1. Die Soft­ware, die in ei­nem vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeug zum Ein­satz kommt und des­sen Stick­oxid­aus­stoß (nur) ver­rin­gert, so­bald das Fahr­zeug ei­nem Emis­si­ons­test un­ter­zo­gen wird, ist ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung i. S. des Art. 5 II i. V. mit Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007.
  2. Dass die Volks­wa­gen AG dem Käu­fer ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs im We­ge des Scha­dens­er­sat­zes den Kauf­preis er­stat­ten muss, kommt so­wohl mit Blick auf ei­ne sit­ten­wid­ri­ge vor­sätz­li­che Schä­di­gung (§ 826 BGB) als auch un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­nes Be­trugs (§ 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB) in Be­tracht.
  3. Die zu er­war­ten­de Ge­samt­lauf­leis­tung ei­nes Ško­da Ye­ti 2.0 TDI (Ele­gan­ce Plus Edi­ti­on) be­trägt 300.000 km.

LG Hil­des­heim, Ur­teil vom 17.01.2017 – 3 O 139/16

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­gehrt von der be­klag­ten Volks­wa­gen AG un­ter dem Ge­sichts­punkt des Scha­dens­er­sat­zes die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses für ei­nen Pkw; hilfs­wei­se ver­langt er Scha­dens­er­satz we­gen ei­ner Wert­min­de­rung, die das Fahr­zeug er­lit­ten ha­be.

Den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw, ei­nen Ško­da Ye­ti 2.0 TDI (Ele­gan­ce Plus Edi­ti­on), er­warb der Klä­ger mit Kauf­ver­trag vom 21.03./03.04.2013. Die Mo­tor­steue­rung des mit ei­nem Die­sel­mo­tor aus­ge­stat­te­ten Fahr­zeugs ist so pro­gram­miert, dass sie er­kennt, ob sich der Pkw zur Mes­sung der Schad­stoff­emis­sio­nen auf ei­nem Prüf­stand be­fin­det. In die­sem Fall ar­bei­tet sie im so­ge­nann­ten Mo­dus 1, wäh­rend das Fahr­zeug im Stra­ßen­ver­kehr im Mo­dus 0 be­trie­ben wird. Im Mo­dus 1 ist die Ab­gas­rück­füh­rungs­ra­te hö­her und des­halb der Aus­stoß von Stick­oxi­den nied­ri­ger als im Mo­dus 0. Ein von der Be­klag­ten seit Be­kannt­wer­den der Be­triebs­mo­di ent­wi­ckel­tes Soft­ware­up­date soll da­für sor­gen, dass der Mo­tor nur noch im Mo­dus 1 „ad­ap­tiert“ be­trie­ben wird.

Der Klä­ger meint, die Be­klag­te ha­be ihn da­durch, dass sie den von ihr ent­wi­ckel­ten Mo­tor mit ei­ner Ab­schalt­soft­ware aus­ge­stat­tet und die­sen an ih­re Schwes­ter­un­ter­neh­men ge­lie­fert ha­be, vor­sätz­lich ge­schä­digt. Der Scha­den be­ste­he dar­in, dass er ein Ge­schäft ab­ge­schlos­sen ha­be, das er bei Kennt­nis der Sach­la­ge nicht ge­tä­tigt hät­te. Die Na­tu­ral­re­sti­tu­ti­on müs­se des­halb da­hin ge­hen, dass er so ge­stellt wer­de, als hät­te er das Fahr­zeug nicht ge­kauft.

Der Vor­stand der Be­klag­ten – so be­haup­tet der Klä­ger – ha­be von der nicht ge­set­zes­kon­for­men Mo­tor­steue­rungs­soft­ware ge­wusst. Die Be­klag­te ha­be auch ge­wusst, dass hier­mit aus­ge­stat­te­te Fahr­zeu­ge ei­nen Wert­ver­lust er­lei­den wür­den, so­bald der Man­gel auf dem Markt be­kannt wür­de. Der Min­der­wert des Fahr­zeugs be­lau­fe sich auf min­des­tens 30 % des vor­he­ri­gen Werts des Fahr­zeugs auf dem Ge­braucht­wa­gen­markt im Sep­tem­ber 2015. Die­ser ha­be cir­ca 16.500 € be­tra­gen, so­dass der Min­der­wert 5.500 € be­tra­ge. Die Teil­nah­me an der Rück­ruf­ak­ti­on der Be­klag­ten, in de­ren Rah­men ein Soft­ware­up­date in­stal­liert wer­den sol­le, sei für ihn – den Klä­ger – un­zu­mut­bar, weil zu be­sor­gen sei, dass das Fahr­zeug da­nach ent­we­der noch den­sel­ben Man­gel auf­wei­se wie zur­zeit (zu ho­her Aus­stoß von Stick­oxid) und/oder das Fahr­zeug ei­nen hö­he­ren Kraft­stoff­ver­brauch und da­mit auch hö­he­re CO2-Emis­sio­nen ha­ben wer­de. Auch sei ei­ne ge­rin­ge­re Halt­bar­keit des Mo­tors und des Par­ti­kel­fil­ters zu be­fürch­ten.

Die Be­klag­te be­strei­tet un­ter an­de­rem, dass das Fahr­zeug des Klä­gers über ei­ne un­zu­läs­si­ge Ab­schalt­ein­rich­tung ver­fü­ge. Sie be­haup­tet, die streit­ge­gen­ständ­li­che Soft­ware wir­ke nicht auf das Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem des Fahr­zeugs ein. Viel­mehr er­ken­ne die Soft­ware des Mo­tor­steu­er­ge­räts, dass das Fahr­zeug den Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus (NEFZ) durch­fah­re. Die Soft­ware be­wir­ke nicht, dass beim nor­ma­len Fahr­be­trieb die Wirk­sam­keit des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems ver­rin­gert wer­de. Das Ab­gas­rück­füh­rungs­sys­tem sei nicht Be­stand­teil des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems, son­dern ei­ne inn­er­mo­to­ri­sche Maß­nah­me. Auch er­fol­ge kei­ne „Ein­wir­kung“ auf das Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem und da­mit kei­ne „Ab­schal­tung“ im nor­ma­len Fahr­be­trieb.

