- Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs hat gegen die Volkswagen AG keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 823 II, 31 BGB i. V. mit §§ 6 I, 27 I EG-FGV, weil weder § 6 I noch § 27 I EG-FGV ein Schutzgesetz i. S. von § 823 II BGB ist.
- Ein Käufer, der ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeugs erst im August 2016 – elf Monate nach Aufdeckung des Skandals – erworben hat, hat gegen die Volkswagen AG schon mangels einer Täuschungshandlung i. S. von § 263 I StGB keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB.
- Ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB scheitert dann, wenn ein Käufer ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeugs erst elf Monate nach Aufdeckung des Skandals erwirbt, jedenfalls daran, dass sich das Verhalten der Volkswagen AG bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags nicht (mehr) als sittenwidrig darstellt.
OLG Koblenz, Urteil vom 02.12.2019 – 12 U 804/19
(nachfolgend: BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20)
Sachverhalt: Der Kläger erwarb im August 2016 von der Autohaus S-GmbH einen VW Touran (Sondermodell Match) mit einer Laufleistung von 79.556 km zum Preis von 13.600 €. Das Fahrzeug ist mit einem EA189-Dieselmotor ausgestattet und deshalb vom VW-Abgasskandal betroffen. Ein Softwareupdate wurde installiert.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, die beklagte Volkswagen AG zur Zahlung von 13.600 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des VW Touran, zu verurteilen. Darüber hinaus hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug sei. Außerdem hat er die Beklagte auf Zahlung von 607,64 € nebst Zinsen sowie auf Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 990,68 € in Anspruch genommen.
Das LG Trier hat die Klage mit Urteil vom 03.05.2019 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger gegen die Beklagte keine vertraglichen Ansprüche (§§ 280 I, 311 II, III, 241 II BGB) habe. Einen Anspruch aus § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB habe der Kläger ebenfalls nicht, weil der Kläger bei Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrags nicht getäuscht worden sei. Vielmehr habe die Beklagte bereits zehn Monate vor Vertragsschluss offengelegt, dass bei Fahrzeugen, die mit einem EA189-Motor ausgestattet seien, eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz komme. Aus diesem Grunde liege auch keine sittenwidrige vorsäSchädigung des Klägers durch die Beklagte vor, sodass der Kläger nicht mit Erfolg Schadensersatz gemäß § 826 BGB verlangen könne. Eine Haftung der Beklagten nach § 823 II BGB i. V. mit Art. 12, 18 der Richtlinie 2007/46/EG und §§ 4, 6, 25, 27 EG-FGV scheitere schon daran, dass die genannten Vorschriften keine Schutzgesetze i. S. von § 823 II BGB seien.
Mit seiner dagegen gerichteten Berufung hat der Kläger geltend gemacht, dass ihm die Beklagte gemäß § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB Schadensersatz leisten müsse, weil sie ihn bei Abschluss des hier interessierenden Kaufvertrags mittelbar getäuscht habe. Die Organe der Beklagten seien auch nicht wirksam von der Begehung des Betrugs zurückgetreten, da der Rücktritt – die Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung im September 2015 – nicht freiwillig erfolgt sei. Nach § 24 I 1 StGB sei ein Rücktritt vom Versuch jedoch nur strafbefreiend, wenn die weitere Ausführung der Tat freiwillig aufgegeben oder deren Vollendung freiwillig verhindert werde. Davon könne vorliegend keine Rede sein. Di Ad-hoc-Mitteilung sei nämlich nur veröffentlicht worden, weil das Kraftfahrt-Bundesamt in einem im September 2015 erlassenen – bestandskräftigen – Bescheid festgestellt habe, dass die Software, die die Beklagte in vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen eingesetzt habe, eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 II 1 i. V. mit Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 sei. Ferner habe das Kraftfahrt-Bundesamt im Oktober 2015 den Rückruf der betroffenen Fahrzeuge angeordnet und die Beklagte aufgefordert, die Fahrzeuge in einen den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entsprechenden Zustand zu versetzen. Darüber hinaus fehle es an einem ernsthaften Bemühen der Beklagten, den Schadenseintritt zu verhindern. Aus der von der Beklagten im September 2015 veröffentlichten Ad-hoc-Mitteilung sei die Tragweite der Problematik nicht erkennbar. Insbesondere habe er, der Kläger, hierdurch keine Kenntnis davon erlangt, dass der merkantile Wert des Fahrzeugs erheblich sinken werde. Daher habe er das Fahrzeug irrtumsbedingter gekauft. Hätte er Kenntnis vom Ausmaß und von den Auswirkungen des VW-Abgasskandals gehabt, hätte er das Fahrzeug nicht gekauft. Er sei auch beim Kauf des Fahrzeugs, für das er einen dem damaligen Marktwert entsprechenden Preis gezahlt habe, nicht auf die Abgasproblematik hingewiesen worden.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts – so hat der Kläger weiter geltend gemacht – habe er auch ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 823 II, 31 BGB i. V. mit sect;§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV. Denn anders als vom Landgericht angenommen, handele es sich bei §§ 6 I, 27 I EG-FGV um Schutzgesetze i. S. des § 823 II BGB.
