Ein Neu­wa­gen ist nicht des­halb i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB man­gel­haft, weil Chrom­zier­leis­ten, mit de­nen das Fahr­zeug als Son­der­aus­stat­tung ver­se­hen ist, un­ter­schied­lich glän­zen.

LG Bie­le­feld, Ur­teil vom 14.10.2016 – 1 O 231/14

Sach­ver­halt: Der Klä­ger schloss mit der Be­klag­ten im Ju­ni 2013 ei­nen Kauf­ver­trag über ei­nen Neu­wa­gen (Opel As­tra Sports Tou­rer), für den er ei­nen Kauf­preis von 31.175 € zahl­te. Das Fahr­zeug, das als Son­der­aus­stat­tung mit Zier­leis­ten in Chrom ver­se­hen ist, wur­de dem Klä­ger En­de Au­gust 2013 über­ge­ben.

Nach­dem der· Klä­ger Glanz­ab­wei­chun­gen zwi­schen den Tür­zier­leis­ten und den Zier­leis­ten der seit­li­chen Heck­fens­ter fest­ge­stellt hat­te, wand­te er sich im Sep­tem­ber 2013 zu­nächst an das Au­to­haus, das den Neu­wa­gen aus­ge­lie­fert hat­te. Im Fe­bru­ar 2014 wand­te er sich dann im Rah­men der Ga­ran­tie an die Fahr­zeug­her­stel­le­rin. Die­se teil­te dem Klä­ger An­fang März 2014 mit, dass die un­ter­schied­li­chen Glanz­stu­fen für das Fahr­zeug cha­rak­te­ris­tisch sei­en und des­halb kein Man­gel vor­lie­ge.

Nach wei­te­rer Kor­re­spon­denz mit der Fahr­zeug­her­stel­le­rin for­der­te der spä­te­re Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te des Klä­gers die Be­klag­te un­ter dem 02.05.2014 zur Nach­bes­se­rung auf und setz­te ihr hier­für ei­ne Frist bis zum 16.05.2014. Die Be­klag­te er­klär­te un­ter dem 15.05.2014, sie sei aus Ku­lanz um ei­ne· Lö­sung be­müht und hof­fe, bis zum 30.06.2014 Ab­hil­fe schaf­fen zu kön­nen. Dar­auf­hin er­klär­te der Klä­ger mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 21.05.2014 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag und setz­te der Be­klag­ten für des­sen Rück­ab­wick­lung ei­ne Frist bis zum 04.06.2014.

Mit der Kla­ge hat der Klä­ger in ers­ter Li­nie die Rück­ab­wick­lung des mit der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kauf­ver­tra­ges und den Er­satz vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten ver­langt. Hilfs­wei­se hat der die Be­klag­te auf Zah­lung der Kos­ten für ei­nen Satz Zier­leis­ten (451,04 € net­to) in An­spruch ge­nom­men und die Fest­stel­lung ver­langt, dass ihm die Be­klag­te nach dem Aus­tausch der Zier­leis­ten die Um­satz­steu­er in Hö­he von 85,70 € er­set­zen müs­se.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Dem Klä­ger steht we­der ein Rück­tritts­recht noch ein An­spruch auf Scha­dens­er­satz aus Män­gel­ge­währ­leis­tung zu (§§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 BGB bzw. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 BGB), da ein Man­gel nicht vor­liegt.

1- Das Ge­richt ent­schei­det auch über die Hilfs­an­trä­ge. Da­bei kann im Er­geb­nis da­hin­ste­hen, ob es sich – ei­nen Man­gel ein­mal vor­aus­ge­setzt – auf­grund der Kos­ten von 451,04 € zzgl. MwSt. für ei­nen kom­plet­ten Satz Zier­leis­ten um ei­nen un­er­heb­li­chen Man­gel han­deln wür­de. Über den Hilfs­an­trag ist schon des­halb zu ent­schei­den, weil we­gen Nicht­vor­lie­gens ei­nes Man­gels ein Rück­tritt aus­ge­schlos­sen ist. Da­mit ist die Be­din­gung der Hilfs­an­trä­ge ein­ge­tre­ten. Dass die­se aus dem­sel­ben Grund schei­tern wie die Haupt­an­trä­ge, ist für die Fra­ge des Be­din­gungs­ein­tritts oh­ne Be­deu­tung.