Die Kla­ge hat­te mit dem auf die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges ge­rich­te­ten Haupt­an­trag Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Die Kla­ge ist hin­sicht­lich der Haupt­for­de­rung aus § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB be­grün­det. Die Be­klag­te hat dem Klä­ger in ei­ner ge­gen die gu­ten Sit­ten ver­sto­ßen­den Wei­se vor­sätz­lich Scha­den zu­ge­fügt.

Die Hand­lung, durch die die Be­klag­te den Klä­ger ge­schä­digt hat, war das In­ver­kehr­brin­gen – un­ter Ver­schwei­gen der ge­set­zes­wid­ri­gen Soft­ware­pro­gram­mie­rung – von Die­sel­mo­to­ren zum Zweck des Wei­ter­ver­kaufs un­ter an­de­rem in Fahr­zeu­gen der Mar­ke Ško­da, de­ren Mo­tor­steue­rungs­soft­ware so pro­gram­miert war, dass sie den Be­trieb des Fahr­zeugs auf ei­nem Prüf­stand im Neu­en Eu­ro­päi­schen Fahr­zy­klus (NEFZ) er­kann­te und die Ab­gas­be­hand­lung in den so­ge­nann­ten Mo­dus 1 ver­setz­te.

Durch die Hand­lung der Be­klag­ten hat der Klä­ger ei­nen Ver­mö­gens­scha­den er­lit­ten. Die­ser be­steht dar­in, dass er in Un­kennt­nis der nicht ge­set­zes­kon­for­men Mo­tor­steue­rungs­soft­ware den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw er­wor­ben und da­mit ei­nen ihm wirt­schaft­lich nach­tei­li­gen Ver­trag ab­ge­schlos­sen hat. Dass es sich bei die­sem Ver­trag um ei­nen für den Klä­ger wirt­schaft­lich nach­tei­li­gen han­delt, zeigt schon die Über­le­gung, dass kein ver­stän­di­ger Kun­de ein Fahr­zeug mit die­ser Mo­tor­steue­rungs­soft­ware er­wer­ben wür­de, wenn die Be­klag­te ihn vor dem Kauf dar­auf hin­wei­sen wür­de, dass die Soft­ware nicht ge­set­zes­kon­form sei und er des­halb je­den­falls mit Pro­ble­men für den Fall der Ent­de­ckung der Ma­ni­pu­la­ti­on durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt rech­nen müs­se. Der Klä­ger hat nicht das be­kom­men, was ihm aus dem Kauf­ver­trag zu­stand, näm­lich ein tech­nisch ein­wand­frei­es, den ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen ent­spre­chen­des Fahr­zeug.

Die streit­ge­gen­ständ­li­che Pro­gram­mie­rung der Mo­tor­steue­rungs­soft­ware ist ge­set­zes­wid­rig. In der Ver­wen­dung von Ab­schalt­vor­rich­tun­gen, die die Wir­kung von Emis­si­ons­kon­troll­sys­te­men ver­rin­gern, liegt ein Ver­stoß ge­gen Art. 5 II i. V. mit Art. 3 Nr. 10 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 des eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 20.6.2007 über die Typ­ge­neh­mi­gung von Kraft­fahr­zeu­gen hin­sicht­lich der Emis­sio­nen von leich­ten Per­so­nen­kraft­wa­gen und Nutz­fahr­zeu­gen (Eu­ro 5 und Eu­ro 6) und über den Zu­gang zu Re­pa­ra­tur- und War­tungs­in­for­ma­tio­nen für Fahr­zeu­ge.

Bei ver­stän­di­ger Aus­le­gung muss die von der Be­klag­ten in­stal­lier­te Pro­gram­mie­rung als Ab­schalt­ein­rich­tung an­ge­se­hen wer­den. Denn sie setzt die zu ei­nem ge­rin­ge­ren Stick­oxid­aus­stoß füh­ren­de, aus­schließ­lich für den Prüf­stand be­stimm­te Pro­gram­mie­rung der Mo­tor­steue­rung im Mo­dus 1 für den Fahr­be­trieb auf der Stra­ße au­ßer Kraft mit der Fol­ge, dass der Stick­oxid­aus­stoß im Fahr­be­trieb auf der Stra­ße hö­her ist als auf dem Prüf­stand. Um­ge­kehrt wird die im nor­ma­len Fahr­be­trieb wirk­sa­me Pro­gram­mie­rung et­wa für die Ab­gas­rück­füh­rung auf dem Prüf­stand au­ßer Kraft ge­setzt, in­dem die Mo­tor­steue­rung den so­ge­nann­ten Mo­dus 0, näm­lich den Be­triebs­zu­stand für den nor­ma­len Fahr­be­trieb auf der Stra­ße, zu­guns­ten ei­nes aus­schließ­lich für den Prüf­stand­be­trieb be­stimm­ten Mo­dus ab­schal­tet.

Dies gilt un­ab­hän­gig da­von, ob tat­säch­lich ei­ne Ein­wir­kung auf das Emis­si­ons­kon­troll­sys­tem vor­han­den ist oder aber le­dig­lich ei­ne Ein­wir­kung auf ei­nen inn­er­mo­to­ri­schen Vor­gang er­folgt. Schon die Test­zy­kluser­ken­nung in Ver­bin­dung mit ei­ner aus­schließ­lich im Test­zy­klus er­fol­gen­den Ein­wir­kung auf die Ab­gas­rück­füh­rung ist ein Ver­stoß ge­gen das Ver­bot von Ab­schalt­ein­rich­tun­gen. Zu­dem liegt auf der Hand, dass auch ei­ne Schad­stoff­mes­sung auf dem Prüf­stand nur sinn­voll ist und ei­nen Ver­gleich von Fahr­zeu­gen ver­schie­de­ner Her­stel­ler er­mög­licht, wenn das zu tes­ten­de Fahr­zeug ge­ra­de hin­sicht­lich der Ab­gas­be­hand­lung dem Zu­stand ent­spricht, der auch auf der Stra­ße ge­ge­ben ist, da an­sons­ten Tricks und Ma­ni­pu­la­tio­nen jed­we­der Art Tür und Tor ge­öff­net wür­den und ei­ne Ver­gleich­bar­keit selbst un­ter den dem rea­len Fahr­be­trieb fer­nen ge­norm­ten Prüf­stand­be­din­gun­gen nicht mehr her­zu­stel­len wä­re.

