1. Ein Ge­richt, dem es we­gen sei­ner Bin­dung nur an Ge­setz und Recht ge­mäß Art. 2 V 2 BbgVerf frei­steht, von höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung ab­zu­wei­chen, hat ei­ne sol­che Ab­wei­chung zu be­grün­den. Das be­grün­dungs­lo­se Ab­wei­chen von ge­fes­tig­ter höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung, der die Li­te­ra­tur ganz über­wie­gend folgt, ver­stößt – un­ab­hän­gig von ei­nem Ver­schul­den des Ge­richts – ge­gen das Will­kür­ver­bot ge­mäß Art. 52 III Fall 1 BbgVerf.
  2. Zur Ent­wick­lung der Recht­spre­chung zur Reich­wei­te der Be­weis­last­um­kehr des § 476 BGB a.F. (= § 477 BGB n.F.).

VerfG Bran­den­burg, Be­schluss vom 12.04.2019 – VfGBbg 25/18

Sach­ver­halt: Der Be­schwer­de­füh­rer wen­det sich mit sei­ner Ver­fas­sungs­be­schwer­de ge­gen Ent­schei­dun­gen des AG Neu­rup­pin, die in ei­nem Zi­vil­rechts­streit über die Kos­ten der Nach­bes­se­rung ei­nes Ge­braucht­wa­gens er­gan­gen sind.

Im Fe­bru­ar 2017 er­warb der Be­schwer­de­füh­rer als Ver­brau­cher von dem im Aus­gangs­ver­fah­ren be­klag­ten Kfz-Händ­ler (nach­fol­gend: Ver­käu­fer) ei­nen 14 Jah­re al­ten Pkw zum Preis von 2.100 €. Er ver­brach­te das Fahr­zeug an­schlie­ßend – erst­mals et­wa fünf Wo­chen nach dem Kauf – zwei­mal zum Ver­käu­fer, um Re­pa­ra­tu­ren durch­füh­ren zu las­sen. Da­bei wur­den we­gen ei­nes un­strei­tig auf­ge­tre­te­nen Was­ser- und Öl­ver­lusts der Küh­ler und die Zy­lin­der­kopf­dich­tung er­neu­ert.

Im Aus­gangs­ver­fah­ren be­gehr­te der Be­schwer­de­füh­rer den Er­satz von Kos­ten in Hö­he von ins­ge­samt 302,82 €, die mit dem wie­der­hol­ten Auf­su­chen des Ver­käu­fers ver­bun­den ge­we­sen sei­en. Der Be­schwer­de­füh­rer be­haup­te­te, sein Fahr­zeug sei – auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Be­weis­last­um­kehr des § 476 BGB a.F. – bei der Über­ga­be man­gel­haft ge­we­sen. Ein kurz nach der Über­ga­be be­auf­trag­ter TÜV-Prü­fer ha­be „aus­ge­schla­ge­ne Sta­bi­li­sa­tor­buch­sen und ei­nen er­heb­li­chen Öl­ver­lust“ fest­ge­stellt.

Der Ver­käu­fer ver­tei­dig­te sich da­mit, die aus Ku­lanz durch­ge­führ­ten Re­pa­ra­tu­ren hät­ten Ver­schleiß­er­schei­nun­gen in Form ei­ner Schlauch­kor­ro­si­on be­trof­fen, de­ren Re­pa­ra­tur­be­dürf­tig­keit kei­nen Man­gel dar­ge­stellt ha­be und die bei Über­ga­be des Fahr­zeugs nicht vor­ge­le­gen hät­ten. Er be­stritt, dass der TÜV die vom Be­schwer­de­füh­rer be­haup­te­ten Män­gel fest­ge­stellt ha­be und dass die Sta­bi­li­sa­tor­buch­sen de­fekt ge­we­sen sei­en.

