1. Der Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs, der die­ses En­de Sep­tem­ber 2015 er­wor­ben hat und vom Ver­käu­fer aus­drück­lich dar­auf hin­ge­wie­sen wor­den war, dass der Wa­gen vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen sei, kann in­so­weit Rech­te we­gen ei­nes Man­gels nicht mit Er­folg gel­tend ma­chen (§ 442 I 1 BGB).
  2. Der Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs kann die – nicht am Kauf­ver­trag be­tei­lig­te – Volks­wa­gen AG nicht ge­stützt auf §§ 823 ff. BGB auf „klei­nen“ Scha­dens­er­satz in An­spruch neh­men, und erst recht steht ihm ge­gen­über der Volks­wa­gen AG kein Recht zur Min­de­rung des Kauf­prei­ses (§ 437 Nr. 2 Fall 2, § 441 BGB) zu. Viel­mehr hat die Volks­wa­gen AG den Käu­fer al­len­falls so zu stel­len, als hät­te er das Fahr­zeug nicht er­wor­ben, das heißt, sie muss dem Käu­fer al­len­falls Scha­dens­er­satz in Hö­he des Kauf­prei­ses leis­ten, und zwar Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs.
  3. Nimmt der Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs die Volks­wa­gen AG mit an­walt­li­cher Hil­fe au­ßer­ge­richt­lich auf Scha­dens­er­satz in An­spruch, dann kann ein An­spruch auf Er­satz der auf­ge­wen­de­ten Rechts­an­walts­kos­ten schon dar­an schei­tern, dass dem Rechts­an­walt – des­sen Wis­sen sich der Käu­fer zu­rech­nen las­sen muss – be­kannt sein muss­te, dass es zweck­los ist, an die Volks­wa­gen AG im Zu­sam­men­hang mit dem VW-Ab­gas­skan­dal au­ßer­ge­richt­lich mit ei­nem Scha­dens­er­satz­ver­lan­gen her­an­zu­tre­ten. Denn ist der Schuld­ner – wie hier – be­kann­ter­ma­ßen zah­lungs­un­wil­lig und er­scheint der Ver­such ei­ner au­ßer­ge­richt­li­chen For­de­rungs­durch­set­zung auch nicht aus sons­ti­gen Grün­den Er­folg ver­spre­chend, dann kann der Gläu­bi­ger die da­für – un­nö­tig – auf­ge­wen­de­ten Kos­ten man­gels Zweck­mä­ßig­keit nicht mit Er­folg er­setzt ver­lan­gen (im An­schluss u. a. an BGH, Urt. v. 26.02.2013 – XI ZR 345/10, ju­ris Rn. 38).

LG Frei­burg Ur­teil vom 25.01.2019 – 14 O 275/17

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb am 30.09.2015 von der Be­klag­ten zu 1 im An­schluss an Ver­kaufs­ge­spräch, das er mit dem Ver­kaufs­mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten M ge­führt hat­te, für 16.900 € ei­nen ge­brauch­ten VW Pas­sat Va­ri­ant 2.0 TDI. Die­ses von der Be­klag­ten zu 2, der Volks­wa­gen AG, her­ge­stell­te Fahr­zeug ist vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen. In dem Pkw, der in­zwi­schen das vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt ge­for­der­te Soft­ware­up­date er­hal­ten hat, kam ur­sprüng­lich ei­ne Soft­ware zum Ein­satz, die in ei­ner Test­si­tua­ti­on ei­nen Be­triebs­mo­dus ak­ti­vier­te, in dem die Schad­stoff­emis­sio­nen des Fahr­zeugs ge­rin­ger wa­ren als beim nor­ma­len Fahr­be­trieb.