2. Das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug weist kei­nen Sach­man­gel auf­grund von Chrom­leis­ten ab­wei­chen­der Glanz­gra­de auf.

In Be­tracht kommt man­gels Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung hin­sicht­lich ex­ak­ter Ein­heit­lich­keit der Glan­z­op­tik der Chrom­leis­ten le­dig­lich ein Man­gel i. S. § 434 I 2 Nr. 2 BGB, denn ei­ne be­son­de­re Ver­wen­dung i. S. des § 434 l 1 Nr. 1 BGB war nach dem Par­tei­vor­trag eben­falls nicht vor­aus­ge­setzt.

Nach § 434 I 2 Nr. 2 BGB ist ei­ne Sa­che frei von Sach­män­geln, wenn sie sich für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen ·der glei­chen. Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann.

Die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung ei­nes Pkw ist die Ver­wen­dung als Fort­be­we­gungs- und Trans­port­mit­tel, die nicht be­ein­träch­tigt ist. Die· üb­li­che Be­schaf­fen­heit und die­je­ni­ge, die der Käu­fer er­war­ten kann, be­mes­sen sich an den für Sa­chen wie der Kauf­sa­che auch bei an­de­ren Her­stel­lern herr­schen­den Qua­li­täts­stan­dards bzw. den Er­war­tun­gen ei­nes durch­schnitt­li­chen Ver­brau­chers (Stau­din­ger/Mar­ti­nek, BGB, Neu­be­arb. 2013, § 434 Rn. 89 ff.).

Die Be­klag­te stellt leich­te Glanz­un­ter­schie­de nicht in Ab­re­de. Maß­geb­lich ist in­so­fern le­dig­lich, ob sie der­art aus­ge­stal­tet sind, dass sie ei­nen Man­gel im Rechts­sin­ne dar­stel­len.

Die Glanz­un­ter­schie­de sind – in den Wor­ten des Sach­ver­stän­di­gen, S. 10 des Gut­ach­tens – „[b]ei ge­nau­er Be­trach­tung aus der Nä­he […] fest­stell­bar“. Da­bei zeich­nen sich ge­spie­gel­te Ge­gen­stän­de in den Zier­leis­ten der fest­ste­hen­den Drei­ecks­fens­ter et­was schär­fer ab, in den Zier­leis­ten der Tü­ren wer­den sie im Ver­gleich wei­cher ab­ge­zeich­net. Um die­se fei­nen Un­ter­schie­de zu er­ken­nen, „muss mit dem Blick­win­kel und dem Be­trach­tungs­ab­stand ge­spielt wer­den“ (a. a. O.). Auch der De­zer­nats­vor­gän­ger konn­te die Glanz­un­ter­schie­de bei In­au­gen­schein­nah­me durch Wech­sel des Be­trach­tungs­win­kels und in Ab­hän­gig­keit von den Licht­ver­hält­nis­sen „noch“ er­ken­nen.

a) In sei­nem Gut­ach­ten nimmt der Sach­ver­stän­di­ge für die Grund­ra­gen zur Be­ur­tei­lung von Ober­flä­chen an ei­nem Kfz Be­zug auf Band 16 „De­ko­ra­ti­ve Ober­flä­chen von An­bau- und Funk­ti­ons­tei­len im Au­ßen- und In­nen­be­reich von Au­to­mo­bi­len“ des Ver­bands der Au­to­mo­bil­in­dus­trie. Nach die­sen her­stel­ler­über­grei­fen­den Richt­li­ni­en soll die Be­trach­tung von de­ko­ra­ti­ven Ober­flä­chen in Ein­bau­la­ge er­fol­gen. Da­bei sol­len die Ober­flä­chen nicht aus­ge­spie­gelt wer­den, und es soll bei der Be­trach­tung nicht ex­pli­zit nach feh­ler­haf­ten Merk­ma­len ge­sucht wer­den.