Das Amts­ge­richt wies die Kla­ge mit Ur­teil vom 15.01.2018 – 46 C 142/17 – ab und ließ die Be­ru­fung nicht zu. Zur Be­grün­dung führ­te es aus, der Be­schwer­de­füh­rer ha­be nicht be­wie­sen, dass das ge­kauf­te Fahr­zeug man­gel­haft ge­we­sen sei. Nor­ma­ler Ver­schleiß stel­le bei ei­nem ge­brauch­ten Kraft­fahr­zeug in der Re­gel kei­nen Sach­man­gel i. S. von § 434 I BGB dar, wo­bei es dar­auf an­kom­me, wel­che Be­schaf­fen­heit bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich sei und der Käu­fer er­war­ten kön­ne. Der Be­schwer­de­füh­rer ha­be mit für ein 14 Jah­re al­tes Fahr­zeug ty­pi­schen Ver­schleiß­er­schei­nun­gen rech­nen müs­sen; der Ver­käu­fer ha­be sich auf sol­che be­ru­fen. Die in § 476 BGB a.F. an­ge­ord­ne­te Be­weis­last­um­kehr – so hat das Amts­ge­richt im An­schluss an ei­ne Ent­schei­dung des BGH aus dem Jahr 2004 ge­meint – grei­fe nicht ein. Denn sie gel­te nicht für die Fra­ge, ob über­haupt ein Sach­man­gel vor­liegt. Viel­mehr set­ze sie vor­aus, dass un­strei­tig sei oder der Käu­fer be­wie­sen ha­be, dass die Sa­che man­gel­haft ist, und be­grün­de ei­ne le­dig­lich in zeit­li­cher Hin­sicht wir­ken­de Ver­mu­tung da­für, dass der Man­gel be­reits im Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs vor­lag. Bei Ver­schleiß­er­schei­nun­gen han­de­le es sich nicht um ei­nen Man­gel, von dem ver­mu­tet wer­den kön­ne, dass er be­reits im Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs vor­ge­le­gen ha­be. Der Be­schwer­de­füh­rer hät­te da­her den Ein­wand des Ver­käu­fers, den durch­ge­führ­ten Re­pa­ra­tu­ren ha­be nor­ma­ler Ver­schleiß zu­grun­de ge­le­gen, aus­räu­men müs­sen. Das ha­be er nicht ge­tan.

Ge­gen das Ur­teil er­hob der Be­schwer­de­füh­rer An­hö­rungs­rüge und rüg­te dar­in die Ver­let­zung von Art. 19 IV GG und Art. 52 III und IV BbgVerf. Er mach­te gel­tend, dass der Ver­käu­fer pau­schal ei­nen De­fekt der Sta­bi­li­sa­tor­buch­sen be­strit­ten ha­be, sei un­be­acht­lich, da er – der Ver­käu­fer – den Pkw selbst re­pa­riert ha­be. Das Amts­ge­richt hät­te ge­mäß § 139 I ZPO dar­auf hin­wei­sen müs­sen, dass nach sei­ner Auf­fas­sung nicht fest­ste­he, dass das Fahr­zeug man­gel­haft ge­we­sen sei, und ihm – dem Be­schwer­de­füh­rer – so Ge­le­gen­heit ge­ben müs­sen, wei­te­re Be­weis­mit­tel an­zu­bie­ten. Aus­ge­schla­ge­ne Sta­bi­li­sa­tor­buch­sen sei­en kei­ne Ver­schleiß­er­schei­nung. Fer­ner ha­be das Amts­ge­richt die neu­es­te Recht­spre­chung des BGH (Urt. v. 12.10.2016 – VI­II ZR 103/15) ver­kannt, nach der ein Käu­fer im We­sent­li­chen nur ei­ne bin­nen sechs Mo­na­ten ab Ge­fahr­über­gang auf­ge­tre­te­ne Man­gel­er­schei­nung nach­wei­sen müs­se. Die Be­weis­last­um­kehr sei nun­mehr ent­ge­gen den Aus­füh­run­gen des Amts­ge­richts in § 477 BGB ge­re­gelt. Hät­te das Ge­richt be­wusst von der Recht­spre­chung des EuGH und des BGH ab­wei­chen wol­len, hät­te es zu­dem die Be­ru­fung zu­las­sen müs­sen, was er – der Be­schwer­de­füh­rer – nach­träg­lich noch­mals be­an­trag­te.

