1. Eine kaufrechtliche Nacherfüllung hat gemäß § 269 I, II BGB regelmäßig an dem Ort zu erfolgen, an dem der Verkäufer als Schuldner der Nacherfüllung bei Abschluss des Kaufvertrags seinen Wohn- oder Geschäftssitz hatte (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VIII ZR 278/16, juris Rn. 21). Es steht den Parteien aber auch noch nach Abschluss des Kaufvertrags frei, einen anderen Erfüllungsort zu vereinbaren.
  2. Bei der Beurteilung, ob es dem Käufer eines – hier in der Türkei mit einem Motorschaden liegen gebliebenen, fahruntüchtigen – Kraftfahrzeugs zuzumuten ist, das Fahrzeug zum Wohn- oder Geschäftssitz des Verkäufers zu überführen, ist bei einem Verbrauchsgüterkauf (§ 474 I 1 BGB) einerseits zu berücksichtigen, dass die Nacherfüllung „innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher“ erfolgen muss (Art. 3 III Unterabs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtline; s. dazu EuGH, Urt. v. 23.05.2019 – C-52/18, ECLI:EU:C:2019:447 Rn. 29 ff. – Fülla). Andererseits ist zu beachten, dass nach deutschem Recht Unannehmlichkeiten, die sich für den Verbraucher daraus ergeben können, dass er sein Fahrzeug zum Wohn- oder Geschäftssitz des Verkäufers bringen muss, dadurch kompensiert werden, dass der Verkäufer dem Käufer einen Vorschuss auf die Transportkosten gewähren muss (§§ 439 II, 475 IV BGB; für Altfälle: BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VIII ZR 278/16, juris Rn. 27 ff.).
  3. Dagegen, gemäß § 439 II BGB unverhältnismäßig hohe Transportkosten tragen zu müssen, ist ein Verkäufer dadurch geschützt, dass er gemäß § 439 IV BGB die Nacherfüllung insgesamt verweigern darf, wenn sowohl eine Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) als auch eine Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Das gilt eingeschränkt auch bei einem Verbrauchsgüterkauf i. S. von § 474 I 1 BGB, bei dem der Verkäufer die Nacherfüllung zwar nicht insgesamt verweigern, wohl aber die dem Käufer nach § 439 II BGB zu ersetzenden Aufwendungen auf einen angemessenen Betrag beschränken darf (§ 475 IV BGB).

LG Saarbrücken, Urteil vom 22.01.2021 – 13 S 130/20

Sachverhalt: Der Kläger erwarb von dem beklagten Kraftfahrzeughändler am 12.07.2019 für 7.900 € einen gebrauchten Pkw BMX X3.

Dieses Fahrzeug erlitt am 22.07.2019 auf einer Fahrt, die der Kläger während eines während eines Türkeiurlaubs unternahm, einen Motorschaden. Der Beklagte verlangte, dass der Kläger den Pkw zu seinem Geschäftsbetrieb bringe. Er lehnte es aber ab, die Kosten für eine Überführung des Fahrzeugs aus der Türkei zu tragen, und war lediglich bereit, das Fahrzeug am Wohnsitz des Klägers in Deutschland abzuholen.

Nachdem der Kläger mit dem BMW X3 eine Vertragswerkstatt in der Türkei aufgesucht hatte, ließ er den Pkw auf eigene Kosten zum Geschäftssitz des Beklagten überführen. Dieser tauschte den Motor aus und stellte dem Kläger 208,48 € in Rechnung, die der Kläger unter Vorbehalt zahlte.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Rückzahlung des gezahlten Betrags sowie den Ersatz seiner Aufwendungen (Transportkosten) – insgesamt 2.354,31 € – nebst Zinsen verlangt. Außerdem hat er den Ersatz vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten begehrt. Der Kläger hat behauptet, am 22.07.2019 habe es während der Fahrt bei 120 km/h einen Knall gegeben; anschließend sei der Motor außer Betrieb gewesen. In der türkischen BMW-Vertragswerkstatt seien danach Metallsplitter im Ölfilter gefunden worden.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, dass sich im Motor Wasser befunden habe, was darauf hindeute, dass der Motor heiß gelaufen sei. Mit Blick darauf habe er, der Beklagte, den Motor nur aus Kulanz ausgetauscht. Zum Ersatz der Transportkosten sei er nicht verpflichtet, zumal er angeboten habe, den Pkw am Wohnsitz des Klägers abzuholen.

