1. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen (hier: Garantiebedingungen einer Neuwagen-Anschlussgarantie) Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen Dazu gehört nicht nur, dass die einzelne Regelung für sich genommen klar formuliert ist; vielmehr muss die Regelung auch im Kontext mit den übrigen Regelungen des Klauselwerks verständlich sein. Erforderlich ist ferner, dass zusammengehörende Regelungen im Zusammenhang aufgeführt werden oder der Zusammenhang in anderer Weise, etwa durch Bezugnahme auf konkrete Klauseln, deutlich gemacht wird. Der Vertragspartner soll seine Rechte möglichst klar und einfach feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird. Eine Vertragsgestaltung, die objektiv dazu geeignet ist, den Vertragspartner bezüglich seiner Rechtsstellung irrezuführen, verstößt danach gegen das Transparenzgebot (im Anschluss an BGH, Urt. v. 25.02.2016 – VII ZR 156/13, NJW 2016, 1575 Rn. 31 m. w. Nachw.).
  2. Bei der Beurteilung, ob eine Bestimmung in Garantiebedingungen (hier: der Neuwagen-Anschlussgarantie MB-100 von Mercedes-Benz) den Anforderungen des Transparenzgebots genügt oder ob sie intransparent und deshalb gemäß § 307 I 2 BGB unwirksam ist, ist auch zu berücksichtigen, mit welcher Motivation eine bestimmte Gestalung gewählt wurde. Hat der Verwender eine bestimmte formale oder inhaltliche Gestaltung ersichtlich mit dem Ziel gewählt, Einschränkungen der von ihm zu erbringenden Leistungen unauffällig in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu „verstecken“, führt dies bereits für sich genommen zur Unwirksamkeit der entsprechenden Klauseln.
  3. Die Garantiebedingungen der Neuwagen-Anschlussgarantie MB-100 von Mercedes-Benz sind wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot insoweit gemäß § 307 I 2 BGB unwirksam, als sie hinsichtlich der Materialkosten einen „Selbstbehalt“ des Garantienehmers auch für den Fall vorsehen, dass eine „Reparatur beim Garantiegeber“ erfolgt. Denn die Regelung, dass der Garantienehmer in Abhängigkeit von der Laufleistung seines Fahrzeugs einen Teil der Materialkosten gegebenenfalls auch dann selbst tragen muss, wenn keine „Fremdreparatur“ erfolgt, findet sich ohne erkennbaren Grund nicht in § 1 der Garantiebedingungen, obwohl dieser den „Inhalt der Garantie“ betrifft. Sie ergibt sich vielmehr nur aus einem unklaren Verweis auf § 6 der Garantiebedingungen.

AG Wesel, Urteil vom 29.10.2019 – 4 C 75/19

Sachverhalt: Die Klägerin betreibt ein Mercedes-Benz-Autohaus. Über sie erwarb der Beklagte im Jahr 2012 von der Daimler AG einen Neuwagen. Am 23.08.2018 vereinbarten die Parteien – wie auch in den Jahren zuvor – eine Verlängerung der Neuwagen-Garantie um ein Jahr („Mercedes-Benz Garantie-Paket (MB-100)“).

Für das Garantie-Paket MB-100 wirbt die Daimler AG mit einer von dem Beklagten vorgelegten Broschüre. Dort heißt es auf Seite 2:

„Mit leistungsstarkem Schutz sind Sie mit Sicherheit entspannt.

Mit Ihrem Mercedes erfahren Sie bestmögliche Sicherheit und Zuverlässigkeit sowie besonderen Komfort. Sie können sich auf ausgezeichnete Qualität verlassen. Auch beim Mercedes-Benz-Service. Mit vielfältigen Leistungen sorgen wir dafür, dass Sie sorglos mobil bleiben.“

Auf Seite 4 wird ausgeführt:

„Das Garantie-Paket (MB-100) und das Garantie-Paket (MB-80).

Mit dem Mercedes-Benz Garantie-Paket (MB-100) sind Sie bei mechanischen, elektrischen und hydraulischen Bauteilen vor unvorhersehbaren Reparaturkosten geschützt. Der Leistungsumfang geht weit über den der Baugruppengarantie hinaus und umfasst zusätzlich Radio, Katalysator, Sitzheizung und vieles mehr.2

[…]

Alle Details, Leistungsumfänge und Konditionen finden Sie auf den folgenden Seiten. […]“

Auf Seite 7 der Broschüre heißt es:

„Das Garantie-Paket. Ihre Vorteile auf einen Blick:

Egal ob Sie sich für das Garantie-Paket (MB-100) oder für das Garantie-Paket (MB-80) entscheiden, Sie genießen folgende Vorteile:

  • Das Mercedes-Benz Garantie-Paket sichert Ihren Mercedes umfassend ab.