Mit Be­schluss vom 08.03.2018, dem Be­schwer­de­füh­rer zu­ge­stellt am 09.03.2018, wies das Amts­ge­richt die An­hö­rungs­rüge als un­be­grün­det zu­rück. Auch nach der neue­ren BGH-Recht­spre­chung hät­te der Be­schwer­de­füh­rer als Käu­fer ei­nen man­gel­haf­ten Zu­stand des Pkw be­wei­sen müs­sen, nach­dem der Be­klag­te ei­nen De­fekt der Sta­bi­li­sa­tor­buch­sen be­strit­ten ha­be. Ei­nes ent­spre­chen­den Hin­wei­ses an den Be­schwer­de­füh­rer ha­be es nicht be­durft. Das Ge­richt ge­he im Üb­ri­gen da­von aus, dass es sich um ty­pi­sche Ver­schleiß­er­schei­nun­gen han­de­le. Über die Zu­las­sung der Be­ru­fung sei be­reits im Ur­teil vom 15.01.2018 ent­schie­den wor­den.

Mit sei­ner am 08.05.2018 er­ho­be­nen Ver­fas­sungs­be­schwer­de rüg­te der Be­schwer­de­füh­rer, das Ur­teil des AG Neu­rup­pin vom 15.01.2018 und der Be­schluss des Amts­ge­richts vom 08.03.2018 ver­letz­ten ihn in sei­nen Rech­ten aus Art. 52 III Fall 2 BgbVerf, Art. 6 I BgbVerf, Art. 52 III Fall 1, Art. 12 I i. V. mit Art. 52 IV 1 BgbVerf, Art. 52 IV i. V. mit Art. 2 V BbgVerf so­wie Art. 103 I GG und Art. 19 IV GG.

Der An­spruch auf recht­li­ches Ge­hör sei ver­letzt, weil das Amts­ge­richt den Kla­ge­vor­trag nicht voll­stän­dig zur Kennt­nis ge­nom­men, son­dern den be­haup­te­ten Man­gel in Ge­stalt aus­ge­schla­ge­ner Sta­bi­li­sa­tor­buch­sen au­ßer Acht ge­las­sen ha­be. Fer­ner ha­be das Amts­ge­richt die Rechts­grund­la­ge „ver­kannt und falsch zi­tiert“. Die Be­weis­last­um­kehr er­ge­be sich seit dem 01.01.2018 aus § 477 BGB, nicht mehr aus § 476 BGB. In­dem das Amts­ge­richt die Be­ru­fung ge­gen sein Ur­teil nicht – auch nicht nach ei­nem Hin­weis auf die neue­re BGH-Recht­spre­chung – zu­ge­las­sen ha­be, ha­be es den ihm, dem Be­schwer­de­füh­rer, zu­ste­hen­den Rechts­schutz un­zu­läs­sig ver­kürzt. Au­ßer­dem ha­be das Amts­ge­richt ge­gen das Will­kür­ver­bot und das Recht auf ein fai­res Ver­fah­ren ver­sto­ßen, in­dem es ihm die vol­le Dar­le­gungs- und Be­weis­last für die Man­gel­haf­tig­keit des Pkw auf­er­legt ha­be, oh­ne ihm ge­mäß § 139 I ZPO ei­nen ent­spre­chen­den Hin­weis zu er­tei­len.

Das Ver­fas­sungs­ge­richt des Lan­des Bran­den­burg hat fest­ge­stellt, dass das Ur­teil des AG Neu­rup­pin vom 15.01.2018 den Be­schwer­de­füh­rer in sei­nem Grund­recht auf Gleich­heit vor dem Ge­richt (Art. 52 III Fall 1 BbgVerf) ver­letzt. Es hat das Ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sa­che zur er­neu­ten Ent­schei­dung an das AG Neu­rup­pin zu­rück­ver­wie­sen.