Der Klä­ger macht gel­tend, die Be­klag­te zu 2 bzw. ihr Vor­stand ha­be die­se die Schad­stoff­emis­sio­nen ma­ni­pu­lie­ren­de Soft­ware be­wusst und in Be­trugs­ab­sicht in­stal­lie­ren las­sen und müs­se ihm des­halb ge­mäß § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB und we­gen ei­ner sit­ten­wid­ri­gen vor­sätz­li­chen Schä­di­gung (§ 826 BGB) Scha­dens­er­satz leis­ten, wäh­rend die Be­klag­te zu 1 nach den Vor­schrif­ten über die kauf­recht­li­che Ge­währ­leis­tung (§§ 434 ff. BGB) haf­te. Bei Kennt­nis des wah­ren Sach­ver­halts hät­te er den VW Pas­sat Va­ri­ant, der we­der die ein­schlä­gi­gen Emis­si­ons­grenz­wer­te ein­hal­te noch dem ge­neh­mig­ten Typ ent­spre­che, nicht er­wor­ben. Das von der Be­klag­ten zu 2 ent­wi­ckel­te Soft­ware­up­date, das die Be­klag­te zu 1 bei dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug in­stal­liert ha­be, sei mit Nach­tei­len für den Mo­tor ver­bun­den; au­ßer­dem ver­blei­be trotz des Up­dates ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert in Hö­he von min­des­tens 25 %.

Der Klä­ger be­fürch­tet ver­si­che­rungs- und haf­tungs­recht­li­che Nach­tei­le bis hin zur sei­ner Straf­bar­keit we­gen ei­ner ein­fa­chen oder so­gar ge­fähr­li­chen Kör­per­ver­let­zung (§§ 223, 224 StGB). Er hat zu­letzt be­an­tragt, die Be­klag­ten zur Zah­lung ei­nes der Hö­he nach in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stell­ten Be­trags, der 4.225 € nicht un­ter­schrei­ten dür­fe, zu ver­ur­tei­len. Au­ßer­dem hat der Klä­ger die Fest­stel­lung be­gehrt, dass die Be­klag­ten ihm wei­te­re Schä­den, die aus der Ma­ni­pu­la­ti­on sei­nes Fahr­zeugs durch die Be­klag­te zu 2 re­sul­tier­ten, er­set­zen müss­ten. Schließ­lich hat der Klä­ger die Be­klag­ten „je­weils ge­trennt, nicht ge­samt­schuld­ne­risch“ auf Frei­stel­lung von vor­ge­richt­lich ent­stan­de­nen Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von je­weils 1.680,28 € in An­spruch ge­nom­men.

Die Be­klag­ten ha­ben ins­be­son­de­re gel­tend ge­macht, dass der Klä­ger das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug nicht täu­schungs­be­dingt er­wor­ben ha­be. Viel­mehr ha­be ihn der Ver­kaufs­mit­ar­bei­ter M dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der Pkw vom Ab­gas­skan­dal be­trof­fen sei. Die Be­klag­te zu 1 hat au­ßer­dem die Ein­re­de der Ver­jäh­rung er­ho­ben.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Die Kla­ge ist teils be­reits un­zu­läs­sig, im Üb­ri­gen un­be­grün­det.

1 Der Kla­ge­an­trag zu 1 ist zu­läs­sig, aber un­be­grün­det.

1.1 Der An­trag ist der Hö­he nach un­be­stimmt, aber gleich­wohl zu­läs­sig, da die Min­de­rung bzw. die Scha­dens­hö­he so, wie der Klä­ger sie gel­tend macht, von ei­ner Schät­zung nach § 287 ZPO ab­hängt. Ob die Scha­dens­be­rech­nung des Klä­gers schlüs­sig ist, ist hin­ge­gen ei­ne Fra­ge der Be­grün­det­heit (da­zu un­ter 1.2.1).

1.2 Der Kla­ge­an­trag zu 1 ist je­doch un­be­grün­det.

1.2.1 So­weit er sich ge­gen die Zweit­be­klag­te rich­tet, ist Kla­ge­an­trag zu 1 be­reits un­schlüs­sig. Die Zweit­be­klag­te haf­tet dem Klä­ger – die üb­ri­gen Vor­aus­set­zun­gen der § 823 II, § 826 BGB un­ter­stellt – nicht auf „klei­nen“ Scha­dens­er­satz (und schon gar nicht auf Min­de­rung), son­dern auf das ne­ga­ti­ve In­ter­es­se, das heißt, sie hat ihn so zu stel­len, als wä­re das ihr vor­ge­wor­fe­ne schä­di­gen­de Ver­hal­ten (Täu­schung) nicht ge­sche­hen und hät­te der Klä­ger den Pkw nicht er­wor­ben. Der Klä­ger könn­te so­mit – ver­gleich­bar der Rechts­la­ge zur An­la­ge­be­ra­ter­haf­tung – Er­stat­tung des von ihm in­ves­tier­ten Kauf­prei­ses (ab­züg­lich Nut­zun­gen), Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Pkw, ver­lan­gen, vgl. BGH, Urt. v. 14.10.1971 – VII ZR 313/69), nicht hin­ge­gen den Pkw be­hal­ten und des­sen Min­der­wert li­qui­die­ren, denn dies ent­sprä­che dem po­si­ti­ven (Er­fül­lungs-)In­ter­es­se. Der Klä­ger kann nicht ver­lan­gen, so ge­stellt zu wer­den, als ob der Ver­trag, den er ge­gen­über der Zweit­be­klag­ten als schä­di­gen­des Er­eig­nis gel­tend macht, fort­be­stün­de (vgl. Stau­din­ger/Schie­mann, Neu­be­arb. 2017, § 249 Rn. 149).

