- Dass dem Erwerber eines unterschlagenen Wohnmobils eine gefälschte Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) vorgelegt wird, steht einem gutgläubigen Erwerb nicht entgegen, wenn keine handgreiflichen Anhaltspunkte für eine Fälschung gegeben sind, die Zweifel am Eigentum des Veräußerers wecken müssen. Solche Anhaltspunkte sind nicht schon deshalb vorhanden, weil die vorgelegte Fälschung zwei Rechtschreibfehler („weis“, „Diesl“) und eine Radierung aufweist. Denn Schreibfehler, Auslassungen etc. sind auch in amtlichen Dokumenten nicht unüblich und können selbst in weitgehend automatisierten Verfahren zur Ausstellung von behördlichen Bescheinigungen o. Ä. auftreten.
- Dass der Veräußerer eines unterschlagenen Wohnmobils dem Erwerber nicht sämtliche Fahrzeugschlüssel aushändigen kann, steht einem gutgläubigen Erwerb jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Verkäufer angibt, er sei im Besitz der fehlenden Schlüssel und werde sie dem Erwerber nachliefern.
- Ein privater Verkäufer eines Gebrauchtwagens wird sich bei der Festlegung des Kaufpreises oft weniger exakt am aktuellen Verkehrswert des Fahrzeugs orientieren als ein gewerblicher Verkäufer. Dass der geforderte Kaufpreis unter dem Marktwert des Fahrzeugs liegt, muss deshalb den Käufer eines Gebrauchtwagens selbst dann nicht ohne Weiteres misstrauisch machen, wenn er den Marktwert des Fahrzeugs kennt.
LG Kleve, Urteil vom 12.01.2018 – 3 O 257/17
Sachverhalt: Der Kläger und der Beklagte streiten darüber, wer von ihnen Eigentümer eines (bestimmten) Wohnmobils ist.
Ursprünglich stand dieses Fahrzeug im Eigentum des Beklagten. Dieser vermietete das Wohnmobil am 22.10.2015 an eine Person, die sich ihm gegenüber als C ausgab und der er die Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) nicht aushändigte.
Der Kläger, ein Kfz-Meister, wurde auf das streitgegenständliche Wohnmobil durch ein „mobile.de“-Inserat, in dem das Fahrzeug für 21.900 € zum Kauf angeboten wurde, aufmerksam. Über die in dem Inserat genannte Telefonnummer vereinbarte der Kläger einen Besichtigungstermin. Zu dem Termin erschien eine Person, die sich gegenüber dem Kläger als Mitarbeiter des Verkäufers ausgab. Nach einer Probefahrt einigte sich der Kläger telefonisch mit dem Verkäufer auf einen Kaufpreis von 20.000 €. Vor Ort wurde ein vonseiten des Verkäufers schon teilweise vorausgefüllter schriftlicher Kaufvertrag vervollständigt. Der Kläger entrichtete den Kaufpreis in bar und erhielt im Gegenzug eine Zulassungsbescheinigung Teil I sowie eine gefälschte Zulassungsbescheinigung Teil II. Mit diesen Unterlagen erreichte der Kläger am 10.11.2015 die Umschreibung des Fahrzeugs bei der Zulassungsbehörde der Stadt Regensburg auf sich.
Aufgrund einer Strafanzeige des Beklagten wurde das Wohnmobil polizeilich sichergestellt. Der Kläger beauftragte daraufhin unter dem 13.11.2015 einen Rechtsanwalt, der sich mit Schreiben vom 16.11.2015 an den Beklagten wandte und diesen – vergeblich – aufforderte, bis zum 30.11.2015 rechtsverbindlich zu erklären, dass ihm kein Anspruch auf Herausgabe des Wohnmobils gegen den Kläger (mehr) zustehe.
Der Kläger macht geltend, er habe das Eigentum an dem Fahrzeug gutgläubig erworben. Dass ihm eine gefälschte Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt worden sei, habe er – ebenso wie der Mitarbeiter der Zulassungsstelle – nicht erkannt. Die Gesamtumstände des Fahrzeugerwerbs hätten ihn nicht misstrauisch werden lassen und auch nicht misstrauisch werden lassen müssen, zumal er den Kaufpreis nicht mit dem „Mitarbeiter“ des Verkäufers ausgehandelt habe. Vielmehr habe er – der Kläger – mit jemandem telefoniert, der sich als V ausgegeben habe und mit ihm einen Kaufpreis von 20.000 € vereinbart. Der Marktwert des Fahrzeugs weiche nicht eklatant von diesem Kaufpreis ab.
Der Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, der Kläger habe das Eigentum an dem Wohnmobil nicht gutgläubig erwerben können. Denn die dem Kläger vorgelegte Zulassungsbescheinigung Teil II weise mehrere Anzeichen einer Fälschung auf, die der Kläger – der als Kfz-Meister öfter mit derartigen Dokumenten zu tun habe – hätte erkennen müssen. Außerdem habe der Kaufpreis (20.000 €) weit unter dem Marktpreis bei einem privaten Direktgeschäft (30.000 €) gelegen, und es habe weitere Besonderheiten gegeben, aufgrund derer der Kläger hätte misstrauisch werden müssen.
