Er­lei­det der Käu­fer ei­nes fa­brik­neu­en Leicht­kraft­ra­des da­mit man­gel­be­dingt bei ei­ner Lauf­leis­tung von nur 112 km ei­nen Un­fall, muss er sich nicht auf ei­ne – die Be­sei­ti­gung des Un­fall­scha­dens um­fas­sen­de – Nach­bes­se­rung (§ 439 I Fall 1 BGB) ein­las­sen. Viel­mehr hat der Käu­fer An­spruch auf Lie­fe­rung ei­nes man­gel­frei­en Neu­fahr­zeugs (§§ 437 Nr. 1, 439 I Fall 2 BGB), da er bei ei­ner Nach­bes­se­rung ein Un­fall­fahr­zeug be­hal­ten und den Un­fall­scha­den beim Wei­ter­ver­kauf des Fahr­zeugs of­fen­ba­ren müss­te, was den Ver­kaufs­er­lös schmä­lern wür­de.

OLG Mün­chen, Ur­teil vom 20.12.2016 – 8 U 2957/16

Sach­ver­halt: Der Klä­ger ver­langt von dem Be­klag­ten, der ge­werb­lich mit Kraft­rä­dern han­delt und die­se Fahr­zeug ver­mie­tet, war­tet und re­pa­riert, die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ein fa­brik­neu­es Leicht­kraft­rad (Apri­lia RS4 125 – Mo­dell 2012).

Er kauf­te die­ses Leicht­kraft­rad von dem Be­klag­ten am 05.11.2013. Nach­dem das Fahr­zeug dem Klä­ger am 09.11.2013 über­ge­ben wor­den war, er­litt die­ser da­mit am 18.02.2014 we­gen ei­nes Ge­trie­be­scha­dens bei ei­ner Fahrt durch ei­nen Kreis­ver­kehr ei­nen Un­fall. Die Lauf­leis­tung des Leicht­kraft­ra­des be­trug zum Un­fall­zeit­punkt 112 km. Der Klä­ger brach­te das be­schä­dig­te Fahr­zeug zum Be­klag­ten, in des­sen Werk­statt es am 25.03.2014 zer­legt und von ei­nem vom Klä­ger be­auf­trag­ten Sach­ver­stän­di­gen be­gut­ach­tet wur­de.

Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 28.03.2014 for­der­te der Klä­ger den Be­klag­ten auf, ihm ein bau­glei­ches Neu­fahr­zeug zu lie­fern. Der Be­klag­te er­klär­te mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 31.03.2014, dass er zu ei­ner Er­satz­lie­fe­rung (§ 439 I Fall 2 BGB) nicht be­reit sei. Sie sei auch nicht mög­lich, da ein fa­brik­neu­es Leicht­kraft­rad, das dem Fahr­zeug des Klä­gers bau­gleich sei, nicht mehr er­hält­lich sei. Ei­ne Nach­bes­se­rung (§ 439 I Fall 1 BGB) sei­nes Fahr­zeugs lehn­te der Klä­ger ab und er­klär­te schließ­lich mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 09.05.2014 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag.

Das Land­ge­richt hat der auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses nebst Zin­sen ge­rich­te­ten Kla­ge statt­ge­ge­ben und dem Klä­ger ei­nen An­spruch auf Er­satz der Kos­ten für das Pri­vat­gut­ach­ten, für die An- und Ab­mel­dung des Leicht­kraft­ra­des und für des­sen Trans­port zur Werk­statt des Be­klag­ten zu­ge­spro­chen. Die Wi­der­kla­ge des Be­klag­ten, mit der die­ser die Ab­ho­lung des Leicht­kraft­ra­des und die Zah­lung des Be­tra­ges ver­langt hat, den er dem Klä­ger für die Zer­le­gung des Fahr­zeugs in Rech­nung ge­stellt hat­te, hat das Land­ge­richt ab­ge­wie­sen.