Weiter sei ein Anspruch aus § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB gegeben, denn trotz der im September 2015 veröffentlichen Ad-hoc-Mitteilung habe ihn die Beklagte sittenwidrig vorsätzlich geschädigt. Die Beklagte habe keine hinreichenden Schritte unternommen, um die Käufer ihrer Fahrzeuge vollumfänglich aufzuklären. Ferner habe die Beklagte im September 2015 mitgeteilt, dass die Fahrzeuge nach der Installation eines Softwareupdates die jeweils einschlägige Abgasnorm erfüllten. Ziel sei es, dies ohne Beeinträchtigung insbesondere der Motorleistung und des Kraftstoffverbrauchs zu erreichen. Hierauf habe er, der Kläger, vertraut und sowohl den streitgegenständlichen Pkw erworben, als auch in der Folgezeit das Softwareupdate aufspielen lassen. Die Stickoxid(NOX)-Emissionen des Fahrzeugs lägen jedoch weiterhin über dem zulässigen Grenzwert. Darüber hinaus habe das Softwareupdate schon bei vielen Fahrzeugen zu teils unbehebbaren Motorproblemen geführt.
Die Beklagte hat gemeint, die Berufung sei bereits unzulässig, weil die Berufungsschrift nicht auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sei und daher den Anforderungen des § 520 III 2 ZPO nicht genüge.
Dem Kläger stünden keine deliktischen Schadensersatzansprüche zu. Angesichts der großflächigen und andauernden Medienberichterstattung, die sich an ihre – der Beklagten – Ad-hoc-Mitteilung vom 22.09.2015 angeschlossen habe, müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug in Kenntnis der Tatsache erworben habe, dass darin eine den Schadstoffausstoß manipulierende Software zum Einsatz gekommen sei. Unstreitig sei über das Thema ab Ende September 2015 in sämtlichen deutschen regionalen und überregionalen Medien großflächig berichtet worden. So hätten am 22.09.2015 zahlreichen Fernsehsender umfassende Beiträge zu der Thematik ausgestrahlt. Das Erste habe an diesem Tag unter anderem in der Tagesschau, in einer sich anschließenden Sondersendung (Brennpunkt) und auch in den Tagesthemen über die Software und davon berichtet, dass sie weltweit in 11 Millionen Fahrzeugen eingesetzt werde. Außerdem seien am 22.09.2015 fast alle Titelseiten der überregionalen Tageszeitungen von der Thematik geprägt gewesen; dies gelte insbesondere für die Bild, die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Welt, die Welt Kompakt, das Handelsblatt, die Augsburger Allgemeine sowie den Tagesspiegel. Auch die Onlinemedien hätten mehrfach über die Diesel-Thematik berichtet. Die Berichterstattung sei unstreitig auch nach Ende September 2015 nicht abgerissen.
Darüber hinaus habe sie, die Beklagte, Anfang Oktober eine Website freigeschaltet, anhand derer jedermann – gleich ob Fahrzeughalter oder Kaufinteressent – durch Eingabe der Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) habe überprüfen klönnen, ob ein konkretes Fahrzeug mit der in Rede stehenden Software ausgestattet sei. Diese FIN-Abfrage sei auf ihrer Internetpräsenz an prominenter Stelle platziert worden. Darüber habe sie am 02.10.2015 in einer Pressemitteilung informiert. Auch die Konzernmarken bzw. ihre deutschen Importeure AUDI AG, Seat Deutschland GmbH und ŠKODA AUTO Deutschland GmbH hätten Anfang Oktober entsprechende Webseiten geschaltet und die Öffentlichkeit darüber informiert. Weiterhin hätten zahlreiche Medien, zum Beispiel die Auto Bild (online), der Spiegel (online), die Westdeutsche Allgemeine Zeitung, das Handelsblatt, der Fokus (online), die Hannoversche Allgemeine Zeitung, die Zeit (online), die Süddeutsche Zeitung (online), die Welt (online) und n-tv (online), öffentlich über die Möglichkeit einer FIN-Recherche berichtet. Auch ihre – der Beklagten – Vertragshändler und Servicepartner seien darüber, dass Fahrzeuge mit einem EA189-Dieselmotor über die in Rede stehende Software verfügten, informiert gewesen. Bereits umgerüstete Fahrzeuge seien entsprechend gekennzeichnet worden; die FIN-Abfrage habe bei einem bereits umgerüsteten Fahrzeug die Information geliefert, dass eine Überarbeitung erfolgt sei.
Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: II. … 1. Die Berufung ist zulässig. … Insbesondere genügt die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 III 2 ZPO. Soweit die Beklagte geltend macht, die Berufungsbegründung des Klägers sei nicht auf den Streitfall zugeschnitten und setze sich nicht mit dem erstinstanzlichen Urteil auseinander, ist dies so nicht zutreffend. Für die Zulässigkeit der Berufung ist es ausreichend, dass die Berufung auf den Streitfall zugeschnitten ist und deutlich macht, auf welche Punkte tatsächlicher oder rechtlicher Art sich die Angriffe erstrecken sollen. Weder Schlüssigkeit noch Vertretbarkeit der Begründung sind Zulässigkeitsvoraussetzungen (vgl. BGH, Beschl. v. 02.02.2012 – V ZB 184/11, NJW-RR 2012, 397 Rn. 6; Beschl. v. 06.12.2011 – II ZB 21/10, MDR 2012, 244 Rn. 7; Beschl. v. 21.09.2010 – VIII ZB 9/10, WuM 2010, 694 Rn. 10). Diesen Anforderungen genügt der Berufungsbegründungsschriftsatz des Klägers vom 03.07.2019. Der Kläger hat in dem Schriftsatz deutlich hervorgehoben, dass das Landgericht die von ihm geltend gemachten Schadensersatzansprüche zu Unrecht zurückgewiesen habe. Das Landgericht habe zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch nach § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB abgelehnt, da die Beklagte nicht wirksam vom Versuch des Betruges zurückgetreten sei. Es fehle insoweit an der Freiwilligkeit. Im Übrigen sei der Kläger von der Beklagten sittenwidrig i. S. des § 826 BGB geschädigt worden. Ferner habe das Landgericht verkannt, dass es sich bei §§ 6 I, 27 I EG-FGV um Schutzgesetze i. S. des § 823 II BGB handele. Damit bringt der Kläger klar zum Ausdruck, in welchen Punkten er das erstinstanzliche Urteil angreift. Der Umstand, dass viele Ausführungen eher allgemeiner Art sind, hängt mit der hier vorliegenden Fallkonstellation einer Flut von Verfahren von Klägern, die gleichgelagerte Schäden im Rahmen des Diesel-Abgasskandals geltend machen, zusammen. Gleichwohl ist durch einleitende und überleitende Sätze ein ausreichender Bezug zum hier zu entscheidenden Fall hergestellt.
2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.
A. a) Zutreffend geht das Landgericht zunächst davon aus, dass dem Kläger weder aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB noch aus §§ 280 I, 311 III, 241 II BGB ein Schadensersatzanspruch in der geltend gemachten Höhe zusteht. Zur Begründung wird auf die Ausführungen des LG Trier in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, denen sich der Senat in vollem Umfang anschließt.
b) Weiterhin ergibt sich der vom Kläger mit dem Antrag zu 1 geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht aus §§ 823 II, 31 BGB i. V. mit §§ 6 I, 27 I EG-FGV. Bei den §§ 6 I, 27 I EG-FGV handelt es sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht um Schutzgesetze, weil sie den Schutz individueller Interessen nicht berücksichtigen. Dass der Individualschutz (hier der Schutz des Vermögens des Erwerbers eines Kraftfahrzeugs) im Aufgabenbereich der genannten Vorschrift liegt oder aber aus deren Auslegung unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden Richtlinie 2007/46/EG folgt, ist nicht ersichtlich (vgl. OLG München, Beschl. v. 29.08.2019 – 8 U 1449/19, juris Rn. 78 ff.).
aa) Schutzgesetz i. S. von § 823 II BGB ist jede Rechtsnorm, die zumindest auch dazu dienen soll, einen Einzelnen oder einen bestimmten Personenkreis gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsinteresses zu schützen (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.1963 – V ZR 201/61, BGHZ 40, 306 = juris Rn. 1; Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 218/03, BGHZ 160, 134, 139 = juris Rn. 21; Urt. v. 10.02.2011 – I ZR 136/09, BGHZ 188, 326 = juris Rn. 18; Urt. v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90 = juris Rn. 21). Der Schutz eines Einzelnen ist dabei nicht bereits dann bezweckt, wenn er als Reflex einer Befolgung der Norm objektiv erreicht wird, sondern nur dann, wenn der Gesetzgeber dem Einzelnen selbst die Rechtsmacht in die Hand geben wollte, mit Mitteln des Privatrechts gegen denjenigen vorzugehen, der das Verbot übertritt und sein Rechtsinteresse beeinträchtigt (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.1963 – V ZR 201/61, BGHZ 40, 306, 307 = juris Rn. 2; Urt. v. 19.07.2004 – II ZR 218/03, BGHZ 160, 134, 139 f. = juris Rn. 21; Urt. v. 10.02.2011 – I ZR 136/09, BGHZ 188, 326 = juris Rn. 18; Urt. v. 13.12.2011 – XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90 = juris Rn. 21).
bb) Ausgehend von diesen Maßstäben kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass den §§ 6 I, 27 I EG-FGV eine individualschützende Wirkung im Sinne der vorstehend genannten Kriterien innewohnt.
(1) Neben den der Umsetzung der Richtlinie 2007/46/EG dienenden Vorschriften der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung kann die Richtlinie nicht unmittelbar als Schutzgesetz herangezogen werden. Zwar kommt als Schutzgesetz auch in den Mitgliedsstaaten unmittelbar geltendes Recht der Europäischen Union in Betracht (BGH, Urt. v. 10.02.2011 – I ZR 136/09, BGHZ 188, 326 = juris Rn. 17). Dies gilt jedoch nicht für die hier vorliegende Richtlinie. Nach Art. 288 III AEUV unterscheidet sich eine Richtlinie von einer Verordnung nämlich dadurch, dass sie nicht unmittelbar in den Mitgliedsstaaten der EU gilt, sondern der Umsetzung in nationales Recht bedarf.
