Gibt der Verkäufer eines Gebrauchtwagens in einem Online-Inserat an, das Fahrzeug sei „scheckheftgepflegt“, so hat er die Pflicht, dem Käufer ein Fahrzeug zu übergeben und zu übereignen, das in einer autorisierten Fachwerkstatt den vom Hersteller vorgeschriebenen und im „Scheckheft“ dokumentierten Inspektionen unterzogen wurde. Denn die Parteien haben eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 I 1 BGB) auch dann getroffen, wenn im schriftlichen Kaufvertrag selbst nicht erwähnt ist, dass das Fahrzeug „scheckheftgepflegt“ sei.

AG München, Urteil vom 19.06.2015 – 191 C 8106/15

Sachverhalt: Die Klägerin verlangt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen.

Sie erwarb von dem Beklagten am 08.11.2014 für 1.950 € einen VW Polo, den der Beklagte auf der Internetplattform „mobile.de“ zum Kauf angeboten hatte. In dem Inserat war angegeben, dass das Fahrzeug im September 1997 („09/1997“) erstzugelassen worden sei. Die Motorleistung hatte der Beklagte mit 55 kW angegeben und darauf hingewiesen, dass der VW Polo „scheckheftgepflegt“ sei.

Im schriftlichen Kaufvertrag („ADAC-Kaufvertrag für den privaten Verkauf eines gebrauchten Kraftfahrzeuges“) wurden Monat und Jahr der Erstzulassung richtig mit „09/1996“ (statt „09/1997“) angegeben. Außerdem findet sich dort der Hinweis, dass das Fahrzeug „unter Ausschluss der Sachmängelhaftung“ verkauft werde.

Die Klägerin ließ den VW Polo am 13.01.2015 in einer Werkstatt untersuchen. Dabei wurden einzelne Durchrostungen sowie weitere Mängel an dem Fahrzeug festgestellt. Mit Anwaltsschreiben vom 29.01.2015 forderte die Klägerin den Beklagten auf, diese Mängel bis zum 09.02.2015 zu beseitigen. Der Beklagte wies das Nachbesserungsverlangen mit Anwaltsschreiben vom 04.02.2015 zurück. Daraufhin erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 05.03.2015 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Beklagten auf, das Fahrzeug Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises spätestens am 16.03.2015 bei ihr abzuholen.

Die Klägerin meint, sie sei wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten, weil der VW Polo bei der Übergabe nicht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit aufgewiesen habe. Das Fahrzeug sei entgegen der Anzeige nicht scheckheftgepflegt, und der Motor erbringe statt einer Leistung von 55 kW lediglich eine Leistung von 44 kW. Zudem seien Durchrostungen (Schweller, vorderer linker Kotflügel, hintere Radläufe, Hilfsrahmen und Radhausschale) vorhanden.

Die Klage hatte Erfolg.

Aus den Gründen: II. Der Klägerin steht gegen den Beklagten gemäß §§ 346 I, 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 434, 323 I BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs zu.

1. Die Parteien schlossen am 08.11.2014 einen Kaufvertrag über den Pkw VW Polo … zum Preis von 1.950 €.

2. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückgewähr der empfangenen Leistungen zu, da das bezeichnete Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe nicht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit aufwies und damit mangelhaft war (§ 434 I 1 BGB). Eine Beschaffenheitsvereinbarung lag hinsichtlich der Eigenschaft „scheckheftgepflegt“ sowie der Motorleistung des Fahrzeugs vor.

Unter Beschaffenheit i. S. des § 434 I 1 BGB fällt jede Eigenschaft und jeder der Sache anhaftende tatsächliche, wirtschaftliche oder rechtliche Umstand. Vereinbart ist die Beschaffenheit, wenn der Inhalt des Kaufvertrags von vornherein oder nachträglich die Pflicht des Verkäufers bestimmt, die gekaufte Sache in dem Zustand zu übereignen und zu übergeben, wie ihre Beschaffenheit im Vertrag festgelegt ist. Eine vom Vertragsinhalt umfasste Beschreibung der Beschaffenheit der Sache genügt. Bloß einseitige Erwartungen oder Vorstellungen einer Partei reichen für die Vereinbarung einer Beschaffenheit in der Regel nicht aus (Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 434 Rn. 14 f.).