  • Nach Erneuerung Ihrer Garantie ist Ihr Fahrzeug wieder für ein Jahr ohne Kilometerbegrenzung abgesichert.

  • […]

  • […]

  • […]

  • Sie sind bestmöglich vor unvorhersehbaren Reparaturkosten geschützt und können alle Leistungen europaweit bei jedem autorisierten Mercedes-Benz Partner geltend machen.2

Auf der letzten Seite (S. 16) findet sich unter anderem folgender Hinweis:

2   Gemäß den Bedingungen des jeweiligen Garantie-Pakets:
www.mercedes-benz.de/garantiepaket
Bitte beachten Sie den Materialanteil ab 100.000 km zum
Wertausgleich Mercedes-Benz Original-Teil neu für alt.“

Bei Vereinbarung der Garantieverlängerung wies das Fahrzeug des Beklagten eine Laufleistung von mindestens 140.000 km auf. Die Vereinbarung kam zustande, indem der Beklagte in den Geschäftsräumen der Klägerin in Anwesenheit des Mitarbeiters L der Klägerin ein Dokument unterzeichnete, in dem die Klägerin als „Garantiegeber“ bezeichnet und die Laufleistung des Fahrzeugs des Beklagten mit „140.000 km“ angegeben wird.

Dem Beklagten wurde außerdem unter anderem zweiseitige „Garantiebedingungen (MB-100) Mercedes-Benz Garantie-Paket“ vorgelegt. Diese Garantiebedingungen enthalten unter anderem folgende Regelungen:

„§1   Inhalt der Garantie, Reparatur beim Garantiegeber
1.

Der Garantiegeber (gemäß Garantievereinbarung) gibt dem Garantienehmer unter den weiteren Voraussetzungen gemäß § 4 eine Garantie, die die Funktionsfähigkeit der in § 2 Ziffer 1 genannten Bauteile für die vereinbarte Laufzeit umfasst. Diese Garantie ist durch die Mercedes-Benz Versicherung AG (nachstehend MBV) versichert.

2.

Verliert ein solches Bauteil innerhalb der Garantielaufzeit unmittelbar und nicht infolge eines Fehlers nicht garantierter Bauteile seine Funktionsfähigkeit, hat der Garantienehmer Anspruch auf eine dadurch erforderliche fachgerechte Reparatur durch Ersatz oder Instandsetzung des Bauteils. Weitere Voraussetzung für Garantieansprüche ist die Beachtung der Vorgaben aus § 4. Die Regelung über den Selbstbehalt und über die Grenze des Wiederbeschaffungswertes (§ 6 Ziffer 2) gilt entsprechend.

   
[…]  
   
§ 6 Reparatur nicht im garantiegebenden Betrieb (Fremdreparatur)
1. Reparaturberechtigte Betriebe
  Lässt der Garantienehmer die Reparatur nicht beim Garantiegeber durchführen, ist er verpflichtet, diese bei einem vom Hersteller autorisierten Mercedes-Benz Service-Partner durchführen zu lassen.
2. Ansprüche des Garantienehmers
 

Dem Garantienehmer werden garantiebedingte Lohnkosten nach den Arbeitszeitrichtwerten des Herstellers voll erstattet. Garantiebedingte Materialkosten werden im Höchstfall nach den unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers, ausgehend von der Betriebsleistung des beschädigten Bauteils bei Schadeneintritt, wie folgt bezahlt (Selbstbehalt):

 

bis 100.000 km 100 %
  120.000 km 80 %
  140.000 km 60 %
über 140.000 km 40 %
   
 

Übersteigen die Reparaturkosten den Wert einer Austauscheinheit, wie sie bei einem solchen Schaden üblicherweise eingebaut wird, so beschränkt sich die Ersatzpflicht auf die Kosten dieser Austauscheinheit einschließlich der Aus- und Einbaukosten unter Anwendung von Absatz 1. Der Höchstbetrag der garantiepflichtigen Entschädigung ist pro Schadenfall auf den Zeitwert des beschädigten Fahrzeugs zur Zeit des Eintritts des Garantiefalles begrenzt. Die vorstehenden Regelungen gelten auch für den Fall einer Reparatur beim Garantiegeber gemäß § 1 Ziffer 2.
Die MBV wird auf Anforderung des Garantienehmers, bei Vorliegen eines garantiepflichtigen Schadensfalles, diesen gegenüber des nicht garantiegebenden Betriebes [sic!] verbindlich bestätigen und eine Kostenübernahmeerklärung nach Maßgabe der Garantieleistungen abgeben […].“

