1. Ei­ne SE­AT-Ver­trags­händ­le­rin, die da­mit wirbt, ei­ne hun­dert­pro­zen­ti­ge Toch­ter der Volks­wa­gen AG zu sein, und da­mit be­son­de­res Ver­trau­en für sich in An­spruch nimmt, muss sich be­zo­gen auf den VW-Ab­gas­skan­dal das Wis­sen der Volks­wa­gen AG zu­rech­nen las­sen.
  2. Zwar dürf­te ei­ne Frist zur Nach­bes­se­rung ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­nen Fahr­zeugs von zwei Wo­chen zu knapp be­mes­sen sein. Ei­ne „an­ge­mes­se­ne Frist“ (§ 281 I BGB, § 323 I BGB) be­trägt aber kei­nes­falls sechs Mo­na­te oder gar län­ger.
  3. Die in der Lie­fe­rung ei­nes vom VW-Ab­gas­skan­dals be­trof­fe­nen – und da­mit man­gel­haf­ten – Fahr­zeugs lie­gen­de Pflicht­ver­let­zung des Ver­käu­fers ist selbst dann nicht i. S. des § 323 V 2 BGB un­er­heb­lich, wenn die ei­gent­li­che Man­gel­be­sei­ti­gung nur ei­nen Kos­ten­auf­wand von un­ter 100 € er­for­dert.

LG Mün­chen I, Ur­teil vom 14.04.2016 – 23 O 23033/15

Sach­ver­halt: Mit Ver­trag vom 20.05.2014 kauf­te der Klä­ger bei der Be­klag­ten, ei­ner mit der Volks­wa­gen AG ver­bun­de­nen SE­AT-Ver­trags­händ­le­rin, ei­nen SE­AT Ibi­za 1.6 TDI (66 kW). Der Die­sel­mo­tor die­ses Fahr­zeugs (VW EA189) wur­de von der Volks­wa­gen AG her­ge­stellt.

Dem Klä­ger kam es dar­auf an, ein Fahr­zeug mit ge­rin­gem Schad­stoff­aus­stoß und nied­ri­gem Kraft­stoff­ver­brauch, aber ei­nem leis­tungs­star­ken Mo­tor zu er­wer­ben. Ihm war des­halb von ei­nem Ver­kaufs­mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten der TDI-Mo­tor, mit dem sein Fahr­zeug aus­ge­stat­tet ist, be­son­ders emp­foh­len wor­den, da die­ser seit vie­len Jah­ren von Volks­wa­gen er­probt sei. Dem Klä­ger wur­de ge­sagt, ein SE­AT Ibi­za, wie er ihn schließ­lich er­wor­ben hat, sei bei nied­ri­gem Schad­stoff­aus­stoß be­son­ders spar­sam im Ver­brauch, und so wur­de das Fahr­zeug in Pro­spek­ten auch be­wor­ben.

Das von dem Klä­ger er­wor­be­ne Fahr­zeug bzw. der dar­in be­find­li­che Mo­tor sind vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fen, das heißt, ei­ne Soft­ware sorgt da­für, dass die Emis­si­on von Stick­oxi­den auf ei­nem Rol­len­prüf­stand deut­lich nied­ri­ger als im rea­len Fahr­be­trieb ist.

Mit An­walts­schrei­ben vom 29.​10.​20.​15 ließ der Klä­ger die Be­klag­te des­halb un­ter Frist­set­zung zum 13.11.2015 zur Man­gel­be­sei­ti­gung auf­for­dern. Die Be­klag­te teil­te dem Klä­ger mit Schrei­ben vom 02.11.2015 mit, dass an ei­ner Lö­sung des Pro­blems ge­ar­bei­tet wer­de; Fahr­zeu­ge mit Die­sel­mo­to­ren des Typs EA 189 soll­ten ein Soft­ware­up­date er­hal­ten. Die Volks­wa­gen AG ha­be dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt am 07.10.2015 ei­nen Maß­nah­men­plan vor­ge­legt.

Mit Schrift­satz vom 02.03.2016 hat der Klä­ger die An­fech­tung des Kauf­ver­tra­ges we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung er­klärt.