Aus den Grün­den: B. … I. Die Ver­fas­sungs­be­schwer­de ge­gen das Ur­teil vom 15.01.2018 hat Er­folg.

1. Die Ver­fas­sungs­be­schwer­de ist be­züg­lich der ge­rüg­ten Ver­let­zung des Will­kür­ver­bots aus Art. 52 III Fall 1 BbgVerf zu­läs­sig.

a) Der Rechts­weg ist ge­mäß § 45 II 1 VerfGGBbg er­schöpft. Ge­gen das Ur­teil des Amts­ge­richts war ei­ne Be­ru­fung an­ge­sichts des 600 € nicht über­stei­gen­den Wer­tes des Be­schwer­de­ge­gen­stands und man­gels Zu­las­sung der Be­ru­fung ge­mäß § 511 II ZPO nicht statt­haft. Der Be­schwer­de­füh­rer hat ein An­hö­rungs­rüge­ver­fah­ren ge­mäß § 321a ZPO durch­ge­führt.

b) Die am 08.05.2018 er­ho­be­ne Ver­fas­sungs­be­schwer­de wahrt die Zwei-Mo­nats-Frist des § 47 I VerfGGBbg. Der An­hö­rungs­rüge­be­schluss vom 08.03.2018 ist dem Be­schwer­de­füh­rer am 09.03.2018 zu­ge­stellt wor­den. Die An­hö­rungs­rüge war ge­eig­net, die Frist zur Er­he­bung der Ver­fas­sungs­be­schwer­de of­fen­zu­hal­ten, weil sie nicht von vorn­her­ein aus­sichts­los war. Der Be­schwer­de­füh­rer be­an­stan­de­te un­ter an­de­rem, dass das Amts­ge­richt oh­ne ei­nen ge­mäß § 139 I ZPO er­for­der­li­chen Hin­weis, dass er sei­nen Vor­trag noch nicht hin­rei­chend un­ter Be­weis ge­stellt ha­be, ei­ne Über­ra­schungs­ent­schei­dung ge­trof­fen ha­be. Da­durch kann das Recht auf recht­li­ches Ge­hör be­trof­fen sein.

c) Der Be­schwer­de­füh­rer hat auch ei­ne ent­schei­dungs­er­heb­li­che Grund­rechts­ver­let­zung je­den­falls des Will­kür­ver­bots aus Art. 52 III Fall 1 BgbVerf den An­for­de­run­gen der §§ 20, 46 VerfGGBbg ent­spre­chend dar­ge­legt. Er hat vor­ge­tra­gen, das Amts­ge­richt ha­be durch ein Ver­ken­nen der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung von BGH und EuGH zur Fra­ge des Um­fangs der Be­weis­last­re­gel des § 476 BGB in der bis zum 31.12.2017 gel­ten­den Fas­sung (§ 477 BGB n.F.) dem Be­schwer­de­füh­rer die Be­weis­last für das Vor­lie­gen ei­nes Man­gels der Kauf­sa­che, nicht aber le­dig­lich ei­ner Man­gel­er­schei­nung, auf­er­legt und auf der Grund­la­ge ei­ner Be­weis­fäl­lig­keit die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Da­durch er­scheint ei­ne Ver­let­zung des Will­kür­ver­bo­tes mög­lich. Er legt auch ei­nen Be­ru­hens­zu­sam­men­hang schlüs­sig dar, wenn er vor­trägt, dass der Rechts­streit an­stel­le mit Kla­ge­ab­wei­sung oh­ne die ge­rüg­ten Grund­rechts­ver­let­zun­gen voll­stän­dig zu sei­nen Guns­ten hät­te en­den müs­sen.

d) Schließ­lich steht der Zu­läs­sig­keit der Ver­fas­sungs­be­schwer­de nicht ent­ge­gen, dass das Ur­teil, ge­gen das sie sich rich­tet, auf der Grund­la­ge von Ver­fah­rens­recht des Bun­des er­gan­gen ist. Die in­so­weit er­for­der­li­chen Vor­aus­set­zun­gen (vgl. VerfG Bran­den­burg, Beschl. v. 16.04.1998 – VfGBbg 1/98, LVerfGE 8, 82, 84; Beschl. v. 16.12.2010 – VfGBbg 18/10, LKV 2011, 124 f.) sind er­füllt.

