- Die Kraftfahrzeugsteuer entsteht auch dann, wenn ein Fahrzeug für einen Tag zugelassen und zugleich antragsgemäß wieder abgemeldet wird.
- Eine Abstempelung von Kennzeichen war – bei Zulassung im Juli 2008 – für die Zulassung und damit auch für die Kraftfahrzeugsteuer entbehrlich.
BFH, Urteil vom 14.06.2018 – III R 26/16
Sachverhalt: Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war im Kraftfahrzeughandel tätig und benötigte für aus dem Ausland importierte Fahrzeuge regelmäßig Zulassungsbescheinigungen Teil I (Fahrzeugschein) und Teil II (Fahrzeugbrief). Dazu beantragte sie jeweils bei der Zulassungsstelle die Zuteilung eines Saisonkennzeichens.
Aufgrund der hohen Anzahl so zugelassener Fahrzeuge wurde das Zulassungsverfahren zur Verwaltungsvereinfachung – auch im Interesse der Klägerin – dergestalt durchgeführt, dass Kennzeichen für die Klägerin „reserviert“ und immer wieder für auf sie zugelassene und regelmäßig auch sofort wieder abgemeldete Kraftfahrzeuge verwendet wurden. Die Zulassungsbescheinigung wurde erstellt und sodann in unmittelbarem Anschluss auch die Abmeldung eingetragen. Zumindest teilweise wurde dabei auf geprägte Nummernschilder verzichtet.
Diese Praxis wurde durch das Regierungspräsidium mit Schreiben vom 07.07.2008 wie folgt beanstandet:
„Die Zulassungsbehörde … wird daher angewiesen, Fahrzeugen, die vorher in einem anderen Staat zugelassen waren, keine ‚Tages-/Kurzzeitzulassungen‘ mit anschließender Außerbetriebsetzung ohne Aushändigung der Zulassungsdokumente Teil I und II und Abstempelung der Kennzeichenschilder bzw. keine Zulassung mit Saisonkennzeichen … ohne Aushändigung der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II und Abstempelung der Kennzeichenschilder zu erteilen. Sofern Außerbetriebsetzungen der Fahrzeuge mit Saisonkennzeichen vor Beginn des Betriebszeitraums vorgenommen wurden, wird die Zulassungsbehörde … angewiesen, die Zulassung zurückzunehmen, die Zulassungsbescheinigungen einzuziehen und dem Kraftfahrtbundesamt zu melden. Das Landratsamt … wird angewiesen, keine derartigen Scheinzulassungen mehr vorzunehmen und uns über den Vollzug bis zum 15.07.2008 zu berichten.“
Für das streitgegenständliche Fahrzeug beantragte die Klägerin am 21.07.2008 die Zuteilung eines Saisonkennzeichens für einen Tag, welches antragsgemäß zugeteilt wurde. Gleichzeitig beantragte sie die Abmeldung des Fahrzeugs. Die An- und die Abmeldung wurden von der Behörde in die Zulassungsbescheinigung eingetragen und die Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II sodann der Klägerin ausgehändigt. Das Kennzeichen war nach der beanstandeten alten Verwaltungspraxis für die Klägerin erstmals und einmalig am 24.09.2007 verwendet worden, danach wurde es erst wieder für das streitgegenständliche Fahrzeug am 21.07.2008 und ab diesem Zeitpunkt für eine Vielzahl anderer auf Antrag der Klägerin zugelassene Fahrzeuge eingesetzt.
Aufgrund der Mitteilung über die Zulassung erließ das Finanzamt am 28.07.2008 zunächst einen Bescheid über Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 21.07.2008 bis zum 31.05.2009 über 104 €, den es am 30.07.2008 auf 10 € für den 21.07.2008 änderte. Dabei ging es von einer Mindestdauer der Steuerpflicht nach § 5 KraftStG von einem Monat aus.
Der dagegen gerichtete Einspruch der Klägerin wurde als unbegründet zurückgewiesen. Auch die Klage gegen das Finanzamt, an dessen Stelle während des Verfahrens beim Finanzgericht der Beklagte und Revisionsbeklagte – das Hauptzollamt – getreten ist, hatte keinen Erfolg.
Das Klageverfahren ruhte mit Einverständnis der Beteiligten im Hinblick auf ein beim BFH anhängiges Verfahren (BFH, Urt. v. 18.04.2012 – II R 32/10, BFHE 240, 413 = BStBl. II 2013, 516) bis zum 19.05.2013. Das Finanzgericht entschied sodann, bei der Zulassungsbescheinigung handele es sich um einen Grundlagenbescheid, der für die Finanzbehörde nicht nur verbindlich feststelle, auf wen ein Fahrzeug zugelassen wurde, sondern auch, dass ein Fahrzeug überhaupt zugelassen worden sei. Bei der Zulassungsbescheinigung i. S. des § 3 I 3 FZV handele es sich um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt der Zulassungsbehörde über das Recht zur Nutzung eines Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen (FG Stuttgart, Urt. v. 23.09.2016 – 13 K 1913/13, EFG 2017, 96 m. Anm. Hör). Die Mindeststeuer nach § 5 I Nr. 1 KraftStG sei im Streitzeitraum auch für Saisonkennzeichen anzuwenden; es könne dahinstehen, ob ein körperliches Kennzeichen vorhanden gewesen sei.