Er meint, dass der Be­klag­ten ein Arg­list­vor­wurf ge­macht wer­den kön­ne, weil sie sich als Kon­zern­toch­ter das Wis­sen der Volks­wa­gen AG zu­rech­nen las­sen müs­se. Au­ßer­dem ist der Klä­ger der Auf­fas­sung, dass sein Fahr­zeug je­den­falls man­gel­haft sei, weil es ei­nen er­heb­lich hö­he­ren Schad­stoff­aus­stoß ha­be als vom Her­stel­ler und der Be­klag­ten an­ge­ge­ben. Die­ser Man­gel – so be­haup­tet der Klä­ger – kön­ne nicht be­sei­tigt wer­den, oh­ne dass sich ins­be­son­de­re der Kraft­stoff­ver­brauch er­hö­he. An­de­re vom VW-Ab­gas­skan­dal be­trof­fe­ne Fahr­zeu­ge sei­en zwar in­zwi­schen nach­ge­bes­sert wor­den; an­schlie­ßen­de Tests hät­ten je­doch ge­zeigt, dass sich durch die Man­gel­be­sei­ti­gung der Kraft­stoff­ver­brauch um min­des­tens 0,5 l/100 km er­höht ha­be.

Die Kla­ge hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: Die Kla­ge ist … be­grün­det, weil dem Klä­ger ein An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges nach An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung zu­steht (§§ 812 I 1 Fall 1, 123 I, 142 I BGB) … Dar­auf, dass der Klä­ger auch ei­nen nach­ran­gi­gen An­spruch we­gen wirk­sa­men Rück­tritts vom Kauf­ver­trag hat, kommt es da­her be­reits nicht mehr an.

I. 1. Der Klä­ger hat den Kauf­ver­trag mit Schrift­satz vom 02.03.2016 wirk­sam an­ge­foch­ten we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung der Be­klag­ten.

Die Be­klag­te hat selbst ein­ge­räumt, dass ih­re An­ga­ben zum Schad­stoff­aus­stoß ob­jek­tiv un­rich­tig wa­ren. Je­den­falls für die Stick­oxid­wer­te (NOx) steht auf­grund des Her­stel­ler­schrei­bens vom 15.02.2016 fest, dass sie durch ei­ne Soft­ware im Ver­gleich zwi­schen Prüf­stand­lauf und rea­lem Fahr­be­trieb ver­schlech­tert wer­den. Auch die Be­klag­te hat le­dig­lich in Ab­re­de ge­stellt, dass Ab­wei­chun­gen bei den CO2-Wer­ten be­ste­hen wür­den. Ob die An­ga­ben hier­zu eben­so un­rich­tig wa­ren, kann … da­hin­ge­stellt blei­ben, weil je­den­falls der [NOx-]Aus­stoß … un­rich­tig an­ge­ge­ben wur­de.

Arg­list er­for­dert … we­nigs­tens be­ding­ten Vor­satz, je­doch kei­ne Ab­sicht oder Schä­di­gungs­vor­satz. Der Be­klag­ten ist da­bei nach der frei­en Über­zeu­gung des Ge­richts das Wis­sen der Volks­wa­gen AG zu­zu­rech­nen. So­weit die Be­klag­te vor­trägt, die Volks­wa­gen AG sei nur in­di­rekt an ihr über meh­re­re zwi­schen­ge­schal­te­te Ge­sell­schaf­ten be­tei­ligt, steht dies im Wi­der­spruch zu ih­rer Un­ter­neh­mens­be­schrei­bung im In­ter­net … Letzt­lich kann dies aber da­hin­ste­hen, weil die Be­klag­te je­den­falls über ei­ne durch­ge­hen­de Be­tei­li­gungs­ket­te zum Volks­wa­gen-Kon­zern ge­hört, über die das Wis­sen zu­zu­rech­nen ist.

Je­den­falls muss sich die Be­klag­te aber aus Grün­den des Rechts­scheins als hun­dert­pro­zen­ti­ge Kon­zern­toch­ter be­han­deln und das Wis­sen der Volks­wa­gen AG zu­rech­nen las­sen. Die Be­klag­te hat durch ihr Auf­tre­ten be­son­de­res Ver­trau­en als Kon­zern­toch­ter in An­spruch ge­nom­men. Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob hier­für der Auf­tritt als SE­AT-Ver­trags­händ­ler mit pro­mi­nen­ter Ver­wen­dung des VW-Lo­gos … aus­reicht. Je­den­falls … wirbt die Be­klag­te in ih­rem In­ter­net­auf­tritt un­ter der Über­schrift „Ge­mein­sa­me Wur­zel“ wie folgt:

„Seit 1. März 2011 ist die [Be­klag­te] ei­ne 100 %-Toch­ter der Volks­wa­gen AG und so­mit Teil des er­folg­reichs­ten eu­ro­päi­schen Au­to­mo­bil­her­stel­lers.“

