1. Der Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs kann ge­gen die Fahr­zeug­her­stel­le­rin ei­ne un­ter an­de­rem auf  826 BGB ge­stütz­te Kla­ge grund­sätz­lich wahl­wei­se bei dem Ge­richt er­he­ben, in des­sen Be­zirk die Her­stel­le­rin ih­ren Sitz hat, oder bei bei dem Ge­richt, in des­sen Be­zirk der das Fahr­zeug ver­kau­fen­de Kfz-Händ­ler an­säs­sig ist, oder bei dem Ge­richt, in des­sen Be­zirk der Käu­fer sei­nen Wohn­sitz hat.
  2. Ein Ver­wei­sungs­be­schluss ist ob­jek­tiv will­kür­lich und des­halb nicht bin­dend, wenn sich ein nach gel­ten­dem Recht un­zwei­fel­haft zu­stän­di­ges Ge­richt über sei­ne Zu­stän­dig­keit hin­weg­setzt und den Rechts­streit an ein an­de­res Ge­richt ver­weist und An­halts­punk­te da­für vor­lie­gen, dass der Rich­ter sich be­wusst des Ver­fah­rens ent­le­di­gen woll­te. Sol­che An­halts­punk­te kön­nen ge­ge­ben sein, wenn der Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs bei dem Ge­richt, in des­sen Be­zirk er sei­nen Wohn­sitz hat, ei­ne un­ter an­de­rem auf § 826 BGB ge­stütz­te Kla­ge ge­gen die Fahr­zeug­her­stel­le­rin er­hebt und das Ge­richt sei­ne durch § 32 ZPO be­grün­de­te ört­li­che Zu­stän­dig­keit ver­neint, oh­ne sich in­halt­lich mit ein­schlä­gi­gen ge­richt­li­chen Ent­schei­dun­gen zu be­fas­sen.

OLG Mün­chen, Be­schluss vom 11.03.2020 – 34 AR 235/19

Sach­ver­halt: Der Klä­ger, der im Be­zirk des LG Mün­chen II wohnt, hat bei die­sem Ge­richt Kla­ge ge­gen die im Be­zirk des LG Braun­schweig an­säs­si­ge Volks­wa­gen AG er­ho­ben. Mit die­ser Kla­ge ver­langt der Klä­ger von der Volks­wa­gen AG Scha­dens­er­satz in Hö­he des Kauf­prei­ses, den er für ein vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nes Fahr­zeug ge­zahlt hat, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung die­ses Fahr­zeugs. Den Pkw hat­te der Klä­ger im De­zem­ber 2011 von ei­nem im Be­zirk des LG Mün­chen I an­säs­si­gen Kfz-Händ­ler er­wor­ben, und zwar auf­grund ei­ner – der Kla­ge­schrift als An­la­ge bei­ge­füg­ten – ver­bind­li­chen Be­stel­lung vom 27.12.2011. Dort ist bei „Zah­lungs­be­din­gun­gen“ die Mög­lich­keit „Bar­zah­lung“ an­ge­kreuzt.