Die Klage hatte insoweit Erfolg, als das Gericht festgestellt hat, dass der Kläger Eigentümer des streitgegenständlichen Wohnmobils sei. Im Übrigen – soweit der Kläger den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 € nebst Zinsen begehrte – wurde die Klage abgewiesen.
Aus den Gründen: Hier war das Eigentum des Klägers festzustellen, da dieser das Fahrzeug gutgläubig von einem Nichtberechtigten gemäß §§ 929, 932 BGB erworben hat.
Dass der Kläger selbst in die kriminellen Machenschaften der Personen verwickelt ist, die sich in den Besitz des Wohnmobils brachten, behauptet auch der Beklagte nicht.
Der insoweit beweispflichtige Beklagte hat den Nachweis dafür, dass der Kläger bei Erwerb des Fahrzeugs i. S. des § 932 I 1, II BGB „nicht in gutem Glauben war“, nicht erbracht. Denn der Beklagte hat nicht i. S. des § 286 ZPO nachgewiesen, dass der Kläger bei dem Erwerbsvorgang positive Kenntnis oder aber grob fahrlässig keine Kenntnis von der Nichtberechtigung des Verkäufers hatte.
Der Kläger hatte sich die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lassen.
Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass diese derart gefälscht war, dass die Fälschung nur aufgrund von grober Fahrlässigkeit (vgl. etwa BGH, Urt. v. 23.05.1966 – VIII ZR 60/64, LM § 932 BGB Nr. 21; KG, Urt. v. 24.05.2002 – 25 U 167/01, KGR Berlin 2003, 302) übersehbar war. In die Ermittlungsakte ist eine Kopie der dem Kläger überlassenen Zulassungsbescheinigung Teil II aufgenommen einschließlich der Fälschungsmerkmale. Danach ist ein total gefälschtes Klebesiegel des Kreises „Siegen-Wittgenstein“ aufgebracht; es gibt zwei Rechtschreibfehler („weis“ und „Diesl“) und eine Radierung im Feld „Hubraum“; außerdem weist die Formularnummer WM744667 auf ein entwendetes Blankodokument hin. Aus dem letztgenannten Umstand können von allen Personen, die keinen Zugriff auf entsprechende Datenbanken haben, keine Rückschlüsse gezogen werden. Es ist auch nicht allgemein bekannt, über welche Klebesiegel der Kreis Kleve verfügt. Ferner sind sowohl die Rechtschreibfehler als auch die Radierung nicht ohne Weiteres als Fälschungskennzeichen zu erkennen. Schreibfehler, Auslassungen usw. sind auch in amtlichen Dokumenten nicht unüblich und können selbst in weitgehend automatisierten Verfahren zur Ausstellung von behördlichen Bescheinigungen oder Ähnlichem auftreten (OLG Saarbrücken, Urt. v. 17.05.2017 – 2 U 72/16, NJW-RR 2017, 1454 Rn. 31 m. w. Nachw., ebenfalls zum gutgläubigen Erwerb eines Wohnmobils vom Nichtberechtigten). Gegen grobe Fahrlässigkeit ist auch anzuführen, dass der Mitarbeiter der Stadt Regensburg, der mit derartigen Umschreibevorgängen beruflich befasst ist, keine Anhaltspunkte hatte, an der Echtheit der Zulassungsbescheinigung Teil II („Fahrzeugbrief“) zu zweifeln.
Dem Kläger mussten auch aufgrund anderer Umstände keine Zweifel daran kommen, dass sein Verkäufer tatsächlich der im Fahrzeugbrief ausgewiesene V ist. Nach Angaben des Klägers war in der Annonce bei „mobile.de“ nicht angegeben, wer Verkäufer ist. Anderweitiges hat der Beklagte auch nicht unter Beweis gestellt. Auch aus den Angaben der mobile.de GmbH ergibt sich nicht, dass der dort als Anbieter aufgenommene L mit den dort benannten Daten tatsächlich schon in der Annonce erschien und daher überhaupt von dem Kläger wahrnehmbar war.
Schließlich gebieten auch geringfügige Abweichungen zwischen Kaufvertrag und Zulassungsbescheinigung Teil II keine Annahme einer groben Fahrlässigkeit: Ob im Kaufvertrag der Wohnort („Rheurdt“) überhaupt falsch („RAEURDT“) angegeben war, lässt sich nicht einmal sagen, weil der handschriftliche zweite Buchstabe gegebenenfalls auch als schlecht geschriebenes H aufgefasst werden kann. Die Angabe „Banstraße“ bei der Anschrift des Verkäufers statt – wie in der Zulassungsbescheinigung Teil II – „Bahnstraße“ ist als Fehlangabe nicht sofort ersichtlich, zumal die Eintragung auch nicht … vor den Augen des Klägers erfolgte, sondern schon vorher erfolgt war.
