- Ein Gebrauchtwagen, dessen Erstzulassung 1982 erfolgt sein soll, der aber tatsächlich erst Mitte 1987 gebaut wurde und deshalb kein Oldtimer i. S. von § 2 Nr. 22 FZV ist, ist wegen des Fehlens einer vereinbarten Beschaffenheit mangelhaft (§ 434 I 1 BGB).
- Der Käufer, dem eine mangelhafte Sache geliefert wird, hat auch dann gemäß § 284 BGB Anspruch auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen, wenn er wegen des Mangels vom Kaufvertrag zurücktritt. Der Anspruch ist nicht gemäß § 347 II BGB auf den Ersatz notwendiger Verwendungen oder solcher Aufwendungen beschränkt, durch die der Verkäufer bereichert wird (im Anschluss an BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 275/04, BGHZ 163, 381 = NJW 2005, 2848).
LG Bonn, Urteil vom 30.09.2016 – 10 O 306/15
Sachverhalt: Der Kläger, ein Verbraucher, nimmt die Beklagte, eine gewerbliche Kfz-Verkäuferin, auf Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrags in Anspruch.
Er wurde, als er einen Oldtimer erwerben wollte, durch ein Zeitungsinserat der Beklagten auf einen 1982 erstzugelassenen Pkw aufmerksam, den die Beklagte für 10.000 € zum Kauf anbot. Die Beklagte überließ dem Kläger unter dem 27.01.2015 ein Bestellformular, in dem der Pkw als Mercedes-Benz Typ X, Erstzulassung 03/82, Fahrgestellnummer …“ beschrieben wurde. Nachdem die Beklagte ein positives TÜV-Gutachten nach § 23 StVZO für die Einstufung des Fahrzeugs als Oldtimer eingeholt hatte, übereignete sie dem Kläger den Pkw am 27.02.2015 gegen Zahlung von 10.000 €. Anschließend, am 03.03.2015, wurde das Fahrzeug auf den Kläger zugelassen.
Dieser erwarb für 1.000 € einen Austauschmotor für einen Mercedes-Benz Typ X und beauftragte eine Werkstatt damit, diesen Motor in sein Fahrzeug einzubauen. Da der Einbau misslang, kamen Zweifel auf, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Pkw tatsächlich um einen Oldtimer Mercedes-Benz Typ X aus dem Jahr 1982 handelt. Mit Schreiben vom 27.07.2015 erklärte deshalb der spätere Prozessbevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Der Kläger behauptet, der streitgegenständliche Pkw sei kein 1982 erstzugelassener Oldtimer Mercedes-Benz Typ X, sondern ein Mercedes-Benz Typ Y, Baujahr 1987. Dem Fahrzeug fehle deshalb das für die Zulassung als Oldtimer erforderliche Mindestalter von 30 Jahren seit der Erstzulassung. Dem tritt die Beklagte unter Verweis auf das TÜV-Gutachten entgegen.
Die Klage hatte Erfolg.
Aus den Gründen: I. … 1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückabwicklung des Pkw-Kaufvertrages, das heißt auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, aus § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 346 I, 326 V BGB. Das gelieferte Fahrzeug ist mangelhaft, da es sich nicht um einen Oldtimer Mercedes-Benz Typ X … mit Erstzulassung März 1982 handelt. Der Kläger war aufgrund des Mangels zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt.
a) Zwischen den Parteien ist ein Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw zustande gekommen.
b) Entgegen der Vereinbarung im Kaufvertrag handelt es sich bei dem verkauften Fahrzeug nicht um den oben genannten Pkw. Die im Kaufvertrag aufgeführte Fahrgestellnummer ist zwar im Motorraum des streitgegenständlichen Fahrzeugs eingestanzt. Allerdings handelt es sich hierbei um eine nachträglich durch Manipulation in das Fahrzeug eingebrachte Nummer, die einem anderen Fahrzeug zuzuordnen ist. Der streitgegenständliche Pkw ist daher als mangelhaft anzusehen.
Gemäß § 434 I 1 BGB ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Gemäß § 434 III BGB steht es einem Sachmangel gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache liefert.