Der Klä­ger macht gel­tend, die Be­klag­te ha­be ihn da­durch, dass sie das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug in den Ver­kehr ge­bracht und da­bei ver­schwie­gen ha­be, dass in dem Pkw ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung in­stal­liert sei, i. S. von § 826 BGB sit­ten­wid­rig vor­sätz­lich ge­schä­digt. Er hät­te den Pkw nicht er­wor­ben, wenn er ge­wusst hät­te, dass das Fahr­zeug nicht den ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen ent­spricht. Die Be­klag­te ha­be auch mit Schä­di­gungs­ab­sicht ge­han­delt. Bei ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft kom­me es dar­auf an, ob der Vor­stand, ein Mit­glied des Vor­stands oder ein an­de­rer ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ner Ver­tre­ter i. S. des § 31 BGB vor­sätz­lich ge­han­delt ha­be. In­so­weit sei die Leh­re vom Or­ga­ni­sa­ti­ons­man­gel an­wend­bar, wo­nach die ju­ris­ti­sche Per­son ver­pflich­tet sei, den Ge­samt­be­reich ih­rer Tä­tig­keit so zu or­ga­ni­sie­ren, dass für al­le wich­ti­gen Auf­ga­be­ge­bie­te ein ver­fas­sungs­mä­ßi­ger Ver­tre­ter zu­stän­dig sei, der die we­sent­li­chen Ent­schei­dun­gen selbst zu tref­fen ha­be. Ent­spre­che die Or­ga­ni­sa­ti­on dem nicht, sei die ju­ris­ti­sche Per­son so zu be­han­deln, als wä­re der tat­säch­lich ein­ge­setz­te Ver­rich­tungs­ge­hil­fe ein ver­fas­sungs­mä­ßi­ger Ver­tre­ter. Der Ge­setz­ge­ber ver­pflich­te den Vor­stand, da­für Sor­ge zu tra­gen, dass er in wich­ti­ge Ent­schei­dun­gen – hier: die Ent­schei­dung, die Öf­fent­lich­keit über die Ein­hal­tung von Emis­si­ons­grenz­wer­ten zu täu­schen – ein­ge­bun­den ist. Tra­ge der Vor­stand da­für nicht Sor­ge, so sei er so zu be­han­deln, als sei er ein­ge­bun­den ge­we­sen.

Dar­über hin­aus – so macht der Klä­ger gel­tend – haf­te ihm die Be­klag­te aus §§ 823 II, 31 BGB i. V. mit § 263 StGB bzw. §§ 6 I, 27 I EG-FGV auf Scha­dens­er­satz.

Das LG Mün­chen II hat mit Ver­fü­gung vom 28.01.2019 ein schrift­li­ches Vor­ver­fah­ren ver­an­lasst und dar­auf hin­ge­wie­sen, dass ge­gen sei­ne ört­li­che Zu­stän­dig­keit Be­den­ken be­stün­den. Glei­ches hat das Ge­richt den Par­tei­en noch­mals mit Ver­fü­gung vom 16.04.2019 mit­ge­teilt.

Der Klä­ger be­an­tra­ge mit Schrift­satz vom 22.05.2019 die Ver­wei­sung des Rechts­streits an das LG Mün­chen I, wo­bei er dar­auf hin­wies, dass er wei­ter­hin von der Zu­stän­dig­keit des LG Mün­chen II. Die Be­klag­te er­klär­te sich mit Schrift­satz vom 14.06.2019 mit ei­ner Ver­wei­sung an das LG Mün­chen I ein­ver­stan­den.

Mit Be­schluss vom 02.07.2019 hat sich das LG Mün­chen II für ört­lich un­zu­stän­dig er­klärt und den Rechts­streit an das LG Mün­chen I ver­wie­sen. Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, es sei nicht zu­stän­dig, da der Ge­richts­stand der un­er­laub­ten Hand­lung (§ 32) ZPO nicht ge­ge­ben sei. Der Tat­ort ei­ner un­er­laub­ten Hand­lung i. S. von § 32 ZPO lie­ge über­all, wo auch nur ei­nes der we­sent­li­chen Tat­be­stands­merk­ma­le ver­wirk­licht wor­den sei. Ein Be­trug wer­de folg­lich (auch) dort be­gan­gen, wo die Täu­schungs­hand­lung ei­nen Irr­tum er­regt und/oder die – schä­di­gen­de – Ver­mö­gens­ver­fü­gung aus­ge­löst ha­be. Nach der Dar­stel­lung in der Kla­ge­schrift sei dies vor­lie­gend in Mün­chen ge­sche­hen. Aus der ver­bind­li­chen Be­stel­lung ge­he her­vor, dass der Kfz-Kauf­ver­trag in Mün­chen ge­schlos­sen wor­den und die Zah­lung des Kauf­prei­ses in Mün­chen er­folgt sei; auch sei das ge­kauf­te Fahr­zeug dem Klä­ger in Mün­chen über­ge­ben wor­den. Da­mit hät­ten sich ei­ne et­wai­ge Täu­schung, ein et­wai­ger Irr­tum, ei­ne et­wai­ge Ver­mö­gens­ver­fü­gung und ein et­wai­ger Ver­mö­gens­scha­den i. S. des § 263 I StGB in Mün­chen er­eig­net. In der Un­ter­zeich­nung des Kauf­ver­trags ha­be ei­ne Ver­mö­gens­ver­fü­gung ge­le­gen, denn ei­ne Ver­mö­gens­ver­fü­gung sei je­des recht­li­che oder tat­säch­li­che Han­deln, Dul­den oder Un­ter­las­sen, das un­mit­tel­bar zu ei­ner Ver­mö­gens­min­de­rung im wirt­schaft­li­chen Sin­ne füh­re. Da­zu ge­hö­re auch die Ab­ga­be ei­ner rechts­ge­schäft­li­chen Wil­lens­er­klä­rung. Dem Klä­ger sei der – nach sei­nem Vor­brin­gen nicht der kauf­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung ent­spre­chen­de – Pkw auch in Mün­chen über­eig­net wor­den, so­dass dort der be­haup­te­te Ver­mö­gens­scha­den ein­ge­tre­ten sei. Ab­zu­stel­len sei hin­sicht­lich des Ver­mö­gens­scha­dens auf den Kauf­ge­gen­stand, nicht auf das sons­ti­ge Ver­mö­gen des Klä­gers, das nicht be­trof­fen sei.

