Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen ist zwar i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, sodass der Käufer grundsätzlich einen Anspruch auf Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs hat (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB). Der Verkäufer muss dem Käufer aber anstelle eines im Juli 2010 ausgelieferten VW Tiguan („Tiguan I“) keinen VW Tiguan aus der aktuellen Serie („Tiguan II“) liefern, weil beide Fahrzeugmodelle nicht gleichartig und gleichwertig sind.
LG Aachen, Urteil vom 21.03.2017 – 10 O 177/16
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Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, sodass der Käufer grundsätzlich die Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs verlangen kann (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB).
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Diese Art der Nacherfüllung ist nicht schon dann i. S. des § 275 I BGB unmöglich, wenn das in Rede stehende Fahrzeugmodell inzwischen optisch und technisch überarbeitet wurde. Vielmehr ist der Verkäufer zur Lieferung eines Fahrzeugs aus der aktuellen Serie verpflichtet, wenn die optischen und technischen Änderungen so geringfügig sind, dass Fahrzeuge aus der aktuellen Serie sich zwar von früher gebauten Fahrzeugen unterscheiden, aber gleichwohl derselben Gattung angehören. Ob dies der Fall ist, kann mit Blick darauf zu beurteilen sein, ob der Käufer die Änderungen hätte akzeptieren müssen, wenn der Fahrzeughersteller die Produktion während der Lieferzeit des ursprünglichen (mangelhaften) Fahrzeugs umgestellt hätte.
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Ob der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung gemäß § 439 III BGB verweigern darf, weil sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist, ist unter umfassender Würdigung der in § 439 III 2 BGB genannten Gesichtspunkte zu beurteilen. Abzustellen ist dabei spätestens auf den Zeitpunkt, in dem der Verkäufer – einen durchsetzbaren Nacherfüllungsanspruch des Käufers unterstellt – mit der Nacherfüllung in Verzug geraten ist.
LG Offenburg, Urteil vom 21.03.2017 – 3 O 77/16
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Im Anwendungsbereich des § 476 BGB hat der Verkäufer zu beweisen, dass die aufgrund eines binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang eingetretenen mangelhaften Zustands eingreifende gesetzliche Vermutung, bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs habe – zumindest ein in der Entstehung begriffener – Sachmangel vorgelegen, nicht zutrifft. Der Verkäufer muss also darlegen und beweisen, dass ein Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch nicht vorhanden war, weil er seinen Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach diesem Zeitpunkt hat und dem Verkäufer somit nicht zuzurechnen ist. Gelingt dem Verkäufer dieser Beweis nicht „rechtlich hinreichend“, greift zugunsten des Käufers die Vermutung des § 476 BGB auch dann ein, wenn die Ursache für den mangelhaften Zustand oder der Zeitpunkt ihres Auftretens offengeblieben ist, also letztlich ungeklärt geblieben ist, ob überhaupt ein vom Verkäufer zu verantwortender Sachmangel i. S. von § 434 I BGB vorlag (im Anschluss an BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15).
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Daneben verbleibt dem Verkäufer die Möglichkeit, geltend zu machen und nachzuweisen, dass schon deshalb keine Beweislastumkehr i. S. von § 476 BGB stattfinde, weil die Vermutung, bereits bei Gefahrübergang habe ein – zumindest ein in der Entstehung begriffener – Mangel vorgelegen, mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar sei (vgl. § 476 letzter Halbsatz BGB; im Anschluss an BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15).
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Die Vermutung, dass ein Mangel bereits bei Gefahrübergang vorgelegen habe, ist dann mit der Art des Mangels unvereinbar, wenn es sich um äußerliche Beschädigungen der Kaufsache handelt, die auch dem fachlich nicht versierten Käufer auffallen müssen. In einem solchen Fall ist nämlich zu erwarten, dass der Käufer den Mangel bei Übergabe beanstandet. Hat er die Sache ohne Beanstandung entgegengenommen, spricht dies folglich gegen die Vermutung, der Mangel sei schon bei Gefahrübergang vorhanden gewesen (ebenso BGH, Urt. v. 14.09.2005 – VIII ZR 363/04).
OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.03.2017 – I-22 U 211/16
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Ein Kfz-Händler nutzt ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebssystem i. S. § 312c I BGB, wenn er Fahrzeuge regelmäßig und systematisch auf einer Internetplattform (hier: „mobile.de“) bewirbt und Kaufinteressenten ermöglicht, ihn elektronisch oder telefonisch zu kontaktieren. Ein mit einem solchen Kfz-Händler unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossener Kaufvertrag ist deshalb ein Fernabsatzvertrag, sodass dem Käufer gemäß §§ 312g I, 355 BGB ein Widerrufsrecht zusteht.
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Ein nachträglicher Verzicht des Käufers auf sein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht ist mit Blick auf § 361 II BGB allenfalls wirksam, wenn er auf der Grundlage ausreichender Informationen erklärt wird. Der Verkäufer muss den Käufer deshalb zuvor zutreffend über das dem Käufer zustehende Widerrufsrecht informiert haben, damit der Käufer die Tragweite seines Verzichtserklärung abschätzen kann.
LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 17.03.2017 – 2 O 522/16
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Bei einem Werkvertrag ist der Besteller, der nach erfolgter Reparatur seines Kraftfahrzeugs eine Probefahrt vornimmt, nicht Besitzdiener des Werkunternehmers.
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Jedenfalls dann, wenn eine zur Vorbereitung der Abnahme eines reparierten Kraftfahrzeugs durchgeführte Probefahrt des Bestellers in Anwesenheit des Werkunternehmers oder dessen Besitzdieners stattfindet, erlangt der Besteller keinen unmittelbaren Besitz an dem Fahrzeug. Vielmehr bleibt der Werkunternehmer unmittelbarer Besitzer; sein Besitz wird lediglich gelockert.
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Die Übergabe eines Schlüssels bewirkt nur dann einen Übergang des Besitzes an der dazugehörigen Sache, wenn der Übergeber die tatsächliche Gewalt an der Sache willentlich und erkennbar aufgegeben und der Empfänger des Schlüssels sie in gleicher Weise erlangt hat.
BGH, Urteil vom 17.03.2017 – V ZR 70/16
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Nach einem mangelbedingten Rücktritt des Käufers von einem beiderseits vollständig erfüllten Kaufvertrag ist einheitlicher Erfüllungsort für alle Rückgewähransprüche der Ort, an dem sich die Kaufsache zur Zeit des Rücktritts vertragsgemäß befindet.
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Ein vom VW-Abgasskandal betroffener Neuwagen ist schon deshalb i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil das Fahrzeug die einschlägigen Emissionsgrenzwerte – hier: die Euro-5-Emissionsgrenzwerte – nur während eines Emissionstests auf dem Prüfstand und nur deshalb einhält, weil eine Software die Testsituation erkennt und für eine Reduzierung (insbesondere) des Stickoxidausstoßes sorgt. Ob es sich bei der Software – wie das Kraftfahrt-Bundesamt annimmt – um eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 II 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handelt, ist insoweit ohne Belang.
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Eine Nachbesserung (§ 439 I Fall 1 BGB) ist dem Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs jedenfalls so lange unzumutbar, wie der Käufer weder erkennen noch absehen kann, ob sein Fahrzeug binnen angemessener Frist technisch so überarbeitet werden kann, dass keine Folgemängel zu erwarten sind. Denn in dieser Situation kann der Käufer dem Verkäufer keine sinnvolle Frist zur Nacherfüllung (§ 323 I BGB) setzen, sondern lediglich „ins Ungewisse“ abwarten, was indes unzumutbar erscheint.
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Der einem vom VW-Abgasskandal betroffenen Neuwagen anhaftende Mangel ist schon deshalb nicht geringfügig und einem Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag steht schon deshalb nicht § 323 V 2 BGB entgegen, weil der Käufer praktisch verpflichtet ist, das Fahrzeug, wie zwischen dessen Herstellerin und dem Kraftfahrt-Bundesamt abgestimmt, technisch überarbeiten zu lassen, um seine Zulassung zum Straßenverkehr nicht zu gefährden.