2. Die Ver­fas­sungs­be­schwer­de ist be­grün­det.Das an­ge­foch­te­ne Ur­teil des AG Neu­rup­pin ver­letzt den Be­schwer­de­füh­rer in sei­nem Grund­recht auf Gleich­heit vor Ge­richt (Art. 52 III Fall 1 BbgVerf) in sei­ner Aus­prä­gung als Ver­bot ob­jek­ti­ver Will­kür, in­dem es ihm un­ter be­grün­dungs­lo­ser Ab­wei­chung von ge­fes­tig­ter höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung die vol­le Be­weis­last für das Vor­lie­gen ei­nes Man­gels be­züg­lich des Aus­tritts von Flüs­sig­kei­ten aus dem Fahr­zeug auf­er­legt hat.

Die Aus­le­gung des Ge­set­zes und sei­ne An­wen­dung auf den ein­zel­nen Fall sind Sa­che der da­für zu­stän­di­gen Fach­ge­rich­te und da­her der Nach­prü­fung durch das Ver­fas­sungs­ge­richt grund­sätz­lich ent­zo­gen. Ein ver­fas­sungs­ge­richt­li­ches Ein­grei­fen ge­gen­über den Ent­schei­dun­gen der Fach­ge­rich­te kommt nur in Aus­nah­me­fäl­len un­ter dem Ge­sichts­punkt der Ver­let­zung des Gleich­heits­sat­zes in sei­ner Aus­prä­gung als Will­kür­ver­bot in Be­tracht. Ei­ne ge­richt­li­che Ent­schei­dung ver­stößt nicht be­reits bei je­der feh­ler­haf­ten An­wen­dung ein­fa­chen Rechts ge­gen das Will­kür­ver­bot, son­dern erst, wenn sie un­ter kei­nem denk­ba­ren Ge­sichts­punkt recht­lich ver­tret­bar und da­mit schlecht­hin un­halt­bar ist. Sie muss Aus­druck ei­ner ob­jek­tiv fal­schen Rechts­an­wen­dung sein, die je­den Aus­le­gungs- und Be­ur­tei­lungs­spiel­raum au­ßer Acht lässt und ganz und gar un­ver­ständ­lich er­scheint. Die­se Vor­aus­set­zun­gen lie­gen un­ter an­de­rem dann vor, wenn sich ein Ge­richt mit sei­ner recht­li­chen Be­ur­tei­lung oh­ne nach­voll­zieh­ba­re Be­grün­dung in Wi­der­spruch zu ei­ner durch Recht­spre­chung und Schrift­tum ge­klär­ten Rechts­la­ge setzt oder das Ge­richt den In­halt ei­ner Norm krass miss­deu­tet, so­dass sich der Schluss auf­drängt, dass die Ent­schei­dung auf sach­frem­den Er­wä­gun­gen be­ruht (st. Rspr., vgl. VerfG Bran­den­burg, Beschl. v. 21.09.2018 – VfGBbg 180/17, verfassungsgericht.​brandenburg.​de = ju­ris Rn. 20 m. w. Nachw.). Auf sub­jek­ti­ve Um­stän­de oder ein Ver­schul­den des Ge­richts kommt es nicht an (vgl. z. B. BVerfG, Beschl. v. 18.03.2005 – 1 BvR 113/01, ju­ris Rn. 12 m. w. Nachw.). Ei­ne Be­grün­dung der Ent­schei­dung ist ver­fas­sungs­recht­lich dann ge­bo­ten, wenn ein Ge­richt von der höchst­rich­ter­li­chen Aus­le­gung ei­ner Norm ab­weicht, weil die Ge­rich­te nur dem Ge­setz un­ter­wor­fen sind und bei der Aus­le­gung und An­wen­dung von Nor­men we­der ei­ner vor­herr­schen­den Mei­nung fol­gen noch den von ei­nem über­ge­ord­ne­ten Ge­richt ver­tre­te­nen Stand­punkt zu­grun­de le­gen müs­sen, son­dern ih­re ei­ge­ne Rechts­auf­fas­sung ver­tre­ten kön­nen. Mit Rück­sicht auf die ver­fas­sungs­recht­li­che Ge­bun­den­heit des Rich­ters an Ge­setz und Recht (Art. 2 V LV) ver­langt das Will­kür­ver­bot je­doch, dass die ei­ge­ne Auf­fas­sung be­grün­det wird (vgl. zu Art. 20 III GG BVerfG, Beschl. v. 07.07.2014 – 1 BvR 1063/14, ju­ris Rn. 13 m. w. Nachw.).

