1. Der Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen – mangelhaften – VW Caddy der dritten Generation hat keinen Anspruch auf Ersatzlieferung (§ 439 I Fall 2 BGB) eines Fahrzeugs der vierten Generation. Denn wer einen Neuwagen aus einer inzwischen ausgelaufenen Serie erworben hat, kann nicht mit Erfolg Ersatzlieferung des veränderten Nachfolgemodells – also eines aliuds – verlangen. Vielmehr ist in diesem Fall eine Ersatzlieferung auch dann unmöglich (§ 275 I BGB), wenn sich der Verkäufer kaufvertraglich i. S. des § 308 Nr. 4 BGB bestimmte Änderungen oder Abweichungen „während der Lieferzeit“ vorbehalten hat.
  2. Der Hersteller eines Kraftfahrzeugs ist nicht Gehilfe eines Kfz-Händlers bei der Erfüllung von Verkäuferpflichten gegenüber einem Neuwagenkäufer.

LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 07.03.2017 – 2 O 131/16

Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagte unter anderem gestützt auf §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB auf Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs in Anspruch.

Er erwarb am 25.04.2014 von der Beklagten einen VW Caddy zum Preis von 31.625 €. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 21.02.2015 übergeben. Es ist mit einem EA189-Dieselmotor ausgestattet und deshalb vom VW-Abgasskandal betroffen.

In den Kfz-Kaufvertrag wurden die Neuwagen-Verkaufsbedingungen der Beklagten einbezogen, die in Abschnitt IV folgende Regelung enthalten:

„6. Konstruktions- oder Formänderungen, Abweichungen im Farbton sowie Änderungen des Lieferumfangs seitens des Herstellers bleiben während der Lieferzeit vorbehalten, sofern die Änderungen oder Abweichungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind. Sofern der Verkäufer oder der Hersteller zur Bezeichnung der Bestellung oder des bestellten Kaufgegenstandes Zeichen oder Nummern gebraucht, können allein daraus keine Rechte hergeleitet werden.“

Der Kläger ist der Auffassung, das ihm gelieferte Fahrzeug sei mangelhaft. Er behauptet, der VW Caddy halte den Euro-5-Emissionsgrenzwert für Stickoxid (NOX) nicht ein und sei deshalb derzeit nicht zulassungsfähig. Eine Nachbesserung sei technisch unmöglich; jedenfalls verblieben selbst nach der Durchführung von Nachbesserungsarbeiten ein Mangelverdacht und ein merkantiler Minderwert.

Die im vorliegenden Rechtsstreit verlangte Ersatzlieferung – so macht der Kläger geltend – sei der Beklagten möglich. Die Herstellerin biete den VW Caddy nämlich nahezu so an, wie er – der Kläger – ihn erhalten habe, auch wenn die Motorleistung mittlerweile 110 kW statt 103 kW betrage. Einzig der in seinem – des Klägers – Fahrzeug zum Einsatz kommende Motor sei durch ein neues, den Anforderungen der Euro-6-Abgasnorm entsprechendes Aggregat ersetzt worden.

Die Beklagte wendet ein, dass eine Ersatzlieferung unabhängig davon, dass das Fahrzeug des Klägers nicht mangelhaftet sei, mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei. Denn nachbessern lasse sich der VW Caddy durch die Installation eines Softwareupdates, und dafür sei ein Kostenaufwand von weniger als 100 € erforderlich.

Darüber hinaus – so macht die Beklagte geltend – sei die vom Kläger verlangte Ersatzlieferung unmöglich. Die Fahrzeuge der aktuellen Serie unterschieden sich nämlich in mehrfacher Hinsicht von den Fahrzeugen der Serie, der das Fahrzeug des Klägers entstamme. Das vom Kläger erworbene Fahrzeug sei ein VW Caddy der dritten Generation, die von Ende 2009 bis April 2015 produziert worden sei; Fahrzeuge der dritten Generation würden seitdem nicht mehr hergestellt. Fahrzeuge der vierten Generation unterschieden sich erheblich von Fahrzeugen der Vorgängergeneration; beispielsweise komme jetzt eine Abgasnachbehandlung mit AdBlue zum Einsatz.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB auf Lieferung eines mangelfreien … VW Caddy.

Zwar ist der vom Kläger gekaufte Pkw … mangelhaft. Denn bereits aufgrund der Installation der Manipulationssoftware, die die korrekte Messung der Stickoxidwerte hindert und im Prüfbetrieb niedrigere Ausstoßmengen vorspiegelt, weicht das Fahrzeug von der bei vergleichbaren Fahrzeugen üblichen Beschaffenheit ab (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB; vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 21.06.2016 – 28 W 14/16). Denn der Käufer eines Neuwagens kann erwarten, dass das Fahrzeug nicht mit einem Motor ausgestattet ist, der über eine Manipulationssoftware verfügt. Weiterhin kann der Käufer eines Neuwagens als übliche Beschaffenheit erwarten, dass es bei diesem Fahrzeug keine Diskrepanz zwischen Ausstoßmengen von Stickoxiden im Prüfbetrieb und im normalen Fahrbetrieb gibt.