Da­mit hat die Be­klag­te be­wusst nach au­ßen wer­bend be­son­de­res Ver­trau­en als hun­dert­pro­zen­ti­ge VW-Toch­ter in An­spruch ge­nom­men. Dar­an muss sie sich nun auch fest­hal­ten las­sen, so­weit die Volks­wa­gen AG be­wusst un­rich­ti­ge An­ga­ben zu Schad­stoff­emis­sio­nen des streit­ge­gen­ständ­li­chen Mo­tors ge­macht hat, die un­strei­tig Ge­gen­stand der An­prei­sun­gen des Ver­kaufs­mit­ar­bei­ters der Be­klag­ten wa­ren. Die­se wa­ren auch un­strei­tig mit­ur­säch­lich für die Kauf­ent­schei­dung des Klä­gers. Dies gilt um­so mehr, als der Ver­käu­fer der Be­klag­ten den Mo­tor un­be­strit­ten als seit Jah­ren von VW er­probt be­wor­ben hat. Nach dem ob­jek­ti­ven Emp­fän­ger­ho­ri­zont lag da­mit kei­ne blo­ße Be­zug­nah­me auf Her­stel­ler­an­ga­ben vor, de­ren Rich­tig­keit sich der Kennt­nis der Be­klag­ten ent­zog, son­dern die Be­klag­te mach­te die Her­stel­ler­an­ga­ben als hun­dert­pro­zen­ti­ge VW-Toch­ter und da­mit Mit­glied des „Un­ter­neh­mens VW“ bzw. des „Volks­wa­gen-Kon­zerns“.

2. Der An­fech­tung steht auch nicht das Aus­maß des Man­gels ent­ge­gen. Un­ab­hän­gig da­von, dass der Man­gel nicht un­er­heb­lich ist, kommt es für die An­fech­tung nur auf die Täu­schung und de­ren Ur­säch­lich­keit bei der Wil­lens­bil­dung an. Im Üb­ri­gen wä­re es treu­wid­rig von der Be­klag­ten, zu­nächst die Schad­stoff­emis­sio­nen des Fahr­zeu­ges als be­son­de­res Ver­kaufs­ar­gu­ment her­an­zu­zie­hen und dann der An­fech­tung ent­ge­gen­zu­hal­ten, dass die ihr zu­re­chen­ba­re ge­ziel­te Ma­ni­pu­la­ti­on der ge­mes­se­nen Schad­stoff­wer­te un­er­heb­lich wä­re.

3. Als Fol­ge der An­fech­tung hat der Klä­ger zu­nächst An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs un­ter Ab­zug des von ihm ge­zo­ge­nen Ge­brauchs­vor­teils. Letz­te­ren schätzt das Ge­richt an­ge­sichts der … Lauf­leis­tung von 27.359 km bei ei­ner nach Schät­zung des Ge­richts auf­grund der all­ge­mein be­kann­ten grund­sätz­li­chen Lang­le­big­keit von Die­sel­mo­to­ren zu er­war­ten­den Lauf­leis­tung von 300.000 km auf 1.594,89 €.

4. Der Klä­ger hat auch An­spruch auf Er­satz der wei­ter­ge­hen­den Schä­den ein­schließ­lich der vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten aus §§ 311 II, 241 II, 280 I, III, 282 BGB auf­grund der arg­lis­ti­gen Täu­schung der Be­klag­ten. In­so­fern ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass die von dem Klä­ger gel­tend ge­mach­ten wei­te­ren Scha­dens­po­si­tio­nen ihm nicht ent­stan­den wä­ren, wenn er den Ver­trag in Kennt­nis der wah­ren Um­stän­de nicht ab­ge­schlos­sen hät­te.

So­weit der Klä­ger Kraft­fahr­zeug­steu­er und Haft­pflicht­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge gel­tend macht, sind auch die­se zu er­set­zen, nach­dem der Ge­brauchs­vor­teil be­reits im Rah­men der be­rei­che­rungs­recht­li­chen Rück­ab­wick­lung be­rück­sich­tigt wur­de.

II. Im Üb­ri­gen hät­te der Klä­ger auch ei­nen nach­ran­gi­gen An­spruch auf Er­satz in glei­cher Hö­he, weil er wirk­sam vom Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten ist (§§ 434 I 1, 437 Nr. 2, 440, 323 BGB).