(2) Soweit demgegenüber die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 über die Zulassung von Fahrzeugen sowie Abschalteinrichtungen, insbesondere die als verletzte Norm in Betracht kommenden Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II (Vorschriften zu einer möglichen illegalen Abschalteinrichtung) sowie Art. 4 (Vorschriften zu den allgemeinen Pflichten des Herstellers bei Beantragung einer Typgenehmigung) als Schutzgesetze in Betracht kämen, weil sie im Sinne der unter A a aa zitierten Rechtsprechung nach Art. 288 II AEUV unmittelbar geltendes Unionsrecht sind, fehlt den genannten Normen die Schutzgesetzeigenschaft.
Ziel der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist nach deren einleitenden Bemerkungen (1) bis (4) sowie zusammengefasst nochmals (27) die Harmonisierung und Vollendung des Binnenmarkts durch Einführung gemeinsamer technischer Vorschriften zur Begrenzung von Fahrzeugemissionen. Zwar werden neben der Vereinheitlichung der Rechtsregelung ein hohes Umweltschutzniveau (1) als Ziel und die Reinhaltung der Luft als Vorgabe für Regelungen zur Senkung der Emissionen von Fahrzeugen (4) beschrieben, doch folgt aus den Ausführungen unter (7), die die Verbesserung der Luftqualität in einem Zuge mit der Senkung der Gesundheitskosten (und dem Gewinn an Lebensjahren) nennen, dass es auch insoweit nicht um individuelle Interessen, sondern letztlich um umwelt- und gesundheitspolitische Ziele geht. Dass der europäische Gesetzgeber im Sinne der Definition des Schutzgesetzes dem einzelnen Verbraucher die Rechtsmacht in die Hand geben wollte, mit Mitteln des Privatrechts gegen denjenigen vorzugehen, der in dieser Verordnung zur Umsetzung dieser Ziele geregelte Verbote übertritt und sein Rechtsinteresse beeinträchtigt, geht aus den Vorbemerkungen nicht hervor. Vielmehr spricht der Umstand, dass die Ziele in (7) in Beziehung gesetzt werden zu den Auswirkungen der Emissionsgrenzwerte auf die Märkte und die Wettbewerbsfähigkeit von Herstellern, gegen einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers. Dies gilt umso mehr, als auch die Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 selbst keinen Bezug zu Individualinteressen des einzelnen Bürgers aufweisen (so i. E. auch OLG Braunschweig, Urt. v. 19.02.2019 – 7 U 134/17, juris Rn. 144; Riem, DAR 2016, 12, 13).
(3) Die Vorschriften der EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung, die die Richtlinie in nationales Recht umsetzen, berücksichtigen ebenfalls nicht den Schutz individueller Interessen.
(3.1) Maßgebend sind zunächst die Erwägungsgründe (2), (4) und (23) der Richtlinie 2007/46/EG. Aus diesen ergibt sich eindeutig, dass das Ziel der Richtlinie in erster Linie die Vollendung des europäischen Binnenmarkts ist; darüber hinaus sollte sie die technischen Anforderungen in Rechtsakten harmonisieren und spezifizieren, wobei diese Rechtsakte vor allem auf hohe Verkehrssicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz, rationale Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Nutzung abzielten. Individualinteressen, vor allem das Vermögensinteresse von Kraftfahrzeugerwerbern, finden keine Erwähnung.
Sonstige Erwägungsgründe der Richtlinie, insbesondere (14) und (17), lassen anderweitige Rückschlüsse nicht zu. Diese betreffen, soweit sie über die bereits genannten Erwägungsgründe hinausgehen, ausschließlich weitere allgemeine Güter, nämlich ein hohes Umweltschutzniveau, den Schutz der (allgemeinen) Gesundheit und den Schutz der Verbraucher, ohne dass der Vermögensschutz des Einzelnen darin angesprochen wäre.