Das Land­ge­richt Mün­chen I hat nach An­hö­rung der Par­tei­en die Über­nah­me des Rechts­streits mit Be­schluss vom 03.09.2019 ab­ge­lehnt und das Ver­fah­ren an das LG Mün­chen II zu­rück­ver­wie­sen. Des­sen Ver­wei­sungs­be­schluss ent­fal­te kei­ne Bin­dungs­wir­kung, da die Ver­wei­sung ob­jek­tiv will­kür­lich er­schei­ne, weil das LG Mün­chen II ei­ne ein­deu­tig sei­ne Zu­stän­dig­keit be­grün­den­de Vor­schrift über­gan­gen ha­be. Das Baye­ri­sche Obers­te Lan­des­ge­richt ha­be mit Be­schluss vom 23.01.2019, dem ein Ver­fah­ren des Land­ge­richts Mün­chen II zu­grun­de ge­le­gen ha­be, ent­schie­den, dass der Ge­richts­stand der un­er­laub­ten Hand­lung (§ 32 ZPO) der Be­ge­hungs­ort – al­so so­wohl der Hand­lungs- als auch der Er­folgs­ort – der de­lik­ti­schen Hand­lung sei. Es sei all­ge­mei­ne Mei­nung, dass bei An­sprü­chen aus De­likt, bei de­nen der Ein­tritt ei­nes Scha­dens als Er­folg der Hand­lung ein Teil des Haf­tungs­tat­be­stands sei, auch der Er­folgs­ort, das heißt der Wohn­sitz des Ge­schä­dig­ten, als Be­ge­hungs­ort i. S. des § 32 ZPO an­zu­se­hen sei. Wei­ter ha­be das Baye­ri­sche Obers­te Lan­des­ge­richt ent­schie­den, dass für ei­ne ge­gen den Fahr­zeug­her­stel­ler ge­rich­te­te In­di­vi­dual­kla­ge aus An­lass des so­ge­nann­ten Ab­gas­skan­dals nach § 32 ZPO das Ge­richt, in des­sen Be­zirk der Her­stel­ler sei­nen Sitz ha­be, das Ge­richt, in des­sen Be­zirk der Kfz-Händ­ler an­säs­sig sei, und das Ge­richt, in des­sen Be­zirk der Käu­fer woh­ne, zu­stän­dig sei­en. Der Be­schluss des Baye­ri­schen Obers­ten Lan­des­ge­richts vom 23.01.2019 sei dem LG Mün­chen II vor Er­lass des Ver­wei­sungs­be­schlus­ses in die­sem Ver­fah­ren be­kannt ge­we­sen. Mit­hin ha­be das LG Mün­chen II sei­ne Zu­stän­dig­keit ver­neint und den Rechts­streit an das LG Mün­chen I ver­wie­sen, ob­wohl ihm be­kannt ge­we­sen sei, dass der Klä­ger in sei­nem Be­zirk woh­ne und es des­halb ge­mäß § 32 ZPO zu­stän­dig sei.

