Ei­ne Kla­ge­än­de­rung in der Re­vi­si­ons­in­stanz ist grund­sätz­lich un­zu­läs­sig.

BGH, Ur­teil vom 14.12.2020 – VI ZR 573/20

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb im Ju­li 2013 ei­nen Au­di A4 mit ei­nem EA189-Die­sel­mo­tor, der mit ei­ner un­zu­läs­si­gen Ab­schalt­ein­rich­tung ver­se­hen war. Mit der Kla­ge hat er von der Be­klag­ten den Er­satz des Kauf­prei­ses (43.350,12 €) nebst De­likt­szin­sen, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs, ver­langt so­wie die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten be­gehrt. Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Auf die Be­ru­fung des Klä­gers hat das Ober­lan­des­ge­richt die Be­klag­te zur Zah­lung von 22.744,65 € (Kauf­preis ab­züg­lich Nut­zungs­ent­schä­di­gung) nebst De­likt­szin­sen, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs, ver­ur­teilt. Es hat fer­ner fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te mit der An­nah­me des Au­di A4 in Ver­zug ist. Im Üb­ri­gen hat es die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Ge­gen das Ur­teil ha­ben bei­de Par­tei­en Re­vi­si­on ein­ge­legt. Der Klä­ger hat sei­ne Re­vi­si­on zu­rück­ge­nom­men. Die Be­klag­te hat sich mit ih­rer Re­vi­si­on ge­gen die Ver­ur­tei­lung zur Zah­lung der De­likt­szin­sen und ge­gen die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs ge­wandt. Dar­auf­hin hat der Klä­ger die Kla­ge hin­sicht­lich der De­likt­szin­sen zu­rück­ge­nom­men, nicht aber hin­sicht­lich der Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs. In­so­weit blei­be es bei dem An­trag, die Re­vi­si­on der Be­klag­ten zu­rück­zu­wei­sen. Der Klä­ger meint, spä­tes­tens mit der teil­wei­sen Rück­nah­me der Kla­ge sei­en die ma­te­ri­ell-recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des An­nah­me­ver­zugs er­füllt. Dies kön­ne auch noch in der Re­vi­si­ons­in­stanz be­rück­sich­tigt wer­den, da die Um­stän­de nach Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung ent­stan­den sei­en und die Rück­nah­me von Re­vi­si­on und Kla­ge nicht be­streit­bar sei­en. Die Be­klag­te hat der Teil­rück­nah­me der Kla­ge zu­ge­stimmt.

Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten wur­de das Ur­teil des Ober­lan­des­ge­richts in­so­weit auf­ge­ho­ben, als fest­ge­stellt wor­den ist, dass die Be­klag­te mit der An­nah­me des Pkw Au­di A4 in Ver­zug ist. Auch in­so­weit wur­de die Be­ru­fung des Klä­gers ge­gen das erst­in­stanz­li­che Ur­teil des Land­ge­richts zu­rück­ge­wie­sen

Aus den Grün­den: [3]    Mit der teil­wei­sen Kla­ge­rück­nah­me ist das Ur­teil des Be­ru­fungs­ge­richts, so­weit es die Be­klag­te zur Zah­lung von De­likt­szin­sen ver­ur­teilt hat, wir­kungs­los und die Re­vi­si­on der Be­klag­ten in­so­weit ge­gen­stands­los ge­wor­den. Die ver­blie­be­ne Re­vi­si­on der Be­klag­ten ge­gen die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs ist be­grün­det. Da­bei sind der Ent­schei­dung des Se­nats ge­mäß § 559 ZPO das Par­tei­vor­brin­gen, das aus dem Be­ru­fungs­ur­teil oder dem Sit­zungs­pro­to­koll er­sicht­lich ist, so­wie die tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts zu­grun­de zu le­gen.