Das Amtsgericht hat der Klage lediglich hinsichtlich des geltend gemachten Rückzahlungsanspruchs stattgegeben, also den Beklagten verurteilt, an den Kläger 208,48 € nebst Zinsen zu zahlen und dem Kläger anteilig vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten zu ersetzen. Im Übrigen hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, dass das Fahrzeug des Klägers einen Sachmangel (§ 434 I BGB) aufgewiesen habe. Der Kläger – so hat das Amtsgericht ausgeführt – habe indes keinen Anspruch auf Ersatz der aufgewendeten Transportkosten. Denn angesichts der großen Entfernung zwischen dem Schadensort (Türkei) und der Werkstatt des Beklagten (Deutschland) und der Höhe der deshalb zu erwartenden Transportkosten sei der Kläger gehalten gewesen, den BMW X3 vor Ort in der Türkei reparieren zu lassen und die dafür aufgewendeten Kosten von dem Beklagten als Schaden ersetzt zu verlangen. Mit Blick darauf könne dahinstehen, , ob die von dem Kläger aufgewendeten Transportkosten unverhältnismäßig hoch gewesen seien.

Die Berufung des Klägers, der damit den vom Amtsgericht abgewiesenen Klageantrag weiterverfolgte, hatte Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz der verauslagten Transportkosten zu. Die Voraussetzungen des § 439 II BGB, wonach der Verkäufer die zum Zweck der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege- und andere Kosten zu tragen hat, sind vorliegend erfüllt.

1. Zu Recht ist das Erstgericht zunächst davon ausgegangen, dass der gekaufte BMW einen für den Nacherfüllungsanspruch erforderlichen Mangel i. S. des § 434 I BGB aufwies.

Bei einem – wie hier – zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossenen Verbrauchsgüterkauf i. S. des § 474 I 1 BGB wird das Vorliegen eines Mangels im maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs gemäß § 477 Halbsatz 1 BGB vermutet, wenn sich an der Kaufsache innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (Mangelerscheinung) – wie hier in Gestalt eines Motorschadens – gezeigt hat (zuletzt etwa BGH, Urt. v. 09.09.2020 – VIII ZR 150/18, juris Rn. 27 m. w. Nachw.).

Soweit das Erstgericht der unter Beweis gestellten Behauptung des Beklagten, im Motor hätten sich erhebliche Wassermengen befunden, was für ein Fahren trotz steigender Motortemperaturen bis in den roten Bereich spreche, nicht nachgegangen ist, ist dies angesichts der selbst nach Darstellung der Beklagten offenbar nicht auszuschließenden Möglichkeit, dass der Motorschaden gleichwohl auf einen Mangel zurückzuführen ist, nicht zu beanstanden und wird auch von der Berufungserwiderung nicht infrage gestellt.

2. Das Erstgericht ist allerdings davon ausgegangen, der aus der Mangelhaftigkeit gemäß § 437 Nr. 1, § 439 I BGB erwachsene Nacherfüllungsanspruch des Klägers sei am Belegenheitsort der Sache, mithin am Schadeneintrittsort in der Türkei, zu erfüllen gewesen, weil die Verbringung zum Verkäufer angesichts der großen Entfernung für ihn mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden, mithin unzumutbar war. Deshalb sei der Kläger verpflichtet gewesen, das Fahrzeug vor Ort zu reparieren und die hierfür erforderlichen Kosten als Schadensersatz geltend zu machen. Hiergegen wendet sich die Berufung mit Recht.

a) Der Ort, an dem die Nacherfüllung zu erbringen ist, richtet sich nach der Rechtsprechung des BGH im Kaufrecht nach der allgemeinen Vorschrift des § 269 I, II BGB, wonach bei einem Fehlen vertraglicher Vereinbarungen über den Erfüllungsort auf die jeweiligen Umstände, insbesondere auf die Natur des Schuldverhältnisses, abzustellen ist und dann, wenn sich hieraus keine abschließenden Erkenntnisse gewinnen lassen, der Erfüllungsort letztlich an dem Ort anzusiedeln ist, an welchem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohn- oder Geschäftssitz hatte (BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VIII ZR 278/16, juris Rn. 21 m. w. Nachw.).