1.2.2 Ge­gen­über der Erst­be­klag­ten ist der Kla­ge­an­trag zu 1 zwar schlüs­sig, je­doch fehlt es, da der Klä­ger die Ab­gas­skan­dal-Be­trof­fen­heit des Wa­gens bei Ab­schluss des Ver­trags zur Über­zeu­gung des Ge­richts kann­te, an ei­ner Ab­wei­chung der Ist- von der Soll­be­schaf­fen­heit, zu­min­dest greift § 442 I 1 BGB (Kennt­nis des Man­gels bei Er­werb). Zu­gleich fehlt es da­mit ge­gen­über der Zweit­be­klag­ten je­den­falls an der Kau­sa­li­tät zwi­schen der gel­tend ge­mach­ten Täu­schung und dem Er­werb des Pkw, so­dass die Haf­tung der Zweit­be­klag­ten je­den­falls auf tat­säch­li­cher Ebe­ne schei­tert.

1.​2.​2.​1 Dass der Klä­ger die Be­trof­fen­heit des Pkw vom Ab­gas­skan­dal bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags am 30.09.2015 kann­te, liegt be­reits des­halb na­he, weil – was all­ge­mein­be­kannt ist – schon deut­lich frü­her ent­spre­chen­de Pres­se­pu­bli­ka­tio­nen dar­über er­schie­nen wa­ren, dass die Zweit­be­klag­te Die­sel­mo­to­ren ma­ni­pu­liert hat­te, weil die Zweit­be­klag­te dies am 19.09.2015 of­fi­zi­ell und mit ma­xi­ma­lem Pres­se­echo ein­ge­räumt hat­te und weil seit­her na­he­zu täg­lich in zahl­rei­chen Me­di­en wei­te­re Mel­dun­gen an pro­mi­nen­ter Stel­le er­folgt wa­ren, die dem Klä­ger, der in die­ser Zeit of­fen­bar Kfz-An­ge­bo­te re­cher­chier­te, schwer­lich ent­gan­gen sein kön­nen.