(3.2) Etwas anderes folgt nicht aus dem Zweck der Art. 18 I und 26 I der Richtlinie 2007/46/EG selbst, deren Umsetzung die §§ 6 I, 27 I EG-FGV dienen. Soweit nach Art. 26 I der Richtlinie 2007/46/EG die Mitgliedsstaaten die Zulassung, den Verkauf und die Inbetriebnahme von Fahrzeugen gestatten, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind, zielt dies auf die Erleichterung des Binnenmarkts; Anhaltspunkte dafür, dass die Richtlinie auf den Schutz des Vermögens des Autokäufers abstellt, ergeben sich nicht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Änderung, die die Richtlinie 2007/46/EG durch die Verordnung (EG) Nr. 385/2009 erfahren hat. Danach stellt die Übereinstimmungsbescheinigung „eine Erklärung des Fahrzeugherstellers dar, in der er dem Fahrzeugkäufer versichert, dass das von ihm erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung mit den in der Europäischen Union geltenden Rechtsvorschriften übereinstimmte“. Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit bereits der in der Ausgangsrichtlinie eindeutig auf allgemeine Rechtsgüter bezogene Schutzzweck auf individuelle Rechtsgüter des Fahrzeugkäufers erstreckt werden sollte. Dagegen spricht zunächst der Erwägungsgrund (2) der Verordnung (EG) Nr. 385/2009, in dem die Übereinstimmungsbescheinigung als eine „offizielle“ Erklärung bezeichnet wird, denn dies deutet wieder auf den amtlichen, im Rahmen des Zulassungsverfahrens von der Übereinstimmungsbescheinigung zu erfüllenden Zweck hin. Ein Individualschutz lässt sich ebenfalls nicht aus dem Erwägungsgrund (3) der Verordnung (EG) Nr. 385/2009 herleiten, wonach sicherzustellen ist, dass die Angaben auf der Übereinstimmungsbescheinigung für die beteiligten Verbraucher und Wirtschaftsteilnehmer verständlich sein müssen. Das Verständlichkeitsgebot alleine spricht nämlich nicht dafür, dass nunmehr individuelle Interessen geschützt werden sollen, sondern ist auch dadurch zu erklären, dass es der Käufer ist, der die Übereinstimmungsbescheinigung zum Zwecke der Zulassung bei den zuständigen Behörden vorlegen muss. Schon dazu bedarf es einer verständlichen Fassung (vgl. OLG Braunschweig, Urt. v. 19.02.2019 – 7 U 134/17, juris Rn. 152).
Den mit dem Antrag zu 1 begehrten Schadensersatz kann der Kläger daher aus §§ 823 II, 31 BGB i. V. mit §§ 6 I, 27 I EG-FGV nicht herleiten.
(c) Ein Anspruch des Klägers auf den geltend gemachten Schadensersatz ergibt sich ebenfalls nicht aus § 823 II BGB i. V. mit § 263 I StGB.
aa) Es fehlt bereits an einer Täuschungshandlung i. S. von § 263 I StGB, denn der Kläger hat eine solche bereits nicht ausreichend substanziiert dargelegt. Da der Kläger den Pkw nicht von der Beklagten gekauft hat, sondern von einem Autohändler, hat er sich zur Darlegung der Täuschungshandlung alleine auf eine mittelbare Täuschung durch die Beklagte berufen, indem diese über die Verwendung der den Prüfzyklus erkennenden und dann die Abgasrückführung verstärkenden Motorsteuerungssoftware, die in dem Motor seines Fahrzeugs verbaut war, hätte aufklären müssen. Eine Erregung eines Irrtums dadurch gerade bei dem Kläger ist jedoch begrifflich ausgeschlossen, wenn er bereits Kenntnis von den Tatsachen hatte, über deren Vorliegen er getäuscht worden sein will (vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 02.11.2017 – 7 U 69/17, BeckRS 2017, 147936 Rn. 7). Dies ist hier der Fall, da der Kläger das Fahrzeug erst im August 2016 und damit elf Monate nach Bekanntwerden des sogenannten VW-Abgasskandals im September 2015 gekauft hat. Zwar hat der Kläger bestritten, Kenntnis von der Problematik und insbesondere von deren Auswirkungen auf den merkantilen Wert des Fahrzeugs gehabt zu haben. Die Beklagte hat in ihrer nachfolgenden Klageerwiderung jedoch ausgeführt, dass sie am 22.09.2015 eine Ad-hoc-Mitteilung gemäß § 15 WpHG herausgegeben und hierin über die Diesel-Thematik informiert habe. So sei in der Mitteilung unter anderem ausgeführt worden, „dass die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Dieselmotoren mit Hochdruck vorangetrieben werde“. Weiterhin heiße es in der Mitteilung: „Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit mehr als elf Millionen Fahrzeugen.“ Im direkten Anschluss an diese Ad-hoc-Mitteilung der Beklagten sei die Diesel-Thematik in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert und in Presse, Funk und Fernsehen ausführlich hierzu berichtet worden. Es sei unmöglich gewesen, an dieser Berichterstattung vorbeizukommen, sodass davon ausgegangen werden müsse, dass der Kläger sich in Kenntnis der Software für den Erwerb des Fahrzeugs entschieden habe (vgl. S. 26 der Klageerwiderung vom 19.03.2019). Dem ist der Kläger nicht mehr substanziiert entgegengetreten. Insbesondere hat er nicht dargelegt, warum er trotz all der Berichterstattung nichts davon erfahren haben will, dass auch sein Pkw über eine den Prüfzyklus erkennende und dann die Abgasrückführung verändernde Motorsteuerungssoftware verfügte. Es liegt auf der Hand, dass der Kläger zu der von ihm behaupteten Erregung eines Irrtums über Tatsachen weiter substanziiert vortragen muss, wenn es um ein die täglichen Nachrichten monatelang beherrschendes Thema geht, das schon der Bezeichnung nach („Dieselgate“ „Dieselskandal“ „VW-Abgasskandal“), aber auch nach der betroffenen Motorbauart (Dieselmotoren mit 1,2 l, 1,6 l und 2,0 l Hubraum) auch seinen Pkw betreffen konnte und worüber sich nach Bekanntwerden aller Lebenserfahrung jeder Halter oder Fahrer eines VW-Dieselmodells hinsichtlich seines eigenen Pkw bzw. auch ein Käufer hinsichtlich des Pkw, den er zu erwerben beabsichtigt, informiert hat (vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 02.11.2017 – 7 U 69/17, BeckRS 2017, 147936 Rn. 8). Dass und warum dies beim Kläger nicht zutraf, hat der Kläger trotz dieses Vorbringens der Beklagten nicht ausgeführt.