Damit wäre hier mangels anderweitiger Anhaltspunkte der Ort der Niederlassung des Beklagten als Nacherfüllungsort anzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VIII ZR 278/16, juris Rn. 20 ff. [Erfüllungsort der Nacherfüllung beim Gebrauchtwagenkauf]; vgl. auch BGH, Urt. v. 19.12.2012 – VIII ZR 96/12, juris Rn. 23 f. [Kauf eines gebrauchten Motorkajütboots mit Trailer]).

b) Allerdings ist die Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABL. 1999 L 171, 1; Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) bei der rechtlichen Bewertung eines Verbrauchsgüterkaufs zu berücksichtigen. Der EuGH hat insoweit klargestellt, dass Art. 3 III der Richtlinie zwar keine Regelung über den Erfüllungsort enthält, dass aber das nationale Gericht verpflichtet ist, die nationalen Vorschriften zum Erfüllungsort so auszulegen, dass diese mit dem Ziel der Richtlinie vereinbar sind. Danach muss der Erfüllungsort für eine unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands binnen einer angemessenen Frist ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher geeignet sein, wobei die Art des Verbrauchsguts sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigt, zu berücksichtigen sind (EuGH, Urt. v. 23.05.2019 – C-52/18, ECLI:EU:C:2019:447 = juris Rn. 29 ff. – Fülla).

c) Ob sich vor diesem Hintergrund der Erfüllungsort, wie das Erstgericht annehmen will, vorliegend auf den Belegenheitsort des defekten Fahrzeugs verlagert hatte, ist zumindest zweifelhaft. Zwar bedeutete eine Nacherfüllung am Sitz des Verkäufers hohe Transportkosten und nicht unerheblichen Organisationsaufwand für den Kläger (ähnlich wohl auch Looschelders, JA 2020, 61, 63; Augenhofer, NJW 2019, 1988, 1990 m. w. Nachw.). Jedoch ist zu beachten, dass im deutschen Recht die Unannehmlichkeit aus der Transportverpflichtung, die sich – wie hier – aus der großen Entfernung und der Sperrigkeit des Kaufgegenstands für den Käufer ergibt, dadurch ausgeglichen wird, dass dem Käufer – anders als dies die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vorsieht – ein Vorschussanspruch hinsichtlich der Transportkosten zusteht (§§ 439 II, 475 IV BGB). Dementsprechend liegt ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers auch dann vor, wenn seine Bereitschaft, die Kaufsache zum Ort der Nacherfüllung zu verbringen, nur wegen der ausgebliebenen Vorschussleistung des Verkäufers nicht umgesetzt wird (BGH, Urt. v. 19.07.2017 – VIII ZR 278/16, juris Leitsatz 2). Dies spricht dafür, dass die bisherige Rechtsprechung des BGH insoweit richtlinienkonform ist (so wohl auch T. Feldmann, EuZW 2019, 601, 602).