Ei­ne aus­schließ­lich auf den Test­zy­klus zu­ge­schnit­te­ne Pro­gram­mie­rung der Ab­gas­be­hand­lung kann des­halb nur als un­zu­läs­si­ge Um­ge­hung der ein­schlä­gi­gen Vor­schrif­ten an­ge­se­hen wer­den.

Die schä­di­gen­de Hand­lung ist der Be­klag­ten zu­zu­rech­nen.

Zwar setzt die Haf­tung ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son aus § 826 BGB i. V. mit § 31 BGB vor­aus, dass ein ver­fas­sungs­mä­ßig be­ru­fe­ner Ver­tre­ter i. S. des § 31 BGB den ob­jek­ti­ven und sub­jek­ti­ven Tat­be­stand des § 826 BGB ver­wirk­licht hat (BGH, Urt. v. 28.6.2016 – VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 13). Da­von ist aber für die hier zu tref­fen­de Ent­schei­dung aus­zu­ge­hen. Denn die Be­klag­te ist ih­rer se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last zu der Fra­ge, wel­ches ih­rer Or­ga­ne Kennt­nis von der Ma­ni­pu­la­ti­on der Mo­tor­steue­rungs­soft­ware hat­te und das In­ver­kehr­brin­gen ent­spre­chend aus­ge­rüs­te­ter Mo­to­ren ver­an­lasst hat, trotz Hin­wei­ses der Kam­mer in der münd­li­chen Ver­hand­lung nicht ein­mal an­satz­wei­se nach­ge­kom­men.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten trifft sie ei­ne ent­spre­chen­de se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last.

Die Be­klag­te selbst weist zu­tref­fend dar­auf hin, dass ei­ne sol­che se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last be­steht, wenn der be­weis­be­las­te­ten Par­tei nä­he­rer Vor­trag nicht mög­lich oder nicht zu­mut­bar ist, wäh­rend die be­strei­ten­de Par­tei al­le we­sent­li­chen Tat­sa­chen kennt und es ihr zu­mut­bar ist, nä­he­re An­ga­ben zu ma­chen. Der Geg­ner der (pri­mär) dar­le­gungs­pflich­ti­gen Par­tei darf sich nicht auf ein ein­fa­ches Be­strei­ten be­schrän­ken, wenn die dar­le­gungs­pflich­ti­ge Par­tei au­ßer­halb des von ihr dar­zu­le­gen­den Ge­sche­hens­ab­laufs steht und kei­ne nä­he­re Kennt­nis der maß­ge­ben­den Tat­sa­chen be­sitzt, wäh­rend der Pro­zess­geg­ner sie hat und ihm nä­he­re An­ga­ben zu­mut­bar sind (BGH, Urt. v. 07.12.1998 – II ZR 266/97, BGHZ 140, 156 [158 f.]).

Das ist hier der Fall: Der Klä­ger hat na­tur­ge­mäß kei­ner­lei Ein­blick in die in­ter­nen Ent­schei­dungs­vor­gän­ge bei der Be­klag­ten und ist auf Ver­öf­fent­li­chun­gen der Me­di­en und auf Rück­schlüs­se und Ver­mu­tun­gen an­ge­wie­sen. Er hat den ihm in­so­weit zu­zu­mu­ten­den Vor­trag er­bracht. Die Be­klag­te hin­ge­gen (und wer, wenn nicht sie?) hat je­de Mög­lich­keit, die in ih­rem Un­ter­neh­men im Zu­sam­men­hang mit der Pro­gram­mie­rung und Im­ple­men­tie­rung der streit­ge­gen­ständ­li­chen Soft­ware ab­ge­lau­fe­nen Vor­gän­ge und Ent­schei­dungs­pro­zes­se dar­zu­le­gen, um es so dem Klä­ger zu er­mög­li­chen, sei­ner­seits die ihm ob­lie­gen­de wei­ter­ge­hen­de Dar­le­gung und den er­for­der­li­chen Be­weis­an­tritt vor­neh­men zu kön­nen.

Der Vor­trag der Be­klag­ten, sie „klä­re ge­ra­de die Um­stän­de auf“, wie es zur Ent­wick­lung und zum Ein­bau der Soft­ware ge­kom­men sei; hier­für ha­be sie un­ter an­de­rem die Kanz­lei Jo­nes Day mit ei­ner Un­ter­su­chung be­auf­tragt; nach dem der­zei­ti­gen Er­mitt­lungs­stand lä­gen kei­ne Er­kennt­nis­se da­für vor, dass ein­zel­ne Vor­stands­mit­glie­der an der Ent­wick­lung der Soft­ware be­tei­ligt ge­we­sen sei­en oder die Ent­wick­lung oder Ver­wen­dung der Soft­ware des Die­sel­mo­tors EA189 EU5 in Auf­trag ge­ge­ben oder ge­bil­ligt hät­ten, ist gänz­lich un­zu­rei­chend und ge­nügt dem § 138 I ZPO, wo­nach die Par­tei­en ih­re Er­klä­run­gen über tat­säch­li­che Um­stän­de voll­stän­dig und der Wahr­heit ge­mäß ab­zu­ge­ben ha­ben, nicht. An­ge­sichts des Zeit­ab­laufs seit Ent­de­ckung der Soft­ware­ma­ni­pu­la­ti­on ist der Vor­trag, die Be­klag­te ha­be das ihr Mög­li­che un­ter­nom­men, um den Be­haup­tun­gen des Klä­gers ent­ge­gen­zu­tre­ten, un­zu­rei­chend und dar­über hin­aus schlicht un­glaub­haft. Was die Kanz­lei Jo­nes Day oder die Be­klag­te selbst in die­sem Zu­sam­men­hang über­haupt un­ter­nom­men ha­ben, um die In­itia­to­ren, Tä­ter und Mit­wis­ser der Ma­ni­pu­la­ti­on nam­haft zu ma­chen, ist eben­so we­nig vor­ge­tra­gen wie ei­ne Be­grün­dung da­für, dass trotz des er­heb­li­chen Zeit­ab­laufs seit Be­kannt­wer­den der Soft­ware­ma­ni­pu­la­ti­on bis heu­te an­geb­lich im­mer noch kei­ne Er­geb­nis­se der an­geb­lich durch­ge­führ­ten Un­ter­su­chung vor­lie­gen. Zu ei­ner sub­stan­zi­ier­ten Dar­le­gung hät­te um­so mehr An­lass be­stan­den, als es sich bei der Ein­füh­rung ei­ner ma­ni­pu­lier­ten, auf Ver­zer­rung der Prüf­stand­wer­te aus­ge­rich­te­ten Mo­tor­steue­rungs­soft­ware um ei­ne we­sent­li­che stra­te­gi­sche Ent­schei­dung mit enor­mer wirt­schaft­li­cher Reich­wei­te und – wie die wirt­schaft­li­chen Fol­gen des so­ge­nann­ten Ab­gas­skan­dals zei­gen – eben­so gro­ßen Ri­si­ken han­delt, bei der kaum an­zu­neh­men ist, dass sie von ei­nem am un­te­ren En­de der Be­triebs­hier­ar­chie an­ge­sie­del­ten Ent­wick­ler in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung ge­trof­fen wor­den ist.