[4]    1. Das Be­ru­fungs­ge­richt hät­te den An­nah­me­ver­zug nicht fest­stel­len dür­fen. Im für die Ent­schei­dung maß­geb­li­chen Zeit­punkt, näm­lich dem Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung in der Be­ru­fungs­in­stanz, war das wört­li­che An­ge­bot des Klä­gers auf Rück­ga­be des Fahr­zeugs an un­be­rech­tig­te Be­din­gun­gen ge­knüpft, näm­lich an die Er­stat­tung des vol­len Kauf­prei­ses (oh­ne Ab­zug ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung) zu­züg­lich De­likt­szin­sen seit Kauf­preis­zah­lung. Dies schließt ei­nen An­nah­me­ver­zug der Be­klag­ten aus (Se­nat, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 397/19, NJW 2020, 2806 Rn. 30; Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 85 m. w. Nachw.)

[5]    2. Der Um­stand, dass der Klä­ger nun­mehr in der Re­vi­si­ons­in­stanz mit der Rück­nah­me sei­ner Re­vi­si­on und der teil­wei­sen Kla­ge­rück­nah­me die Ver­ur­tei­lung zur Zah­lung ei­nes Be­trags hat rechts­kräf­tig wer­den las­sen, den er be­an­spru­chen kann, von der For­de­rung ei­nes hö­he­ren als des ihm zu­ste­hen­den Be­trags al­so Ab­stand ge­nom­men hat, führt nicht zur Un­be­grün­det­heit der Re­vi­si­on der Be­klag­ten. Dem Klä­ger ist es pro­zess­recht­lich ver­wehrt, die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs in der Re­vi­si­ons­in­stanz auf die durch die Rück­nah­men ge­schaf­fe­ne ge­än­der­te Sach­la­ge zu stüt­zen, da dies ei­ne Kla­ge­än­de­rung dar­stellt, die in der Re­vi­si­ons­in­stanz un­zu­läs­sig ist.

[6]    a) Der Klä­ger hat den Kla­ge­grund für die Fest­stel­lungs­kla­ge aus­ge­tauscht. Den we­sent­li­chen Le­bens­sach­ver­halt für die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs bil­det das An­ge­bot (vgl. §§ 293 ff. BGB). In den Vor­in­stan­zen soll­te der An­nah­me­ver­zug auf ein An­ge­bot ge­stützt wer­den, das an be­stimm­te, über­höh­te For­de­run­gen und da­mit an un­be­rech­tig­te Be­din­gun­gen ge­knüpft war. In der Re­vi­si­ons­in­stanz wur­den mit­tels Pro­zess­hand­lun­gen (Re­vi­si­ons­rück­nah­me, teil­wei­se Kla­ge­rück­nah­me) die un­be­rech­tig­ten Be­din­gun­gen auf­ge­ge­ben. Es kann da­hin­ste­hen, wor­in nun­mehr das An­ge­bot zu se­hen sein soll. Denn je­den­falls wä­re es auf­grund der In­halts­än­de­rung durch Auf­ga­be der un­be­rech­tig­ten Be­din­gun­gen ein an­de­res An­ge­bot. Die Fest­stel­lungs­kla­ge stützt sich so­mit nun­mehr auf ei­nen an­de­ren Le­bens­sach­ver­halt, der erst durch die Pro­zess­hand­lun­gen in der Re­vi­si­ons­in­stanz ge­schaf­fen wur­de.

[7]    b) Ei­ne Kla­ge­än­de­rung in der Re­vi­si­ons­in­stanz ist grund­sätz­lich un­zu­läs­sig (BGH, Urt. v. 17.11.2005 – IX ZR 8/04, WM 2006, 592, 596 = ju­ris Rn. 28; Urt. v. 18.09.1958 – II ZR 332/56, BGHZ 28, 131, 137 = ju­ris Rn. 20). Ei­ner der we­ni­gen Aus­nah­me­fäl­le liegt hier nicht vor. Ins­be­son­de­re han­delt es sich nicht um ei­nen Fall, in dem die Än­de­rung nur ei­ne Be­schrän­kung oder Mo­di­fi­ka­ti­on des frü­he­ren An­trags dar­stellt und sich auf ei­nen Sach­ver­halt stützt, der vom Tatrich­ter be­reits ge­wür­digt wor­den ist (vgl. BGH, Urt. v. 18.06.1998 – IX ZR 311/95, NJW 1998, 2969, 2970 = ju­ris Rn. 19; Urt. v. 28.09.1989 – IX ZR 180/88, WM 1989, 1873, 1875 = ju­ris Rn. 11).

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