- Ein Gericht, dem es wegen seiner Bindung nur an Gesetz und Recht gemäß Art. 2 V 2 BbgVerf freisteht, von höchstrichterlicher Rechtsprechung abzuweichen, hat eine solche Abweichung zu begründen. Das begründungslose Abweichen von gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, der die Literatur ganz überwiegend folgt, verstößt – unabhängig von einem Verschulden des Gerichts – gegen das Willkürverbot gemäß Art. 52 III Fall 1 BbgVerf.
- Zur Entwicklung der Rechtsprechung zur Reichweite der Beweislastumkehr des § 476 BGB a.F. (= § 477 BGB n.F.).
VerfG Brandenburg, Beschluss vom 12.04.2019 – VfGBbg 25/18
Sachverhalt: Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen des AG Neuruppin, die in einem Zivilrechtsstreit über die Kosten der Nachbesserung eines Gebrauchtwagens ergangen sind.
Im Februar 2017 erwarb der Beschwerdeführer als Verbraucher von dem im Ausgangsverfahren beklagten Kfz-Händler (nachfolgend: Verkäufer) einen 14 Jahre alten Pkw zum Preis von 2.100 €. Er verbrachte das Fahrzeug anschließend – erstmals etwa fünf Wochen nach dem Kauf – zweimal zum Verkäufer, um Reparaturen durchführen zu lassen. Dabei wurden wegen eines unstreitig aufgetretenen Wasser- und Ölverlusts der Kühler und die Zylinderkopfdichtung erneuert.
Im Ausgangsverfahren begehrte der Beschwerdeführer den Ersatz von Kosten in Höhe von insgesamt 302,82 €, die mit dem wiederholten Aufsuchen des Verkäufers verbunden gewesen seien. Der Beschwerdeführer behauptete, sein Fahrzeug sei – auch unter Berücksichtigung der Beweislastumkehr des § 476 BGB a.F. – bei der Übergabe mangelhaft gewesen. Ein kurz nach der Übergabe beauftragter TÜV-Prüfer habe „ausgeschlagene Stabilisatorbuchsen und einen erheblichen Ölverlust“ festgestellt.
Der Verkäufer verteidigte sich damit, die aus Kulanz durchgeführten Reparaturen hätten Verschleißerscheinungen in Form einer Schlauchkorrosion betroffen, deren Reparaturbedürftigkeit keinen Mangel dargestellt habe und die bei Übergabe des Fahrzeugs nicht vorgelegen hätten. Er bestritt, dass der TÜV die vom Beschwerdeführer behaupteten Mängel festgestellt habe und dass die Stabilisatorbuchsen defekt gewesen seien.
Das Amtsgericht wies die Klage mit Urteil vom 15.01.2018 – 46 C 142/17 – ab und ließ die Berufung nicht zu. Zur Begründung führte es aus, der Beschwerdeführer habe nicht bewiesen, dass das gekaufte Fahrzeug mangelhaft gewesen sei. Normaler Verschleiß stelle bei einem gebrauchten Kraftfahrzeug in der Regel keinen Sachmangel i. S. von § 434 I BGB dar, wobei es darauf ankomme, welche Beschaffenheit bei Sachen der gleichen Art üblich sei und der Käufer erwarten könne. Der Beschwerdeführer habe mit für ein 14 Jahre altes Fahrzeug typischen Verschleißerscheinungen rechnen müssen; der Verkäufer habe sich auf solche berufen. Die in § 476 BGB a.F. angeordnete Beweislastumkehr – so hat das Amtsgericht im Anschluss an eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2004 gemeint – greife nicht ein. Denn sie gelte nicht für die Frage, ob überhaupt ein Sachmangel vorliegt. Vielmehr setze sie voraus, dass unstreitig sei oder der Käufer bewiesen habe, dass die Sache mangelhaft ist, und begründe eine lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung dafür, dass der Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag. Bei Verschleißerscheinungen handele es sich nicht um einen Mangel, von dem vermutet werden könne, dass er bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen habe. Der Beschwerdeführer hätte daher den Einwand des Verkäufers, den durchgeführten Reparaturen habe normaler Verschleiß zugrunde gelegen, ausräumen müssen. Das habe er nicht getan.