3. Geltendmachung der Ansprüche
 

Der Garantienehmer ist berechtigt, alle Rechte aus der versicherten Garantie im eigenen Namen unmittelbar gegenüber der MBV geltend zu machen. Im Hinblick darauf verpflichtet sich der Garantienehmer, stets vorrangig die MBV in Anspruch zu nehmen. […]“

Am 21.02.2019 brachte der Beklagte sein Fahrzeug, das eine Laufleistung von 148.956 km aufwies, zu der Klägerin, weil die Servolenkung ausgefallen war. Die Klägerin reparierte den Wagen und verlangt von dem Beklagten nunmehr die Zahlung von 1.371,55 € brutto, das sind 60 % der angefallenen Materialkosten.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Parteien hätten wirksam vereinbart, dass der Beklagte im Garantiefall einen Teil (hier: 60 %) der Materialkosten zu tragen habe. Sie, die Klägerin, habe mit Blick darauf, dass mit einer höheren Laufleistung ein Defekt wahrscheinlicher werde, ein berechtigtes Interesse daran, ihr Risiko zu begrenzen. Dass ein Garantienehmer in Abhängigkeit von der Laufleistung an den Materialkosten beteiligt werde, sei üblich; jedenfalls sei eine entsprechende Klausel in den Garantiebedingungen nicht überraschend i. S. von § 305c BGB. Die Regelungen in § 1 Nr. 2 und § 6 Nr. 2 seien auch nicht intransparent; vielmehr würden die darin enthaltenen Verweise durch Fettdruck deutlich hervorgehoben. Außerdem – so behauptet die Klägerin – habe ihr Mitarbeiter L den Beklagten vor Abschluss der streitgegenständlichen Garantievereinbarung wie auch bei den vorherigen Garantieverlängerungen auf die Selbstbeteiligung an den Materialkosten hingewiesen. Im Übrigen sei der Beklagte gemäß § 6 Nr. 3 der Garantiebedingungen gehalten, die Mercedes-Benz Versicherung AG (MBV) wegen der nicht erstatteten Materialkosten in Anspruch zu nehmen.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Materialkosten steht der Klägerin nicht zu, weil die geltend gemachten Materialkosten nach der zwischen den Parteien geschlossenen Garantievereinbarung von der Klägerin zu tragen sind. Ein Werklohnzahlungsanspruch gemäß § 631 I BGB gegen den Beklagten ist ausgeschlossen.

Das ergibt sich aus der von den Parteien unterzeichneten und als Anlage K 2 eingereichten „Bestätigung Verlängerung“, in der eine Garantielaufzeit von 12 Monaten beginnend mit dem 01.09.2018 enthalten ist, und aus § 1 Nr. 1 und Nr. 2 Satz 1 der Garantiebedingungen. Gegenstand der Garantieverlängerung war eine Haltbarkeitsgarantie für das Fahrzeug des Beklagten, von der auch der Ausfall der Servolenkung umfasst gewesen ist, wie er im Februar 2019 eingetreten ist und der Grund für die durch die Klägerin erbrachten Reparaturleistungen war.

Die in § 1 Nr. 2 Satz 3 i. V. mit § 6 Nr. 2 der Garantiebedingungen enthaltene Regelung über den Selbstbehalt bezüglich der Materialkosten kann ebenfalls nicht herangezogen werden, um eine Zahlungspflicht des Beklagten zu begründen, weil die entsprechende Regelung gemäß § 307 I BGB unwirksam ist, weil sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligt. Diese Benachteiligung ergibt sich vorliegend daraus, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich (intransparent) ist (§ 307 I 2 BGB). Auf die Frage, ob es sich zugleich um eine überraschende Klausel i. S. des § 305c BGB handelt und diese deshalb bereits nicht Vertragsbestandteil geworden sein könnte, kommt es – jedenfalls im Ergebnis – nicht an.

Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach zutreffender Rechtsprechung des BGH dazu, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu gehört nicht nur, dass die einzelne Regelung für sich genommen klar formuliert ist, vielmehr muss die Regelung auch im Kontext mit den übrigen Regelungen des Klauselwerks verständlich sein. Erforderlich ist ferner, dass zusammengehörende Regelungen im Zusammenhang aufgeführt werden oder der Zusammenhang in anderer Weise, etwa durch Bezugnahme auf konkrete Klauseln, deutlich gemacht wird. Der Vertragspartner soll seine Rechte möglichst klar und einfach feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird. Eine Vertragsgestaltung, die objektiv dazu geeignet ist, den Vertragspartner bezüglich seiner Rechtsstellung irrezuführen, verstößt danach gegen das Transparenzgebot. Abzustellen ist bei der Bewertung der Transparenz einer Vertragsklausel auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (st. Rspr. des BGH; vgl. Urt. v. 25.02.2016 – VII ZR 156/13, NJW 2016, 1575 Rn. 31 m. w. Nachw.).

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Verwender die Rechte und Pflichten möglichst klar und durchschaubar dargestellt hat, ist nicht zuletzt relevant, mit welcher Motivation eine bestimmte Darstellung der vertraglichen Regelungen vorgenommen wurde. Ergibt sich aus der textlichen Gestaltung, der Formatierung oder der sonstigen Darstellung, dass diese ersichtlich mit dem Ziel gewählt worden ist, um Einschränkungen der durch ihn zu erbringenden Leistungen unauffällig in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu „verstecken“, führt dies bereits für sich genommen zur Unwirksamkeit der entsprechenden Klauseln.

Die durch die Klägerin verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen führen die Regelungen über die vertraglichen Pflichten der Klägerin im Falle der Reparatur im Betrieb der Klägerin nicht zusammenhängend auf. § 1 verpflichtet die Klägerin zur (für den Beklagten kostenfreien) Instandsetzung/Reparatur zur Sicherstellung der durch die Haltbarkeitsgarantie zu gewährleistenden Beschaffenheit des Fahrzeugs. Die durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen intendierte „Selbstbeteiligung“ bei den Materialkosten wirkt sich unmittelbar auf die Hauptpflichten des Garantiegebers aus, wird aber gleichwohl nicht in § 1 aufgeführt, sondern erst in § 6 Nr. 2 dargestellt.

Es liegt auch keine ausreichend konkrete Verweisung im Sinne der oben genannten Rechtsprechung vor. Die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien bezüglich des Selbstbehalts werden nicht klar und verständlich dargestellt, nachdem sie sich lediglich aus dem in § 1 Nr. 2 Satz 3 enthaltenen Verweis auf § 6 Nr. 2 ergeben. Der Verweis ist zwar textlich hervorgehoben, ansonsten aber nicht hinreichend deutlich gefasst, da nicht erkennbar ist, worauf sich der Verweis genau beziehen soll. Denn der Verweis auf § 6 Nr. 2 enthält eine weitreichende Einschränkung des in § 1 Nr. 1 und Nr. 2 Satz 1 dargestellten Garantieumfangs. In Anbetracht des Umfangs der Einschränkung reicht der in § 1 Nr. 2 Satz 3 enthaltene Verweis nicht aus, um dem Vertragspartner deren Tragweite vor Augen zu führen.

Insoweit mangelt es dem Verweis bereits an einem konkreten Bezugspunkt im Sinne der oben genannten Rechtsprechung, weil er abstrakt auf „[d]ie Regelung über den Selbstbehalt und über die Grenze des Wiederbeschaffungswertes“ verweist. Der Vertragspartner wird hierdurch nicht in die Lage versetzt, die in Bezug genommene Regelung unmittelbar aufzufinden. Vielmehr lässt sich erst der vollständigen Lektüre der gesamten Nummer 2 des mit einer vordergründig unzutreffenden Überschrift versehenen § 6 entnehmen, welche Regelungen mit dem Verweis gemeint sein könnten.

Einerseits beschränkt sich der Verweis seinem Wortlaut nach nicht auf den Selbstbehalt, sondern betrifft auch die Höhenbegrenzung durch den Wiederbeschaffungswert. Insoweit verweist § 1 Nr. 2 Satz 3 insgesamt auf § 6 Nr. 2, der wiederum Klauseln im Gesamtumfang von 21 Textzeilen enthält. Andererseits ist § 6 mit „Reparatur nicht im garantiegebenden Betrieb (Fremdreparatur)“ überschrieben und enthält unter Nummer 2 Ausführungen zu vielen Abrechnungsdetails, die offenbar nur bei Reparatur im Fremdbetrieb eine Rolle spielen sollen.