Das Amts­ge­richt hat be­züg­lich der Man­gel­er­schei­nung Was­ser- und Öl­ver­lust die ein­schlä­gi­ge Recht­spre­chung des BGH zur Be­weis­last­ver­tei­lung oh­ne Be­grün­dung un­be­rück­sich­tigt ge­las­sen.

Der BGH hat­te sich im An­schluss an ei­ne Ent­schei­dung des EuGH (Urt. v. 04.06.2015 – C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 = NJW 2015, 2237 – Fa­ber) zur Aus­le­gung des Art. 5 III der Richt­li­nie 1999/44/EG (sog. Ver­brauchs­gü­ter­kaufs­richt­li­nie) im Ur­teil vom 12.10.2016 – VI­II ZR 103/15, BGHZ 212, 224 – aus­drück­lich von sei­ner bis­he­ri­gen Recht­spre­chung zur Ver­mu­tungs­wir­kung des § 476 BGB a.F. ab­ge­wandt. Nach der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung hat­te ein Käu­fer das Vor­lie­gen ei­nes Man­gels selbst zu be­wei­sen; die Be­weis­last­um­kehr wur­de nur in zeit­li­cher Hin­sicht an­ge­nom­men. Nach der neu­en höchst­rich­ter­li­chen, von EU-Richt­li­ni­en­recht und dies­be­züg­li­cher Recht­spre­chung des EuGH be­ein­fluss­ten Recht­spre­chung ist § 476 BGB a.F. richt­li­ni­en­kon­form da­hin aus­zu­le­gen, dass die Be­weis­last­um­kehr zu­guns­ten des Käu­fers schon dann greift, wenn er nach­weist, dass sich in­ner­halb von sechs Mo­na­ten ab Ge­fahr­über­gang ein „man­gel­haf­ter Zu­stand“, das heißt „ei­ne Man­gel­er­schei­nung“ ge­zeigt hat, der zur Män­gel­haf­tung des Ver­käu­fers füh­ren wür­de, wenn un­ter­stellt wird, der Zu­stand hät­te sei­ne Ur­sa­che in ei­nem dem Ver­käu­fer zu­zu­rech­nen­den Um­stand. Da­ge­gen muss der Käu­fer we­der dar­le­gen noch be­wei­sen, auf wel­che Ur­sa­che die­ser Zu­stand zu­rück­zu­füh­ren ist, noch dass die­se in den Ver­ant­wor­tungs­be­reich des Ver­käu­fers fällt. Zur Wi­der­le­gung der Ver­mu­tung des § 476 BGB [a.F., hier in zeit­li­cher Hin­sicht ge­mäß Art. 229 § 39 EGBGB an­wend­bar, jetzt § 477 BGB] hat der Ver­käu­fer den Be­weis des Ge­gen­teils da­hin zu er­brin­gen, dass ein bin­nen sechs Mo­na­ten nach Ge­fahr­über­gang auf­ge­tre­te­ner man­gel­haf­ter Zu­stand auf ei­ne nach Ge­fahr­über­gang ein­ge­tre­te­ne, ihm nicht zu­zu­rech­nen­de Ur­sa­che – et­wa ei­ne üb­li­che Ab­nut­zungs­er­schei­nung nach Ge­fahr­über­gang – zu­rück­zu­füh­ren ist (BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VI­II ZR 103/15, BGHZ 212, 224, ins­be­son­de­re Leit­sät­ze und Rn. 35 ff., 59).