Vorliegend haben die Parteien den Verkauf des Oldtimers Mercedes-Benz Typ X, Fahrgestellnummer …, Erstzulassung im März 1982, vereinbart. Die Beklagte übereignete dem Kläger aber den Pkw Mercedes-Benz Typ Y mit der (ursprünglichen) Fahrgestellnummer … und der Motornummer …. Dieses Fahrzeug wurde im Juli 1987 gebaut. Infolgedessen verfügt das gelieferte Fahrzeug nicht über die vereinbarte Eigenschaft der Erstzulassung im Jahre 1982 und kann daher mangels einer nicht mindestens vor 30 Jahren erfolgten Erstzulassung gemäß § 2 Nr. 22 FZV nicht als Oldtimer zugelassen werden.
Dem steht das positiv beschiedene Gutachten für die Einstufung eines Fahrzeugs als Oldtimer nach § 23 StVZO … vom 06.02.2015 nicht entgegen, da es durch die Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. T widerlegt ist.
Der Sachverständige Dipl.-Ing. T hat festgestellt, dass es sich beim streitgegenständlichen Fahrzeug nicht um einen Mercedes-Benz Typ X, Fahrgestellnummer …, mit Erstzulassung im März 1982 handelt. Entgegen der – über den Autohersteller ermittelten – Originallackierung des Fahrzeugs Typ X mit der Fahrgestellnummer … sei das vom Beklagten an den Kläger überlassene Fahrzeug nicht in astralsilber-metallic lackiert, sondern weise eine Perlmuttgrau-Metallic-Lackierung auf. Da die Lackschichtdicke der werksseitigen Originallackierung entspreche, könne eine Umlackierung ausgeschlossen werden. Auch passe die im untersuchten Fahrzeug vorgefundene Lederausstattung nicht zu der werkseitig ausgelieferten Ausstattung, was weitere Zweifel an der Kongruenz von Fahrgestellnummer und Fahrzeug aufkommen lasse. An versteckter Stelle, und zwar unter der Sitzbank im Fond, habe er dann eine Fahrgestellnummer entdecken können, die mit der Motorennummer … des Typs Y sowie der werkseitigen Lackfarbe nebst werkseitiger Ausstattung in Einklang stehe. Die stirnseitig hinter dem Wasserkasten im Motorraum eingestanzte Fahrgestellnummer … sei zwar einem Mercedes-Benz Typ X aus 1982 zuzuordnen. Diese Fahrgestellnummer sei aber nachträglich in die Karosserie eingebracht worden, was sich anhand diverser Schweißnähte neben der Fahrgestellnummer erkennen lasse.
Das Gericht hat keinen Anlass, an diesen umfassend begründeten, in sich stimmigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. T, die auf einem Studium der Gerichtsakte und der eingehenden Untersuchung des streitgegenständlichen Fahrzeugs beruhen, zu zweifeln. Anhand der dem Gutachten … beigefügten Lichtbilder ist die Manipulation der im Kaufvertrag aufgeführten Fahrgestellnummer auch für einen Laien anhand der Schweißnähte deutlich erkennbar. Der Sachverständige ist dem Gericht aus vielen Verfahren als besonders sachkundig bekannt; er hat die technischen Gegebenheiten ausführlich und nachvollziehbar erläutert und sachlich bewertet.
c) Einer Fristsetzung zur Nachbesserung bedurfte es vorliegend gemäß § 326 V BGB nicht, da es sich um einen unbehebbaren Mangel handelte.
d) Der Rücktritt war auch nicht ausnahmsweise gemäß § 323 V 2 BGB ausgeschlossen, da die Pflichtverletzung der Beklagten nicht lediglich unerheblich war.
e) Auf seine Erstattungsforderung von 10.000 € hat sich der Kläger den Wert gezogener Gebrauchsvorteile anrechnen zu lassen (§ 346 I BGB). Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Kaufpreises ist mit dem Anspruch der Beklagten auf Ersatz der gezogenen Nutzungen gemäß § 346 I, II 1 BGB zu saldieren (vgl. BGH, Urt. v. 20.02.2008 – VIII ZR 334/06, BGHZ 175, 286 = NJW 2008, 2028 Rn. 9, 23). Dieser beträgt 93,46 €.