Mit Ent­schei­dung vom 02.10.2019 hat das LG Mün­chen II be­schlos­sen, das Ver­fah­ren zur Be­stim­mung des zu­stän­di­gen Ge­richts dem OLG Mün­chen vor­zu­le­gen. Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, es ha­be sich mit § 32 ZPO be­fasst, so­dass der Ver­wei­sungs­be­schluss nicht ob­jek­tiv will­kür­lich ge­we­sen sei. Das Baye­ri­sche Obers­te Lan­des­ge­richt ha­be in der vom LG Mün­chen I an­ge­führ­ten Ent­schei­dung da­hin­ste­hen las­sen, ob der Ver­wei­sungs­be­schluss rechts­feh­ler­haft ge­we­sen sei, und wei­ter aus­ge­führt, das LG Mün­chen II ha­be sei­ne Zu­stän­dig­keit mit ver­tret­ba­rer Be­grün­dung ver­neint. Ei­ne mög­li­cher­wei­se un­zu­tref­fen­de recht­li­che Sub­sum­ti­on bei der Prü­fung der ein­zig in Be­tracht kom­men­den Zu­stän­dig­keits­norm sei kein der­art schwer­wie­gen­der Rechts­feh­ler, dass der Ver­wei­sungs­be­schluss schlech­ter­dings nicht als im Rah­men des § 281 ZPO er­gan­gen an­ge­se­hen wer­den kön­ne.

Mit Ver­fü­gung vom 02.12.2019 hat das LG Mün­chen II die Ak­ten dem OLG Mün­chen vor­ge­legt. Die­ses hat als ört­lich zu­stän­di­ges Ge­richt das LG Mün­chen II be­stimmt.

Aus den Grün­den: II. Die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Zu­stän­dig­keits­be­stim­mung ge­mäß § 36 I Nr. 6 ZPO durch das OLG Mün­chen, zu des­sen Be­zirk bei­de Land­ge­rich­te ge­hö­ren, lie­gen vor. Das LG Mün­chen II und das LG Mün­chen I ha­ben sich im Sin­ne die­ser Vor­schrift bin­dend für un­zu­stän­dig er­klärt, das LG Mün­chen I durch un­an­fecht­ba­ren Ver­wei­sungs­be­schluss vom 02.07.2019 (§ 281 II 2 ZPO), das LG Mün­chen II durch Zu­rück­ver­wei­sungs­be­schluss vom 03.09.2019. Ei­ne sol­che Zu­stän­dig­keits­leug­nung ge­nügt den An­for­de­run­gen, die an das Tat­be­stands­merk­mal „rechts­kräf­tig“ des § 36 I Nr. 6 ZPO zu stel­len sind (vgl. BGH, Beschl. v. 19.02.2013 – X ARZ 507/12, NJW-RR 2013, 764 Rn. 5; OLG Hamm, Beschl. v. 14.08.2015 – 32 SA 37/15, NJW 2016, 172 Rn. 9; Hüß­te­ge, in: Tho­mas/Putzo, ZPO, 40. Aufl., § 36 Rn. 23 m. w. Nachw.).