Gegen das Urteil erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge und rügte darin die Verletzung von Art. 19 IV GG und Art. 52 III und IV BbgVerf. Er machte geltend, dass der Verkäufer pauschal einen Defekt der Stabilisatorbuchsen bestritten habe, sei unbeachtlich, da er – der Verkäufer – den Pkw selbst repariert habe. Das Amtsgericht hätte gemäß § 139 I ZPO darauf hinweisen müssen, dass nach seiner Auffassung nicht feststehe, dass das Fahrzeug mangelhaft gewesen sei, und ihm – dem Beschwerdeführer – so Gelegenheit geben müssen, weitere Beweismittel anzubieten. Ausgeschlagene Stabilisatorbuchsen seien keine Verschleißerscheinung. Ferner habe das Amtsgericht die neueste Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15) verkannt, nach der ein Käufer im Wesentlichen nur eine binnen sechs Monaten ab Gefahrübergang aufgetretene Mangelerscheinung nachweisen müsse. Die Beweislastumkehr sei nunmehr entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts in § 477 BGB geregelt. Hätte das Gericht bewusst von der Rechtsprechung des EuGH und des BGH abweichen wollen, hätte es zudem die Berufung zulassen müssen, was er – der Beschwerdeführer – nachträglich nochmals beantragte.
Mit Beschluss vom 08.03.2018, dem Beschwerdeführer zugestellt am 09.03.2018, wies das Amtsgericht die Anhörungsrüge als unbegründet zurück. Auch nach der neueren BGH-Rechtsprechung hätte der Beschwerdeführer als Käufer einen mangelhaften Zustand des Pkw beweisen müssen, nachdem der Beklagte einen Defekt der Stabilisatorbuchsen bestritten habe. Eines entsprechenden Hinweises an den Beschwerdeführer habe es nicht bedurft. Das Gericht gehe im Übrigen davon aus, dass es sich um typische Verschleißerscheinungen handele. Über die Zulassung der Berufung sei bereits im Urteil vom 15.01.2018 entschieden worden.
Mit seiner am 08.05.2018 erhobenen Verfassungsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer, das Urteil des AG Neuruppin vom 15.01.2018 und der Beschluss des Amtsgerichts vom 08.03.2018 verletzten ihn in seinen Rechten aus Art. 52 III Fall 2 BgbVerf, Art. 6 I BgbVerf, Art. 52 III Fall 1, Art. 12 I i. V. mit Art. 52 IV 1 BgbVerf, Art. 52 IV i. V. mit Art. 2 V BbgVerf sowie Art. 103 I GG und Art. 19 IV GG.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, weil das Amtsgericht den Klagevortrag nicht vollständig zur Kenntnis genommen, sondern den behaupteten Mangel in Gestalt ausgeschlagener Stabilisatorbuchsen außer Acht gelassen habe. Ferner habe das Amtsgericht die Rechtsgrundlage „verkannt und falsch zitiert“. Die Beweislastumkehr ergebe sich seit dem 01.01.2018 aus § 477 BGB, nicht mehr aus § 476 BGB. Indem das Amtsgericht die Berufung gegen sein Urteil nicht – auch nicht nach einem Hinweis auf die neuere BGH-Rechtsprechung – zugelassen habe, habe es den ihm, dem Beschwerdeführer, zustehenden Rechtsschutz unzulässig verkürzt. Außerdem habe das Amtsgericht gegen das Willkürverbot und das Recht auf ein faires Verfahren verstoßen, indem es ihm die volle Darlegungs- und Beweislast für die Mangelhaftigkeit des Pkw auferlegt habe, ohne ihm gemäß § 139 I ZPO einen entsprechenden Hinweis zu erteilen.
Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg hat festgestellt, dass das Urteil des AG Neuruppin vom 15.01.2018 den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gericht (Art. 52 III Fall 1 BbgVerf) verletzt. Es hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das AG Neuruppin zurückverwiesen.
Aus den Gründen: B. … I. Die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil vom 15.01.2018 hat Erfolg.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist bezüglich der gerügten Verletzung des Willkürverbots aus Art. 52 III Fall 1 BbgVerf zulässig.
a) Der Rechtsweg ist gemäß § 45 II 1 VerfGGBbg erschöpft. Gegen das Urteil des Amtsgerichts war eine Berufung angesichts des 600 € nicht übersteigenden Wertes des Beschwerdegegenstands und mangels Zulassung der Berufung gemäß § 511 II ZPO nicht statthaft. Der Beschwerdeführer hat ein Anhörungsrügeverfahren gemäß § 321a ZPO durchgeführt.