Die Glanz­un­ter­schie­de sind, nach län­ge­rer Be­trach­tung aus ver­schie­de­nen Win­keln, an den Kon­tu­ren ge­spie­gel­ter Ge­gen­stän­de er­kenn­bar. Es ist al­so das Aus­spie­geln er­for­der­lich und die Be­trach­tung ge­ra­de im Hin­blick auf et­wai­ge Glanz­un­ter­schie­de. Die Glanz­leis­ten ste­hen da­mit auch mit dem un­strei­ti­gen Un­ter­schied in den Glanz­gra­den her­stel­ler­über­grei­fen­den Stan­dards.

Vor die­sem Hin­ter­grund war es nicht er­for­der­lich, ein Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten da­zu ein­zu­ho­len, ob ver­gleich­ba­re Glanz­un­ter­schie­de auch tat­säch­lich bei Fahr­zeu­gen an­de­rer Her­stel­ler aus der­sel­ben Fahr­zeug­klas­se auf­tre­ten. Das Ge­richt über­sieht da­bei nicht das Ar­gu­ment des Klä­gers, die Leis­ten mit den vor­han­de­nen Glanz­un­ter­schie­den sei­en nicht Stand der Tech­nik; es sei viel­mehr mög­lich, Leis­ten ein­heit­li­cher Glanz­gra­de her­zu­stel­len. Dies ein­mal un­ter­stellt, ist je­doch der Stand der Tech­nik als Maß­stab nicht ge­schul­det, son­dern eben das, was Qua­li­täts­stan­dard ist, auch wenn es un­ter­halb des tech­nisch Mög­li­chen bleibt.

b) Ein durch­schnitt­li­cher Ver­brau­cher er­war­tet kei­ne ex­akt iden­ti­schen Glanz­gra­de von Zier­leis­ten. Sei­ne Er­war­tungs­hal­tung ori­en­tiert sich an dem Zweck, den er mit ·dem An­brin­gen von Zier­leis­ten ver­folgt. Zier­leis­ten sol­len ei­nen de­ko­ra­ti­ven Zweck er­fül­len und sich glän­zend um die Fens­ter von der Far­be der La­ckie­rung des Fahr­zeugs ab­he­ben, um die Äs­the­tik des Fahr­zeugs zu stei­gern. Die­se de­ko­ra­ti­ven Ei­gen­schaf­ten ver­lie­ren sie nicht da­durch, dass bei sehr ge­nau­em Hin­se­hen leich­te Glanz­un­ter­schie­de fest­stell­bar sind. Sol­che Glanz­un­ter­schie­de be­ein­träch­ti­gen das an­sehn­li­che Äu­ße­re des Fahr­zeugs nicht. Sie blei­ben viel­mehr un­be­merkt, wenn der Blick auf die durch die Zier­leis­ten an­sehn­lich ge­stal­te­te Ge­samt­op­tik ge­wandt ist.

II. Man­gels Rück­tritts­rechts des Klä­gers be­fin­det sich die Be­klag­te nicht im An­nah­me­ver­zug, da ein Rück­ge­währ­schuld­ver­halt­nis mit ent­spre­chen­der An­nah­me­pflicht schon nicht be­stand (§§ 346 ff., 293 ff. BGB).

III. Auf­grund Nicht­vor­lie­gens ei­nes Man­gels fehlt es auch an ei­ner Grund­la­ge für ei­nen An­spruch auf Frei­stel­lung von vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­ge­büh­ren (§§ 437 Nr. 3, 280 I BGB). …

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