Des­halb muss in der hier zur Ent­schei­dung ste­hen­den pro­zes­sua­len La­ge man­gels sub­stan­zi­ier­ter ge­gen­tei­li­ger Dar­le­gung durch die Be­klag­te da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die­se Ent­schei­dung vom Vor­stand an­ge­ord­net oder doch je­den­falls „ab­ge­seg­net“ wor­den ist.

Die Be­klag­te hat dem Klä­ger den Scha­den vor­sätz­lich zu­ge­fügt. Man­gels jeg­li­cher ent­ge­gen­ste­hen­der An­halts­punk­te muss da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass den Or­ga­nen der Be­klag­ten völ­lig klar war, dass die Be­klag­te Die­sel­mo­to­ren an Toch­ter­un­ter­neh­men wie et­wa Ško­da lie­fer­te und auch selbst in ei­ge­nen Fahr­zeu­gen ver­kauf­te, die hin­sicht­lich der Ab­gas­wer­te nicht den ein­schlä­gi­gen Vor­schrif­ten ent­spra­chen, und dass so­mit die Kun­den der Be­klag­ten selbst und ih­rer Toch­ter­un­ter­neh­men wirt­schaft­lich nach­tei­li­ge Kauf­ver­trä­ge ab­schlos­sen.

Das Ver­hal­ten der Be­klag­ten ver­stieß ge­gen die gu­ten Sit­ten.

Ob­jek­tiv sit­ten­wid­rig ist ei­ne Hand­lung, die nach In­halt oder Ge­samt­cha­rak­ter, der durch zu­sam­men­fas­sen­de Wür­di­gung von In­halt, Be­weg­grün­den und Zweck zu er­mit­teln ist, ge­gen das An­stands­ge­fühl al­ler bil­lig und ge­recht Den­ken­den ver­stößt, das heißt mit den grund­le­gen­den Wer­tun­gen der Rechts- und Sit­ten­ord­nung nicht ver­ein­bar ist. Ab­zu­stel­len ist auf die in der Ge­mein­schaft oder in der be­tei­lig­ten Grup­pe an­er­kann­ten mo­ra­li­schen An­schau­un­gen. Da­bei ist ein durch­schnitt­li­cher Maß­stab an­zu­le­gen (BGH, Urt. v. 09.07.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 [232]); be­son­ders stren­ge An­schau­un­gen sind eben­so wie be­son­ders la­xe Auf­fas­sun­gen un­be­acht­lich (Pa­landt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 826 Rn. 4; Pa­landt/El­len­ber­ger, BGB, 76. Aufl., § 138 Rn. 2 ff.).

Hin­zu­tre­ten muss zu der ob­jek­ti­ven Sit­ten­wid­rig­keit ei­ne be­son­de­re Ver­werf­lich­keit des Ver­hal­tens, die sich aus dem ver­folg­ten Ziel, den ein­ge­setz­ten Mit­teln, der zu­ta­ge tre­ten­den Ge­sin­nung oder den ein­tre­ten­den Fol­gen er­ge­ben kann (Pa­landt/Sprau, a. a. O., § 826 Rn. 4). Der BGH (Urt. v. 03.12.2013 – XI ZR 295/12, NJW 2014, 1098 Rn. 23) hat hier­zu aus­ge­führt:

Ein Ver­hal­ten ist sit­ten­wid­rig, wenn es ge­gen das An­stands­ge­fühl al­ler bil­lig und ge­recht Den­ken­den ver­stößt (st. Rspr. seit RGZ 48, 114 [124]). In die­se recht­li­che Be­ur­tei­lung ist ein­zu­be­zie­hen, ob es nach sei­nem aus der Zu­sam­men­fas­sung von In­halt, Be­weg­grund und Zweck zu ent­neh­men­den Ge­samt­cha­rak­ter mit den gu­ten Sit­ten nicht zu ver­ein­ba­ren ist (BGH, Urt. v. 20.11.2012 – VI ZR 268/11, WM 2012, 2377 Rn. 25; Urt. v. 04.06.2013 – VI ZR 288/12, WM 2013, 1310 Rn. 14, je­weils m. w. Nachw.). Ein Un­ter­las­sen ver­letzt die gu­ten Sit­ten nur dann, wenn das ge­for­der­te Tun ei­nem sitt­li­chen Ge­bot ent­spricht. Hier­für reicht die Nicht­er­fül­lung ei­ner all­ge­mei­nen Rechts­pflicht, aber auch ei­ner ver­trag­li­chen Pflicht nicht aus. Es müs­sen be­son­de­re Um­stän­de hin­zu­tre­ten, die das schä­di­gen­de Ver­hal­ten we­gen sei­nes Zwecks oder we­gen des an­ge­wand­ten Mit­tels oder mit Rück­sicht auf die da­bei ge­zeig­te Ge­sin­nung nach den Maß­stä­ben der all­ge­mei­nen Ge­schäfts­mo­ral und des als ‚an­stän­dig‘ Gel­ten­den ver­werf­lich ma­chen (BGH, Urt. v. 20.11.2012 – VI ZR 268/11, WM 2012, 2377 Rn. 25; Urt. v. 04.06.2013 – VI ZR 288/12, WM 2013, 1310 Rn. 14, je­weils m. w. Nachw.).“

Nach die­sen Grund­sät­zen hat der BGH im dort zu ent­schei­den­den Fall das Ver­hal­ten von Fond­sin­itia­to­ren, die An­le­gern ei­nen Wei­ter­ver­äu­ße­rungs­ge­winn ver­schwie­gen hat­ten, als sit­ten­wid­rig ein­ge­stuft.