1. Ge­mäß § 281 II 2 ZPO sind Ver­wei­sungs­be­schlüs­se im In­ter­es­se der Pro­zess­öko­no­mie und zur Ver­mei­dung von ver­fah­rens­ver­zö­gern­den Zu­stän­dig­keits­strei­tig­kei­ten un­an­fecht­bar. Dem­nach ent­zie­hen sich auch ein sach­lich zu Un­recht er­gan­ge­ner Ver­wei­sungs­be­schluss und die die­sem Be­schluss zu­grun­de lie­gen­de Ent­schei­dung über die Zu­stän­dig­keit grund­sätz­lich je­der Nach­prü­fung (st. Rspr.; BGH, Beschl. v. 10.12.1987 – I ARZ 809/87, BGHZ 102, 338, 340; Beschl. v. 10.09.2002 – X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634, 3635; Zöl­ler/Gre­ger, ZPO, 33. Aufl., § 281 Rn. 16). Die Bin­dungs­wir­kung ent­fällt nicht schon dann, wenn der er­gan­ge­ne Be­schluss in­halt­lich un­rich­tig oder sonst feh­ler­haft ist, son­dern nur dann, wenn er schlech­ter­dings nicht als im Rah­men des § 281 ZPO er­gan­gen an­ge­se­hen wer­den kann (BGH, Beschl. v. 10.09.2002 – X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634, 3635; Beschl. v. 19.02.2013 – X ARZ 507/12, NJW-RR 2013, 764 Rn. 7; Zöl­ler/Gre­ger, a. a. O., § 281 Rn. 17 m. w. Nachw.). Dies ist der Fall, wenn er je­der ge­setz­li­chen Grund­la­ge ent­behrt und des­halb als will­kür­lich er­ach­tet wer­den muss. Je­doch lässt blo­ßer Rechts­irr­tum die Bin­dungs­wir­kung nicht ent­fal­len (BGH, Beschl. v. 08.04.1992 – XII ARZ 8/92, NJW-RR 1992, 902, 903; Beschl. v. 17.05.2011 – X ARZ 109/11, NJW-RR 2011, 1364 Rn. 9; Zöl­ler/Gre­ger, a. a. O., § 281 Rn. 17). Nur bei gro­ben Rechts­irr­tü­mern (z. B. BGH, Beschl. v. 10.09.2002 – X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634, 3635 f.) fehlt es an der Bin­dung.

2. Das LG Mün­chen I ist nicht auf­grund des Ver­wei­sungs­be­schlus­ses des LG Mün­chen II vom 02.07.2019 als zu­stän­dig zu be­stim­men, da die­ser Be­schluss kei­ne Bin­dungs­wir­kung ent­fal­tet.

aa) Zur Be­grün­dung des be­son­de­ren Ge­richts­stands nach § 32 ZPO ist er­for­der­lich, dass der Klä­ger schlüs­sig Tat­sa­chen be­haup­tet, aus de­nen sich das Vor­lie­gen ei­ner im Ge­richts­be­zirk be­gan­ge­nen sit­ten­wid­ri­gen vor­sätz­li­chen Schä­di­gung bzw. un­er­laub­ten Hand­lung er­gibt (Zöl­ler/Schultz­ky, ZPO, 33. Aufl., § 32 Rn. 21 m. w. Nachw.). Ob die gel­tend ge­mach­ten An­sprü­che tat­säch­lich be­ste­hen, hat der Se­nat nicht zu prü­fen.

Der Ort, an dem i. S. des § 32 ZPO ei­ne un­er­laub­te Hand­lung be­gan­gen ist (Be­ge­hungs­ort), ist so­wohl der Ort, an dem der Tä­ter ge­han­delt hat (Hand­lungs­ort), als auch der Ort, an dem in das ge­schütz­te Rechts­gut ein­ge­grif­fen wur­de (Er­folgs­ort), so­wie, wenn der Scha­den­s­ein­tritt selbst zum Tat­be­stands­merk­mal der Rechts­ver­let­zung ge­hört, der Ort des Scha­den­s­ein­tritts (BGH, Urt. v. 28.02.1996 – XII ZR 181/93, BGHZ 132, 105, 110 f. = NJW 1996, 1411, 1412 f.; Ba­yO­bLG, Beschl. v. 27.03.2003 – 1Z AR 28/03, MDR 2003, 893; Beschl. v. 22.01.2004 – 1Z AR 4/04, NJOZ 2004, 2528, 2529; OLG Düs­sel­dorf, Beschl. v. 30.10.2017 – 5 Sa 44/17, NJW-RR 2018, 573 Rn. 20; Be­ckOK-ZPO/Touis­sant, Stand: 15.09.2018, § 32 Rn. 12.1, 13; Zöl­ler/Schultz­ky, a. a. O., § 32 Rn. 19).