1. Un­strei­tig wa­ren die An­ga­ben zum Schad­stoff­aus­stoß ob­jek­tiv un­rich­tig, weil je­den­falls der Stick­oxid­aus­stoß des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs hö­her ist als bei Ver­trags­schluss als Be­schaf­fen­heit ver­ein­bart war.

2. Es ist be­reits zwei­fel­haft, ob ei­ne er­folg­rei­che Nach­bes­se­rung über­haupt mög­lich ist. Ins­be­son­de­re trägt die Be­klag­te nicht vor, dass die von den Par­tei­en hier ge­trof­fe­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung von ihr im Rah­men ei­ner Nach­bes­se­rung er­reicht wer­den kann. Sie macht le­dig­lich gel­tend, dass die Volks­wa­gen AG das Ziel ver­fol­ge, durch die Um­set­zung der ge­plan­ten Maß­nah­men die Mo­tor­leis­tung, den Kraft­stoff­ver­brauch und die CO2-Emis­sio­nen nicht zu ver­än­dern. Ob dies ge­lin­gen wird, ist da­mit auch nach dem Be­klag­ten­vor­trag of­fen. Ei­ne blo­ße Ab­sichts- oder Zie­l­er­klä­rung reicht hier­für nicht aus.

3. Letzt­lich kann dies aber da­hin­ste­hen, weil je­den­falls ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Nach­bes­se­rung un­ge­nutzt ver­stri­chen ist (§ 323 I BGB).

In An­be­tracht der Um­stän­de dürf­te zwar die ur­sprüng­lich von dem Klä­ger mit Schrei­ben vom 29.10.2015 ge­setz­te Frist von rund zwei Wo­chen zu knapp be­mes­sen ge­we­sen sein. Dies führt aber nur zur In­gang­set­zung ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist.

Im Rah­men von § 308 Nr. 2 BGB ist ei­ne Nach­bes­se­rungs­frist von mehr als sechs Wo­chen oder mehr als zwei Mo­na­ten als Ver­stoß ge­gen die grund­sätz­li­che ge­setz­ge­be­ri­sche Wer­tung un­zu­läs­sig (vgl. Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 74. Aufl. [2015], § 308 Rn. 13). Die­se Frist hat die Be­klag­te un­ge­nutzt ver­strei­chen las­sen.

Je­den­falls ist aber ei­ne Frist von über ei­nem hal­ben Jahr nach der frei­en Über­zeu­gung des Ge­richts auf kei­nen Fall mehr an­ge­mes­sen. Selbst mit Schrift­satz vom 04.05.2016 hat die Be­klag­te le­dig­lich vor­ge­tra­gen, dass der Be­ginn der tech­ni­schen Maß­nah­men an dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Mo­tor­typ für die 39. Ka­len­der­wo­che vor­ge­se­hen sei. Mit ei­ner Man­gel­be­sei­ti­gung wä­re da­mit frü­hes­tens am 26.09.2016 zu rech­nen, oh­ne dass die Be­klag­te – die gleich­zei­tig die ho­he An­zahl der be­trof­fe­nen Fahr­zeu­ge be­tont – ei­nen kon­kre­ten Ter­min für das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug be­nennt.

Ei­ne Nach­bes­se­rungs­frist von mehr als sechs Mo­na­ten oder hier fast ei­nem Jahr (bei Durch­füh­rung gleich zu Be­ginn der Maß­nah­me in der 39. Ka­len­der­wo­che) ist aber mit der ge­setz­ge­be­ri­schen Grund­ent­schei­dung zur Kauf­ge­währ­leis­tung im All­ge­mei­nen und dem Ver­brau­cher­kauf [ge­meint wohl: Ver­brauchs­gü­ter­kauf] im Be­son­de­ren auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung der hier vor­lie­gen­den be­son­de­ren Um­stän­de nicht mehr ver­ein­bar. Das Kauf­recht ist – ge­ra­de für Ver­brau­cher – auf ei­ne zeit­na­he Re­gu­lie­rung von Ge­währ­leis­tungs­rech­ten aus­ge­rich­tet. Dies gilt auch für das Nach­bes­se­rungs­recht des Ver­käu­fers. Der Ge­setz­ge­ber ver­folgt da­mit so­wohl die Ge­wäh­rung ef­fek­ti­ver Ge­währ­leis­tungs­rech­te als auch die zeit­na­he Her­bei­füh­rung von Rechts­frie­den. Dies zeigt sich ins­be­son­de­re an der ver­kürz­ten Ver­jäh­rungs­frist von zwei Jah­ren ab Ab­lie­fe­rung der Sa­che. Oh­ne den Ver­jäh­rungs­ver­zicht der Be­klag­ten wä­ren da­her vor­lie­gend Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che aus dem Kauf­ver­trag vom 28.05.2014 mit Aus­lie­fe­rung im Au­gust 2014 im Zeit­punkt des mit­ge­teil­ten frü­hest­mög­li­chen Nach­bes­se­rungs­ter­mins im Sep­tem­ber 2016 be­reits ver­jährt.