Die vom Kläger verlangte Ersatzlieferung gemäß § 439 I Fall 2 BGB ist jedoch unmöglich (§ 275 I BGB).

Gemäß § 439 I BGB kann der Käufer als Nacherfüllung die Beseitigung des Mangels (Nachbesserung) oder die Lieferung einer mangelfreien Sache (Ersatzlieferung) verlangen. Insoweit besteht ein Wahlrecht des Käufers, wobei sich der Kläger hier für die Nacherfüllung in Form der Ersatzlieferung entschieden hat.

Es versteht sich allerdings von selbst, dass als Gegenstand einer Ersatzlieferung jeweils nur ein technisch identisches Fahrzeug in Betracht kommt. Der Käufer eines Neuwagens aus einer auslaufenden Serie kann deshalb nicht Ersatzlieferung des Nachfolgemodells verlangen (vgl. eingehend Ball, NZV 2004, 217 [220] m. w. Nachw.). Ist ein Modell der ausgelaufenen Serie nicht nachlieferbar, weil der Hersteller die Produktion dieses Modells entweder komplett oder in der ursprünglich bestellten Version (z. B. im Hinblick auf die Motorisierung) eingestellt hat, liegt ein Fall der Unmöglichkeit gemäß § 275 I BGB vor (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 727).

So liegt es hier.

Die von der Volkswagen AG nunmehr in der sogenannten Generation 4 produzierten Fahrzeuge der Marke VW Caddy sind mit den Fahrzeugen der Generation 3, zu denen das vom Kläger gekaufte Fahrzeug … gehört, keineswegs technisch identisch. Vielmehr bestehen erhebliche Unterschiede, sodass der Kläger im Ergebnis die Lieferung eines aliud verlangt. Hierauf hat er jedoch keinen Anspruch.

Die als wesentlich zu bewertenden technischen Unterschiede werden zum Teil auch vom Kläger nicht in Abrede genommen. So räumt der Kläger ein, dass der Hersteller das Fahrzeug … nunmehr mit 110 kW statt mit 103 kW anbietet und dass sich auch die PS-Zahl verändert habe. Darüber hinaus werden die als wesentlich zu bewertenden Änderungen bezüglich der Motorisierung des nunmehr produzierten Pkw Marke VW Caddy vom Kläger in der Sache nicht bestritten. Der Kläger gesteht insoweit nämlich ein, dass sich im Gegensatz zu dem im Fahrzeug des Klägers befindlichen Motor in den derzeit produzierten Fahrzeugen der Marke VW Caddy neue Motoren befinden, die nunmehr den Anforderungen der Abgasnorm „Euro 6“ entsprechen.

Im Ergebnis unterscheidet sich das nunmehr produzierte Nachfolgemodell des VW Caddy erheblich vom Modell, welches der Kläger gekauft hat. Von daher ist die Ersatzlieferung unmöglich (§ 275 I BGB).

Die Berücksichtigung von Abschnitt IV Nr. 6 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn danach bleiben nur Konstruktions- und Formänderungen „während der Lieferzeit“ und somit zwischen Bestellung und Auslieferung vorbehalten. Rückschlüsse für die Bewertung der Unmöglichkeit der Ersatzlieferung gemäß § 275 I BGB können hieraus nicht gezogen werden.

Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen auf Ersatzlieferung gerichteten Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, 241 II, 311 II BGB. Die Beklagte hat eine etwaige Pflichtverletzung nicht zu vertreten (§ 276 BGB).

Ein eigenes fahrlässiges Verhalten der Beklagten gemäß § 276 BGB scheidet aus. Die Beklagte hatte keine Kenntnis von der Konfiguration des AGR-Systems und befand sich diesbezüglich auch nicht in fahrlässiger Unkenntnis. Insoweit bestand bereits keine Untersuchungspflicht der Beklagten, da reine Zwischenhändler wie die Beklagte ohne konkrete Anhaltspunkte nicht untersuchungspflichtig sind (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl., Rn. 3850 ff.).

Die Beklagte muss sich auch nicht gemäß § 278 BGB ein etwaiges Verschulden der Volkswagen AG zurechnen lassen. Die Beklagte als Verkäuferin muss sich ein Herstellerverschulden nicht gemäß § 278 BGB zurechnen lassen, weil der Hersteller nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist (vgl. BGH, Urt. v. 21.06.1967 – VIII ZR 26/65, NJW 1967, 1903 f.; Urt. v. 09.02.1978 – VII ZR 84/77, NJW 1978, 1157; Urt. v. 02.04.2014 – VIII ZR 46/13, BGHZ 200, 337 = NJW 2014, 2183 Rn. 31). …

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