- Ein rechtlich vom Volkswagen-Konzern unabhängiger Kfz-Händler, der gutgläubig einen vom VW-Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagen verkauft, muss sich eine mögliche arglistige Täuschung des Käufers durch den Fahrzeughersteller nicht zurechnen lassen. Der Hersteller ist im Verhältnis zum Händler vielmehr Dritter i. S. des § 123 II 1 BGB.
- Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Gebrauchtwagen, der entgegen einer kaufvertraglichen Vereinbarung die Euro-5-Emissionsgrenzwerte nicht einhält, ist zwar im rechtlichen Sinne mangelhaft. Grundsätzlich muss der Käufer dem Verkäufer jedoch erfolglos eine angemessene Frist zur Nachbesserung setzen, bevor er wegen dieses Mangels vom Kaufvertrag zurücktreten darf. Die pauschale Behauptung des Käufers, eine Nachbesserung durch die Installation eines Softwareupdates habe einen Anstieg des Kraftstoffverbrauchs und eine Verringerung der Motorleistung zur Folge, rechtfertigt es nicht, etwa mit Blick auf § 440 Satz 1 Fall 3 BGB eine Ausnahme von diesem Grundsatz zuzulassen.
- Die Pflichtverletzung des Verkäufers, die in der Lieferung eines vom VW-Abgasskandal betroffenen – mangelhaften – Gebrauchtwagens liegt, ist i. S. des § 323 V 2 BGB unerheblich, wenn der Mangel durch die Installation eines Softwareupdates vollständig beseitigt werden kann und die Mangelbeseitigung mit rund 100 € einen Kostenaufwand von weniger als einem Prozent des Kaufpreises erfordert.
OLG München, Urteil vom 03.07.2017 – 21 U 4818/16
Sachverhalt: Der Kläger begehrt im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages.
Er erwarb von der Beklagten mit Kaufvertrag vom 25.08.2014 einen gebrauchten Audi A3 Sportback zum Preis von 18.550 €. Nachdem die AUDI AG den Kläger darüber informiert hatte, dass dieses Fahrzeug vom VW-Abgasskandal betroffen sei, erklärte der Kläger mit Schreiben vom 08.01.2016 gegenüber der Beklagten die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und verlangte die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 03.02.2016 ab und erhob vorsorglich die Einrede der Verjährung.
Erstinstanzlich hat der Kläger den geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises mit dem Vorwurf begründet, die AUDI AG habe ihn arglistig getäuscht, indem sie falsche Angaben zu den Schadstoffemissionen des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemacht habe. Diese arglistige Täuschung müsse sich die Beklagte als hundertprozentige Tochtergesellschaft der AUDI AG bzw. des VW-Konzerns zumindest unter Rechtsscheinsgesichtspunkten zurechnen lassen. Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, dass sie eine unabhängige Kfz-Händlerin sei. Außerdem seien Rechte des Klägers wegen eines möglichen Mangels seines Fahrzeugs verjährt, da kaufvertraglich die gesetzliche Verjährungsfrist für die Ansprüche des Klägers wegen eines Mangels auf ein Jahr abgekürzt worden sei.
Das Landgericht (LG Ingolstadt, Urt. v. 15.11.2016 – 21 O 970/16) hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine arglistige Täuschung durch die Beklagte sei nicht annähernd substanziiert dargelegt. Die Voraussetzungen für eine Zurechnung falscher Angaben der Fahrzeugherstellerin lägen nicht vor. Dem Kläger stehe auch kein Anspruch aus kaufvertraglichem Gewährleistungsrecht zu. Ein erheblicher Mangel des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei nicht substanziiert vorgetragen. Zudem müsse der Kläger grundsätzlich Nacherfüllung verlangen und hierfür eine Frist setzen. Dazu habe der Kläger nichts vorgetragen. Angesichts der eindeutigen, bewussten Entscheidung des anwaltlich beratenen Klägers, die Anfechtung zu erklären, scheide eine Umdeutung aus. Ein Hinweis des Gerichts zu den Voraussetzungen theoretisch denkbarer Gewährleistungsansprüche sei nicht veranlasst gewesen.
Die Berufung des Klägers, mit der er erstmals geltend machte, sein Fahrzeug sei i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Der Kläger kann weder aus Bereicherungsrecht nach Anfechtung des Kaufvertrags (1) noch aus Gewährleistungsrecht nach Rücktritt wegen eines Sachmangels (2) die Rückzahlung des Kaufpreises – Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs – verlangen.