Die Regelung ist auch in sich widersprüchlich, soweit von einem "Selbstbehalt" die Rede ist, weil es nicht um einen Selbstbehalt geht, sondern die auf die Laufleistung bezogenen Prozentangaben den Umfang der Kostenerstattung bezeichnen und nicht den Anteil, den der Garantienehmer zu tragen haben soll.

Unabhängig davon ergibt sich für den durchschnittlichen Vertragspartner aus dem Verweis in § 1 Nr. 2 Satz 3 auch nicht, in welchem Umfang die Regelungen des § 6 Nr. 2 „entsprechend“ gelten sollen. Die in Bezug genommene Regelung enthält eingangs Vorschriften zur Bemessung einer Kostenerstattung nach den unverbindlichen Preisempfehlungen (im Folgenden: UVP) des Herstellers. Auf die Pflicht zur Kostenerstattung beziehen sich auch die weiteren Vorschriften in § 6 Nr. 2. Demgegenüber verpflichten § 1 Nr. 1 und Nr. 2 Satz 1 den Garantiegeber zu einer fachgerechten Reparatur durch Ersatz oder Instandsetzung des betroffenen Bauteils. Eine Kostenerstattung kommt insoweit von vornherein nicht in Betracht, weil der Garantienehmer keine Kosten zu tragen hat. Inwieweit nun die Regelungen über den „Selbstbehalt“, die in § 6 Nr. 2 an der UVP ausgerichtet sind, mit der Instandsetzungspflicht des Garantiegebers im Falle der durch diesen erfolgenden Reparatur in Einklang gebracht werden sollen, lässt sich weder dem Verweis noch der in Bezug genommenen Regelung entnehmen. Hierfür bedürfte es aber – da eine gesonderte Zahlungspflicht des Garantienehmers begründet wird, auf die er dem Grunde und der Höhe nach selbst keinen Einfluss hat – einer deutlichen und ohne Weiteres verständlichen Regelung.

Dass diese Art der Regelung einer vordergründigen Leistungsbeschränkung, die letztlich zur Begründung einer (weiteren) vertragsuntypischen Zahlungspflicht des Garantienehmers führt, geeignet ist, den Vertragspartner des Verwenders von der Geltendmachung seiner vertraglichen Recht abzuhalten, ist offensichtlich. Nicht entscheidungserheblich, aber umso eindrücklicher, wird dieser Umstand dadurch bekräftigt, dass die Klägerin selbst davon auszugehen scheint, dass auch im Falle der Reparatur durch den Garantiegeber selbst der Garantienehmer verpflichtet sein soll, die Mercedes-Benz Versicherung AG (MBV) vorrangig in Anspruch zu nehmen (vgl. Schriftsatz vom 06.08.2019, letzter Absatz), obwohl diese in § 6 Nr. 3 enthaltene (im Übrigen unangemessen benachteiligende) Regelung nicht vom Verweis in § 1 Nr. 2 Satz 3 umfasst ist und daher von vornherein nur für die Fremdreparatur gelten würde.

Nicht zuletzt ergibt sich die unangemessene Benachteiligung in Form der Intransparenz aber auch aus der Anwendung der oben genannten Grundsätze über die erkennbare Zielsetzung der streitgegenständlichen Regelung. Insoweit ist deutlich zu erkennen, dass die Daimler AG bei Formulierung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch Aufspaltung der Regelungen über die Reparatur beim Garantiegeber und über die Reparatur in einem anderen Betrieb das Ziel verfolgte, den Vertragspartner des jeweiligen Verwenders möglichst über den „Selbstbehalt“ im Unklaren zu lassen. Denn es ist kein sachlicher Grund erkennbar, weshalb die Regelung über die Materialkostenbeteiligung nicht in § 1, sondern stattdessen in § 6 unterzubringen gewesen wäre. Vielmehr hätte es deutlich näher gelegen, eine derart weitreichende Regelung, die erhebliche Auswirkungen auf das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung hat, in diejenige Regelung aufzunehmen, die die grundlegenden vertraglichen Pflichten des Garantiegebers definieren soll (§ 1). Wenn der Zweck der Verweisung gewesen sein sollte, den Schreibaufwand zu reduzieren, indem nicht sowohl in § 1 als auch in § 6 die vollständige Regelung zum Selbstbehalt aufgeführt würde, erhellt dies nicht, weshalb die Regelung in § 6 untergebracht und durch einen Verweis in § 1 in Bezug genommen worden ist. Es hätte sich bei einer auf inhaltliche Klarheit angelegten Gestaltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgedrängt, die Regelung in § 1 aufzunehmen und (gegebenenfalls) in § 6 auf diese zu verweisen, wobei der Sinnhaftigkeit eines solchen Verweises die oben genannten Bedenken entgegenstünden.