Die Be­ru­fung des Be­klag­ten hat­te nur zu ei­nem ge­rin­gen Teil Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Der Er­folg der Be­ru­fung be­schränkt sich dar­auf, dass der Klä­ger sein Leicht­kraft­rad an den Be­klag­ten zu­rück­ge­ben und rück­über­eig­nen muss.

Zum Man­gel des Leicht­kraft­ra­des:

Nach dem Gut­ach­ten des Pri­vat­gut­ach­ters G hat be­reits bei Über­ga­be des Leicht­kraft­ra­des an den Klä­ger ein Ge­trie­be­scha­den vor­ge­le­gen, der durch Blo­ckie­ren ei­nes Gang­ra­des am 18.02.2014 zum Un­fall ge­führt hat. Die­se Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen G hat der vom LG Deg­gen­dorf be­auf­trag­te Sach­ver­stän­di­ge S be­stä­tigt. So­mit hat der Kauf­sa­che ein Man­gel i. S. des § 434 I BGB an­ge­haf­tet, der ei­nen Nach­er­fül­lungs­an­spruch ge­mäß § 439 I BGB be­grün­det hat.

Zum wirk­sa­men Rück­tritt vom Kauf­ver­trag:

Der Klä­ger konn­te im vor­lie­gen­den Fall ei­ne Nach­er­fül­lung durch die Lie­fe­rung ei­nes neu­en bau­glei­chen Leicht­kraft­ra­des ver­lan­gen (§ 439 I Fall 2 BGB), da ei­ne sol­che mög­lich und zu­mut­bar ge­we­sen ist.

Die Nach­er­fül­lung durch Lie­fe­rung ei­ner an­de­ren man­gel­frei­en Sa­che ist nach der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung so­gar beim Stück­kauf mög­lich, wenn die man­gel­haf­te Kauf­sa­che durch ei­ne gleich­ar­ti­ge und gleich­wer­ti­ge er­setzt wer­den kann (vgl. BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VI­II ZR 209/05 Rn. 23).

Der vom LG Deg­gen­dorf be­auf­trag­te Sach­ver­stän­di­ge S hat fest­ge­stellt, dass ver­gleich­ba­re Leicht­kraft­rä­der aus der Mo­dell­rei­he 2012 für den Be­klag­ten als Händ­ler zum Net­to­preis von et­wa … € er­hält­lich ge­we­sen wä­ren. Ver­gleich­ba­re Leicht­kraft­rä­der aus ei­ner spä­te­ren Mo­dell­rei­he wä­ren nach den Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen S für den Be­klag­ten als Händ­ler zum Net­to­preis von et­wa … € er­hält­lich ge­we­sen.

Bei ei­ner Nach­er­fül­lung durch Lie­fe­rung ei­nes neu­en bau­glei­chen Leicht­kraft­ra­des be­kä­me der Be­klag­te das ver­un­fall­te Leicht­kraft­rad über­eig­net, das er im ver­un­fall­ten oder im re­pa­rier­ten Zu­stand ver­mark­ten könn­te. Au­ßer­dem müss­te er we­gen des un­fall­ur­säch­li­chen Ge­trie­be­scha­dens ge­gen­über sei­nem Ver­trags­part­ner – näm­lich dem Her­stel­ler oder dem Groß­händ­ler – Er­satz­an­sprü­che ha­ben.

Ei­ne Nach­er­fül­lung durch Re­pa­ra­tur wür­de sich im vor­lie­gen­den Fall nicht auf die Be­he­bung des Ge­trie­be­scha­dens be­schrän­ken, son­dern auch die Be­sei­ti­gung der Un­fall­schä­den als Man­gel­fol­ge­schä­den be­inhal­ten. Die Net­to­kos­ten hier­für wür­den sich nach den Aus­füh­run­gen des ge­richt­lich be­auf­trag­ten Sach­ver­stän­di­gen S auf … € be­lau­fen.