1. Das Landgericht hat zu Recht eine erfolgreiche Anfechtung des Kaufvertrags verneint. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts nimmt der Senat Bezug. Die Beklagte hat weder selbst arglistig getäuscht, noch muss sie sich Wissen des Herstellerkonzerns in Bezug auf Manipulationen an der Abgassoftware des verkauften Fahrzeugs zurechnen lassen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte entgegen ihrem Vortrag zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses Kenntnis (oder auch nur den Verdacht) von Manipulationsmaßnahmen seitens des Herstellers hatte, liegen nicht vor. Dem Vorbringen der Beklagten, sie sei … eine eigenständige, unabhängige Kfz-Händlerin, vermochte der Kläger ebenfalls nichts Substanzielles entgegenzuhalten. Hiervon ist mithin auszugehen.
Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Beklagte vorwerfbar einen Rechtsschein gesetzt hat, der es rechtfertigen könnte, den Fahrzeughersteller ihrem Verantwortungskreis zuzuordnen. Die Beklagte und die Herstellerfirma sind selbstständige rechtliche Personen mit jeweils eigenständigen Pflichtenkreisen. Auch die Tatsache, dass es in den Räumlichkeiten der Beklagten Werbeprospekte zu Fahrzeugen der Marke Audi geben mag, die von der AUDI AG stammen, rechtfertigt keine andere Beurteilung, zumal nicht dargetan wurde, dass der Inhalt von Werbeprospekten beim streitgegenständlichen Kauf eine Rolle gespielt hätte.
Eine Zurechnung einer etwaigen arglistigen Täuschung des Herstellers im Verhältnis zu der Beklagten als unabhängige Händlerin, die – wie vorliegend – einen von ihr erworbenen Gebrauchtwagen an einen Kunden verkauft hat, kommt damit nicht in Betracht (so z. B. LG Bamberg, Urt. v. 22.07.2016 – 11 O 62/16; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 21.06.2016 – 4 O 441/16; vgl. auch … OLG Hamm, Beschl. v. 18.05.2017 – 2 U 39/17; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 18.05.2017 – 19 U 5/17; OLG Brandenburg, Beschl. v. 31.01.2017 – 2 U 39/16; sowie die Verfügung des Vorsitzenden des OLG Naumburg vom 01.12.2016 – 5 U 129/16). Der Hersteller ist vielmehr als Dritter i. S. des § 123 II BGB zu qualifizieren.
2. Auch ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus Gewährleistung besteht nicht. Auf Gewährleistungsansprüche hat sich der Kläger erstmals in der Berufung gestützt.
a) Der Kläger ist mit Schreiben vom 08.01.2016 vom Kaufvertrag zurückgetreten. Zwar hat er ausdrücklich nur eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt, doch muss für den Fall der Unwirksamkeit der Anfechtung, anders als das Landgericht meint, die Umdeutung in eine Rücktrittserklärung wegen Mängeln in Betracht gezogen werden (vgl. BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05 Rn. 16).
b) Der Senat geht zugunsten des Klägers davon aus, dass der erworbene Wagen nicht die vertraglich vorausgesetzte Beschaffenheit hatte, mithin ein Mangel gegeben ist. Denn es ist unstreitig, dass der Wagen ausweislich der in den Vertrag einbezogenen Fahrzeugdaten (Anlage K 2) über das „Abgaskonzept EU5“ verfügen sollte, das Fahrzeug jedoch vom „Abgasskandal“ betroffen ist, die Abgasnorm „Euro 5“ also nicht erfüllt. Dementsprechend wurde der Kläger darüber informiert, dass es „Beanstandungen am Emissionsverhalten“ gebe. Die zentrale Problematik des Falles liegt vielmehr darin, ob vorliegend eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nach §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 BGB entbehrlich war (hierzu unten c) und ob der Mangel erheblich ist (hierzu unten d).
c) Der Kläger hat kurz nach Erhalt der Kundeninformation den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.