Un­ter An­wen­dung die­ser Grund­sät­ze muss auch das Ver­hal­ten der Be­klag­ten als sit­ten­wid­rig an­ge­se­hen wer­den. Die Täu­schung durch die Be­klag­te dien­te – an­de­re Mo­ti­ve sind we­der von der Be­klag­ten dar­ge­legt noch sonst er­sicht­lich – dem Zweck, zur Kos­ten­sen­kung (und mög­li­cher­wei­se zur Um­ge­hung tech­ni­scher Pro­ble­me) recht­lich und tech­nisch ein­wand­freie, aber teu­re­re Lö­sun­gen der Ab­gas­rei­ni­gung zu ver­mei­den und mit­hil­fe der schein­bar um­welt­freund­li­chen Prüf­stand­wer­te Wett­be­werbs­vor­tei­le zu er­zie­len.

Schon die­ses Ge­winn­stre­ben um den Preis der be­wuss­ten Täu­schung und Be­nach­tei­li­gung von Kun­den gibt dem Han­deln der Be­klag­ten das Ge­prä­ge der Sit­ten­wid­rig­keit und lässt das teil­wei­se in den Me­di­en ver­harm­lo­send als „Schum­me­lei“ be­zeich­ne­te Vor­ge­hen we­der als „Ka­va­liers­de­likt“ noch als „läss­li­che Sün­de“ er­schei­nen. Hin­zu tritt, dass die Be­klag­te durch die Ma­ni­pu­la­ti­on der Mo­tor­steue­rungs­soft­ware ei­nen Teil des Mo­tors be­ein­flusst hat, den ein tech­ni­scher Laie kei­nes­falls und selbst ein Fach­mann nur mit Mü­he durch­schaut, so­dass die Ent­de­ckung der Ma­ni­pu­la­ti­on mehr oder we­ni­ger vom Zu­fall ab­hing und die Be­klag­te dar­auf hof­fen konn­te, nie­mals er­wischt zu wer­den. Ein sol­ches die Ver­brau­cher täu­schen­des Ver­hal­ten, das – wie un­ten noch dar­zu­le­gen sein wird – den Tat­be­stand des Be­trugs er­füllt, ist auch bei An­wen­dung ei­nes durch­schnitt­li­chen, nicht über­mä­ßig stren­gen Maß­stabs als sit­ten­wid­rig an­zu­se­hen und eben­so ver­werf­lich wie in der Ver­gan­gen­heit et­wa die Bei­mi­schung von Gly­kol in Wein oder von Pfer­de­fleisch in La­sa­gne. Das Ver­hal­ten der Be­klag­ten wiegt um­so schwe­rer, als es sich beim Kauf ei­nes Pkw für vie­le Ver­brau­cher um ei­ne wirt­schaft­li­che Ent­schei­dung von er­heb­li­chem Ge­wicht mit oft deut­li­chen fi­nan­zi­el­len Be­las­tun­gen han­delt, die durch das un­red­li­che Ver­hal­ten der Be­klag­ten nach­tei­lig be­ein­flusst wor­den ist. Die Be­klag­te hat die Ah­nungs­lo­sig­keit der Ver­brau­cher be­wusst zu ih­rem ei­ge­nen Vor­teil aus­ge­nutzt.

Ei­ne Haf­tung der Be­klag­ten aus § 826 BGB schei­det – ent­ge­gen der et­wa vom LG Köln (Urt. v. 07.10.2016 – 7 O 138/16) ver­tre­te­nen Auf­fas­sung – nicht des­halb aus, weil die oben ge­nann­te Ver­ord­nung nicht dem Schutz in­di­vi­du­el­ler Ver­mö­gens­in­ter­es­sen, son­dern ge­samt­ge­sell­schaft­li­chen Zie­len dient. Denn die Haf­tung aus § 826 BGB hängt nicht da­von ab, auf wel­chem Weg und un­ter Ver­stoß ge­gen wel­che Nor­men der Schä­di­ger ge­han­delt hat. Un­er­heb­lich ist auch, ob die be­trof­fe­nen Fahr­zeug­käu­fer bei Nicht­an­wen­dung des § 826 BGB nicht recht­los ge­stellt wür­den, weil sie in al­ler Re­gel über Rechts­schutz­mög­lich­kei­ten im Ver­hält­nis zum Ver­käu­fer ver­fü­gen wür­den (so aber LG Köln, v. 07.10.2016 – 7 O 138/16). Denn das Be­ste­hen von kauf­recht­li­chen An­sprü­chen ge­gen den Ver­käu­fer schließt de­lik­ti­sche An­sprü­che ge­gen ei­nen Drit­ten kei­nes­falls aus. Das be­deu­tet kei­ne Aus­wei­tung des De­liktsrechts, son­dern le­dig­lich des­sen kon­se­quen­te An­wen­dung. Kauf­recht­li­che Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che wer­den zu­dem – wie auch im vor­lie­gen­den Fall – oft we­gen Ver­jäh­rung nicht mehr durch­setz­bar sein.

II. Der An­spruch des Klä­gers folgt auch aus §§ 823 II, 31 BGB i. V. mit § 263 StGB.

§ 263 StGB ist Schutz­ge­setz i. S. des § 823 II BGB. Die Or­ga­ne der Be­klag­ten (im Fol­gen­den: die Be­klag­te) ha­ben den Tat­be­stand des Be­trugs ge­gen­über dem Klä­ger – je­den­falls in mit­tel­ba­rer Tä­ter­schaft un­ter Be­nut­zung ih­rer Toch­ter­un­ter­neh­men und de­ren Händ­lern – vor­sätz­lich, rechts­wid­rig und schuld­haft ver­wirk­licht.