Die gegen das Urteil des Finanzgerichts gerichtete Revision der Klägerin, die die Verletzung materiellen Rechts rügte, war erfolglos.
Aus den Gründen: [11] II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 II FGO). Das Finanzgericht hat die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer zutreffend als rechtmäßig erachtet.
[12] 1. Die Kraftfahrzeugsteuer ist gemäß § 3 I AO eine Steuer (Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO – FGO, § 3 AO Rn. 393) und nicht, wie die Klägerin meint, eine Gebühr oder ein Beitrag. Ihr unterliegt nach § 1 I Nr. 1 KraftStG i. V. mit § 7 Nr. 1 KraftStG das „Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen“. Ein Fahrzeug wird gehalten, wenn es nach der FZV „zum Verkehr zugelassen“ worden ist (BFH, Urt. v. 18.04.2012 – II R 32/10, BFHE 240, 413 = BStBl. II 2013, 516; Beschl. v. 20.04.2006 – VII B 332/05, BFH/NV 2006, 1519). Steuerschuldner ist die Person, auf die das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist (§ 7 Nr. 1 KraftStG).
[13] Das tatsächliche Befahren einer öffentlichen Straße ist dafür entbehrlich, denn der Halter hat mit der Zulassung das Recht erlangt, das Fahrzeug „auf öffentlichen Straßen … in Betrieb“ zu setzen (§ 3 I FZV). Das Fahrzeug wird daher auch dann gehalten, wenn von dem durch die Zulassung eingeräumten Recht, es auf öffentlichen Straßen in Betrieb zu setzen, kein Gebrauch gemacht wird oder wenn es trotz der Zulassung im Straßenverkehr nicht genutzt werden darf (BFH, Urt. v. 18.04.2012 – II R 32/10, BFHE 240, 413 = BStBl. II 2013, 516; FG Münster, Urt. v. 24.01.2012 – 13 K 1071/09 Kfz, EFG 2012, 1393). An dieses Recht knüpft das Gesetz die Steuer (BFH, Urt. v. 18.04.2012 – II R 32/10, BFHE 240, 413 = BStBl. II 2013, 516; Urt. v. 07.03.1984 – II R 40/80, BFHE 140, 480 = BStBl. II 1984, 459).
[14] 2. Der Senat kann offenlassen, ob und inwieweit die Zulassung als Grundlagenbescheid wirkt oder Tatbestandswirkung entfaltet, denn die gegen die Rechtmäßigkeit der Zulassung vorgetragenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch. Der Tatbestand des § 1 I Nr. 1 KraftStG ist im Streitfall erfüllt, da die Zulassungsbehörde das Fahrzeug der Klägerin auf deren Antrag am 21.07.2008 ordnungsgemäß zum Straßenverkehr zugelassen hat und die Klägerin damit berechtigt war, das angemeldete Fahrzeug zum Verkehr auf öffentlichen Straßen i. S. des § 1 I Nr. 1 KraftStG zu nutzen. Dies allein ist maßgeblich für die Besteuerung. Die Steuerpflicht entfällt weder, weil eine sogenannte Registrierzulassung vorgenommen wurde, noch war die Zulassung nichtig.
[15] a) Der Begriff „Registrierzulassung“ wird im KraftStG und der FZV nicht verwendet. Er bezeichnet typischerweise Tageszulassungen, die der Beschaffung deutscher Zulassungsdokumente für importierte Gebrauchtfahrzeuge dienen. Die FZV enthält keine Sonderregelung für Registrierzulassungen und das KraftStG sieht für sie auch keine Ausnahmen vor; Registrierzulassungen sind Zulassungen i. S. der FZV und des § 1 I Nr. 1 KraftStG. Eine „Teilung“ der Zulassung mit dem Ziel, dem Fahrzeug zwar eine Zulassungsbescheinigung und einen Halter zu verschaffen, dabei jedoch die Kraftfahrzeugsteuerpflicht zu vermeiden, findet im Zulassungsrecht und im Kraftfahrzeugsteuerrecht keine Grundlage (Zens, in: Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, 108. Lfg. [06/2018], § 1 KraftStG Rn. 7).