Dabei können Erklärungen des Verkäufers in der Werbung bei der Auslegung des Kaufvertrags berücksichtigt werden, wenn sie eine Erwartungshandlung des Käufers begründen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 15.05.2008 – 28 U 145/07, NJW-RR 2009, 485, 487; KG, Urt. v. 01.09.2011 – 8 U 42/10; BGH, Urt. v. 12.02.1981 – IVa ZR 103/80, NJW 1981, 2295).

a) Die Parteien haben die Eigenschaft „scheckheftgepflegt“ als Beschaffenheit wirksam vereinbart, auch wenn diese im Kaufvertrag vom 08.11.2014 nicht mehr explizit aufgeführt wurde.

Die Scheckheftpflege eines Fahrzeuges stellt eine Beschaffenheit dar, da sie ein wertbildender Faktor des Fahrzeugs und damit eine Eigenschaft der Sache ist. Die Angebotsbeschreibung bei „mobile.de“ hat nicht lediglich werbenden Charakter, sondern soll von vornherein die Pflicht des Beklagten bestimmen. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass im Kaufvertragsformular eine nähere Beschreibung des Fahrzeuges hinsichtlich Ausstattung und Zustand des Fahrzeugs nicht mehr im Detail erfolgt. Die Scheckheftpflege als Beschaffenheit des Fahrzeugs stellt auch nicht bloß eine einseitige Erwartung der Klägerin dar, da der Beklagte ohne Anlass darauf im Internetangebot hinweist und somit die Erwartung nicht einseitig von der Klägerin ausging. Für die Klägerin war die Angabe, dass das Fahrzeug scheckheftgepflegt ist, maßgebend für den Kaufentschluss. Sie konnte erwarten, dass die vorgeschriebenen Inspektionen von einer hierzu autorisierten Fachwerkstatt durchgeführt und im Scheckheft dokumentiert sind.

Die Kaufsache entspricht nicht der vereinbarten Beschaffenheit. Ein Scheckheft ist für das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig nicht vorhanden. Dem Beklagten gelang auch nicht der Nachweis, dass die vorgeschriebenen Inspektionen von einer hierzu autorisierten Fachwerkstatt durchgeführt wurden.

Der Beklagte wurde in der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2015 angehört und gab hierzu an, dass er das Fahrzeug für seine Mutter verkauft habe. Seine Mutter sei maximal eineinhalb Jahre Eigentümerin des Fahrzeugs gewesen. In dieser Zeit habe sie das Fahrzeug einmal zur Inspektion gebracht. Die Vorbesitzerin habe ihm nur mündlich zugesichert, dass das Fahrzeug regelmäßigen Inspektionen unterzogen worden sei. In welchen Abständen diese bei der Vorbesitzerin erfolgt seien, könne er jedoch nicht sagen.

Die Klägerin legte dem Gericht als Beweis die Zulassungsbescheinigungen Teil I und Teil II vor, die mit den Parteien in Augenschein genommen wurden. Aus diesen geht hervor, dass die Mutter des Beklagten über drei Jahre und nicht nur eineinhalb Jahre Eigentümerin des Fahrzeugs gewesen ist, sodass die Angaben des Beklagten insoweit nicht den Tatsachen entsprachen.