b) Die am 08.05.2018 erhobene Verfassungsbeschwerde wahrt die Zwei-Monats-Frist des § 47 I VerfGGBbg. Der Anhörungsrügebeschluss vom 08.03.2018 ist dem Beschwerdeführer am 09.03.2018 zugestellt worden. Die Anhörungsrüge war geeignet, die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde offenzuhalten, weil sie nicht von vornherein aussichtslos war. Der Beschwerdeführer beanstandete unter anderem, dass das Amtsgericht ohne einen gemäß § 139 I ZPO erforderlichen Hinweis, dass er seinen Vortrag noch nicht hinreichend unter Beweis gestellt habe, eine Überraschungsentscheidung getroffen habe. Dadurch kann das Recht auf rechtliches Gehör betroffen sein.
c) Der Beschwerdeführer hat auch eine entscheidungserhebliche Grundrechtsverletzung jedenfalls des Willkürverbots aus Art. 52 III Fall 1 BgbVerf den Anforderungen der §§ 20, 46 VerfGGBbg entsprechend dargelegt. Er hat vorgetragen, das Amtsgericht habe durch ein Verkennen der höchstrichterlichen Rechtsprechung von BGH und EuGH zur Frage des Umfangs der Beweislastregel des § 476 BGB in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (§ 477 BGB n.F.) dem Beschwerdeführer die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels der Kaufsache, nicht aber lediglich einer Mangelerscheinung, auferlegt und auf der Grundlage einer Beweisfälligkeit die Klage abgewiesen. Dadurch erscheint eine Verletzung des Willkürverbotes möglich. Er legt auch einen Beruhenszusammenhang schlüssig dar, wenn er vorträgt, dass der Rechtsstreit anstelle mit Klageabweisung ohne die gerügten Grundrechtsverletzungen vollständig zu seinen Gunsten hätte enden müssen.
d) Schließlich steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nicht entgegen, dass das Urteil, gegen das sie sich richtet, auf der Grundlage von Verfahrensrecht des Bundes ergangen ist. Die insoweit erforderlichen Voraussetzungen (vgl. VerfG Brandenburg, Beschl. v. 16.04.1998 – VfGBbg 1/98, LVerfGE 8, 82, 84; Beschl. v. 16.12.2010 – VfGBbg 18/10, LKV 2011, 124 f.) sind erfüllt.
2. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet.Das angefochtene Urteil des AG Neuruppin verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Gleichheit vor Gericht (Art. 52 III Fall 1 BbgVerf) in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür, indem es ihm unter begründungsloser Abweichung von gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung die volle Beweislast für das Vorliegen eines Mangels bezüglich des Austritts von Flüssigkeiten aus dem Fahrzeug auferlegt hat.
Die Auslegung des Gesetzes und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind Sache der dafür zuständigen Fachgerichte und daher der Nachprüfung durch das Verfassungsgericht grundsätzlich entzogen. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber den Entscheidungen der Fachgerichte kommt nur in Ausnahmefällen unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes in seiner Ausprägung als Willkürverbot in Betracht. Eine gerichtliche Entscheidung verstößt nicht bereits bei jeder fehlerhaften Anwendung einfachen Rechts gegen das Willkürverbot, sondern erst, wenn sie unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar und damit schlechthin unhaltbar ist. Sie muss Ausdruck einer objektiv falschen Rechtsanwendung sein, die jeden Auslegungs- und Beurteilungsspielraum außer Acht lässt und ganz und gar unverständlich erscheint. Diese Voraussetzungen liegen unter anderem dann vor, wenn sich ein Gericht mit seiner rechtlichen Beurteilung ohne nachvollziehbare Begründung in Widerspruch zu einer durch Rechtsprechung und Schrifttum geklärten Rechtslage setzt oder das Gericht den Inhalt einer Norm krass missdeutet, sodass sich der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht (st. Rspr., vgl. VerfG Brandenburg, Beschl. v. 21.09.2018 – VfGBbg 180/17, verfassungsgericht.brandenburg.de = juris Rn. 20 m. w. Nachw.). Auf subjektive Umstände oder ein Verschulden des Gerichts kommt es nicht an (vgl. z. B. BVerfG, Beschl. v. 18.03.2005 – 1 BvR 113/01, juris Rn. 12 m. w. Nachw.). Eine Begründung der Entscheidung ist verfassungsrechtlich dann geboten, wenn ein Gericht von der höchstrichterlichen Auslegung einer Norm abweicht, weil die Gerichte nur dem Gesetz unterworfen sind und bei der Auslegung und Anwendung von Normen weder einer vorherrschenden Meinung folgen noch den von einem übergeordneten Gericht vertretenen Standpunkt zugrunde legen müssen, sondern ihre eigene Rechtsauffassung vertreten können. Mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Gebundenheit des Richters an Gesetz und Recht (Art. 2 V LV) verlangt das Willkürverbot jedoch, dass die eigene Auffassung begründet wird (vgl. zu Art. 20 III GG BVerfG, Beschl. v. 07.07.2014 – 1 BvR 1063/14, juris Rn. 13 m. w. Nachw.).