Bei der sit­ten­wid­ri­gen vor­sätz­li­chen Schä­di­gung ge­mäß § 826 BGB ist die Zu­fü­gung ei­nes Scha­dens – ein­schließ­lich al­ler Ar­ten von Ver­mö­gens­schä­den (Pa­landt/Sprau, BGB, 79. Aufl. § 826 Rn. 3 m. w. Nachw.) – Tat­be­stands­merk­mal. Hier dient der Scha­dens­er­satz­an­spruch nicht nur dem Aus­gleich je­der nach­tei­li­gen Ein­wir­kung durch das sit­ten­wid­ri­ge Ver­hal­ten auf die ob­jek­ti­ve Ver­mö­gens­la­ge des Ge­schä­dig­ten. Viel­mehr muss sich der Ge­schä­dig­te auch von ei­ner auf dem sit­ten­wid­ri­gen Ver­hal­ten be­ru­hen­den Be­las­tung mit ei­ner „un­ge­woll­ten“ Ver­pflich­tung wie­der be­frei­en kön­nen. Schon ei­ne sol­che stellt ei­nen Ver­mö­gens­scha­den ge­mäß § 826 BGB dar (BGH, Urt. v. 28.10.2014 – VI ZR 15/14, NJW-RR 2015, 275 Rn. 19; Urt. v. 19.11.2013 – VI ZR 336/12, NJW 2014, 383 Rn. 28; Ba­yO­bLG, Beschl. v. 18.07.2019 – 1 AR 23/19, BeckRS 2019, 15058 Rn. 23). In die­sen Fäl­len ist der Ort, an dem in das Ver­mö­gen als ge­schütz­tes Rechts­gut ein­ge­grif­fen wird, re­gel­mä­ßig der Wohn­sitz des Ge­schä­dig­ten, da sich der Ein­griff un­mit­tel­bar ge­gen das Ver­mö­gen als Gan­zes rich­tet (BGH, Beschl. v. 27.11.2018 – X ARZ 321/18, NJW-RR 2019, 238 Rn. 18; Ba­yO­bLG, Beschl. v. 18.07.2019 – 1 AR 23/19, BeckRS 2019, 15058 Rn. 24).

Bei meh­re­ren Be­ge­hungs­or­ten hat der Klä­ger grund­sätz­lich die Mög­lich­keit der Wahl zwi­schen den ein­zel­nen Ge­richts­stän­den ge­mäß § 35 ZPO (Zöl­ler/Schultz­ky, a. a. O., § 32 Rn. 21), die durch Kla­ge­er­he­bung aus­ge­übt wird. Die ein­mal ge­trof­fe­ne Wahl ist für den Pro­zess end­gül­tig und un­wi­der­ruf­lich (Hüß­te­ge, in: Tho­mas/Putzo, a. a. O., § 35 Rn. 2).

bb) Der Klä­ger hat die er­for­der­li­chen Tat­sa­chen für ei­nen An­spruch aus sit­ten­wid­ri­ger vor­sätz­li­cher Schä­di­gung bzw. aus un­er­laub­ter Hand­lung schlüs­sig be­haup­tet. In den ge­gen Her­stel­ler ge­rich­te­ten Ver­fah­ren über In­di­vi­dual­kla­gen aus An­lass des so­ge­nann­ten Die­selskan­dals wird ei­ne Zu­stän­dig­keit grund­sätz­lich wahl­wei­se bei dem Ge­richt am Sitz des Her­stel­lers, am Sitz des Händ­lers oder am Wohn­sitz des Käu­fers be­jaht (Ba­yO­bLG, Beschl. v. 18.07.2019 – 1 AR 23/19, BeckRS 2019, 15058 Rn. 21 ff.; OLG Hamm, Beschl. v. 26.10.2018 – 32 SA 32/18, NJW-RR 2019, 186 Rn. 12 ff.; OLG Düs­sel­dorf, Beschl. v. 30.10.2017 – 5 Sa 44/17, NJW-RR 2018, 573 Rn. 18 ff.; OLG Stutt­gart, Beschl. v. 22.05.2018 – 9 AR 3/18, BeckRS 2018, 10638 Rn. 7 ff.; Voss­ler, NJW 2018, 2201, 2202 [Anm. zu BGH, Beschl. v. 06.06.2018 – X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200]; Lon­grée, MDR 2018, 1348, 1350 f.), in letz­te­rem Fall dann, wenn sich der Ein­griff un­mit­tel­bar ge­gen das Ver­mö­gen als Gan­zes rich­tet. Nach dem Vor­brin­gen des Klä­gers ist die An­nah­me des Er­folgs­orts der sit­ten­wid­ri­gen vor­sätz­li­chen Schä­di­gung ge­mäß § 826 BGB an sei­nem Wohn­sitz schlüs­sig dar­ge­tan. Denn durch die Ein­ge­hung ei­ner Ver­bind­lich­keit, die er in Kennt­nis des Vor­lie­gens der Ma­ni­pu­la­ti­on nicht ein­ge­gan­gen wä­re und die des­halb „un­ge­wollt“ war, hat er sich mit sei­nem ge­sam­ten Ver­mö­gen ins­ge­samt dem An­spruch des Ver­trags­part­ners auf Kauf­preis­zah­lung aus­ge­setzt. Be­reits da­durch ist der Ver­mö­gens­scha­den i. S. des § 826 BGB am Wohn­sitz des Klä­gers ein­ge­tre­ten. Die Be­glei­chung des Kauf­prei­ses hat die­sen Scha­den nur per­pe­tu­iert.