Die­ser höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung folgt die ganz über­wie­gen­de Auf­fas­sung der Recht­spre­chung (OLG Köln, Urt. v. 26.04.2018 – 15 U 82/17, ju­ris Rn. 25; OLG Mün­chen, Urt. v. 26.01.2018 – 3 U 3421/16, ju­ris Rn. 26; OLG Hamm, Urt. v. 11.05.2017 – I-28 U 89/16, ju­ris Rn. 32; OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 17.03.2017 – I-22 U 211/16, ju­ris Rn. 45 ff.; LG Frank­furt a. M., Urt. v. 05.04.2018 – 2-32 O 95/17, ju­ris Rn. 48 ff.; LG Ber­lin, Urt. v. 23.01.2018 – 36 O 124/16, ju­ris Rn. 23 f.) und der Li­te­ra­tur (z. B. Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 78. Aufl. [2019], § 477 Rn. 8, eben­so be­reits in der 76. Aufl. [2017], § 476 Rn. 8; BeckOGK/Au­gen­ho­fer, Stand: 01.01.2019, § 477 BGB Rn. 1, 23 ff.; Koch, NJW 2017, 1068 ff.; Hk-BGB/Sa­en­ger, 10. Aufl. [2019], § 477 Rn. 2; Sa­gan/Scholl, EWiR 2017, 47 f.; be­reits zum EuGH-Ur­teil Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 75. Aufl. [2016], § 476 Rn. 8; Hüb­ner, NJW 2015, 2237, 2241; Gsell, VuR 2015, 446; Wag­ner, ZEuP 2016, 87, 99; a. A. ju­risPK-BGB/Ball, 8. Aufl. [2017], § 477 Rn. 15, Stand: 21.09.2017).

Das Amts­ge­richt ist in sei­nem Ur­teil aus­drück­lich der frü­he­ren Recht­spre­chung des BGH (Urt. v. 02.06.2004 – VI­II ZR 329/03, BGHZ 159, 215 = NJW 2004, 2299) ge­folgt und hat dem Be­schwer­de­füh­rer die Be­weis­last für das Vor­lie­gen ei­nes Man­gels („über­haupt“) auf­er­legt. Es hat das Vor­lie­gen ei­nes Man­gels in Be­zug auf die Un­dich­tig­keit ver­neint, weil es da­von aus­ging, dass es sich um ty­pi­sche Ver­schleiß­er­schei­nun­gen ei­nes 14 Jah­re al­ten Ge­braucht­wa­gens han­del­te, die kei­nen ver­trags­wid­ri­gen Zu­stand, al­so kei­nen Sach­man­gel, dar­stell­ten. Da­nach hät­te der Be­schwer­de­füh­rer be­wei­sen müs­sen, dass es sich auf­grund vor­zei­ti­gen bzw. au­ßer­ge­wöhn­li­chen Ver­schlei­ßes um ei­nen ver­trags­wid­ri­gen Zu­stand ge­han­delt hat. Das hat er nicht ge­tan.

Nach der neu­en, vom Amts­ge­richt nicht her­an­ge­zo­ge­nen, höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung hät­te der Be­schwer­de­füh­rer hin­ge­gen mit dem – un­be­strit­te­nen – Auf­zei­gen der Man­gel­er­schei­nung Was­ser- und Öl­ver­lust bin­nen sechs Mo­na­ten nach Ge­fahr­über­gang sei­ner Dar­le­gungs­last ge­nügt. Es wä­re da­nach so­dann Sa­che des Ver­käu­fers ge­we­sen, die Ver­ant­wort­lich­keit für den Man­gel aus ei­ner an­de­ren als sei­ner ei­ge­nen Sphä­re zu be­wei­sen, al­so ins­be­son­de­re, dass es sich um ei­nen üb­li­chen Ver­schleiß ge­han­delt hat.