Die Be­klag­te hat den Klä­ger über die Ge­set­zes­kon­for­mi­tät des Fahr­zeugs ge­täuscht. Schon das In­ver­kehr­brin­gen des Fahr­zeugs oh­ne Hin­weis auf den Um­stand, dass die Stick­oxid­wer­te, die Grund­la­ge der all­ge­mei­nen Be­triebs­er­laub­nis wa­ren, mit­hil­fe ei­ner Ab­schalt­vor­rich­tung er­zielt wor­den wa­ren, spie­gel­te dem Klä­ger vor, dass der Pkw in ei­nem ge­set­zes­kon­for­men Zu­stand die Be­triebs­er­laub­nis er­hal­ten ha­be. Die Täu­schung ist zu­dem durch die An­ga­be der Schad­stoff­wer­te in der Pro­spekt­wer­bung er­folgt, die für den Käu­fer nur den Schluss zu­ließ, dass es sich um ord­nungs­ge­mäß er­mit­tel­te und nicht et­wa mit­hil­fe ei­ner ma­ni­pu­lier­ten Mo­tor­steue­rungs­soft­ware her­bei­ge­führ­te Wer­te han­del­te. Hier­bei han­delt es sich kauf­recht­lich um ei­ne Be­schaf­fen­heits­an­ga­be (§ 434 I 3 BGB), die im Zwei­fel als für den Kauf­ent­schluss we­sent­li­che Tat­sa­che an­zu­se­hen ist.

Die Täu­schung ist durch die Be­klag­te selbst er­folgt. Dies gilt trotz des Um­stands, dass das Fahr­zeug nicht von ihr, son­dern von Ško­da her­ge­stellt wor­den ist. Denn der Mo­tor des Fahr­zeugs des Klä­gers ist von der Be­klag­ten wenn nicht ge­lie­fert, so doch kon­stru­iert wor­den. Soll­te Ško­da von den tech­ni­schen Ei­gen­schaf­ten des Mo­tors, ins­be­son­de­re der Be­son­der­heit der Mo­tor­steue­rung, kei­ne Kennt­nis ge­habt ha­ben, hät­te die Be­klag­te, wie be­reits aus­ge­führt, den Klä­ger in mit­tel­ba­rer Tä­ter­schaft ge­täuscht. An­dern­falls wä­re ihr Mit­tä­ter­schaft, je­den­falls aber Bei­hil­fe an­zu­las­ten.

Die Täu­schungs­hand­lung ist, wie oben aus­ge­führt, der Be­klag­ten auch zu­zu­rech­nen. Man­gels sub­stan­zi­ier­ter Dar­le­gung der Be­klag­ten zu den Zu­stän­dig­kei­ten, Ver­ant­wort­lich­kei­ten und Ent­schei­dungs­pro­zes­sen in ih­rem Un­ter­neh­men muss für die Ent­schei­dung da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Or­ga­ne der Be­klag­ten von der Täu­schungs­hand­lung Kennt­nis hat­ten.

Für die Ent­schei­dung ist da­von aus­zu­ge­hen, dass der Klä­ger sich auf­grund der fal­schen Be­schaf­fen­heits­an­ga­be so­wohl über die Ge­set­zes­kon­for­mi­tät der Mo­tor­steue­rungs­soft­ware als auch über die Rich­tig­keit der von dem Fahr­zeug auf dem Prüf­stand im NEFZ zu er­zie­len­den Schad­stoff­wer­te, ins­be­son­de­re den Stick­oxid­wert, ge­irrt hat. Da es sich bei den Stick­oxid­wer­ten um ei­ne Be­schaf­fen­heits­an­ga­be han­delt, die in Zei­ten dro­hen­der Fahr­ver­bo­te für Die­sel­fahr­zeu­ge er­heb­li­che Be­deu­tung ge­won­nen hat, greift zu­guns­ten des Klä­gers ei­ne Ver­mu­tung da­hin ein, dass er die Schad­stoff­wer­te zur Kennt­nis ge­nom­men und sei­ner Kauf­ent­schei­dung zu­grun­de ge­legt hat.

Der Irr­tum des Klä­gers über die Rich­tig­keit der Schad­stoff­an­ga­ben und die Ord­nungs­mä­ßig­keit der Er­mitt­lung der Prüf­stand­wer­te ist durch die fal­schen An­ga­ben der Be­klag­ten ver­ur­sacht.

Die Ver­mö­gens­ver­fü­gung liegt in dem Ab­schluss des Kauf­ver­trags über ein nicht ge­set­zes­kon­for­mes Fahr­zeug.

Die Ver­mö­gens­ver­fü­gung ist durch den Irr­tum des Klä­gers ver­ur­sacht wor­den. Hät­te der Klä­ger ge­wusst, dass die An­ga­ben über den Schad­stoff­aus­stoß des Fahr­zeugs und über die Ein­hal­tung der ge­setz­li­chen Vor­ga­ben für die Mes­sung falsch wa­ren, hät­te er den Wa­gen nicht ge­kauft.

Der Scha­den des Klä­gers liegt in dem Ab­schluss des Kauf­ver­trags über ein Kraft­fahr­zeug, des­sen Ab­gas­wer­te un­ter Ver­wen­dung ei­ner ma­ni­pu­lier­ten Mo­tor­steue­rungs­soft­ware er­zielt wor­den sind. Die­ser Kauf­ver­trag ist dem Klä­ger un­güns­tig, weil da­von aus­zu­ge­hen ist, dass er ihn bei Kennt­nis der Sach­la­ge nicht ab­ge­schlos­sen hät­te.

Der Ver­mö­gens­nach­teil in Form des nach­tei­li­gen Ge­schäfts ist un­mit­tel­bar durch des­sen Ab­schluss ein­ge­tre­ten. Die Ver­mö­gens­ver­fü­gung ist al­so für den Scha­den kau­sal ge­wor­den.