Hinzu kommt, dass der Kläger auch den Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz unwidersprochen gelassen hat, wonach die Beklagte unmittelbar nach der Ad-hoc-Mitteilung eine Website mit einer Suchmaske eingerichtet hat, mit deren Hilfe ein Fahrzeughalter oder Kaufinteressent durch Eingabe einer Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) überprüfen konnte, ob ein konkretes Fahrzeug mit der Umschaltlogik ausgestattet war, und dass in der Presse über die Einrichtung dieser Website umfangreich berichtet worden sei. Weiterhin ist der Kläger dem Vortrag der Beklagten nicht entgegengetreten, dass nach der öffentlichen Bekanntmachung des Einbaus der Umschaltlogik die Beklagte auch ihre Vertragsservicepartner über den Umstand informiert habe, dass die Fahrzeuge mit diesen Motoren über die Umschaltlogik verfügen. Gleiches gilt für die ausführliche Darstellung der Beklagten in der Berufungserwiderung, welche Medien zu welchen Zeitpunkten über den Diesel-Abgasskandal ausführlich berichtet haben (vgl. S. 9 f. des Schriftsatzes vom 26.09.2019).
bb) Doch selbst wenn der Kläger anlässlich des Kaufs einem Irrtum über die Verwendung der Umschaltlogik bei dem in dem erworbenen Fahrzeug verbauten Motor unterlegen sein sollte, fehlt es jedenfalls an einer vorsätzlichen Täuschungshandlung der Beklagten, die kausal für den vom Kläger behaupteten Schaden sein könnte. Die Beklagte hat den Kläger nicht über vertragsrelevante Merkmale, insbesondere über eine manipulierte Abgasrückführung, getäuscht. Die Beklagte selbst war unstreitig am Vertragsabschluss selbst nicht beteiligt. Der Vorsatz eines Betrugs muss sich auf die Verursachung des (unmittelbar verursachten) Vermögensschadens erstrecken. Der Täter muss die wesentlichen Umstände, die den Schaden begründen, erkennen oder mit ihrer Möglichkeit rechnen und sie billigend in Kauf nehmen. Jedenfalls nicht ausreichend ist die Kenntnis einer nur „potenziellen Gefährdungslage“ (BGH, Beschl. v. 16.04.2008 – 5 StR 615/07, NStZ-RR 2008, 239). Der maßgebliche Zeitpunkt für die Bewertung dieses Umstands ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, im vorliegenden Fall der 25.08.2016. Weiter vorher liegende Umstände können nicht mehr kausal für den Vorsatz des Täuschenden sein, wenn der einmal in Gang gesetzte Handlungsablauf abgebrochen ist. Dies ist im vorliegenden Fall geschehen durch Bekanntwerden des sogenannten Diesel-Abgasskandals elf Monate vor dem streitgegenständlichen Vertragsschluss. Die „Manipulation“ durch Mitarbeiter der Beklagten ist im September 2015 öffentlich bekannt geworden und in einer Vielzahl von Medien umfangreich und wiederholt diskutiert worden, wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat. Die Vertreter der Beklagten haben zumindest in objektiver Hinsicht eingestanden, dass in einer Vielzahl der von ihnen gebauten Fahrzeuge bei dem verwendeten Motor EA189 eine Manipulation der sogenannten Abgasrückführung stattgefunden hat. Diesbezüglich hat dann ein Verfahren vor dem Kraftfahrt-Bundesamt stattgefunden, das zu einer Verpflichtung der Beklagten führte, ein sogenanntes Softwareupdate durchzuführen. Auch dies ist breit medial dargetan worden, und die Beklagte hat eine entsprechende Aufforderung an alle Käufer eines manipulierten Fahrzeugs versandt. Das streitgegenständliche Fahrzeug ist unstreitig mit dem entsprechenden Softwareupdate ausgestattet worden. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass der Kläger, selbst wenn er sich subjektiv keine Vorstellungen über sein Fahrzeug, insbesondere den dort verbauten Motor, gemacht haben sollte, objektiv nicht mehr von der Beklagten getäuscht worden sein konnte, da der sogenannte Abgasskandal offengelegt war und die Beklage durch die Bereitstellung des Softwareupdates alle erforderlichen Schritte eingeleitet hatte, um den Zustand, der im Jahr 2015 vor der Aufdeckung des Skandals herrschte, zu beseitigen. Nach öffentlicher Verlautbarung des sogenannten Dieselskandals und entsprechenden Reaktionen der Beklagten durch Bereitstellung eines Softwareupdates für den manipulierten Motor sowie der Einrichtung einer Website mit einer Suchmaske, mit deren Hilfe jedermann durch Eingabe einer Fahrzeug-Identifizierungsnummer feststellen konnte, ob ein bestimmtes Fahrzeug vom Dieselskandal betroffen ist, sowie der Information der Servicepartner und Vertragshändler über die Verwendung der Umschaltlogik in dem Motor EA189 konnte eine Täuschung von Käufern in objektiver Hinsicht nicht mehr erfolgen, sodass es an einem vorsätzlichen Handeln der Beklagten zu diesem Zeitpunkt fehlt (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 04.07.2019 – 1 U 240/19, BeckRS 2019, 21289 Rn. 18 f.). Denn die Beklagte hat jedenfalls aufgrund der durchgeführten Informationsmaßnahmen und der Zusammenarbeit mit dem Kraftfahrt-Bundesamt zum hier maßgeblichen Zeitpunkt im August 2016 alles getan, um zu verhindern, dass ein Käufer ein von ihr mit dem Motor EA189 ausgestattetes Fahrzeug in Unkenntnis der darin verbauten Umschaltlogik erwerben würde.