[16] b) Registrierzulassungen im vorgenannten Sinne sind nicht nichtig. Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist, oder der schriftlich erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt, der nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt, von einer Behörde ohne Ermächtigung außerhalb ihrer Zuständigkeit erlassen wurde, aus tatsächlichen Gründen von niemandem ausgeführt werden kann, die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, oder der gegen die guten Sitten verstößt (§ 44 LVwVfG BW in der Fassung vom 12.04.2005; ebenso § 44 VwVfG). Für all das ist vorliegend nichts ersichtlich. Tatsächlich kam es der Behörde und der Klägerin auf die durch die Zulassung bewirkte Rechtsfolge der Registrierung des ausländischen Fahrzeugs in der Bundesrepublik Deutschland an.
[17] Auch bei Außerbetriebsetzungen von Fahrzeugen mit Saisonkennzeichen vor Beginn des Betriebszeitraums – was hier nicht zutrifft – handelt es sich entgegen der vom Regierungspräsidium vertretenen Auffassung nicht um Scheinzulassungen (BFH, Urt. v. 18.04.2012 – II R 32/10, BFHE 240, 413 = BStBl. II 2013, 516).
[18] Etwaige Rechtsfehler des Zulassungsverfahrens wären für den Tatbestand des Haltens i. S. des § 1 I KraftStG und damit die Entstehung der Kraftfahrzeugsteuer nicht von Bedeutung (Zens, in: Lippross/Seibel, a. a. O., § 1 KraftStG Rn. 7).
[19] c) Unerheblich ist auch, ob für das Fahrzeug Kennzeichen mit einem amtlichen Dienststempel abgestempelt und der Klägerin ausgehändigt wurden, denn nach damaliger Rechtslage erfolgte „die Zulassung durch Zuteilung eines Kennzeichens und Ausfertigung einer Zulassungsbescheinigung“ (§ 3 I 3 FZV in der vom 01.03.2007 bis 24.07.2009 geltenden Fassung). Sie bedurfte mithin keiner Abstempelung des Kennzeichens. Die etwaige Abstempelung der Kennzeichen verkörperte lediglich die Erklärung der Zulassungsstelle, dass sie das Fahrzeug unter diesem Kennzeichen für einen bestimmten Halter zugelassen habe; sie war somit nur eine Erklärung über die erfolgte Zulassung (BGH, Beschl. v. 21.09.1999 4 StR 71/99, BGHSt 45, 197 = juris Rn. 14; FG Münster, Urt. v. 24.01.2012 – 13 K 1071/09 Kfz, EFG 2012, 1393).
[20] Ob die Kraftfahrzeugsteuer auch nach gegenwärtiger Rechtslage ohne Abstempelung der Kennzeichenschilder entstehen würde, obwohl die Zulassung nach der aktuellen Fassung des § 3 I 3 FZV durch „Zuteilung eines Kennzeichens, Abstempelung der Kennzeichenschilder und Ausfertigung einer Zulassungsbescheinigung“ erfolgt, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden.
[21] d) Die hier erfolgte Zuteilung eines Kennzeichens genügte somit für die Zulassung, obwohl ohne vorschriftsgerechte Anbringung eines abgestempelten und beleuchteten Kennzeichenschilds das Kraftfahrzeug auf öffentlichen Straßen nicht in Betrieb genommen werden darf (§ 10 XII FZV). Denn die Steuerpflicht besteht – wie ausgeführt – auch in dem Zeitraum, in dem der Fahrzeughalter tatsächlich oder rechtlich zeitweilig gehindert ist, das Fahrzeug im Straßenverkehr zu nutzen; solange es für den Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen ist, handelt es sich um ein „Halten“ i. S. des § 1 I Nr. 1 KraftStG (BFH, Urt. v. 18.04.2012 – II R 32/10, BFHE 240, 413 = BStBl. II 2013, 516 Rn. 14). Maßgebend und ausreichend dafür ist die Ausfertigung einer Zulassungsbescheinigung gemäß §§ 11, 12 FZV (Zens, in: Lippross/Seibel, a. a. O., § 1 KraftStG Rn. 7).
[22] 3. Die Revision wäre im Übrigen ohne Weiteres unbegründet, wenn durch den nicht angefochtenen Zulassungsbescheid bindend festgestellt wäre, dass das streitgegenständliche Fahrzeug am 21.07.2008 auf die Klägerin zugelassen war und diese deshalb das Fahrzeug i. S. des § 1 I KraftStG i. V. mit § 7 Nr. 1 KraftStG gehalten hat, oder wenn die Zulassung als rechtsgestaltender ressortfremder Verwaltungsakt eine entsprechende Tatbestandswirkung entfaltet. Das braucht der Senat vorliegend jedoch nicht zu entscheiden.
[23] 4. Bedenken gegen die Berechnung der Steuer bestehen nicht; sie ist insbesondere gemäß § 5 I Nr. 1 KraftStG für den Mindestzeitraum von einem Monat in unstreitiger Höhe festgesetzt worden (vgl. BFH, Urt. v. 18.04.2012 – II R 32/10, BFHE 240, 413 = BStBl. II 2013, 516 Rn. 16 ff.).
[24] 5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 143 I, 135 II FGO.