Auch das un­ge­schrie­be­ne Tat­be­stands­merk­mal der Stoff­gleich­heit ist ge­ge­ben. Der aus dem Be­trug er­wach­se­ne Vor­teil ist un­mit­tel­ba­re Fol­ge der täu­schungs­be­ding­ten Ver­fü­gung, die den Scha­den des Klä­gers her­bei­ge­führt hat. Der Vor­teil ist der Ab­schluss des für den Klä­ger nach­tei­li­gen Kauf­ver­trags und da­mit die Be­grün­dung des Kauf­preis­an­spruchs. Die­ser Vor­teil ist zwar nicht bei der Be­klag­ten, son­dern bei Ško­da oder ei­nem Händ­ler ein­ge­tre­ten. Das steht aber der Stoff­gleich­heit nicht ent­ge­gen. Viel­mehr han­delt es sich um ei­nen fremd­nüt­zi­gen Be­trug, bei dem Täu­schen­der und Vor­teils­emp­fän­ger per­so­nen­ver­schie­den sind (Fi­scher, StGB, 61. Aufl., § 263 Rn. 187 f.).

Auch die er­for­der­li­che Be­rei­che­rungs­ab­sicht liegt vor. Hier­für reicht es aus, dass es dem Tä­ter dar­auf an­kommt, ei­nem Drit­ten ei­nen Ver­mö­gens­vor­teil zu ver­schaf­fen. Der er­streb­te Vor­teil war auch rechts­wid­rig, weil hier­auf kein Rechts­an­spruch be­stand.

Die Be­klag­te hat vor­sätz­lich ge­han­delt. Die aus­ge­feil­te Ma­ni­pu­la­ti­on der Ab­gas­wer­te lässt kei­nen an­de­ren Schluss zu. Da­bei er­streck­te sich der Vor­satz auch auf das Be­wusst­sein der Rechts­wid­rig­keit des zu­guns­ten Drit­ter an­ge­streb­ten Ver­mö­gens­vor­teils.

Recht­fer­ti­gungs­grün­de sind nicht er­sicht­lich.

Die Be­klag­te hat schuld­haft ge­han­delt. Sie wuss­te um die Ge­set­zes­la­ge; Schuld­aus­schlie­ßungs­grün­de oder auch nur ein ver­meid­ba­rer Ver­bots­irr­tum sind nicht er­sicht­lich.

III. Rechts­fol­ge der ge­gen die gu­ten Sit­ten ver­sto­ßen­den vor­sätz­li­chen Schä­di­gung und der un­er­laub­ten Hand­lung in Form ei­nes Be­trugs ist ein An­spruch des Klä­gers auf Scha­dens­er­satz.

Der Klä­ger braucht sich in­so­weit nicht auf die Er­stat­tung ei­nes et­wai­gen Min­der­werts des Fahr­zeugs ver­wei­sen zu las­sen. Dies kä­me nur in Be­tracht, wenn der Ver­mö­gens­nach­teil des Klä­gers durch Zah­lung des Min­der­werts voll­stän­dig aus­ge­gli­chen wer­den könn­te. Das ist aber ge­ra­de nicht der Fall. Denn der Ver­mö­gens­nach­teil liegt nicht al­lein dar­in, dass der Klä­ger ein mit dem Ma­kel des „Die­selskan­dals“ be­haf­te­tes und des­halb wo­mög­lich schlech­ter ver­käuf­li­ches Au­to er­hal­ten hat. Viel­mehr be­steht der Ver­mö­gens­nach­teil auch dar­in, dass der ab­ge­schlos­se­ne Kauf­ver­trag dem Klä­ger ge­ra­de des­halb un­güns­tig ist, weil die tech­ni­schen Fol­gen der Soft­ware­ma­ni­pu­la­ti­on und des da­durch er­for­der­lich ge­wor­de­nen Up­dates nicht ab­zu­schät­zen sind. Es be­steht die kon­kre­te Be­fürch­tung, dass die ver­mehr­te Rück­füh­rung von Ab­gas mit ver­mehr­tem Stick­oxid und Ruß­par­ti­keln in dem nach Durch­füh­rung des Up­dates aus­schließ­lich wirk­sa­men Mo­dus 1 (frü­he­rer Prüf­stand­mo­dus) zu er­höh­tem War­tungs­auf­wand (häu­fi­ge­rer Wech­sel des Par­ti­kel­fil­ters) oder so­gar zu vor­zei­ti­gen Mo­tor­schä­den füh­ren kann.

Die Be­klag­te selbst trägt in­so­weit mit … Schrift­satz vom 27.12.2016 ei­nen Ar­ti­kel aus „FO­CUS on­line“ vor, in dem es wört­lich heißt:

„Den­noch müs­sen VW-Be­sit­zer wei­ter mit der Un­si­cher­heit le­ben, ob bei um­ge­rüs­te­ten, al­so von der Schum­mel-Soft­ware ‚be­frei­ten‘ Au­tos mög­li­cher­wei­se Fol­ge­schä­den nach dem Up­date zu be­fürch­ten sind. Wie der ‚Spie­gel‘ be­rich­tet, ge­hen Be­am­te der EU-Kom­mis­si­on von sol­chen Fol­ge­schä­den aus: Das Ab­gas­rück­füh­rungs­ven­til, der Spei­cher­ka­ta­ly­sa­tor oder auch der Par­ti­kel­fil­ter könn­ten vor­zei­tig ver­sa­gen, so der Ver­dacht.

Was für die­se Theo­rie spricht: Die Schum­mel-Soft­ware kam un­ter an­de­rem des­halb zum Ein­satz, weil bei VW-in­ter­nen Tests vor meh­re­ren Jah­ren bei vol­ler Ab­gas­rück­füh­rung (ent­spre­chend den ge­setz­li­chen Vor­ga­ben) schon nach 50.000 Mei­len (rund 80.000 Ki­lo­me­ter) der Par­ti­kel­fil­ter zer­stört wur­de. Dar­über be­rich­tet die Staats­an­walt­schaft New York in ei­ner Kla­ge­schrift ge­gen VW. Durch die Soft­ware-Trick­se­rei (vol­le Ab­gas­rück­füh­rung nur auf dem Prüf­stand) woll­te VW al­so of­fen­bar die Dau­er­halt­bar­keit er­hö­hen und trotz­dem die ge­for­der­ten Grenz­wer­te ein­hal­ten. Das Pro­blem: Nach dem Up­date, al­so nach Ent­fer­nung der Ab­schalt­ein­rich­tung, lau­fen die Die­sel­mo­to­ren nun wie­der mit vol­ler Ab­gas­rück­füh­rung. Par­ti­kel­fil­ter und an­de­re Kom­po­nen­ten wer­den aber nicht aus­ge­tauscht …

