­chen­der Fest­stel­lun­gen ist für die re­vi­si­ons­recht­li­che Über­prü­fung des­halb der im Be­ru­fungs­ur­teil wie­der­ge­ge­be­ne und dort kon­kret in Be­zug ge­nom­me­ne tat­säch­li­che Vor­trag der Klä­ge­rin zu un­ter­stel­len. Da­nach hat die Be­klag­te die Mo­tor­steue­rungs­soft­ware mit ih­ren spe­zi­el­len Ei­gen­schaf­ten („Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware“, Me­cha­nis­mus zur ak­ti­ven Un­ter­drü­ckung der tat­säch­li­chen Schad­stoff­emis­sio­nen im für die Be­triebs­ge­neh­mi­gung des Fahr­zeugs re­le­van­ten Prüf­mo­dus) ent­wi­ckelt und die da­mit ver­se­he­nen Fahr­zeu­ge in den Ver­kehr ge­bracht, um durch ver­fälsch­te Mess­er­geb­nis­se die Kauf­ent­schei­dun­gen von po­ten­zi­el­len Kauf­in­ter­es­sen­ten ma­ni­pu­lie­rend zu be­ein­flus­sen und da­durch Kos­ten zu sen­ken. Auf Sei­te 6 der vom Be­ru­fungs­ge­richt kon­kret in Be­zug ge­nom­me­nen Be­ru­fungs­be­grün­dung hat sich die Klä­ge­rin dar­über hin­aus un­ter an­de­rem die Fest­stel­lun­gen des LG Kre­feld in sei­nem Ur­teil vom 28.02.2018 (7 O 10/17, ju­ris Rn. 43) wört­lich zu ei­gen ge­macht, wo­nach die Be­klag­te mit der il­le­ga­len Ab­schalt­ein­rich­tung ein Sys­tem zur plan­mä­ßi­gen Ver­schleie­rung ih­res Vor­ge­hens ge­gen­über den Auf­sichts­be­hör­den und den Ver­brau­chern ge­schaf­fen ha­be, um sich ei­nen Wett­be­werbs­vor­teil zu ver­schaf­fen oder sich wett­be­werbs­fä­hig zu hal­ten, weil sie ent­we­der nicht über ei­ne Tech­nik ver­fügt ha­be, um die ge­setz­li­chen Ab­gas­vor­schrif­ten ein­zu­hal­ten, oder aus Ge­winn­stre­ben den Ein­bau der an­sons­ten not­wen­di­gen Vor­rich­tun­gen un­ter­las­sen ha­be. Die dar­aus zu ent­neh­men­de Ge­sin­nung, aus Ge­winn­stre­ben mas­sen­haft die Käu­fer der so pro­du­zier­ten Au­tos bei ih­rer Kauf­ent­schei­dung zu be­ein­flus­sen, die Wett­be­wer­ber zu be­nach­tei­li­gen und die Um­welt zu schä­di­gen, las­se das Ver­hal­ten ins­ge­samt als sit­ten­wid­rig er­schei­nen. Die Be­klag­te ha­be die Ah­nungs­lo­sig­keit der Ver­brau­cher be­wusst zu ih­rem Vor­teil aus­ge­nutzt.

[13]   Ein der­ar­ti­ges Ver­hal­ten ist im Ver­hält­nis zur Klä­ge­rin, die ein mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung ver­se­he­nes Fahr­zeug in Un­kennt­nis die­ses Um­stands er­wor­ben hat­te, als ob­jek­tiv und sub­jek­tiv sit­ten­wid­rig zu be­wer­ten und steht wer­tungs­mä­ßig ei­ner un­mit­tel­ba­ren arg­lis­ti­gen Täu­schung der Klä­ge­rin gleich (vgl. im Ein­zel­nen Se­nat, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 16  ff., 23, 25).

[14]   b) An­ge­sichts die­ses Tat­vor­wurfs durf­te das Be­ru­fungs­ge­richt – wie die Re­vi­si­on mit Er­folg rügt – von der Klä­ge­rin kei­nen nä­he­ren Vor­trag da­zu ver­lan­gen, wel­che kon­kre­te bei der Be­klag­ten tä­ti­ge Per­son ein ent­spre­chen­des sit­ten­wid­ri­ges Ver­hal­ten an den Tag ge­legt hat.

[15]   aa) Zwar trägt im Grund­satz der­je­ni­ge, der ei­nen An­spruch aus § 826 BGB gel­tend macht, die vol­le Dar­le­gungs- und Be­weis­last für die an­spruchs­be­grün­den­den Tat­sa­chen. Bei der In­an­spruch­nah­me ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son hat der An­spruch­stel­ler dem­entspre­chend auch dar­zu­le­gen und zu be­wei­sen, dass ein ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ner Ver­tre­ter (§ 31 BGB) die ob­jek­ti­ven und sub­jek­ti­ven Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen des § 826 BGB ver­wirk­licht hat (vgl. Se­nat, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 367/19, ZIP 2020, 1763 Rn. 15; Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 35).