1.​2.​2.​2 Zu­dem ist das Ge­richt nach Ver­neh­mung des Zeu­gen M – des zu­stän­di­gen Ver­kaufs­mit­ar­bei­ters der Erst­be­klag­ten – da­von über­zeugt, dass der Klä­ger vor Ver­trags­schluss vom Zeu­gen M aus­drück­lich dar­über auf­ge­klärt wur­de, dass der Pkw vom Ab­gas­skan­dal be­trof­fen ist. Die Aus­sa­ge des Zeu­gen M, er ha­be dem Klä­ger im Ver­kaufs­ge­spräch of­fen­bart, dass der Wa­gen ei­nen von VW „ma­ni­pu­lier­ten“ Mo­tor VW EA189 ha­be, war de­tail­liert, von kon­kre­ter Er­in­ne­rung ge­prägt und glaub­haft, auch wenn der Hin­weis des Zeu­gen auf die Die­sel­ma­ni­pu­la­ti­on nicht im Ver­trags­for­mu­lar (An­la­ge K 1) ver­merkt wur­de und fer­ner bei der Glaub­wür­dig­keits­be­ur­tei­lung das Pro­vi­si­ons­in­ter­es­se so­wie das Nä­he­ver­hält­nis des Zeu­gen zur Erst­be­klag­ten zu be­rück­sich­ti­gen war. Dass die Ab­gas­skan­dal­be­trof­fen­heit im Kauf­ver­trag nicht ver­merkt ist, hat der Zeu­ge da­mit er­klärt, dass man im Hau­se der Erst­be­klag­ten noch kei­ne of­fi­zi­el­len An­wei­sun­gen ge­habt ha­be, wie mit dem Ab­gas­skan­dal in sol­chen Fäl­len um­zu­ge­hen sei. Dies ist an­ge­sichts des ge­richts­be­kannt stark for­ma­li­sier­ten Ver­trags­we­sens der Erst­be­klag­ten als VW-Ver­trags­händ­le­rin plau­si­bel. Recht­lich steht der Erst­be­klag­ten der Nach­weis, dass wei­te­re, in der Ver­trags­ur­kun­de nicht auf­ge­führ­te Hin­wei­se er­folgt sind, of­fen. Für prak­tisch aus­ge­schlos­sen hält das Ge­richt hin­ge­gen, dass der Zeu­ge M von ei­nem Hin­weis auf den Die­selskan­dal ab­sah. Da­zu hät­te es nicht nur – eben­so wie für die dann ge­ge­be­ne ge­richt­li­che Falsch­aus­sa­ge des Zeu­gen – er­heb­li­cher kri­mi­nel­ler En­er­gie be­durft, son­dern auch ei­nes ge­ra­de­zu un­ver­ständ­li­chen Leicht­sinns, denn es war für den Zeu­gen M am 30.09.2015 evi­dent, dass die Die­selskan­dal-Be­trof­fen­heit des Wa­gens dem Klä­ger frü­her oder spä­ter auf­fal­len und er auf die Zweit­be­klag­te zu­kom­men wür­de, wenn er nicht vor Ver­trags­schluss auf das Pro­blem hin­ge­wie­sen wür­de. Ein exis­ten­zi­el­les Pro­vi­si­ons­in­ter­es­se des Zeu­gen liegt fern; er be­zieht den un­strei­ti­gen An­ga­ben des Erst­be­klag­ten­ver­tre­ters im Ter­min vom 29.11.2018 zu­fol­ge Ta­rif­lohn und Pro­vi­sio­nen nur zu­sätz­lich. Zu­dem hät­te der Zeu­ge M bei Ver­schwei­gen der Ab­gas­skan­dal-Be­trof­fen­heit des Wa­gens ei­ne als­bal­di­ge Pro­vi­si­ons­stor­nie­rung bis hin zu straf­recht­li­chen Kon­se­quen­zen ris­kiert. Na­he liegt hin­ge­gen, dass die Erst­be­klag­te als re­nom­mier­tes Au­to­haus und auch der Zeu­ge M als ihr Mit­ar­bei­ter ei­nen Ruf zu ver­lie­ren hat­ten. Auch die Mög­lich­keit, dass der Zeu­ge M von ei­nem Hin­weis auf den Die­selskan­dal wo­mög­lich ab­sah, weil er den Klä­ger für oh­ne­hin in­for­miert hielt, liegt nach Auf­fas­sung des Ge­richts fern. Ei­ne sol­che Vor­kennt­nis des Klä­gers liegt zwar in der Tat na­he (s. oben 1.​2.​2.​1). Ge­ra­de weil der Die­selskan­dal zum Zeit­punkt des Ver­kaufs­ge­sprächs aber all­ge­mei­nes Ta­ges­ge­spräch war, er­scheint die Vor­stel­lung, der Skan­dal sei dort nicht the­ma­ti­siert wor­den, le­bens­fern.

1.​2.​2.​3 Das Ge­richt ist nach al­le­dem über­zeugt, dass der Klä­ger den Pkw in Kennt­nis des­sen Ab­gas­skan­dal-Be­trof­fen­heit er­warb. Da­mit greift ge­gen­über der Erst­be­klag­ten § 442 I 1 BGB, und ge­gen­über der Zweit­be­klag­ten fehlt es je­den­falls an ei­nem ur­säch­li­chen Zu­sam­men­hang zwi­schen der ihr vor­ge­wor­fe­nen Täu­schung des Klä­gers und des­sen Kauf­ent­schluss.

2. Der Kla­ge­an­trag zu 2 ist ge­gen­über der Erst­be­klag­ten zu­läs­sig, aber un­be­grün­det, ge­gen­über der Zweit­be­klag­ten hin­ge­gen un­zu­läs­sig.