Unstreitig hat der Kläger weder eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt, noch hat er sich mit der Beklagten wegen einer Nachrüstung des Wagens in Verbindung gesetzt. Soweit der Kläger auf Frage des Senats in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, er habe darauf gewartet, dass man auf ihn zukomme und ihm einen Termin gebe, ist festzustellen, dass die Beklagte im Verfahren wiederholt auf die Notwendigkeit und Möglichkeit der Nachbesserung hingewiesen hat. Weswegen der Kläger hierauf nicht reagiert hat, erschließt sich nicht. Noch im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte dem Kläger die umgehende Nachrüstung angeboten. Abgesehen
davon ist es Sache des Käufers, die Nachbesserung der Kaufsache zu ermöglichen, indem er die Sache zur Verfügung stellt, und eine Frist zur Mängelbeseitigung zu setzen.
Eine Fristsetzung war nach §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 BGB auch erforderlich. Anders als in anderen Fällen ergibt sich weder aus dem Vortrag der Parteien noch aus den vorgelegten Anlagen, dass die Nachrüstung nicht zeitgerecht vorgenommen worden wäre oder unzumutbar lange gedauert hätte, wenn der Kläger den Wagen zur Verfügung gestellt hätte. Dem Argument des Klägers, er sei arglistig getäuscht worden, deswegen müsse er auch keine Nachbesserung vornehmen lassen, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Wie dargelegt muss sich die Beklagte die Kenntnis von Verantwortlichen des Herstellerkonzerns zur Manipulation der Abgaswerte nicht zurechnen lassen.
Auch aus anderen Gründen war es nicht entbehrlich, die Beklagte zur Nacherfüllung aufzufordern und hierzu eine Frist zu setzen. Nach § 440 BGB bedarf es keiner Fristsetzung, wenn von vornherein feststeht, dass die Nacherfüllung fehlschlägt, oder wenn sie dem Käufer unzumutbar ist. Die diesbezüglichen Voraussetzungen hat der Kläger nicht hinreichend substanziiert dargetan.
Der darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat ohnehin erst in der Berufung geltend gemacht, dass „die Nachrüstung als Nachbesserungsarbeit für den Kläger unbehelflich“ sei. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang in den Raum stellt, dass zugesicherte Abgaswerte nicht erreicht werden würden, dass Verbrauchswerte steigen und Leistungswerte sinken würden, kann der Senat weder aus den vertraglichen Unterlagen noch aus dem Vortrag des Klägers eine vertragliche Vereinbarung über bestimmte Abgas-, Verbrauchs- und/oder Leistungswerte entnehmen. Die einzige vertragliche Regelung, die die Parteien getroffen haben, ist, dass der Wagen die Abgasnorm „Euro 5“ einhält. Hierzu hat die Beklagte vorgetragen, dass sie über ein taugliches Softwareupdate verfügt, das den Mangel beseitigt, und dass dem Maßnahmenplan vom Kraftfahrt-Bundesamt zugestimmt worden ist. Diesem Vorbringen ist der Kläger weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten. Auch ansonsten enthält der Vortrag des Klägers keine konkreten Darlegungen, aus denen der Schluss einer Entbehrlichkeit der Fristsetzung gezogen werden könnte. Insbesondere genügt die pauschale Behauptung, dass Verbrauchswerte steigen und Leistungswerte sinken, auch nicht für eine Darlegung der Unzumutbarkeit der Nachbesserung. Weder wird mitgeteilt, welche Verbrauchs- bzw. Leistungswerte aus Sicht des Klägers eingehalten werden müssten, noch wie sich diese bei einer Nachrüstung nachteilig verändern würden. Dass der Wagen nach einer Nachrüstung immer noch mangelhaft wäre oder einen anderen Mangel hätte, ist damit nicht hinreichend dargetan (vgl. auch BGH, Beschl. v. 08.05.2007 – VIII ZR 19/05 – zum unwesentlichen Abweichen des Kraftstoffverbrauchs von den Herstellerangaben beim Kauf eines Neuwagens). Es fehlt an der Darlegung konkreter Anknüpfungstatsachen seitens des Klägers.
Ergänzend ist festzustellen, dass sich der Kläger zudem auf den schriftlichen Hinweis des Senats zum Vorrang der Nachbesserung nicht fristgerecht erklärt hat. Weiteres Vorbringen ist damit auch verspätet. Abgesehen davon kann der Senat nicht feststellen, dass es „wohl“ zwischenzeitlich nachgewiesen – mit anderen Worten gerichtsbekannt – sei, dass die Nachrüstung mit einem – nicht näher konkretisierten – Mehrverbrauch sowie einem – ebenfalls nicht näher dargelegten – Leistungsverlust verbunden sei, wie der Kläger meint. Soweit sich der Kläger auf den Ausgang anderer Verfahren stützt, ersetzt dies nicht den in einem Zivilprozess erforderlichen Sachvortrag sowie Beweisangebote zu konkreten Tatsachenbehauptungen, wie in der mündlichen Verhandlung eingehend erörtert wurde.