[16]   Die­ser Grund­satz er­fährt aber ei­ne Ein­schrän­kung, wenn die pri­mär dar­le­gungs­be­las­te­te Par­tei kei­ne nä­he­re Kennt­nis von den maß­geb­li­chen Um­stän­den und auch kei­ne Mög­lich­keit zur wei­te­ren Sach­auf­klä­rung hat, wäh­rend der Pro­zess­geg­ner al­le we­sent­li­chen Tat­sa­chen kennt und es ihm un­schwer mög­lich und zu­mut­bar ist, nä­he­re An­ga­ben zu ma­chen. In die­sem Fall trifft den Pro­zess­geg­ner ei­ne se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last, im Rah­men de­rer es ihm auch ob­liegt, zu­mut­ba­re Nach­for­schun­gen zu un­ter­neh­men. Ge­nügt er sei­ner se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last nicht, gilt die Be­haup­tung des An­spruch­stel­lers nach § 138 III ZPO als zu­ge­stan­den (vgl. Se­nat, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 367/19, ZIP 2020, 1763 Rn. 16; Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 37 ff. m. w. Nachw.).

[17]   bb) Nach die­sen Grund­sät­zen traf die Be­klag­te die se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last hin­sicht­lich der Fra­ge, wer die Ent­schei­dung über den Ein­satz der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung bei der Be­klag­ten ge­trof­fen hat­te und ob der Vor­stand hier­von Kennt­nis hat­te.

[18]   (1) Wie die Re­vi­si­on mit Er­folg rügt, hat die Klä­ge­rin kon­kre­te An­halts­punk­te da­für vor­ge­tra­gen, dass die­se Ent­schei­dung von den für die For­schungs- und Ent­wick­lungs­ak­ti­vi­tä­ten der Be­klag­ten ver­ant­wort­li­chen vor­ma­li­gen Vor­stän­den, wenn nicht selbst, so zu­min­dest mit ih­rer Bil­li­gung ge­trof­fen bzw. jah­re­lang um­ge­setzt wor­den ist. Die Re­vi­si­on ver­weist zu Recht auf den – im Be­ru­fungs­ur­teil wie­der­ge­ge­be­nen und dort kon­kret in Be­zug ge­nom­me­nen – Vor­trag der Klä­ge­rin, wo­nach we­nigs­tens ein Mit­glied des Vor­stands oder ein an­de­rer ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ner Ver­tre­ter der Be­klag­ten die Ent­schei­dung zum Ein­satz der Soft­ware mit ih­ren von der Klä­ge­rin zu­vor be­schrie­be­nen "spe­zi­el­len Ei­gen­schaf­ten" („Ma­ni­pu­la­ti­ons­soft­ware“) ge­trof­fen oder die­se zu­min­dest „ab­ge­seg­net“ ha­be. Da­für spre­che an­ge­sichts der Trag­wei­te der Ent­schei­dung ei­ne tat­säch­li­che Ver­mu­tung. Auch ha­be der Vor­stand An­lass zur Über­prü­fung der Ab­läu­fe ge­habt, als aus Sicht der für die Mo­to­ren­ent­wick­lung zu­stän­di­gen Mit­ar­bei­ter die „Auf­lis­tung“ (ge­meint wohl: Auflösung) der tech­ni­schen Pro­ble­ma­tik ein­mal ge­lun­gen sei. Zur Trag­wei­te der Ent­schei­dung hat die Klä­ge­rin, wie von der Re­vi­si­on zu­tref­fend gel­tend ge­macht, dar­auf ver­wie­sen, dass mehr als zehn Mil­lio­nen Fahr­zeu­ge be­trof­fen sei­en. An­ge­sichts der Tat­sa­che, dass die Ent­schei­dung über den Ein­satz der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung die grund­le­gen­de stra­te­gi­sche Fra­ge be­trifft, mit­hil­fe wel­cher tech­ni­schen Lö­sung die Be­klag­te die Ein­hal­tung der – im Ver­hält­nis zu dem zu­vor gel­ten­den Recht stren­ge­ren – Stick­oxid­grenz­wer­te der Eu­ro-5-Norm si­cher­stel­len woll­te (dies stell­te die von der Klä­ge­rin er­wähn­te „tech­ni­sche Pro­ble­ma­tik“ dar), sind die ent­spre­chen­den Be­haup­tun­gen der Klä­ge­rin nicht von der Hand zu wei­sen (vgl. Se­nat, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 367/19, ZIP 2020, 1763 Rn. 18).