2.1 Ge­gen­über der Zweit­be­klag­ten fehlt es am Fest­stel­lungs­in­ter­es­se.

2.1.1 Der Klä­ger könn­te die ihm ge­gen die Zweit­be­klag­te nach sei­nem Vor­brin­gen al­len­falls zu­ste­hen­den An­sprü­che (Er­stat­tung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich Nut­zun­gen, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des Pkw) be­zif­fern und per Leis­tungs­kla­ge ver­fol­gen. Wei­te­re, von der Zweit­be­klag­ten zu er­stat­ten­de, vom Klä­ger aber noch nicht be­zif­fer­ba­re Scha­dens­po­si­tio­nen er­ge­ben sich aus dem Kla­ge­vor­brin­gen nicht, je­den­falls nicht mit hin­rei­chen­der Wahr­schein­lich­keit. Bei rei­nen Ver­mö­gens­schä­den er­for­dert ei­ne vor­beu­gen­de Fest­stel­lungs­kla­ge die Wahr­schein­lich­keit ei­nes auf die Ver­let­zungs­hand­lung zu­rück­zu­füh­ren­den Scha­den­s­ein­tritts, wo­bei aus­rei­chend, aber auch er­for­der­lich ist, dass nach der Le­bens­er­fah­rung und dem ge­wöhn­li­chen Ver­lauf der Din­ge mit hin­rei­chen­der Wahr­schein­lich­keit ein erst künf­tig aus dem Rechts­ver­hält­nis er­wach­sen­der Scha­den an­ge­nom­men wer­den kann. Hin­ge­gen be­steht ein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se für ei­nen künf­ti­gen An­spruch auf Er­satz ei­nes all­ge­mei­nen Ver­mö­gens­scha­dens re­gel­mä­ßig nicht, wenn der Ein­tritt ir­gend­ei­nes Scha­dens noch un­ge­wiss ist (st. Rspr. des BGH, vgl. z. B. Urt. v. 10.07.2014 – IX ZR 197/12, ju­ris Rn. 11 m. w. Nachw.). Nach die­sen Grund­sät­zen ist zum Bei­spiel die Ge­fahr von Steu­er­nach­zah­lun­gen – vom Klä­ger auch nicht sub­stan­zi­iert gel­tend ge­macht – zu un­ge­wiss. Noch fer­ner lie­gen – zu­mal nach Durch­füh­rung des Soft­ware­up­dates – die vom Klä­ger be­fürch­te­ten ver­si­che­rungs- und haf­tungs­recht­li­chen Nach­tei­le. So­weit der Klä­ger gar fürch­tet, sich nach §§ 223, 224 StGB in Form von Stick­oxid­emis­sio­nen straf­bar zu ma­chen bzw. ge­macht zu ha­ben, liegt al­len­falls ein „Wahn­de­likt“ vor (Eser/Bosch, in: Schön­ke/Schrö­der, StGB, 30. Aufl. [2019], § 22 Rn. 78–92) und be­steht nicht ein­mal die theo­re­ti­sche Ge­fahr der Straf­ver­fol­gung.

2.1.2 Das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se ge­gen­über der Zweit­be­klag­ten kann, ent­ge­gen LG Of­fen­burg, Urt. v. 12.05.2017 – 6 O 119/16, ju­ris Rn. 17 –, auch nicht mit der Er­wä­gung be­jaht wer­den, wei­te­re von der Zweit­be­klag­ten ggfs. zu er­set­zen­de Be­gleit­schä­den sei­en, auch wenn sie nicht mit hin­rei­chen­der Wahr­schein­lich­keit dro­hen, je­den­falls ver­jäh­rungs­be­droht. Ver­jäh­rung – ge­gen­über der Zweit­be­klag­ten – droht dem Klä­ger be­züg­lich der­zeit nicht ab­seh­ba­rer Scha­dens­tei­le nicht, denn so­lan­ge er kei­ne Kennt­nis oder grob fahr­läs­si­ge Un­kennt­nis von Fak­ten hat, die ihm die zu­mut­ba­re Er­he­bung ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge er­mög­li­chen, fehlt es an den sub­jek­ti­ven Vor­aus­set­zun­gen des Ver­jäh­rungs­be­ginns nach § 199 BGB. Maß­geb­lich für den Ver­jäh­rungs­be­ginn ist, ob der Ge­schä­dig­te zu­min­dest ei­ne Fest­stel­lungs­kla­ge er­he­ben könn­te, die bei ver­stän­di­ger Wür­di­gung der ihm be­kann­ten Tat­sa­chen so viel Aus­sicht auf Er­folg bie­tet, dass sie für ihn zu­mut­bar ist (ju­risPK-BGB/Lak­kis, 8. Aufl. [2017], § 199 Rn. 159 m. w. Nachw.). So­lan­ge sich ein wei­te­rer Scha­den nicht hin­rei­chend wahr­schein­lich ab­zeich­net, ist im vor­lie­gen­den Fall ei­ne Fest­stel­lungs­kla­ge aber ge­ra­de nicht zu­mut­bar, son­dern un­zu­läs­sig (s. oben).

