Die zutreffende und durch Vorlage der gültigen luxemburgischen Prüfbescheinigung belegte Angabe eines Gebrauchtwagenverkäufers, dass das Fahrzeug kürzlich seitens der Société Nationale de Contrôle Technique (SNCT) erfolgreich einer Hauptuntersuchung nach luxemburgischem Recht unterzogen worden sei, führt nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 I 1 BGB) des Inhalts, dass das Fahrzeug bei der Übergabe an den Käufer einen für die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO geeigneten verkehrssicheren Zustand aufweise.
OLG Koblenz, Urteil vom 04.07.2019 – 1 U 205/19
Sachverhalt: Die Kläger nehmen den Beklagten, von dem sie für 5.000 € ein Wohnmobil erworben haben, auf Rückabwicklung des am 02.04.2017 geschlossenen Kaufvertrags und Schadensersatz in Anspruch.
Vor Abschluss des Kaufvertrags – am 15.03.2017 – war das am 21.03.1990 erstzugelassene Wohnmobil in Luxemburg seitens der Société Nationale de Contrôle Technique (SNCT) einer Hauptuntersuchung unterzogen worden. Dabei war lediglich eine defekte Lichtquelle beanstandet worden; die erteilte Prüfbescheinigung war bis zum 07.04.2018 gültig.
Als die Kläger das Fahrzeug nach Beseitigung des Defekts in Deutschland zulassen wollten, wurde bei einer TÜV-Prüfung eine Vielzahl von Mängeln festgestellt. Diese betreffen im Wesentlichen die Bremsanlage; zudem sind die Bodengruppe und der Rahmen des Fahrzeugs sowie das Führerhaus teils durchrostet, und das Getriebe und der Motor sind ölfeucht. Da die Kläger sich mit Blick darauf arglistig getäuscht fühlen, erklärten sie gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 14.06.2017 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderten ihn – erfolglos – auf, diesen Vertrag rückabzuwickeln und ihnen entstandene Kosten in Höhe von insgesamt 462,59 € zu ersetzen.
Das Landgericht hat die auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichtete Klage, mit der die Kläger außerdem die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 462,59 € sowie zum Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten erstrebten, abgewiesen. Es hat gemeint, dass der Rücktritt der Kläger vom Kaufvertrag jedenfalls deshalb unwirksam sei, weil der Beklagte seine Haftung für Mängel des Fahrzeugs wirksam ausgeschlossen habe. Insbesondere verstoße der Gewährleistungsausschluss nicht gegen § 475 I 1 BGB a.F. (= § 476 I 1 BGB n.F.). Denn der streitgegenständliche Kaufvertrag sei kein Verbrauchsgüterkauf i. S. von § 474 I 1 BGB; vielmehr habe die Auswertung der vorgelegten Unterlagen ergeben, dass der Beklagte das Wohnmobil nicht als Unternehmer (§ 14 BGB) verkauft habe. Die Kläger könnten auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass der Beklagte gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 I 1 BGB) verstoßen habe. Dass dem Beklagten die luxemburgische Prüfbescheinigung erteilt worden sei, habe nicht zur Folge gehabt, dass das verkaufte Wohnmobil einen für die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO geeigneten verkehrssicheren Zustand habe aufweisen müssen. Mangels Täuschungsabsicht habe der Beklagte die Kläger auch nicht arglistig getäuscht; angesichts der SNCT-Bescheinigung sei der Vorwurf, der Beklagte habe seine Augen vor der (erkennbaren) Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs bewusst verschlossen, nicht gerechtfertigt.
Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung haben die Kläger insbesondere geltend gemacht, dass entgegen der Auffassung des Landgerichts vorliegend eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen worden sei. Sie, die Kläger, hätte die Erklärungen des Beklagten so verstehen dürfen, dass für das streitgegenständliche Wohnmobil eine ausländische Prüfbescheinigung ausgestellt worden sei, wie sie in Deutschland ein Fahrzeug nach erfolgreich durchgeführter Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO erhalte. Deshalb hätten sie darauf vertrauen dürfen, dass sich das Wohnmobil in einem für die Hauptuntersuchung geeigneten verkehrssicheren Zustand befinde.