Der Wert der gezogenen Nutzungen ist entsprechend § 287 ZPO durch das Gericht zu bestimmen und richtet sich nach der zeitanteiligen linearen Wertminderung. Es entscheidet also der Umfang der Nutzung durch den Rückgewährschuldner im Verhältnis zur voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer (vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 17.06.2010 – 4 W 12/10, juris; Reinking/Eggert, Der Autokauf, Rn. 3562).
Die Laufleistung des Pkw wurde beim Kaufvertragsabschluss vom 27.01.2015 mit 193.000 km angegeben. Das Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Ing. T gibt den Kilometerstand des Fahrzeugs im stillgelegten Zustand mit 195.114 an. Das Fahrzeug wurde am 27.02.2015 an den Kläger übergeben. Der Vortrag des Klägers, das Fahrzeug seit Übernahme maximal 1.000 km gefahren zu haben, wurde durch die Beklagte nicht bestritten. Eine lineare Rückrechnung, die von einer gleichmäßigen Benutzung des Fahrzeuges ausgeht, ist damit nicht erforderlich. Bei einem Oberklasse-Pkw der N-Baureihe, ist von einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km auszugehen, diese bestimmt sich maßgeblich durch die Größe des Motorhubraums (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn 3572; für einen Mercedes-Benz 560 SEC: OLG Hamm, Urt. v. 17.12.1996 – 27 U 152/96, NJW 1997, 2121, 2122). Abzüglich der zum Verkaufszeitpunkt gelaufenen 193.000 km verblieb damit eine Restlaufzeit von 107.000 km, die mit dem Kaufpreis von 10.000 € gleichzusetzen und mit den im Zeitraum vom 27.02. bis 30.04.2015 gelaufenen 1.000 km ins Verhältnis zu setzen ist. Dies ergibt einen zu saldierenden Betrag in Höhe von \(\left({\frac{\text{10.000 €}\times\text{1.000 km}}{\text{107.000 km}}} =\right)\) 93,46 €. Dem steht eine vom Kläger angekündigte Aufrechnung mit Unterstellkosten des Pkw nicht entgegen, da eine solche Aufrechnung gemäß § 388 BGB nicht ausdrücklich erklärt wurde.
2. Dem Kläger steht gegen die Beklagte im Zusammenhang mit dem Erwerb des Austauschmotors ein Anspruch auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen in Höhe von insgesamt 1.800 € zu, die er infolge des Kaufs des Fahrzeugs gemäß § 437 Nr. 3 Fall 2, §§ 311a II, 284 BGB. getätigt hat. Der Aufwendungsersatzanspruch steht dem Käufer einer mangelhaften Sache auch dann zu, wenn er wegen des Mangels vom Kaufvertrag zurücktritt. Der Anspruch ist nicht gemäß § 347 II BGB auf den Ersatz notwendiger Verwendungen oder solcher Aufwendungen beschränkt, durch die der Verkäufer bereichert wird (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 275/04, BGHZ 163, 381, 385 = NJW 2005, 2848, 2849 f.).
a) Die Kosten für den Austauschmotor sind als vergebliche Aufwendungen ersatzfähig. Dass die Aufwendungen in der geltend gemachten Höhe entstanden sind, ist durch die entsprechende Rechnung belegt. Der von der Beklagten vertretenen Meinung, sie hätte den Einbau eines Austauschmotors eventuell aus Gründen der Gewährleistung geschuldet, kann das Gericht schon nicht folgen, da ein Austauschmotor den Mangel am Pkw nicht behoben hätte und der Kläger keinen Gewährleistungsanspruch gestellt hat. Auf den – wenig konkreten – Vortag der Beklagten, sie hätte den Motor zu einem günstigeren Preis erwerben können, kommt es nicht an.