LG Hagen, Urteil vom 16.03.2017 – 4 O 93/16
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Eine Bestimmung in den Allgemeinen Verkaufsbedingungen eines Gebrauchtfahrzeughändlers, wonach die Übertragung von Rechten und Pflichten des Käufers aus dem Kaufvertrag der schriftlichen Zustimmung des Verkäufers bedarf (abgeschwächter Abtretungsausschluss), ist auch gegenüber einem Verbraucher nicht nach § 307 I 1 BGB unwirksam.
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Der (abgeschwächte) Abtretungsausschluss erfasst auch Ansprüche, die sich aus einem – noch vom Käufer selbst erklärten – Rücktritt vom Kaufvertrag ergeben, weil es sich auch dabei um „Rechte und Pflichten des Käufers aus dem Kaufvertrag“ handelt.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.03.2017 – 7 U 115/16
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Ein Kraftfahrzeughersteller – hier: die Volkswagen AG – ist im Verhältnis zu seinen Vertragshändlern regelmäßig Dritter i. S. von § 123 II 1 BGB. Deshalb kann der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs seine auf den Abschluss des Kaufvertrages gerichtete und gegenüber einem VW-Vertragshändler abgegebene Willenserklärung allenfalls dann wirksam wegen einer angeblich vom Fahrzeughersteller verübten arglistigen Täuschung anfechten, wenn der Vertragshändler die – behauptete – Täuschung kannte oder kennen musste.
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Das Wissen der Volkswagen AG kann einem VW-Vertragshändler auch nicht aus Billigkeitsgründen in entsprechender Anwendung von § 166 BGB zugerechnet werden. Vielmehr gilt, dass der Vorlieferant des Verkäufers nicht dessen Gehilfe bei der Erfüllung der gegenüber dem Käufer bestehenden Verkäuferpflichten ist. Ebenso ist auch der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seine Kunden verkauft. Deshalb haftet der Verkäufer auch nicht dafür, dass sein Lieferant ein mit Mängeln behaftetes Produkt in den Verkehr bringt und dies arglistig verschweigt.
LG Hechingen, Urteil vom 10.03.2017 – 1 O 165/16
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Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen – mangelhaften – VW Caddy der dritten Generation hat keinen Anspruch auf Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) eines Fahrzeugs der vierten Generation. Denn wer einen Neuwagen aus einer inzwischen ausgelaufenen Serie erworben hat, kann nicht mit Erfolg Ersatzlieferung des veränderten Nachfolgemodells – also eines aliuds – verlangen. Vielmehr ist in diesem Fall eine Ersatzlieferung auch dann unmöglich (§ 275 I BGB), wenn sich der Verkäufer kaufvertraglich i. S. des § 308 Nr. 4 BGB bestimmte Änderungen oder Abweichungen „während der Lieferzeit“ vorbehalten hat.
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Der Hersteller eines Kraftfahrzeugs ist nicht Gehilfe eines Kfz-Händlers bei der Erfüllung von Verkäuferpflichten gegenüber einem Neuwagenkäufer.
LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 07.03.2017 – 2 O 131/16
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Ein im Jahr 2002 gebautes Audi-A4-Cabriolet, bei dem sich wegen eines Serienfehlers in Gestalt einer fehlerhaften Verklebung von Heckscheibe und Verdeck die Heckscheibe vom Verdeck löst, weist einen (erheblichen) Mangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB auf.
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Ein Defekt (hier: eine sich vom Verdeck lösende Heckscheibe) kann bei einem Gebrauchtwagen auch dann ein Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB sein, wenn er auch anderen Fahrzeugen derselben Marke und desselben Typs als Serienfehler anhaftet (im Anschluss an OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.11.2011 – I-1 U 141/07).
LG Düsseldorf, Urteil vom 03.03.2017 – 9 O 8/14
(nachfolgend: OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.12.2017 – I-5 U 55/17)
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