Das Amtsgericht hat bezüglich der Mangelerscheinung Wasser- und Ölverlust die einschlägige Rechtsprechung des BGH zur Beweislastverteilung ohne Begründung unberücksichtigt gelassen.
Der BGH hatte sich im Anschluss an eine Entscheidung des EuGH (Urt. v. 04.06.2015 – C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 = NJW 2015, 2237 – Faber) zur Auslegung des Art. 5 III der Richtlinie 1999/44/EG (sog. Verbrauchsgüterkaufsrichtlinie) im Urteil vom 12.10.2016 – VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224 – ausdrücklich von seiner bisherigen Rechtsprechung zur Vermutungswirkung des § 476 BGB a.F. abgewandt. Nach der bisherigen Rechtsprechung hatte ein Käufer das Vorliegen eines Mangels selbst zu beweisen; die Beweislastumkehr wurde nur in zeitlicher Hinsicht angenommen. Nach der neuen höchstrichterlichen, von EU-Richtlinienrecht und diesbezüglicher Rechtsprechung des EuGH beeinflussten Rechtsprechung ist § 476 BGB a.F. richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Beweislastumkehr zugunsten des Käufers schon dann greift, wenn er nachweist, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein „mangelhafter Zustand“, das heißt „eine Mangelerscheinung“ gezeigt hat, der zur Mängelhaftung des Verkäufers führen würde, wenn unterstellt wird, der Zustand hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand. Dagegen muss der Käufer weder darlegen noch beweisen, auf welche Ursache dieser Zustand zurückzuführen ist, noch dass diese in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt. Zur Widerlegung der Vermutung des § 476 BGB [a.F., hier in zeitlicher Hinsicht gemäß Art. 229 § 39 EGBGB anwendbar, jetzt § 477 BGB] hat der Verkäufer den Beweis des Gegenteils dahin zu erbringen, dass ein binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang aufgetretener mangelhafter Zustand auf eine nach Gefahrübergang eingetretene, ihm nicht zuzurechnende Ursache – etwa eine übliche Abnutzungserscheinung nach Gefahrübergang – zurückzuführen ist (BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15, BGHZ 212, 224, insbesondere Leitsätze und Rn. 35 ff., 59).
Dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung folgt die ganz überwiegende Auffassung der Rechtsprechung (OLG Köln, Urt. v. 26.04.2018 – 15 U 82/17, juris Rn. 25; OLG München, Urt. v. 26.01.2018 – 3 U 3421/16, juris Rn. 26; OLG Hamm, Urt. v. 11.05.2017 – I-28 U 89/16, juris Rn. 32; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.03.2017 – I-22 U 211/16, juris Rn. 45 ff.; LG Frankfurt a. M., Urt. v. 05.04.2018 – 2-32 O 95/17, juris Rn. 48 ff.; LG Berlin, Urt. v. 23.01.2018 – 36 O 124/16, juris Rn. 23 f.) und der Literatur (z. B. Palandt/Weidenkaff, BGB, 78. Aufl. [2019], § 477 Rn. 8, ebenso bereits in der 76. Aufl. [2017], § 476 Rn. 8; BeckOGK/Augenhofer, Stand: 01.01.2019, § 477 BGB Rn. 1, 23 ff.; Koch, NJW 2017, 1068 ff.; Hk-BGB/Saenger, 10. Aufl. [2019], § 477 Rn. 2; Sagan/Scholl, EWiR 2017, 47 f.; bereits zum EuGH-Urteil Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Aufl. [2016], § 476 Rn. 8; Hübner, NJW 2015, 2237, 2241; Gsell, VuR 2015, 446; Wagner, ZEuP 2016, 87, 99; a. A. jurisPK-BGB/Ball, 8. Aufl. [2017], § 477 Rn. 15, Stand: 21.09.2017).