Ein Vermerk im Internetangebot, aus dem hervorgeht, dass die Scheckheftgepflegtheit des Fahrzeuges allein auf Angaben aus dritter Hand beruht, also bloße Wissensvermittlung darstellt, fehlt jedoch gänzlich. Die Angaben des Beklagten erfolgten demnach ohne gesicherte Grundlage „ins Blaue“ hinein.

b) Eine weitere Beschaffenheitsvereinbarung i. S. des § 434 I 1 BGB haben die Parteien über die Motorleistung des Fahrzeugs in Höhe von 55 kW getroffen. Obwohl im Kaufvertrag vom 08.11.2014 auf die Motorleistung nicht erneut eingegangen wurde, hat die Angabe im Angebot auch hier nicht nur werbenden Charakter, sondern bestimmt die geschuldete Leistungspflicht des Beklagten.

Aus den in Augenschein genommenen Zulassungsbescheinigungen Teil I und Teil II des streitgegenständlichen Fahrzeugs stellte das Gericht fest, dass die Leistung des Fahrzeugs lediglich 44 kW anstatt der im Angebot zugesicherten 55 kW beträgt.

c) Ob die weiteren klägerseits vorgetragenen Sachmängel bloße Verschleißerscheinungen darstellen, kann für die vorliegende Entscheidung dahinstehen, da aufgrund der fehlenden Beschaffenheit ein Mangel vorliegt.

3. Unabhängig davon, dass eine Fristsetzung zur Nacherfüllung aufgrund der hier vorliegenden fehlenden Beschaffenheit entbehrlich wäre, wurde dem Beklagten eine Frist zur Nacherfüllung bis zum 09.02.2015 gesetzt, welche fruchtlos verstrichen ist.

4. Die Klägerin ist mit Schreiben vom 05.03.2015 vom Kaufvertrag zurückgetreten (§ 349 BGB).

5. Auf einen Gewährleistungsausschluss kann sich der Beklagten nicht berufen, da die Parteien vorliegend eine Beschaffenheit i. S. des § 434 I 1 BGB vereinbart haben. Eine ausdrücklich vereinbarte Beschaffenheit wird von einem zugleich vereinbarten Gewährleistungsausschluss nicht erfasst (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, NJW 2007, 1346, 1349).

Abgesehen davon müsste sich der Beklagte bei einem Gewährleistungsausschluss den Vorwurf der Arglist gefallen lassen und könnte sich gemäß § 444 Fall 1 BGB wegen der vorbezeichneten Mängel nicht auf den Haftungsausschluss berufen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH handelt ein Verkäufer arglistig, wenn er zu Fragen, deren Beantwortung erkennbar maßgebliche Bedeutung für den Kaufentschluss seines Kontrahenten hat, ohne tatsächliche Grundlagen ins Blaue hinein unrichtige Angaben macht (BGH, Urt, v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, NJW 2006, 2839 Rn. 13 m. w. Nachw.). Zumindest davon ist hier auszugehen.

Der Beklagte hat das Fahrzeug als scheckheftgepflegt angeboten, ohne den Nachweis dafür zu erbringen, obwohl er wissen musste, ob die nach den Herstellerangaben erforderlichen Wartungen durch eine autorisierte Fachwerkstatt regelmäßig durchgeführt worden sind. Dass die Klägerin nicht sofort nach dem Scheckheft gefragt hat, lässt nicht den Schluss zu, dass die Scheckheftpflege für sie keine maßgebliche Bedeutung gehabt hätte. Vielmehr durfte die Klägerin sich auf die Angaben des Beklagten in dessen Angebot verlassen; dass sie es nicht sofort überprüft hat, hat nicht zur Folge, dass sie sich ihrer diesbezüglichen Rechte begeben hat.

6. Ein Ausschluss nach § 442 I BGB scheidet vorliegend ebenfalls aus, da die Klägerin den Mangel nicht kannte oder ihr dieser infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Im Übrigen kann sich der Beklagte nicht auf § 442 I BGB berufen, da er sich den Vorwurf der Arglist gefallen lassen müsste.

III. Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 280 I, II, 286 I, 288 I BGB. Der Beklagte befindet sich seit dem 17.03.2015 mit der Rücknahme des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises in Verzug.

Infolge des Verzugs sind auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 255,85 € zu zahlen (§§ 280 I, II, 286 I BGB). …

PDF erstellen