Zwar sind die Begleitumstände der Besichtigung einschließlich der Vorführung durch einen „Mitarbeiter“ ungewöhnlich, ebenso wie die Überlassung nur eines Schlüsselsatzes. Nach den Angaben des Klägers, der am 11.11.2015 und ergänzend am 08.12.2015 … zu den Erwerbsvorgängen als Zeuge im Ermittlungsverfahren vernommen wurde, hatte der „Mitarbeiter“ für sämtliche Umstände jedoch plausible Erklärungen. Sofern es für die Besichtigung an einem ungewöhnlichen Ort derartige nachvollziehbare Erläuterungen gibt, ist hieraus nicht auf ein unrechtmäßiges Verhalten zu schließen, zumal gerade Wohnmobile nicht zwingend auf Privatgelände besichtigt werden und für Verhandlungen das Wohnmobil selbst vergleichbar einer Wohnung zur Verfügung steht (vgl. etwa auch OLG Saarbrücken, Urt. v. 17.05.2017 – 2 U 72/16, NJW-RR 2017, 1454 Rn. 38). Vergleichbares gilt für den Ortswechsel vom Hotel zum Sportplatz (vgl. auch OLG Saarbrücken, Urt. v. 17.05.2017 – 2 U 72/16, NJW-RR 2017, 1454 Rn. 39). Auch das Vorhandensein nur eines Schlüsselsatzes ist nicht verdächtig, jedenfalls dann, wenn nach Verkäuferangaben der weitere Schlüsselsatz nachgeliefert werden soll (vgl. auch OLG Saarbrücken, Urt. v. 17.05.2017 – 2 U 72/16, NJW-RR 2017, 1454 Rn. 40). Gerade auch das … „Nachverhandeln“ mit dem angeblichen V per Telefon ließ die Gesamtsituation für den Kläger als ordnungsgemäßen Verkauf nachvollziehbar erscheinen.
Schließlich bot der Kaufpreis keine Veranlassung für den Kläger, besonders gründliche oder skeptische Nachforschungen zur Ordnungsgemäßheit des Verkaufs vorzunehmen: Auch wenn entsprechend den Angaben des Beklagten das Fahrzeug seinerzeit einen Marktwert von 30.000 € gehabt hat, musste dies den Kläger nicht zu besonderer Vorsicht veranlassen. Denn die Beklagtenseite hat nicht einmal vorgetragen, dass dieser Marktwert allgemein bekannt oder dem Kläger bekannt war, sodass er von einem „verdächtigen Sonderangebot“ ausgehen musste. Eher gegen ein derartiges „verdächtiges Sonderangebot“ spricht die von der mobile.de GmbH vorgelegte Anzeigedokumentation. Denn danach war das Fahrzeug zunächst am 30.10.2015 zum Preis von 23.500 € eingestellt worden, und wohl mangels ausreichender Interessebekundung ist der Preis dann in der Annonce am 02.11.2015 auf 21.900 € reduziert worden, wobei keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger von der Preisreduktion wusste. Ferner kommt hinzu, dass (angebliche) Privatverkäufer ihre Angebote weniger an einem Marktpreis orientieren, sodass hieraus kein zwingender Hinweis auf einen „verdächtigen Verkauf“ hervorgeht (vgl. auch OLG Saarbrücken, Urt. v. 17.05.2017 – 2 U 72/16, NJW-RR 2017, 1454 Rn. 41).
Nach alledem begründen die aufgezeigten Umstände weder für sich noch in der Gesamtschau eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers.
Dem gutgläubigen Erwerb des Klägers steht nicht § 935 I BGB entgegen, weil der Beklagte den unmittelbaren Besitz an dem Wohnmobil nicht gegen seinen Willen verloren hatte, sondern durch Vermietung an den vorgeblichen C.
Dagegen hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten.
Zweifelhaft ist bereits, ob ihm für den geltend gemachten Schadenersatz überhaupt eine Anspruchsgrundlage zur Verfügung steht, weil jedenfalls zur ersten feststellbaren Tätigkeit des Klägeranwalts kein Schuldverhältnis i. S. der §§ 241 ff. BGB zwischen den Parteien bestanden haben dürfte und damit auch kein Anspruch nach § 280 BGB gegeben sein dürfte. Darüber hinaus fehlt es aber jedenfalls am Verschulden des Beklagten. Dieser durfte als Alteigentümer an dem Fahrzeug jedenfalls solange Eigentümerrechte gegenüber dem Kläger behaupten, bis er ausreichende Anhaltspunkte für einen gutgläubigen Erwerb durch den Kläger gewonnen hatte. Dass der Beklagte bereits vor dem 16.11.2015 detailliert über den Erwerbsvorgang informiert wurde und daher nunmehr eine Eigentümerstellung des Klägers akzeptieren musste, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. …