d) Die Frage kann indes letztlich offenbleiben. Denn auch wenn die Nacherfüllung am Belegenheitsort hätte erbracht werden müssen, bleibt es den Parteien überlassen, sich auch noch nachträglich auf einen abweichenden Leistungsort zu einigen (vgl. Palandt/​Grüneberg, BGB, 80. Aufl. [2021], § 269 Rn. 16 m. w. Nachw.). So läge es hier. Indem der Kläger das Angebot des Beklagten, das Fahrzeug vor Ort zu untersuchen und zu reparieren, angenommen hat, haben sich die Parteien auf den Sitz des Beklagten geeinigt. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte von vorneherein die Übernahme der Transportkosten abgelehnt hatte. Denn weil der Beklagte schon nach seinem eigenen Vortrag nicht bereit gewesen war, das Fahrzeug am Belegenheitsort zu reparieren oder von dort abzuholen, bestand für den Kläger nur die Möglichkeit, die Nacherfüllung gemäß § 437 Nr. 3 Fall 1 BGB i. V. mit §§ 280 I, III, 281 BGB nach Nachfristsetzung zu verweigern und die Kosten einer Reparatur vor Ort im Wege des Schadensersatzes geltend zu machen oder sich – wie geschehen – auf die Nacherfüllung am Ort des Verkäufers einzulassen und die Frage der Transportkostentragung streitig zu belassen.

3. War der Kläger daher berechtigt, das Fahrzeug zur Nacherfüllung zum Sitz des Verkäufers zu verbringen, war jener nach § 439 II BGB zur Übernahme der Transportkosten verpflichtet.

Soweit der Beklagte meint, eine solche Kostentragungspflicht sei ihm nicht zumutbar, weil sie darauf hinauslaufe, dass er selbst die Transportkosten von entlegensten Orten auf der Welt zu ersetzen habe, verkennt er, dass der Verkäufer vor unzumutbarem Nacherfüllungsaufwand geschützt ist, indem er die Nacherfüllung bei unverhältnismäßig hohen Kosten verweigern kann (§ 439 IV BGB). Dies gilt eingeschränkt auch für den Verbrauchsgüterkauf, wobei der Verkäufer hier die Nacherfüllung nicht vollständig verweigern, aber den Ersatz von unverhältnismäßig hohen Aufwendungen auf einen angemessenen Betrag beschränken kann (§ 475 IV BGB).

Ob die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung im Vergleich zu der anderen Variante oder insgesamt wegen der damit verbundenen Aufwendungen für den Verkäufer unverhältnismäßige Kosten verursacht und diesen deshalb unangemessen belastet, entzieht sich einer verallgemeinerungsfähigen Betrachtung und ist aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung und Würdigung aller maßgeblichen Umstände des konkreten Einzelfalls und unter Berücksichtigung der in § 439 IV BGB genannten Kriterien festzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 59 m. w. Nachw. [zu § 439 III BGB a.F.]). Hier sind die im Raum stehenden Aufwendungen für den Beklagten indes schon deshalb nicht unverhältnismäßig hoch, weil er die Instandsetzungskosten, die er mit 5.125,25 € beziffert hat, über einen externen Garantiegeber zurückerstattet erhielt. Die für ihn verbleibenden Kosten aus dem Transport und Nebenleistungen sind im insoweit maßgeblichen Verhältnis zum Wert des Fahrzeugs im mangelfreien Zustand, der dem Verkaufspreis des Kfz von 7.900 € entsprechend dürfte, und angesichts der völligen Aufhebung der Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs durch den Mangel (vgl. BGH, Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 64 f.) nicht unverhältnismäßig. Dies gilt selbst dann, wenn in den Vergleich die Instandsetzungskosten miteinzubeziehen wären.

4. Soweit der Beklagte die Höhe der geltend gemachten Transport- und Nebenkosten bestritten hat, sind diese durch die vom Kläger vorgelegten Belege (Anlagen K 4 bis K 6) hinreichend belegt (§ 287 ZPO). Anhaltspunkte dafür, dass diese Beträge nicht angefallen sind oder unangemessen hoch gewesen wären, hat der Beklagte nicht dargetan und sind auch nicht ersichtlich.

5. Nachdem der Beklagte die berechtigte Vorschussanforderung des Klägers endgültig abgelehnt hatte, befand er sich im Schuldnerverzug mit dem Vorschuss (§ 286 I, II Nr. 3 BGB). Er hat daher die mit anschließender Einschaltung eines Anwalts entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten des Klägers zu ersetzen, ….

6. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 I, II Nr. 3, §§ 288 I, 291 BGB. …

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