[19]   (2) Die Re­vi­si­on weist auch zu Recht dar­auf hin, dass die Klä­ge­rin in­so­weit au­ßer­halb des maß­geb­li­chen Ge­sche­hens­ab­laufs steht und den Sach­ver­halt von sich aus nicht er­mit­teln kann. Die Fra­gen, wer die Ent­schei­dung über den Ein­satz der un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung bei der Be­klag­ten ge­trof­fen und ob der Vor­stand hier­von Kennt­nis hat­te, be­tref­fen un­ter­neh­mens­in­ter­ne Ab­läu­fe und Ent­schei­dungs­pro­zes­se, die sich der Kennt­nis und dem Ein­blick der Klä­ge­rin ent­zie­hen. Dem­ge­gen­über war der Be­klag­ten Vor­trag hier­zu mög­lich und zu­mut­bar (vgl. Se­nat, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 367/19, ZIP 2020, 1763 Rn. 19; Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 39 ff.).

[20]   2. Mit der Be­grün­dung des Be­ru­fungs­ge­richts kann auch der für ei­nen Er­satz­an­spruch aus § 826 BGB er­for­der­li­che Scha­den nicht ver­neint wer­den.

[21]   a) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zwar im Aus­gangs­punkt zu­tref­fend an­ge­nom­men, dass ein Scha­den i. S. des § 826 BGB auch in ei­ner auf dem sit­ten­wid­ri­gen Ver­hal­ten be­ru­hen­den Be­las­tung mit ei­ner un­ge­woll­ten Ver­pflich­tung lie­gen kann (Se­nat, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 367/19, ZIP 2020, 1763 Rn. 21; Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 46 ff. m. w. Nachw.).

[22]   b) Rechts­feh­ler­haft hat das Be­ru­fungs­ge­richt aber an­ge­nom­men, ein un­ter die­sem Ge­sichts­punkt be­grün­de­ter Scha­den sei des­halb ent­fal­len, weil die von der Klä­ge­rin ge­rüg­te Be­ein­träch­ti­gung – die il­le­ga­le Ab­schalt­ein­rich­tung – durch das im De­zem­ber 2016 durch­ge­führ­te Soft­ware­up­date be­sei­tigt wor­den sei. Liegt der Scha­den – wie das Be­ru­fungs­ge­richt un­ter­stellt – in ei­nem un­ter Ver­let­zung des wirt­schaft­li­chen Selbst­be­stim­mungs­rechts der Klä­ge­rin sit­ten­wid­rig her­bei­ge­führ­ten un­ge­woll­ten Ver­trags­schluss, so ent­fällt die­ser Scha­den nicht da­durch, dass sich der Wert oder Zu­stand des Ver­trags­ge­gen­stands nach­träg­lich ver­än­dert. Die­se Um­stän­de füh­ren nicht da­zu, dass der un­ge­woll­te Ver­trags­schluss rück­wir­kend zu ei­nem ge­woll­ten wird (vgl. Se­nat, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 367/19, ZIP 2020, 1763 Rn. 22; Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 58 m. w. Nachw.).

[23]  c) So­weit das Be­ru­fungs­ge­richt den Scha­den mit Blick auf die Nut­zung des Fahr­zeugs durch die Klä­ge­rin der Hö­he nach deut­lich re­du­ziert sieht, ist es zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass sich die Klä­ge­rin auf ei­nen et­wai­gen Kauf­prei­ser­stat­tungs­an­spruch im We­ge des Vor­teils­aus­gleichs die von ihr ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen an­rech­nen las­sen muss (vgl. Se­nat, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 64–77 m. w. Nachw.). Nach den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts ist es aber im Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Tat­sa­chen­ver­hand­lung je­den­falls noch nicht zu ei­nem voll­stän­di­gen Weg­fall des Scha­dens ge­kom­men (vgl. zu die­ser Mög­lich­keit Se­nat, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 354/19, NJW 2020, 2796 Rn. 11).

[24]   3. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts fehlt es auch nicht an dem er­for­der­li­chen Schutz­zweck­zu­sam­men­hang. Der von der Klä­ge­rin gel­tend ge­mach­te Scha­den fällt nach Art und Ent­ste­hungs­wei­se un­ter den Schutz­zweck des § 826 BGB. Auf den Schutz­zweck der §§ 6, 27 I EG-FGV und der zur voll­stän­di­gen Har­mo­ni­sie­rung der tech­ni­schen An­for­de­run­gen für Fahr­zeu­ge er­las­se­nen Rechts­ak­te der Eu­ro­päi­schen Uni­on kommt es im Rah­men des Scha­dens­er­satz­an­spruchs aus § 826 BGB ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts nicht an (vgl. Se­nat, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 367/19, ZIP 2020, 1763 Rn. 23 f.).

[25]   III. Das Be­ru­fungs­ur­teil war des­halb auf­zu­he­ben und die Sa­che zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen, da­mit es die er­for­der­li­chen Fest­stel­lun­gen tref­fen kann (§§ 562 I, 563 I 1 ZPO).

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