Wür­de der Klä­ger sich auf ei­ne Nach­er­fül­lung durch Re­pa­ra­tur ein­las­sen, dann be­kä­me er ein Un­fall­fahr­zeug zu­rück und müss­te bei ei­nem Ver­kauf den Un­fall­scha­den of­fen­ba­ren, was je nach Al­ter und Fahr­leis­tung des Fahr­zeugs zum Ver­kaufs­zeit­punkt ei­ne ent­spre­chen­de Min­de­rung des Kauf­prei­ses zur Fol­ge hät­te.

Bei Ab­wä­gung der vor­ge­nann­ten Um­stän­de ge­mäß § 439 III 2 BGB und un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Tat­sa­che, dass das Leicht­kraft­rad des Klä­gers zum Un­fall­zeit­punkt mit ei­ner Lauf­leis­tung von 112 km als neu an­zu­se­hen war, kann dem Be­klag­ten hier ei­ne Nach­er­fül­lung durch Lie­fe­rung ei­nes neu­en bau­glei­chen Leicht­kraft­ra­des zu­ge­mu­tet wer­den. Dies be­deu­tet, dass der Be­klag­te ei­ne Nach­er­fül­lung i. S. des § 439 I Fall 2 BGB nicht ge­mäß § 439 III 1 BGB ver­wei­gern kann.

Die vom Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers mit Schrei­ben vom 31.03.2014 ge­setz­te Frist bis zum 04.04.2014 ist nicht un­an­ge­mes­sen kurz ge­we­sen, da nur die Be­stä­ti­gung ei­ner Nach­er­fül­lung durch ei­ne Neu­lie­fe­rung be­gehrt wor­den ist.

Ent­schei­dend für die Wirk­sam­keit der Rück­tritts­er­klä­rung ist, dass der Be­klag­te mit dem An­walts­schrei­ben vom 31.03.2014 ei­ne Nach­er­fül­lung durch Neu­lie­fe­rung ka­te­go­risch hat ab­leh­nen las­sen (§ 323 II Nr. 1 BGB).

Zu den Fol­gen des wirk­sa­men Rück­tritts:

Die Fol­gen ei­nes wirk­sa­men Rück­tritts er­ge­ben sich aus §§ 346 ff. BGB, das heißt. der Be­klag­te hat den Kauf­preis zu­rück­zu­zah­len und der Klä­ger hat das Leicht­kraft­rad zu­rück­zu­ge­ben so­wie rück­zu­über­eig­nen. Da das LG Deg­gen­dorf die Rück­ga­be und die Rück­über­eig­nung des Leicht­kraft­ra­des über­se­hen hat, ist das vom Be­klag­ten an­ge­foch­te­ne Ur­teil ent­spre­chend ab­zu­än­dern.

Zu den Scha­dens­er­satz- und Auf­wen­dungs­er­satz­an­sprü­chen:

Nach der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung hat der Käu­fer ei­ner man­gel­haf­ten Sa­che auch dann ge­mäß § 284 BGB ei­nen An­spruch auf Er­satz ver­geb­li­cher Auf­wen­dun­gen, wenn er we­gen des Man­gels vom Kauf­ver­trag wirk­sam zu­rück­ge­tre­ten ist. Kos­ten, die dem Käu­fer ei­nes Kraft­fahr­zeugs für des­sen Über­füh­rung, für des­sen Zu­las­sung, für des­sen Ab­mel­dung und für die gut­ach­ter­li­che Fest­stel­lung des Man­gels ent­ste­hen, ge­hö­ren zu die­sen Auf­wen­dun­gen (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VI­II ZR 275/04).

Dies be­deu­tet, dass der Klä­ger ge­gen den Be­klag­ten ei­nen An­spruch auf Er­satz der Gut­ach­tens­kos­ten, der An- und Ab­mel­de­kos­ten so­wie der Über­füh­rungs­kos­ten hat. …

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