Abgesehen davon ist dem Senat kein Urteil eines anderen Senats des OLG München bekannt, das bei einer vergleichbaren Fallkonstellation einer Klage stattgegeben hätte. Auch einer Kostenentscheidung des 3. Senats vom 23.03.2017 – 3 U 4316/16 –, auf die die Klageseite mutmaßlich abstellt, liegt eine andere Fallgestaltung zugrunde. Dort ging es nicht um die Frage der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung, sondern um die angemessene Dauer der Frist zur Nacherfüllung.
d) Darüber hinaus ist nach § 323 V 2 BGB der Rücktritt ausgeschlossen, wenn die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung unerheblich ist, das heißt, wenn der Mangel geringfügig ist. Das ist nach der Rechtsprechung des BGH der Fall, wenn der Mangel behebbar und die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind. Mängel, deren Beseitigung Aufwendungen in Höhe von nur knapp einem Prozent des Kaufpreises erfordern, sind unzweifelhaft als unerheblich i. S. des § 323 V 2 BGB einzustufen, sodass auf sie ein Rücktritt nicht gestützt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VIII ZR 202/10 Rn. 19).
Wie dargelegt ist der Kläger dem Vortrag der Beklagten zur Behebbarkeit des Mangels nicht substanziiert entgegengetreten (s. oben). Ebenso wenig hat der Kläger den Vortrag der Beklagten, die Kosten für das Aufspielen der neuen Software würden unter 100 € liegen, mithin nicht einmal ein Prozent des Kaufpreises erreichen, bestritten. Auch aus diesem Grund scheidet ein Rücktritt vorliegend aus.
Die Erheblichkeit des Mangels ergibt sich auch nicht, wie der Kläger meint, aus der behaupteten arglistigen Täuschung, weil die Beklagte weder getäuscht hat noch sich Fehlverhalten Dritter (Hersteller) zurechnen lassen muss.
f) Es kann offenbleiben, ob sich die Beklagte auf die Verjährung im Hinblick auf die Abgabe der Rücktrittserklärung berufen kann: Die zweijährige Verjährungsfrist ist, wenn man die Anfechtungserklärung als Rücktrittserklärung auslegt, jedenfalls eingehalten. Die Einrede der Verjährung greift damit nur, wenn die Verjährungsfrist für Sachmängel durch Abschnitt VI Nr. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten wirksam auf ein Jahr beschränkt wurde.
Zwar hat der BGH eine wortgleiche Vertragsklausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot für unwirksam erklärt (BGH, Urt. v. 29.04.2015 – VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244), konkret hat der BGH die fragliche Klausel jedoch nur im Hinblick auf Schadensersatzansprüche für unwirksam erachtet, weil ein Widerspruch zwischen den Regelungen in Abschnitt VI Nr. 1 und VI Nr. 5 und Abschnitt VII der verwendeten Geschäftsbedingungen bestehe. Es stellt sich mithin die Frage, ob wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion im AGB-Recht die gesamte Klausel als unwirksam angesehen werden muss oder ob die Klausel teilbar ist, mithin die einjährige Verjährungsfrist für Sachmängel gilt, nicht jedoch für Schadensersatzansprüche (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 306 Rn. 6 f.), wie der Beklagtenvertreter argumentiert. Da die Berufung des Klägers aus anderen Gründen zurückzuweisen ist, lässt der Senat die Frage der Verjährung ausdrücklich offen.
III. … Die Revision war nicht zuzulassen. Der Senat verkennt nicht, dass es zahlreiche Klagen von Kunden wegen des Erwerbs von Fahrzeugen mit manipulierter Abgassoftware gibt. Maßgeblich für die Zurückweisung der Berufung sind jedoch nicht Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, sondern die im konkreten Fall aufgrund des individuellen Sachvortrags der Parteien zugrunde zu legenden tatsächlichen Feststellungen.