Im Übrigen habe das Landgericht gegen § 286 I 1 ZPO verstoßen. Denn die bei der TÜV-Prüfung in Deutschland festgestellten Mängel seien so gravierend gewesen, dass sie schon bei einer einfachen Sichtprüfung hätten auffallen müssen; es sei davon auszugehen, dass die Mängel schon bei Abschluss des Kaufvertrags vorhanden gewesen seien. Daher – so meinen die Kläger – hätte das Landgericht annehmen müssen, dass der Beklagte es zumindest für möglich gehalten habe, dass das Wohnmobil keinen für die Hauptuntersuchung geeigneten verkehrssicheren Zustand aufweise.
Das Verhalten der Mitarbeiter der Société Nationale de Contrôle Technique sei grenzwertig gewesen. Denn dass das Fahrzeug eine Prüfbescheinigung erhalten habe, lasse nur den Schluss zu, dass sich die SNCT-Mitarbeiter auf die Angaben des Halters zu einer behaupteten Reparatur des Wohnmobils verlassen hätten.
Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die Kläger – im Rahmen eines privaten Direktgeschäfts – ein 27 Jahre altes Fahrzeug erworben hätten. Er, der Beklagte, habe das Wohnmobil vor dem Verkauf in einer Kfz-Werkstatt überprüfen lassen. Deshalb und angesichts der SNCT-Bescheinigung sei aus seiner Sicht mit dem Fahrzeug alles in Ordnung gewesen. Zusicherungen habe er den Klägern nicht gemacht.
Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Das Landgericht hat richtig entschieden, dass den Klägern kein Anspruch auf Rückgängigmachung … gemäß den §§ 433 I, 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 440, 346 BGB zusteht.
1. Hinsichtlich der von den Klägern behaupteten und festgestellten und im Übrigen nachvollziehbar dargelegten umfangreichen Mängel kann sich der Beklagte auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen, sodass den Klägern keine Gewährleistungsrechte zustehen. Es handelt sich vorliegend nicht um einen Verbrauchsgüterkauf i. S. des § 474 I 1 BGB, da der Beklagte nicht als Unternehmer i. S. des § 14 I BGB anzusehen ist. Das Landgericht hat umfassend und überzeugend und nachvollziehbar begründet, dass der Beklagte bei Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrags nicht im Rahmen einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelte. Dieses Ergebnis wird von der Berufung auch nicht angegriffen.
Somit sind die Kläger für das von ihnen behauptete Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung bzw. einer arglistigen Täuschung umfassend beweispflichtig. Ein entsprechender Nachweis wurde von ihnen nicht erbracht.
2. Es ist nicht erwiesen, dass die Parteien bei Abschluss des Kaufvertrags über das streitgegenständliche Fahrzeug eine Beschaffenheitsvereinbarung dahin gehend getroffen haben, dass das Fahrzeug den Anforderungen des § 29 StVZO entsprechen soll. Den Klägern war bekannt, dass der Beklagte, der in Luxemburg lebte und dort das Fahrzeug nutzte, lediglich eine Bescheinigung „des luxemburgischen TÜV“ vorlegen konnte. Aufgrund dieses Umstands konnten sie nicht darauf vertrauen, dass das Fahrzeug auch den Anforderungen eines deutschen TÜV genügen würde.
Die von den Klägern zitierten Entscheidungen des BGH (Urt. v. 15.04.2014 – VIII ZR 80/14) und des OLG Karlsruhe (Urt. v. 14.01.2014 – 9 U 233/12) sind mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Die Gerichte haben in ihren Entscheidungen für das Vorliegen einer Bescheinigung eines deutschen TÜV „HU neu“ entschieden, dass eine entsprechende Eintragung im Kaufvertrag bei interessensgerechter Auslegung die stillschweigende Vereinbarung beinhalte, dass sich das verkaufte Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe in einem für die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO geeigneten verkehrssicheren Zustand befinde und die Hauptuntersuchung durchgeführt sei. Die Kläger haben nicht dargetan und es ist auch nicht aus sonstigen Umständen ersichtlich, dass die Qualitätsanforderungen für eine sogenannte TÜV-Bescheinigung nach luxemburgischem Recht gleich oder zumindest vergleichbar sind mit denjenigen nach deutschem Recht. Da die Kläger für das Vorliegen des Mangels beweispflichtig sind, hätten sie eine entsprechende Vergleichbarkeit belegen müssen. Auffallend ist hier bereits, dass in Deutschland beispielsweise eine COC-Bescheinigung bei der Zulassung des streitgegenständlichen Fahrzeugs gefordert wird, in den Niederlanden jedoch nicht, was beiden Parteien bei Vertragsschluss bekannt gewesen ist. Aufgrund der im vorliegenden Fall erkennbaren unterschiedlichen Bewertungen des Fahrzeugs geht der Senat also letztlich davon aus, dass nicht unerhebliche Standardabweichungen hinsichtlich einer luxemburgischen SNCT-Bescheinigung und einer deutschen „TÜV-Plakette“ bestehen.