Das Amtsgericht ist in seinem Urteil ausdrücklich der früheren Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 02.06.2004 – VIII ZR 329/03, BGHZ 159, 215 = NJW 2004, 2299) gefolgt und hat dem Beschwerdeführer die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels („überhaupt“) auferlegt. Es hat das Vorliegen eines Mangels in Bezug auf die Undichtigkeit verneint, weil es davon ausging, dass es sich um typische Verschleißerscheinungen eines 14 Jahre alten Gebrauchtwagens handelte, die keinen vertragswidrigen Zustand, also keinen Sachmangel, darstellten. Danach hätte der Beschwerdeführer beweisen müssen, dass es sich aufgrund vorzeitigen bzw. außergewöhnlichen Verschleißes um einen vertragswidrigen Zustand gehandelt hat. Das hat er nicht getan.
Nach der neuen, vom Amtsgericht nicht herangezogenen, höchstrichterlichen Rechtsprechung hätte der Beschwerdeführer hingegen mit dem – unbestrittenen – Aufzeigen der Mangelerscheinung Wasser- und Ölverlust binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang seiner Darlegungslast genügt. Es wäre danach sodann Sache des Verkäufers gewesen, die Verantwortlichkeit für den Mangel aus einer anderen als seiner eigenen Sphäre zu beweisen, also insbesondere, dass es sich um einen üblichen Verschleiß gehandelt hat.
Dass das Amtsgericht von der zwischenzeitlich – auch im Zeitpunkt des Urteils – bereits gefestigten und in der Literatur ganz überwiegend geteilten Rechtsprechung abgewichen ist, hätte zumindest der Begründung bedurft (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.07.1995 – 1 BvR 1506/93, NJW 1995, 2911, 2912). Daran fehlt es. Insoweit kommt dem Amtsgericht auch nicht zugute, dass an sich eine verfassungsrechtliche Begründungspflicht für solche Gerichtsentscheidungen, die mit ordentlichen Rechtsbehelfen nicht mehr angreifbar sind, nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts grundsätzlich nicht besteht (vgl. VerfG Brandenburg, Beschl. v. 17.02.2017 – VfGBbg 97/15, verfassungsgericht.brandenburg.de = juris Rn. 14; Beschl. v. 16.12.2011 – VfGBbg 16/11, verfassungsgericht.brandenburg.de = juris Rn. 41; BVerfG, Beschl. v. 05.11.1985 – 2 BvR 1434/83, BVerfGE 71, 122 = juris Rn. 34 m. w. Nachw.). Vielmehr ist die nicht mit einer aussagefähigen Begründung versehene Entscheidung des Amtsgerichts bei verständiger Würdigung nicht nachvollziehbar und damit objektiv willkürlich. Ohne dass es auf subjektive Umstände oder auf ein Verschulden des Amtsgerichts ankäme, stellt eine derartige Entscheidung einen Verstoß gegen Art. 52 III Fall 1 BbgVerf dar (vgl. zu Art. 3 I GG BVerfG, Beschl. v. 05.11.1985 – 2 BvR 1434/83, BVerfGE 71, 122 = juris Rn. 35).
Das Urteil beruht auch auf dem Verstoß gegen das Verbot der Ungleichbehandlung. Es erscheint zumindest möglich, dass das Amtsgericht, hätte es die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung im Urteil in Erwägung gezogen, die Beweislast für das Nichtvorliegen eines Mangels bzw. die Herkunft der Mangelerscheinung Wasser- und Ölverlust beim Verkäufer gesehen und der Klage des Beschwerdeführers (ggf. teilweise) stattgegeben hätte. Dass das Amtsgericht im Beschluss über die Anhörungsrüge weiterhin der Meinung zu sein scheint, dass es sich um typische Verschleißerscheinungen handelte, die keinen Sachmangel darstellen, steht dem nicht entgegen.
II. Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, ob das Urteil den Beschwerdeführer auch in seinen grundrechtlichen Ansprüchen auf rechtliches Gehör, effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren verletzt.
C. Das Urteil des AG Neuruppin ist hiernach gemäß § 50 III VerfGGBbg aufzuheben; die Sache selbst ist an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Der die Anhörungsrüge zurückweisende Beschluss vom 08.03.2018 wird damit gegenstandslos. …
D. Der Beschluss ist einstimmig ergangen. Er ist unanfechtbar.