cc) Dies hat das LG Mün­chen II rechts­feh­ler­haft nicht be­ach­tet, was zu ei­ner Be­wer­tung der Ent­schei­dung als will­kür­lich führt.

Da ei­ne Ver­wei­sung die Un­zu­stän­dig­keit des ver­wei­sen­den Ge­richts vor­aus­setzt, kann die Bin­dungs­wir­kung ei­nes Ver­wei­sungs­be­schlus­ses ent­fal­len, wenn sich ein nach gel­ten­dem Recht un­zwei­fel­haft zu­stän­di­ges Ge­richt gleich­wohl über sei­ne Zu­stän­dig­keit hin­weg­setzt und den Rechts­streit an ein an­de­res Ge­richt ver­weist. Zwar ge­nügt blo­ße in­halt­li­che Un­rich­tig­keit oder sons­ti­ge Feh­ler­haf­tig­keit grund­sätz­lich nicht, um Will­kür zu be­ja­hen (BGH, Beschl. v. 09.07.2002 – X ARZ 110/02, NJW-RR 2002, 1498). Es be­darf zu­sätz­li­cher Um­stän­de, die die ge­trof­fe­ne Ent­schei­dung als nicht mehr nach­voll­zieh­bar er­schei­nen las­sen. Ob­jek­ti­ve Will­kür kann aber durch­aus an­zu­neh­men sein, so­fern wei­te­re An­halts­punk­te vor­lie­gen, die er­ken­nen las­sen, dass der Rich­ter sich be­wusst des Ver­fah­rens ent­le­di­gen woll­te, was vor­lie­gend nicht aus­zu­schlie­ßen ist.