2.1.3 Auch mit der Er­wä­gung, die Zweit­be­klag­te wer­de sich be­reits ei­nem blo­ßen Fest­stel­lungs­ur­teil beu­gen, kann das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se nicht be­jaht wer­den: Zwar schreibt die Recht­spre­chung be­stimm­ten Be­klag­ten – wie zum Bei­spiel Kör­per­schaf­ten des öf­fent­li­chen Rechts – ei­ne be­son­ders aus­ge­präg­te Rechtstreue zu und stellt in­so­fern ab­ge­senk­te An­for­de­run­gen an die Zu­läs­sig­keit ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge (Fo­ers­te, in: Mu­sielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 256 Rn. 13 m. w. Nachw.). Je­doch neigt – zu­min­dest nach Vor­brin­gen des Klä­gers – die Zweit­be­klag­te nicht zu be­son­de­rer Rechtstreue. Au­ßer­dem wä­re selbst dann nur die Be­zif­fe­rung des Scha­dens ent­behr­lich, nicht aber, dass ein sol­cher über­haupt mit der er­for­der­li­chen Wahr­schein­lich­keit droht. Denn für die vor­beu­gen­de ge­richt­li­che Klä­rung rein abs­trak­ter Even­tua­li­tä­ten be­steht auch ge­gen­über be­son­ders rechtstreu­en Be­klag­ten kein Rechts­schutz­be­dürf­nis.

2.1.4 Der Kla­ge­an­trag zu 2 ist ge­gen­über der Zweit­be­klag­ten auch nicht als Zwi­schen­fest­stel­lungs­kla­ge ge­mäß § 256 II ZPO im Hin­blick auf den Kla­ge­an­trag zu 3, mit dem Frei­stel­lung von vor­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten be­gehrt wird, zu­läs­sig. Der mit dem Kla­ge­an­trag zu 3 gel­tend ge­mach­te Frei­stel­lungs­an­spruch schei­tert ge­gen­über der Zweit­be­klag­ten näm­lich be­reits aus an­de­ren Grün­den, oh­ne dass es auf die Fra­ge nach der grund­sätz­li­chen Scha­dens­er­satz­pflicht über­haupt an­kommt (s. un­ten 3).

2.2 Ge­gen­über der Erst­be­klag­ten ist der auf Fest­stel­lung ge­rich­te­te Kla­ge­an­trag zu 2 hin­ge­gen zu­läs­sig, aber un­be­grün­det.