4. Die Pflicht­ver­let­zung ist un­ter Wür­di­gung al­ler Um­stän­de auch nicht un­er­heb­lich i. S. von § 323 V 2 BGB.

Die Er­heb­lich­keits­prü­fung nach § 323 V 2 BGB er­for­dert ei­ne um­fas­sen­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung. Zu be­rück­sich­ti­gen sind vor al­lem der für die Man­gel­be­sei­ti­gung er­for­der­li­che Auf­wand, aber auch die Schwe­re des Ver­schul­dens des Schuld­ners, wo­bei bei Arg­list ei­ne un­er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung in der Re­gel zu ver­nei­nen ist. Der Ver­stoß ge­gen ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung in­di­ziert die Er­heb­lich­keit (Pa­landt/Grü­ne­berg, a. a. O., § 323 Rn. 32).

Nach die­sen Grund­sät­zen, die sich das Ge­richt voll­um­fäng­lich zu ei­gen macht, liegt im streit­ge­gen­ständ­li­chen Fall kein un­er­heb­li­cher Man­gel i. S. von § 323 V 2 BGB vor.

Da­nach ist der Auf­wand der Man­gel­be­sei­ti­gung nicht al­lein maß­geb­lich. Nach der frei­en Über­zeu­gung des Ge­richts ist aber be­reits der Auf­wand vor­lie­gend auch bei Un­ter­stel­lung des Be­klag­ten­vor­trags als rich­tig nicht un­er­heb­lich. Zwar trägt die Be­klag­te vor, die Durch­füh­rung der Man­gel­be­sei­ti­gung wer­de nur cir­ca ei­ne Stun­de dau­ern und we­ni­ger als 100 € kos­ten. Bei der Fra­ge des Auf­wands kann aber die ei­gent­li­che Durch­füh­rung nicht iso­liert be­trach­tet wer­den. Für die tech­ni­sche Vor­be­rei­tung der be­ab­sich­tig­ten Man­gel­be­sei­ti­gung ist vor­lie­gend aber nach dem Be­klag­ten­vor­trag ein Vor­lauf von fast ei­nem Jahr er­for­der­lich. Erst dann soll der Man­gel in­ner­halb ei­ner knap­pen Stun­de be­ho­ben wer­den kön­nen. Es han­delt sich da­her of­fen­sicht­lich nicht um ei­ne ein­fa­che tech­ni­sche Maß­nah­me, die kurz­fris­tig und oh­ne wei­te­re Vor­be­rei­tun­gen hät­te vor­ge­nom­men wer­den kön­nen.

Hin­zu kommt, dass die Man­gel­be­sei­ti­gung hier nicht im Be­lie­ben der Be­klag­ten stand. Viel­mehr muss­te der Her­stel­ler nach dem Be­klag­ten­vor­trag hier­für zu­nächst die Ge­neh­mi­gung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes ein­ho­len. Ei­ne Man­gel­be­sei­ti­gungs­maß­nah­me, die der vor­he­ri­gen be­hörd­li­chen Prü­fung und Ge­neh­mi­gung be­darf, ist aber eben­falls nicht als un­er­heb­lich an­zu­se­hen.

Zu­dem ha­ben die Par­tei­en vor­lie­gend ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung über den Schad­stoff­aus­stoß ge­mäß Her­stel­ler­an­ga­ben ge­trof­fen, der von der Be­klag­ten aus­drück­lich zu­ge­si­chert wur­de. Wie be­reits aus­ge­führt in­di­ziert ein sol­cher Ver­stoß ge­gen ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung be­reits für sich ge­nom­men die Er­heb­lich­keit des Man­gels i. S. von § 323 V 2 BGB. Die Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung hat nach der ge­setz­ge­be­ri­schen Wer­tung ge­ra­de be­son­de­res Ge­wicht. Zu­dem steht es dem Ver­käu­fer frei, ob und in wel­chem Um­fang er be­stimm­te Ei­gen­schaf­ten zum Ge­gen­stand ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung oder Zu­si­che­rung macht und da­mit ei­ne be­son­de­re Ein­stands­pflicht über­nimmt.