Denn das LG Mün­chen II hät­te An­lass zu ei­ner ver­tief­ten Prü­fung sei­ner ei­ge­nen Zu­stän­dig­keit ge­habt, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die ihm be­kann­te Ent­schei­dung des Baye­ri­schen Obers­ten Lan­des­ge­richts vom 22.01.2019 (Beschl. v. 22.01.2019 – 1 AR 23/18, BeckRS 2019, 5991), die eben­falls ein Ver­fah­ren der auch hier zu­stän­di­gen 2. Zi­vil­kam­mer des LG Mün­chen II be­traf. In die­ser Ent­schei­dung be­jaht das Baye­ri­sche Obers­te Lan­des­ge­richt ein­deu­tig ei­ne Zu­stän­dig­keit bei ge­gen den Her­stel­ler ge­rich­te­ten In­di­vi­dual­kla­gen auch am Wohn­sitz des Käu­fers. Das Baye­ri­sche Obers­te Lan­des­ge­richt hat in dem be­tref­fen­den Be­schluss ex­pli­zit dar­auf hin­ge­wie­sen, dass das LG Mün­chen II oh­ne ver­tief­te Prü­fung da­von aus­ge­gan­gen sei, dass der Ge­richts­stand des De­likts nicht am Wohn­sitz­ge­richt des Ver­letz­ten ge­ge­ben sei, weil le­dig­lich auf den Ort der Ver­mö­gens­schä­di­gung durch Über­eig­nung ei­nes min­der­wer­ti­gen Fahr­zeugs, nicht aber auf das Ver­mö­gen und des­sen – nicht wei­ter er­mit­tel­te – Be­le­gen­heit ins­ge­samt ab­zu­stel­len sei. Den Grün­den der Ent­schei­dung des Baye­ri­schen Obers­ten Lan­des­ge­richts ist zu ent­neh­men, dass das LG Mün­chen II in der da­ma­li­gen Ent­schei­dung die Ver­wei­sung mit den glei­chen Ar­gu­men­ten wie im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren be­grün­det und dem­zu­fol­ge bei dem er­neu­ten Ver­wei­sungs­be­schluss vom 02.07.2019 die Ent­schei­dung des Baye­ri­schen Obers­te Lan­des­ge­richts völ­lig un­be­rück­sich­tigt ge­las­sen hat. Denn ei­ne in­halt­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit den Aus­füh­run­gen im Be­schluss des Baye­ri­schen Obers­ten Lan­des­ge­richts, ins­be­son­de­re zu der aus­drück­lich an­ge­spro­che­nen feh­len­den Er­mitt­lung der Be­le­gen­heit des Ver­mö­gens, lässt der Ver­wei­sungs­be­schluss vom 02.07.2019 ver­mis­sen. Zwar hat das Baye­ri­sche Obers­te Lan­des­ge­richt die da­ma­li­ge Ver­wei­sung noch nicht als will­kür­lich an­ge­se­hen, wie auch das LG Mün­chen II in sei­ner Vor­la­ge­ver­fü­gung vom 02.12.2019 be­merkt hat. Der­ar­ti­ge Be­wer­tun­gen kön­nen sich aber durch­aus än­dern (F. O. Fi­scher, MDR 2020, 75, 76), ins­be­son­de­re wenn man be­rück­sich­tigt, dass, wie auch der Se­nat be­reits in der Ent­schei­dung vom 13.08.2019 – 34 AR 111/19, NJW-RR 2019, 1396 – an­ge­merkt hat, mitt­ler­wei­le in ei­ner Viel­zahl ver­öf­fent­lich­ter ober­ge­richt­li­cher Ent­schei­dun­gen so­wie in der Li­te­ra­tur die Fra­ge der ört­li­chen Zu­stän­dig­keit nach § 32 ZPO bei Kla­gen ge­gen den Her­stel­ler in vom so­ge­nann­ten Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Ver­fah­ren aus­führ­lich er­ör­tert wird. Da­bei ist ein­hel­li­ge Mei­nung, dass grund­sätz­lich wahl­wei­se die Zu­stän­dig­keit an je­dem Be­ge­hungs­ort (Hand­lungs-, Er­folgs- oder Scha­dens­ort) be­grün­det sein kann (Ba­yO­bLG, Beschl. v. 22.01.2019 – 1 AR 23/18, BeckRS 2019, 5991 Rn. 18; Se­nat, Beschl. v. 13.08.2019 – 34 AR 111/19, NJW-RR 2019, 1396 Rn. 13; OLG Hamm, Beschl. v. 26.10.2018 – 32 SA 32/18, NJW-RR 2019, 186 Rn. 12 ff.; Beschl. v. 14.12.2018 – 32 SA 53/18, BeckRS 2018, 38057 Rn. 19 ff.; OLG Düs­sel­dorf, Beschl. v. 30.10.2017 – 5 Sa 44/17, NJW-RR 2018, 573 Rn. 18 ff.; OLG Stutt­gart, Beschl. v. 22.05.2018 – 9 AR 3/18, BeckRS 2018, 10638 Rn. 7 ff.; Voss­ler, NJW 2018, 2201, 2202 [Anm. zu BGH, Beschl. v. 06.06.2018 – X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200]; Lon­grée, MDR 2018, 1348, 1350 f.). Ei­ne Ver­wei­sung, die dies ne­giert, ist da­her als ob­jek­tiv will­kür­lich an­zu­se­hen.

Dem­zu­fol­ge ist das LG Mün­chen II als ört­lich zu­stän­dig zu be­stim­men.

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