Der Befund einer bewussten Auftrennung der AGB-Klauseln betreffend die Hauptleistungspflichten des Garantiegebers zum Zwecke der Irreführung von etwaigen Vertragspartnern wird auch dadurch verstärkt, dass die als Anlage B 1 zur Akte gereichte Broschüre der Daimler AG umfassende Ausführungen dazu enthält, wie weitgehend der Garantienehmer durch den Abschluss der Garantieverlängerung geschützt sei. In diesem Zusammenhang ist von einem ‚umfassenden Schutz ohne Kilometerbegrenzung‘, ‚optimaler Absicherung‘, einem ‚Schutz vor unvorhersehbaren Reparaturkosten‘ die Rede. Zudem wird auf Seite 4 der Eindruck erweckt, als ergäben sich alle „Details, Leistungsumfänge und Konditionen“ aus der Broschüre selbst („auf den folgenden Seiten“). Diese enthält bei genauerer Betrachtung hingegen keinen auch nur ansatzweise deutlich formulierten Hinweis auf den „Selbstbehalt“ bei den Materialkosten. Vielmehr ergibt sich dieses wesentliche „Detail“ nicht aus der Broschüre, sondern aus dem undeutlich gehaltenen Hinweis auf einen „Materialanteil ab 100.000 km zum Wertausgleich […] neu für alt“. Ein derartiger Abzug „neu für alt“ dürfte aber dem durchschnittlich juristisch versierten Kunden weder geläufig noch der Zusammenhang zu einem „Materialanteil“ erkennbar sein. Nicht zuletzt ist die Bezugnahme auf einen Abzug neu für alt auch deshalb nicht nachzuvollziehen, weil es bei der Regelung über den „Selbstbehalt“ erkennbar nicht um eine Vorteilsausgleichung geht, auf die sich der Begriff „Abzug neu für alt“ üblicherweise bezieht. Die Klägerin selbst hat mitgeteilt, dass die Regelung über den Selbstbehalt das „wohlverstandene Interesse“ ausfülle, das Risiko zu begrenzen.

Die durch die Herstellerin (Daimler AG) bei der Abfassung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verfolgte Zielsetzung hat sich die Klägerin als deren Vertragshändlerin und Verwenderin der durch die Herstellerin zur Verfügung gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen zurechnen zu lassen, da die Zielsetzung den Allgemeinen Geschäftsbedingungen als solchen innewohnt und zu deren (objektiv zu bestimmender) Intransparenz führt und nicht an die formulierende Person gebunden ist.

Die sich aus der Formulierung und Darstellung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergebende Intransparenz entfällt auch nicht dadurch, dass der Zeuge L den Beklagten vor Abschluss der streitgegenständlichen Garantieverlängerung auf den „Selbstbehalt“ bei den Materialkosten hingewiesen hätte. Die Klägerin hat den ihr obliegenden Beweis eines hinreichend deutlichen Hinweises des Zeugen L nicht geführt. Die Aussage des Zeugen ist unglaubhaft. Dabei ist nur untergeordnet maßgeblich, dass der Zeuge ein veritables Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits hat, weil er weiterhin Angestellter der Klägerin ist und von deren wirtschaftlichem Erfolg profitiert. Vorrangig ist zu berücksichtigen, dass der Zeuge die Umstände des Gesprächs mit dem Beklagten nicht aktualisierbar und detailreich erinnerte. Er konnte sich ersichtlich daran erinnern, dass es mehrere Gespräch gegeben hatte, nicht aber an deren genauen Inhalt. Soweit er angab, sich sicher daran erinnern zu können, dass er mit dem Beklagten über den Selbstbehalt bei den Materialkosten gesprochen zu haben, kann das nicht mit hinreichender Sicherheit verifiziert werden. Daran bestehen auch deshalb Zweifel, weil der Zeuge davon ausgegangen war, dass der Beklagte bereits wisse, in welcher Weise eine Selbstbeteiligung zu erwarten sei. Das spricht eher gegen eine Erläuterung durch den Zeugen L, die eine Überraschung oder Intransparenz der Regelungen über den „Selbstbehalt“ gegebenenfalls beseitigen hätte können. …

PDF erstellen