In­so­fern be­steht auch ein ge­wis­ser Wi­der­spruch, wenn die Be­klag­te ei­ner­seits den ge­rin­gen Schad­stoff­aus­stoß des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs be­son­ders her­vor­hebt und an­preist, an­de­rer­seits aber Ab­wei­chun­gen da­von als un­be­acht­lich be­zeich­net.

Hin­zu kommt, dass hin­sicht­lich des Man­gels ei­ne der Be­klag­ten zu­zu­rech­nen­de arg­lis­ti­ge Täu­schung vor­liegt. Auf die vor­ste­hen­den Aus­füh­run­gen un­ter 1 wird in­so­fern voll­um­fäng­lich Be­zug ge­nom­men. Auch dies führt be­reits für sich ge­nom­men da­zu, dass der Man­gel nicht als un­er­heb­lich zu wer­ten ist.

Schließ­lich kann.​die Be­klag­te auch nicht si­cher sa­gen, ob die ge­plan­ten tech­ni­schen Maß­nah­men tat­säch­lich er­folg­reich und oh­ne Ne­ben­wir­kun­gen sein wer­den. Sie ver­weist le­dig­lich auf das ent­spre­chen­de Ziel der Volks­wa­gen AG. Nach dann rund ei­nem Jahr War­te­zeit nach Frist­set­zung muss sich der Käu­fer aber nicht auf ei­ne blo­ße Ab­sichts­er­klä­rung ver­las­sen. Hin­zu kommt, dass je­den­falls im Zeit­punkt der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 14.04.2016 noch kei­ne Ge­neh­mi­gung des Kraft­fahrt-Bun­des­am­tes für die ge­plan­te Man­gel­be­sei­ti­gung vor­lag.

Schließ­lich ist der­zeit noch nicht ab­seh­bar, ob und in wel­chem Um­fang sich auf­grund des Man­gels bzw. des so­ge­nann­ten Ab­gas­skan­dals ein mer­kan­ti­ler Min­der­wert des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeu­ges rea­li­sie­ren wird. Der so­ge­nann­te Ab­gas­skan­dal ist Ge­gen­stand brei­ter öf­fent­li­cher Wahr­neh­mung und Dis­kus­si­on, ein­schließ­lich der Nach­bes­se­rungs­ver­su­che von Her­stel­ler­sei­te. Dies zeigt nicht zu­letzt der vom Klä­ger vor­ge­leg­te Pres­se­test zu ei­nem mög­li­chen Mehr­ver­brauch bei Fahr­zeu­gen vom Typ VW Ama­rok nach Nach­bes­se­rung. Be­reits das Be­ste­hen ei­nes na­he­lie­gen­den Ri­si­kos ei­nes blei­ben­den mer­kan­ti­len Min­der­werts führt aber da­zu, dass der Man­gel nicht als un­er­heb­lich an­ge­se­hen wer­den kann.

Da­nach ist der streit­ge­gen­ständ­li­che Man­gel be­reits aus meh­re­ren Grün­den für sich ge­nom­men nicht un­er­heb­lich i. S. von § 323 V 2 BGB. Je­den­falls ist er bei ei­ner Ge­samt­be­trach­tung der vor­ste­hen­den Grün­de nicht un­er­heb­lich. Dar­auf, ob die Man­gel­be­sei­ti­gung zu ei­nem Mehr­ver­brauch von 0,5 l/100 km füh­ren wür­de, bei ei­ner Rest­lauf­leis­tung auch nach dem Be­klag­ten­vor­trag von über 200.000 km al­so auch we­nigs­tens 1.000 €, kam es da­her be­reits nicht mehr an.

III. Nach­dem es sich um ei­ne Ein­zel­fall­ent­schei­dung über das Vor­lie­gen ei­ner arg­lis­ti­gen Täu­schung, de­ren Zu­rech­nung an die Be­klag­te, das Vor­lie­gen ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung zwi­schen den Par­tei­en die­ses Rechts­streits, den Lauf der streit­ge­gen­ständ­li­chen Frist zur Nach­bes­se­rung so­wie die Er­heb­lich­keit des streit­ge­gen­ständ­li­chen Man­gels un­ter Be­rück­sich­ti­gung al­ler hier maß­geb­li­chen Um­stän­de han­delt, kam es auf die von der Be­klag­ten in Be­zug ge­nom­men an­der­wei­ti­gen erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dun­gen in Zu­sam­men­hang mit dem so­ge­nann­ten Ab­gas­skan­dal nicht an …

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