Es bleibt al­so die Fra­ge, ob die neue Soft­ware lang­fris­tig mit der un­ver­än­der­ten Hard­ware har­mo­niert. VW ver­wei­gert ei­ne ent­spre­chen­de Ga­ran­tie – gibt aber im­mer­hin ei­ne all­ge­mei­ne Zu­si­che­rung: ‚Das Soft­ware-Up­date zeigt kei­ne nach­tei­li­gen Ein­flüs­se auf den Ver­brauch oder die Dau­er­halt­bar­keit des Mo­tors und sei­ner Kom­po­nen­ten.‘ Die Be­weis­last dürf­te im Fal­le des Fal­les wohl beim Au­to­be­sit­zer lie­gen.“

Dem­entspre­chend hat die Be­klag­te in der den Kun­den aus­zu­hän­di­gen­den Be­schei­ni­gung über die Durch­füh­rung der Rück­ruf­ak­ti­on zwar zu­ge­si­chert, dass mit der Um­set­zung der Maß­nah­me hin­sicht­lich Kraft­stoff­ver­brauch, CO2-Emis­sio­nen, Mo­tor­leis­tung und Dreh­mo­ment so­wie Fahr­zeuga­kus­tik kei­ne Ver­schlech­te­run­gen ver­bun­den sind, hin­sicht­lich des Aus­blei­bens von ne­ga­ti­ven Aus­wir­kun­gen auf die Mo­tor­le­bens­dau­er und den War­tungs­be­darf aber kei­ner­lei Er­klä­run­gen ab­ge­ge­ben.

Schon des­halb muss der Klä­ger sich nicht auf das Be­hal­ten des Fahr­zeugs und ei­ne blo­ße mer­kan­ti­le Wert­min­de­rung ver­wei­sen las­sen. Sein Scha­dens­er­satz­an­spruch geht des­halb da­hin, dass die Be­klag­te ihn so stel­len muss, wie er oh­ne die Täu­schung über die nicht ge­set­zes­kon­for­me Mo­tor­steue­rungs­soft­ware ge­stan­den hät­te. In­so­weit ist oh­ne Wei­te­res da­von aus­zu­ge­hen, dass der Klä­ger – wie je­der ver­stän­di­ge, Ri­si­ken ver­mei­den­de Kun­de – bei Kennt­nis des Sach­ver­halts und der da­mit ver­bun­de­nen Ri­si­ken für den Fort­be­stand der Be­triebs­er­laub­nis den Ver­trag nicht ge­schlos­sen hät­te. Die Be­klag­te muss da­nach die wirt­schaft­li­chen Fol­gen des Kaufs da­durch un­ge­sche­hen ma­chen, dass sie den Kauf­preis ge­gen Her­aus­ga­be des Pkw er­stat­tet (vgl. für den Fall des Er­werbs ei­ner nach­tei­li­gen Ka­pi­tal­an­la­ge BGH, Urt. v. 08.03.2005 – XI ZR 170/04, BGHZ 162, 306 = NJW 2005, 1579).

Da­bei muss der Klä­ger sich nach den Grund­sät­zen der Vor­teils­aus­glei­chung die von ihm ge­zo­ge­nen Nut­zun­gen an­rech­nen las­sen. Die­se sind ent­spre­chend der Dar­le­gung des Klä­gers ge­mäß § 287 ZPO mit 4.681,66 € zu schät­zen. Da­bei legt die Kam­mer ei­ne Ge­samt­lauf­leis­tung des ge­richts­be­kannt ro­bus­ten Fahr­zeugs von 300.000 km zu­grun­de. Für die ge­fah­re­nen 53.000 km er­gibt sich da­mit der ge­nann­te Be­trag.

Für hö­he­re ge­zo­ge­ne Nut­zun­gen ist die Be­klag­te dar­le­gungs- und be­weis­fäl­lig ge­blie­ben. Nach­dem der Klä­ger die maß­geb­li­chen Da­ten vor­ge­tra­gen und so sei­ner se­kun­dä­ren Dar­le­gungs­last (vgl. BGH, Urt. v. 11.2.2014 – II ZR 276/12) ge­nügt hat­te, wä­re es Sa­che der Be­klag­ten ge­we­sen, für ei­nen hö­he­ren Wert der Nut­zun­gen Be­weis an­zu­tre­ten (vgl. BGH, Urt. v. 24.04.1985 – VI­II ZR 95/84, BGHZ 94, 195 [217] = NJW 1985, 1539; Urt. v. 23.06.1992 – XI ZR 247/91, NJW-RR 1992, 1397; Urt. v. 17.10.2003 – V ZR 84/02, NJW-RR 2004, 79 [81]) …

V. Der An­spruch auf Er­stat­tung der au­ßer­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten folgt aus § 826 BGB, 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB. Die An­walts­kos­ten sind Teil des dem Klä­ger ent­stan­de­nen Scha­dens.

Der Hö­he nach kann der Klä­ger die An­walts­kos­ten aber nur nach ei­nem zu­tref­fen­den Ge­gen­stands­wert von 21.818,33 € ver­lan­gen, weil der Vor­teil vom Scha­dens­er­satz­an­spruch ab­zu­zie­hen ist, oh­ne dass es ei­ner Ge­stal­tungs­er­klä­rung oder Ein­re­de des Schä­di­gers be­darf (BGH, Urt. v. 23.06.2015 – XI ZR 536/14, NJW 2015, 3160 Rn. 23).

Die vor­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten be­rech­nen sich da­nach wie folgt:

1,3 Ge­schäfts­ge­bühr (§§ 13, 14 RVG; Nr. 2300 VV RVG) 964,60 €
Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­pau­scha­le (Nr. 7002 VV RVG) + 20,00 €
Zwi­schen­sum­me 984,60 €
19 % Um­satz­steu­er + 187,07 €
End­sum­me 1.171,67 €

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