3. Auch wenn nach dem überzeugenden und nachvollziehbaren Vortrag der Kläger das Fahrzeug spätestens bei seiner Untersuchung des deutschen TÜV am 31.07.2017 über zahlreiche, erhebliche Mängel verfügt hat und man aufgrund dieses Umstands darauf schließen kann, dass diese bereits bei der Übergabe des Fahrzeugs vorgelegen haben, haben die Kläger dennoch das Vorliegen einer arglistigen Täuschung durch den Beklagten nicht nachgewiesen. Es fehlt hierbei ein Nachweis für das subjektive Element der Täuschungsabsicht, das heißt des Vorsatzes. Die Behauptung des Beklagten, dass er nichts von den Problemen an den Bremsanlagen und den Durchrostungen am Fahrzeug gewusst habe, konnten die Kläger letztlich nicht widerlegen. Für eine vorsätzliche Täuschung des Käufers wäre jedoch eine entsprechende Kenntnis unabdingbar gewesen.
Der Beklagte konnte sich auf die ihm nur zwei Wochen vor dem Kaufvertragsabschluss zugeteilte SNCT-Bescheinigung nach luxemburgischen Recht berufen, die keine erheblichen Beanstandungen aufwies, lediglich auf eine defekte Lichtquelle hinwies, die allerdings im vorliegenden Fall keine Rolle spielt. Auch wenn der Senat nicht aufgeklärt hat, ob die Behauptung des Beklagten zutrifft, dass er vor Vorführung vor dem „luxemburgischen TÜV“ … das Fahrzeug in der Kfz-Werkstatt der Firma F in X. überprüfen lassen hat und alles in Ordnung gewesen sei, so weist dieser Umstand dennoch eher darauf hin, dass der Beklagte keine Kenntnis davon hatte, dass sein Fahrzeug über erhebliche Mängel entsprechend den Anforderungen des deutschen TÜV verfügte. Hierbei kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Fahrzeug bereits 27 Jahre alt war und man somit mit Schwachstellen bzw. Rosterscheinungen rechnen musste. Insoweit hat das Landgericht auch nachvollziehbar dargetan, dass das eingeräumte Überstreichen von Roststellen durch den Beklagten während dessen Besitzzeit nicht ausreicht, dass der Beklagte die bemängelte Durchrostung erkannt hat. Das Gleiche gilt für die Problematik hinsichtlich des Schwitzöls an Getriebe und Motor. Selbst wenn der Beklagte von diesem Umstand wusste, so ist doch nicht ersichtlich, in welchem Umfang (Dauer und Menge) ein Ölverlust tatsächlich festgestellt worden war, wobei auch hier gilt, dass ein Ölverlust bei einem fast 30 Jahre alten Fahrzeug nicht ungewöhnlich ist.
Soweit die Berufung des Weiteren behauptet, dass die vorliegenden Mängel so gravierend gewesen seien, dass sie bei einfacher Sichtprüfung bereits aufgefallen wären (und der Beklagte sie deswegen erkannt haben musste), so ist ihr dies nicht behelflich, da dann, wenn es so wäre, zugunsten des Beklagten § 442 I BGB anzuwenden wäre, da die Kläger bei dieser Offensichtlichkeit die Mängel selbst erkannt hätten und somit die Rechte wegen eines Mangels ausgeschlossen wären. Anhaltspunkte für ein arglistiges Verschweigen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache i. S. des § 442 I 2 BGB sind, wie bereits ausgeführt, nicht gegeben. …