2.2.1 Der An­trag ist zu­läs­sig.

2.​2.​1.​1 Das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se i. S. des § 256 I ZPO folgt ge­gen­über der Erst­be­klag­ten aus der Be­fürch­tung des Klä­gers, das Soft­ware­up­date ha­be nach­tei­li­ge Fol­gen für die Lang­le­big­keit des Mo­tors. An­ders als ge­gen­über der Zweit­be­klag­ten (der der Klä­ger den Wa­gen oh­ne­hin Zug um Zug ge­gen Scha­dens­er­satz über­eig­nen müss­te, s. oben) ste­hen dem Klä­ger näm­lich, soll­ten sich künf­tig Mo­tor­schä­den in­fol­ge des Up­dates her­aus­stel­len, ge­gen die Erst­be­klag­te un­ter Um­stän­den durch­aus wei­te­re, der­zeit nicht be­zif­fer­ba­re An­sprü­che un­ter dem As­pekt der kauf­ver­trag­li­chen Ge­währ­leis­tung zu, wenn man sein Vor­brin­gen zu­grun­de legt (wo­nach er kei­ne Kennt­nis vom Man­gel hat­te). Ob die vom Klä­ger be­fürch­te­ten soft­ware­be­ding­ten Nach­tei­le hin­rei­chend wahr­schein­lich in dem un­ter 2.1.1 ge­nann­ten Sin­ne sind, kann da­bei of­fen­blei­ben. Je­den­falls lie­gen sie nicht gänz­lich fern, und dies muss im vor­lie­gen­den (Son­der-)Fall für das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se ge­nü­gen an­ge­sichts des­sen, dass die ent­spre­chen­den Nach­for­de­run­gen des Klä­gers ge­gen die Erst­be­klag­te an­sons­ten ver­jäh­rungs­be­droht wä­ren: Der Ver­jäh­rungs­be­ginn knüpft für An­sprü­che ge­gen die Erst­be­klag­te näm­lich al­lein an die Ab­lie­fe­rung an (§ 438 II BGB), oh­ne dass es in­so­weit – wie bei § 199 BGB –, für den Ver­jäh­rungs­be­ginn dar­auf an­kä­me, ob dem Klä­ger be­reits Um­stän­de be­kannt sind, die ei­ne Fest­stel­lungs­kla­ge zu­mut­bar ma­chen. Die­se Be­son­der­heit recht­fer­tigt es, ei­ne vor­beu­gen­de Fest­stel­lungs­kla­ge auch für sol­che Scha­dens­po­si­tio­nen zu­zu­las­sen, die nicht „hin­rei­chend wahr­schein­lich“ in dem un­ter 2.1.1 aus­ge­führ­ten Sin­ne sind.

2.​2.​1.​2 Der Fest­stel­lungs­an­trag ist fer­ner be­stimmt ge­nug, um zu­läs­sig zu sein. Die für sich ge­nom­men un­kla­re For­mu­lie­rung, wo­nach die Scha­dens­er­satz­pflicht für Schä­den, die „aus der Ma­ni­pu­la­ti­on des Fahr­zeugs durch die Be­klag­ten­par­tei zu 2 re­sul­tie­ren“, fest­ge­stellt wer­den soll, ist an­hand der klä­ge­ri­schen Schrift­sät­ze da­hin ge­hend aus­zu­le­gen, dass es um die Er­satz­pflicht der Erst­be­klag­ten für die­je­ni­gen Schä­den geht, die dar­auf be­ru­hen, dass der Pkw die ein­schlä­gi­gen Stick­stoff­grenz­wer­te tat­säch­lich – bei Aus­schal­tung der test­lauf­er­ken­nen­den Soft­ware – über­schrei­tet.

2.2.2 Der Kla­ge­an­trag zu 2 ist je­doch un­be­grün­det.

2.​2.​2.​1 Dem Klä­ger ste­hen ge­gen die Erst­be­klag­te kei­ne kauf­recht­li­chen Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che zu. Er hat den Pkw in Kennt­nis des­sen Die­selskan­dal-Be­trof­fen­heit ge­kauft (s. oben) und die ent­spre­chen­den Fol­gen des von ihm er­kann­ten Man­gels – soll­te das Soft­ware­up­date von Nach­teil für den Mo­tor sein – selbst zu tra­gen. Ei­ne Haf­tung der Erst­be­klag­ten aus dem Kauf­ver­trag schei­tert je­den­falls an § 442 I 1 BGB.

2.​2.​2.​2 Ei­ne Scha­dens­er­satz­pflicht der Erst­be­klag­ten al­lein dar­aus, dass sie das vom Klä­ger für mo­tor­schäd­lich ge­hal­te­ne Soft­ware­up­date in­stal­liert hat, ist – selbst wenn man dar­in ei­nen ge­son­der­ten (Werk-)Ver­trag er­blickt – we­der von dem Fest­stel­lungs­an­trag um­fasst noch er­sicht­lich: Die vom Klä­ger be­fürch­te­ten Nach­tei­le für die Lang­le­big­keit des Mo­tors sind nach dem Kla­ge­vor­trag Ne­ben­fol­ge des Up­dates. Dass die­se Ne­ben­fol­ge bei Auf­spie­lung des Up­dates ver­meid­bar ge­we­sen sei oder dass das Up­date für sich ge­nom­men nicht le­ge ar­tis auf­ge­spielt wor­den sei, macht der Klä­ger nicht gel­tend.