Hinweis: Mit Verfügung vom 26.04.2017 hatte das Oberlandesgericht den Parteien folgende Hinweise erteilt:
„1. Der Senat teilt nach der Vorberatung die Beurteilung des Landgerichts, wonach die Voraussetzungen für eine Anfechtung des Kaufvertrages nicht gegeben sind. Stichhaltige Gründe, weswegen sich die Beklagte als unabhängige Händlerin etwaige Täuschungshandlungen des Herstellers zurechnen lassen müsste, sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Allein die Tatsache, dass die Beklagte Produkte der Firma Audi vertreibt und sich ‚Audi-Zentrum‘ nennt, genügt nicht für eine Zurechnung. Damit kann sich der Kläger auch ansonsten nicht auf einen – nicht nachweisbaren – Arglistvorwurf stützen.
2. Erstmals in zweiter Instanz stützt sich der Kläger auf Gewährleistungsrecht, wobei die Berufungsbegründung sehr oberflächlich bleibt, obwohl sich diverse Probleme geradezu aufdrängen müssten. Allerdings wirft auch das Vorbringen der Beklagten eine Reihe von Fragen auf.
a) Zum Mangel des Fahrzeugs
Unstreitig war in erster Instanz, dass der vom Kläger gekaufte Wagen ‚von der Rückrufaktion Diesel-Abgas‘ betroffen war, streitig allerdings, ob die Beklagte für ‚etwaige Mängel‘ einstehen muss. In zweiter Instanz erklärt die Beklagte nun zum Anspruch aus Gewährleistung, ‚es fehle klägerseits an einem entsprechenden substanziierten Vortag bezüglich eines erheblichen Mangels‘. Es bleibt etwas unklar, was konkret die Beklagte damit in Abrede stellt bzw. als unzureichenden Vortrag ansieht, mutmaßlich bezweifelt die Beklagte die ‚Erheblichkeit‘ des Mangels, ohne dies jedoch näher zu begründen.
Soweit der Kläger in der Berufung geltend macht, ihm seien ‚ein geringer Verbrauch und geringe Abgaswerte zugesichert‘ worden, erschließt sich nicht, wann und wo eine solche ‚Zusage‘ im Sinne des aktuell geltenden Gewährleistungsrechts gegeben worden sein soll.
b) Vorrang der Nachbesserung
Im Kaufrecht gilt nunmehr ebenso wie im Werkvertragsrecht der Vorrang der Nachbesserung gegenüber anderen Gewährleistungsansprüchen. Dass eine Nachbesserung nicht in Betracht kommt, lässt sich weder mit dem Vorwurf der Arglist (die aufseiten der Beklagten gerade nicht nachweisbar ist) noch mit dem zeitlichen Ablauf begründen. Unstreitig hat der Kläger Nachbesserung weder verlangt noch ermöglicht. …
Es stellt sich damit die Frage, ob eine Nachbesserung aus anderen Gründen nicht möglich/zumutbar ist und ob der diesbezügliche – gegebenenfalls streitige – neue Vortrag in zweiter Instanz ausreichend und/oder noch zuzulassen oder als verspätet zu qualifizieren ist.
c) Gewährleistunasausschluss
Der Senat hat Bedenken, ob die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthaltene Beschränkung der Gewährleistung auf ein Jahr einer gerichtlichen Überprüfung standhält. Falls dies nicht der Fall ist, würde die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 I Nr. 3 BGB (ab Ablieferung der Sache) eingreifen. Dann stellt sich die Frage, ob die vom Klägervertreter erklärte Anfechtung (Schreiben vom 08.01.2016) zugleich als Rücktritt verstanden werden kann bzw. ob die Klageerhebung die Verjährung gehemmt hat, obwohl sich der Kläger ausschließlich auf eine nicht tragfähige Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gestützt hat.
d) Der Kläger hat bislang nichts zu den gezogenen Nutzungen vorgetragen, obwohl er sich diese sowohl bei einer Anfechtung als auch bei einem Rücktritt anrechnen lassen müsste.
Zusammenfassend meint der Senat, dass beide Seiten eine gütliche Einigung anstreben sollten. Vorstellbar wäre zum Beispiel, dass der Kläger das Fahrzeug bei der Beklagten nachrüsten lässt und die Beklagte noch einen Kulanzbetrag auf den ursprünglichen Kaufpreis nachlässt. In Betracht kommt auch, dass die Beklagte den Wagen zurücknimmt und der Kläger stattdessen einen anderen Wagen von der Beklagten übernimmt, der in Größe, Alter und Ausstattung in etwa dem gekauften Fahrzeug im aktuellem Zustand (ohne ‚Abgasproblematik‘) entspricht.“