Die Beklagte ist gewerbliche Autohändlerin. Sie hat den Pkw ausdrücklich als einen Mercedes-Benz Typ X angeboten und verkauft. Der Kläger durfte daher darauf vertrauen, dass es sich um eben diesen Fahrzeugtyp handelt und der von ihm angeschaffte Motor für einen Typ X passen würde. Die Beklagte trägt nicht ausdrücklich vor, dass sie das Leistungshindernis, ein falsches Fahrzeug zu verkaufen, nicht kannte. Als gewerbliche Autoverkäuferin ist mangels entgegenstehenden Vortrags zu vermuten, dass zumindest fahrlässige Unkenntnis i. S. des § 276 II BGB aufseiten der Beklagten vorlag. Es wäre hier an der Beklagten gewesen, sich zu entlasten. Auf die Notwendigkeit der Aufwendung kommt es im Rahmen des § 284 BGB nicht an (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 275/04, BGHZ 163, 381, 385 = NJW 2005, 2848, 2849 f.)
b) Da der Kläger den Austauschmotor nicht genutzt hat, mindert sich sein Anspruch insofern auch nicht um eine Nutzungsvergütung (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 284 Rn. 5).
c) Aufwendungsersatz ist nur gegen Herausgabe des durch die Aufwendungen Erlangten zu ersetzen. Daher erfolgt die Verurteilung zur Leistung von Aufwendungsersatz durch die Beklagte Zug um Zug gegen Herausgabe des Austauschmotors durch den Kläger.
3. Der Kläger hat zudem einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, berechnet nach einem Streitwert … von 11.706,54 €. Soweit die Zahlung zwischen den Parteien in Streit steht, hat der Kläger nicht den Beweis für die Zahlung angetreten, weshalb lediglich auf Freistellung zu erkennen war. Dabei ist der Freistellungsantrag als minus im Zahlungsantrag des Klägers enthalten. Eine Fristsetzung war hier entbehrlich, da die Beklagte die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hat (vgl. Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 250 Rn. 2).
Gegenstand eines vertraglichen Schadensersatzanspruchs sind auch die zu dessen Durchsetzung erforderlichen und zweckmäßigen Rechtsverfolgungskosten (BGH, Urt. v. 30.04.1986 – VIII ZR 112/85, NJW 1986, 2243, 2244 f.; Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 249, Rn. 56 f.). Ersatzfähig sind die Rechtsanwaltskosten, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Es kommt darauf an, wie sich die voraussichtliche Abwicklung des Schadensfalles aus der Sicht des Geschädigten darstellt (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 01.09.2005 – I-1 W 17/05, juris).dens Besteht aus der Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran, dass der Schadensersatzschuldner ohne Weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen werde, so wird es grundsätzlich nicht erforderlich sein, schon für die erstmalige Geltendmachung einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (BGH, Urt. v. 18.01.2005 – VI ZR 73/04, NJW 2005, 1112; Urt. v. 30.04.1986 – VIII ZR 112/85, NJW 1986, 2243, 2244 f.). Ist der Schadensfall dagegen von vornherein schwieriger gelagert oder wird bei einfach gelagerten Fällen der Schaden nicht bereits aufgrund der ersten Anmeldung reguliert, so darf der Geschädigte sogleich einen Rechtsanwalt mit der weiteren Geltendmachung beauftragen und kann sodann dessen Kosten im Rahmen des materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruchs geltend machen (BGH, Urt. v. 08.11.1994 – VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 352 f. = NJW 1995, 446, 447).
Die Rückabwicklung des streitgegenständlichen Pkw-Kaufvertrags war aufgrund des Verdachts, statt eines Oldtimers Typ X einen Pkw mit gefälschter Fahrgestellnummer, Typ Y aus 1987, erhalten zu haben, kein einfach gelagerter Fall. Der Kläger musste auch vorliegend nicht annehmen, dass die Beklagte der Rückabwicklung und Ersatzpflicht ohne Weiteres nachkommen würde.
4. Die Beklagte befindet sich aufgrund der Aufforderung des Klägers zur Rückabwicklung des Kaufvertrags in dem Rücktrittsschreiben vom 27.07.2015 mit Ablauf der dort gesetzten Frist … im Annahmeverzug (§ 295 BGB). Dies war antragsgemäß festzustellen, zumal sich das entsprechende Feststellungsinteresse aus § 756 ZPO ergibt. …