Daher ist ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte nach § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB nicht gegeben.
(d) Der mit dem Antrag zu 1 geltend gemachte Schadensersatzanspruch ergibt sich weiterhin nicht aus § 826 BGB i. V. m. § 31 BGB analog. Nach § 826 BGB ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlichen Schaden zufügt, dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
aa) Im vorliegenden Fall fehlt es für einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB jedenfalls bereits an der notwendigen besonderen Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schadenseintritts im Juli 2016.
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, WM 2016, 1975 Rn. 16). Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur dann, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht oder einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Auch hier müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und den als „anständig“ geltenden verwerflich machen (BGH, Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15, WM 2016, 1975 Rn. 16 m. w. Nachw.). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.2013 – VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380 Rn. 8 [Verleitung zum Vertragsbruch]; Urt. v. 22.06.1992 – II ZR 178/90, NJW 1992, 3167, 3174 [Erteilung einer bewusst unrichtigen Auskunft aus eigennützigen Interessen]; OLG Köln, Urt. v. 06.06.2019 – 24 U 5/19, juris Rn. 45).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Verhaltens des Anspruchsgegners als sittenwidrig ist der Zeitpunkt der Schadensherbeiführung, das heißt hier der Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags (vgl. BGH, Urt. v. 04.06.2013 – VI ZR 288/12, NJW-RR 2013, 1448 Rn. 13; Förster, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BGB, 4. Aufl., § 826 Rn. 23). Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags am 25.08.2016 stellt sich das Verhalten der Beklagten nicht als sittenwidrig dar (vgl. OLG Köln, Urt. v. 06.06.2019 – 24 U 5/19, juris Rn. 44 ff.; OLG Koblenz, Urt. v. 04.07.2019 – 1 U 240/19, BeckRS 2019, 21289 Rn. 18 f.; OLG Celle, Beschl. v. 29.04.2019 – 7 U 159/19, juris Rn. 19 ff.).
Als die Beklagte im Jahr 2012 das streitgegenständliche Fahrzeug zum Zwecke des Weiterverkaufs über ihren Vertragshändler in den Verkehr brachte, hatte sie zwar in sittenwidriger Weise den Neuwagenkäufer geschädigt, an den das mit einem Sachmangel behaftete Neufahrzeug ausgeliefert wurde. Indem die Beklagte mittels Aufrechterhaltung ihrer mit der Inverkehrgabe des Fahrzeugs abgegebenen konkludenten Erklärung, dass das Fahrzeug uneingeschränkt im Straßenverkehr eingesetzt werden kann, durch fortwährendes Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung in den Dieselmotoren des Typs EA189 an ihrem danach als sittenwidrig einzustufenden Verhalten festgehalten hatte, wurde anschließend auch nachteilig auf die Vermögenslage ahnungsloser Zweit- und Dritterwerber des sachmangelbehafteten Fahrzeugs eingewirkt. Unstreitig hat die Beklagte jedoch am 22.09.2015 mitgeteilt, dass es bei den in ihren Fahrzeugen verbauten Dieselmotoren des Typs EA189 zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Wie bereits oben ausgeführt, hatte sie eine Ad-hoc-Mitteilung herausgegeben, mit der sie die Öffentlichkeit darüber informierte, dass sie „die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Dieselmotoren mit Hochdruck“ vorantreibt. In dieser Mitteilung heißt es unter anderem weiter:
„Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. Volswagen arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen. Das Unternehmen steht dazu derzeit in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem deutschen Kraftfahrt-Bundesamt.“
Indem die Beklagte ihr vorangegangenes gesetzeswidriges Tun nach Aufdecken des Abgasskandals um die Dieselmotoren vom Typ EA189 nicht vertuscht, sondern unstreitig mit dem Kraftfahrt-Bundesamt zusammengearbeitet und sich daher mit der Aufarbeitung der Problematik befasst hat, worüber sie die Öffentlichkeit informiert hat, kann ihr jedenfalls im Bezug auf potenzielle Gebrauchtwagenkäufer ab Herbst 2015 kein verwerfliches Verhalten (mehr) angelastet werden. Die Beklagte hatte im Herbst 2015 letztlich jedenfalls objektiv den Fehler bei der Abgasrückführung ihrer Dieselmotoren EA189 eingeräumt und seine Beseitigung in Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt angekündigt. Weiterhin hatte Sie einen Link zu einer Suchmaske auf ihrer Website eingerichtet, mit deren Hilfe durch Eingabe der FIN festgestellt werden konnte, ob ein konkretes Fahrzeug mit der unzulässigen Motorsteuerungssoftware ausgestattet ist. Ferner hatte sie Ihre Vertriebspartner über die Problematik informiert. Mit dieser Vorgehensweise hat die Beklagte den schädigenden Zustand, die Vertuschung der Abgasmanipulation in der Öffentlichkeit, nicht mehr aufrechterhalten. Die Gründe, die ihr Verhalten bis Herbst 2015 als sittenwidrig erscheinen ließen (Täuschung potenzieller Kunden durch Vorspiegelung einer nicht gefährdeten Nutzbarkeit ihrer Fahrzeuge im Straßenverkehr unter Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in das Kraftfahrt-Bundesamt mit dem Ziel der Kostensenkung und Gewinnmaximierung) sind damit weggefallen. Die Beklagte hat es damit jedem einzelnen potenziellen Gebrauchtwagenkäufer überlassen, selbst darüber zu entscheiden, ob er ungeachtet des „VW-Abgasskandals“ Vertrauen in ihre Dieselfahrzeuge hat oder ob er wegen möglicherweise offengebliebener Fragen Abstand von dem Kauf ihrer Fahrzeuge nimmt (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 29.04.2019 – 7 U 159/19, juris Rn. 26).