3. Der Kla­ge­an­trag zu 3 (Frei­stel­lung von An­walts­kos­ten) ist zu­läs­sig, aber un­be­grün­det.

3.1 Da­bei kann of­fen­blei­ben, ob der Klä­ger über­haupt hin­rei­chend dar­legt, mit wel­cher vor­ge­richt­li­chen An­walts­tä­tig­keit er sei­ne Be­voll­mäch­tig­ten be­auf­tragt hat­te und ob dies oh­ne – ge­ge­be­nen­falls be­ding­ten – Kla­ge­auf­trag er­folg­te. Je­den­falls be­ste­hen die vom Klä­ger gel­tend ge­mach­ten Haupt­for­de­run­gen nicht (s. oben), so­mit auch kei­ne An­sprü­che auf vor­ge­richt­li­che An­walts­kos­ten.

3.2 Un­ab­hän­gig da­von schei­det ge­gen­über der Zweit­be­klag­ten ein An­spruch auf Er­stat­tung vor­ge­richt­li­cher An­walts­kos­ten oh­ne­hin be­reits des­halb aus, weil den mit zahl­rei­chen gleich­ar­ti­gen Fäl­len be­fass­ten Be­voll­mäch­ti­gen des Klä­gers – und da­mit ge­mäß § 166 BGB auch ihm selbst – die Zweck­lo­sig­keit ei­nes vor­ge­richt­li­chen Her­an­tre­tens an die Zweit­be­klag­te be­kannt war. Ist der Schuld­ner – wie hier – be­kann­ter­ma­ßen zah­lungs­un­wil­lig und er­scheint der Ver­such ei­ner au­ßer­ge­richt­li­chen For­de­rungs­durch­set­zung auch nicht aus sons­ti­gen Grün­den Er­folg ver­spre­chend, wer­den durch die vor­ge­richt­li­che Tä­tig­keit so­mit of­fen­sicht­lich nur un­nö­ti­ge wei­te­re Kos­ten ver­ur­sacht, so sind die­se man­gels Zweck­mä­ßig­keit nicht er­stat­tungs­fä­hig (vgl. BGH, Urt. v. 08.05.2012 – XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 = WM 2012, 1337 Rn. 70; Urt. v. 26.02.2013 – XI ZR 345/10, ju­ris Rn. 38). Hier­bei han­delt es sich um ech­te, vom Ge­schä­dig­ten dar­zu­le­gen­de und zu be­wei­sen­de An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen und nicht le­dig­lich um im Rah­men des § 254 BGB be­deut­sa­me, die Er­satz­pflicht be­schrän­ken­de und da­mit in die Dar­le­gungs- und Be­weis­last des Schä­di­gers fal­len­de Um­stän­de (BGH, Urt. v. 27.07.2010 – VI ZR 261/09, ju­ris Rn. 26). Au­ßer­ge­richt­li­che Rechts­an­walts­kos­ten sind Ne­ben­for­de­run­gen ge­mäß § 4 I Halb­satz 2 ZPO (BGH, Beschl. v. 29.04.2010 – III ZR 145/09, ju­ris Rn. 3; Beschl. v. 21.12.2010 – XI ZR 157/10), ju­ris), so­dass auch kein Hin­weis des Ge­richts er­for­der­lich war (§ 139 II 1 ZPO; BGH, Urt. v. 21.02.2017 – XI ZR 467/15 Rn. 37; vgl. eben­so zur Be­auf­tra­gung ei­nes In­kas­so­bü­ros bei Zah­lungs­un­wil­lig­keit oder -un­fä­hig­keit des Schuld­ners: OLG Karls­ru­he, Urt. v. 11.06.1986 – 6 U 234/85, NJW-RR 1987, 15; OLG Mün­chen, Urt. v. 29.11.1974 – 19 U 3081/74, NJW 1975, 832 f.; Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 77. Aufl. [2018], § 286 Rn. 46). Die Klä­ger­ver­tre­ter be­treu­en ge­richts­be­kannt ei­ne Viel­zahl von Par­al­lel­ver­fah­ren ge­gen die Be­klag­te. Ih­nen muss­te spä­tes­tens En­de 2015 be­kannt ge­we­sen sein, dass die Be­klag­te nicht zu ei­ner vor­ge­richt­li­chen Re­gu­lie­rung be­reit war. …

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