Dass das Amts­ge­richt von der zwi­schen­zeit­lich – auch im Zeit­punkt des Ur­teils – be­reits ge­fes­tig­ten und in der Li­te­ra­tur ganz über­wie­gend ge­teil­ten Recht­spre­chung ab­ge­wi­chen ist, hät­te zu­min­dest der Be­grün­dung be­durft (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.07.1995 – 1 BvR 1506/93, NJW 1995, 2911, 2912). Dar­an fehlt es. In­so­weit kommt dem Amts­ge­richt auch nicht zu­gu­te, dass an sich ei­ne ver­fas­sungs­recht­li­che Be­grün­dungs­pflicht für sol­che Ge­richts­ent­schei­dun­gen, die mit or­dent­li­chen Rechts­be­hel­fen nicht mehr an­greif­bar sind, nach der Recht­spre­chung des Ver­fas­sungs­ge­richts grund­sätz­lich nicht be­steht (vgl. VerfG Bran­den­burg, Beschl. v. 17.02.2017 – VfGBbg 97/15, verfassungsgericht.​brandenburg.​de = ju­ris Rn. 14; Beschl. v. 16.12.2011 – VfGBbg 16/11, verfassungsgericht.​brandenburg.​de = ju­ris Rn. 41; BVerfG, Beschl. v. 05.11.1985 – 2 BvR 1434/83, BVerfGE 71, 122 = ju­ris Rn. 34 m. w. Nachw.). Viel­mehr ist die nicht mit ei­ner aus­sa­ge­fä­hi­gen Be­grün­dung ver­se­he­ne Ent­schei­dung des Amts­ge­richts bei ver­stän­di­ger Wür­di­gung nicht nach­voll­zieh­bar und da­mit ob­jek­tiv will­kür­lich. Oh­ne dass es auf sub­jek­ti­ve Um­stän­de oder auf ein Ver­schul­den des Amts­ge­richts an­kä­me, stellt ei­ne der­ar­ti­ge Ent­schei­dung ei­nen Ver­stoß ge­gen Art. 52 III Fall 1 BbgVerf dar (vgl. zu Art. 3 I GG BVerfG, Beschl. v. 05.11.1985 – 2 BvR 1434/83, BVerfGE 71, 122 = ju­ris Rn. 35).

Das Ur­teil be­ruht auch auf dem Ver­stoß ge­gen das Ver­bot der Un­gleich­be­hand­lung. Es er­scheint zu­min­dest mög­lich, dass das Amts­ge­richt, hät­te es die neue­re höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung im Ur­teil in Er­wä­gung ge­zo­gen, die Be­weis­last für das Nicht­vor­lie­gen ei­nes Man­gels bzw. die Her­kunft der Man­gel­er­schei­nung Was­ser- und Öl­ver­lust beim Ver­käu­fer ge­se­hen und der Kla­ge des Be­schwer­de­füh­rers (ggf. teil­wei­se) statt­ge­ge­ben hät­te. Dass das Amts­ge­richt im Be­schluss über die An­hö­rungs­rüge wei­ter­hin der Mei­nung zu sein scheint, dass es sich um ty­pi­sche Ver­schleiß­er­schei­nun­gen han­del­te, die kei­nen Sach­man­gel dar­stel­len, steht dem nicht ent­ge­gen.

II. Nach al­le­dem kommt es nicht mehr dar­auf an, ob das Ur­teil den Be­schwer­de­füh­rer auch in sei­nen grund­recht­li­chen An­sprü­chen auf recht­li­ches Ge­hör, ef­fek­ti­ven Rechts­schutz und ein fai­res Ver­fah­ren ver­letzt.

C. Das Ur­teil des AG Neu­rup­pin ist hier­nach ge­mäß § 50 III VerfGGBbg auf­zu­he­ben; die Sa­che selbst ist an das Amts­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen. Der die An­hö­rungs­rüge zu­rück­wei­sen­de Be­schluss vom 08.03.2018 wird da­mit ge­gen­stands­los. …

D. Der Be­schluss ist ein­stim­mig er­gan­gen. Er ist un­an­fecht­bar.

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