bb) Darüber hinaus fehlt es an der Darlegung der Kausalität des Verhaltens der Organe der Beklagten für den vom Kläger geltend gemachten Schaden.
Im Rahmen des § 826 BGB kann auf den Nachweis der konkreten Kausalität für den Willensentschluss der sich auf eine Täuschung berufenden Partei selbst bei – was vorliegend nicht zu bewerten war – extrem unseriösem Verhalten des in Anspruch Genommenen nicht verzichtet werden. Dementsprechend kann das enttäuschte allgemeine Vertrauen der Fahrzeugkäufer in die ordnungsgemäße Erfüllung des Kaufvertrags und die Integrität des Vertragspartners nicht ausreichend sein. Eine „generelle“ – unabhängig von der Kenntnis des potenziellen Käufers postulierte – Kausalität einer mit dem Inverkehrbringen abgegebenen unzutreffenden Erklärung eines Fahrzeugherstellers, wonach das Fahrzeug im Straßenverkehr uneingeschränkt nutzbar sei, erscheint unter Schutznormaspekten unvertretbar. Im Sinne einer „Dauerkausalität“ würde sie auf unabsehbare Zeit jedem beliebigen Erwerber des Fahrzeugs zugutekommen, ohne dass dessen Willensentschließung überhaupt berührt wäre. Eine dadurch bewirkte Ausdehnung der Haftung erscheint im Hinblick auf den schwerwiegenden Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung nicht vertretbar (vgl. BGH, Urt. v. 04.06.2013 – VI ZR 288/12, NJW-RR 2013, 1448 Rn. 25).
Mithin kommt es für die Beurteilung der Frage, ob die unzutreffende Erklärung der Beklagten über die Eigenschaften des Motors EA189 kausal für den Willensentschluss des Klägers geworden ist, das streitgegenständliche Fahrzeug zu erwerben, auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses – im vorliegenden Fall den 25.08.2016 – an. Wie bereits oben ausgeführt, hat der Kläger nicht substantiiert dargelegt, weshalb ihm trotz der Aufklärungsmaßnahmen der Beklagten und des über Monate andauernden breiten medialen Echos hierauf verborgen geblieben sein will, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit der unzulässigen Umschaltlogik ausgestattet war, sodass es an der erforderlichen Kausalität fehlt.
B. Mangels Hauptanspruchs ist auch der geltend gemachte Zinsanspruch nicht gegeben.
C. Da der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs hat, befindet sich die Beklagte nicht gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug, sodass auch der Antrag zu 3 nicht begründet ist.
D. Gleiches gilt für den Antrag zu 4. Dem Kläger steht gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch auf Zahlung von 607,64 € zu. Zur Begründung wird auf die obigen Ausführungen unter A verwiesen.
E. Ein Anspruch auf die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten ergibt sich weder aus deliktischen Anspruchsgrundlagen (s. oben unter A), noch unter dem Gesichtspunkt des Verzugs, da ein Hauptanspruch nicht gegeben ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision wird gemäß § 543 II 1 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Eine Haftung der Beklagten gemäß § 826 BGB für den Zeitraum nach Bekanntwerden der Diesel-Thematik wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt (bejahend OLG Hamm, Urt. v. 10.09.2019 – 13 U 149/18, juris; verneinend OLG Braunschweig, Beschl. v. 02.11.2017 – 7 U 69/17, BeckRS 2017, 147936; OLG Koblenz, Urt. v. 04.07.2019 – 1 U 240/19, BeckRS 2019, 21289; OLG Köln, Urt. v. 06.06.2019 – 24 U 5/19, juris; OLG Celle, Beschl. v. 29.04.2019 – 7 U 159/19, juris).
Hinweis: Der BGH hat die Revision des Klägers mit Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20 – zurückgewiesen.