Wird ein Gebrauchtwagen als scheckheftgepflegt angepriesen, obwohl das Fahrzeug tatsächlich nicht scheckheftgepflegt ist, so ist regelmäßig die objektive Seite einer arglistigen Täuschung gegeben.

AG München, Urteil vom 10.01.2018 – 142 C 10499/17

Sachverhalt: Der Beklagte bot im Internet einen Gebrauchtwagen (Mercedes-Benz Sprinter) zum Kauf an. Nachdem der Kläger davon Kenntnis erlangt hatte, nahm er mit dem Beklagten Kontakt auf und einigte sich schließlich mit ihm darauf, das – unstreitig nicht scheckheftgepflegte – Fahrzeug zum Preis von 4.500 € zu erwerben.

Am späten Abend des 10.01.2017 trafen sich die Parteien in der Wohnung des Klägers. Bei diesem Treffen, zu dem der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug gekommen war, war auch der Vater des Klägers V zugegen. Es ist unstreitig, dass der Beklagte dem Kläger das Fahrzeug sowie sämtliche Fahrzeugpapiere und -schlüssel übergab. Außerdem wurde ein mit „Kaufvertrag“ überschriebes Dokument ausgefüllt, das beide Parteien unterschrieben haben und in dem der Beklagte als „Verkäufer“ bezeichnet wird.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.01.2017 forderte der Kläger von dem Beklagten wegen einer arglistigen Täuschung unter Fristsetzung die ückabwicklung des Kaufvertrags. Er ist der Auffassung, er habe das streitgegenständliche Fahrzeug von dem Beklagten selbst gekauft; von einem anderen Vertragspartner – so behauptet der Kläger – sei nie die Rede gewesen. Den Kaufpreis in Höhe von 4.500 € habe er – der Kläger – am 10.01.2017 bar an den Beklagten gezahlt. Der Kläger behauptet weiter, in dem Internetinserat sei der Mercede-Benz Sprinter als scheckheftgepflegt bezeichnet worden, und der Beklagte habe in den Verkaufsgesprächen nochmals ausdrücklich versichert, dass das Fahrzeug scheckheftgepflegt sei.

Der Beklagte meint demgegenüber, nicht er, sondern sein Stiefvater S sei Vertragspartner des Klägers geworden. S – so behauptet der Beklagte – sei Eigentümer des Fahrzeugs gewesen; er, der Beklagte, habe den Wagen nur im Auftrag des S verkauft. Der Beklagte behauptet weiter, er habe von dem Kläger kein Geld erhalten; insbesondere habe der Kläger keine 4.500 € am Abend des 10.01.2017 an ihn gezahlt. Bei dem genannten Betrag handele es sich im Übrigen nur um den Nettokaufpreis; zu zahlen sei aber der Bruttokaufpreis. Er – der Beklagte – habe schließlich nie behauptet, dass der Mercedes-Benz Sprinter scheckheftgepflegt sei. Abgesehen davon sei das Fahrzeug ohne Garantie und Gewährleistung verkauft worden.

Die Klage hatte Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung von 4.500 € gemäß § 812 I 1 Fall 1 BGB. Der zunächst zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag ist nichtig, da der Kläger seine Willenserklärung auf Abschluss dieses Kaufvertrags gemäß § 123 I Fall 1, § 124 BGB wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten hat, sodass der Kaufvertrag gemäß § 142 I BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist.

1. Der Vertrag wurde zunächst zwischen den Parteien geschlossen und nicht, wie von dem Beklagten behauptet, zwischen dem Kläger und dem Zeugen S. Denn es ist davon auszugehen, dass der Beklagte hier in eigenem Namen und nicht erkennbar als Vertreter des Zeugen S den Vertrag abgeschlossen hat.

Voraussetzung für eine wirksame Vertretung ist, dass die Willenserklärung erkennbar im Namen des Vertretenen abgegeben wird (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl. [2018], § 164 Rn. 1); tritt der Wille, in fremden Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht (§ 164 II BGB).

Vorliegend haben beide Parteien übereinstimmend vorgetragen, dass das Verkaufsinserat Namen und Kontaktdaten des Beklagten selbst enthielt und keinen Hinweis auf den Zeugen S. Die Behauptung des Beklagten, er habe im mündlichen Verkaufsgespräch zumindest gesagt, im Auftrag zu handeln, wenn auch nicht, für wen, ist bestritten; Beweis hierfür hat der Beklagte nicht angeboten. Der Beklagte hat auch das zwischen den Parteien aufgesetzte, mit „Kaufvertrag“ überschriebene Dokument ausdrücklich mit dem Zusatz „Verkäufer“ unterschrieben, ist also selbst als Verkäufer und nicht nur als Vertreter aufgetreten.

2. Der Beklagte selbst war es auch, der 4.500 € vom Kläger überreicht bekam, also im Sinne des § 812 I 1 Fall 1 BGB diesen Betrag durch Leistung des Klägers erlangte. Zwar hat der Beklagte bestritten, das Geld vom Kläger erhalten zu haben. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht aber zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger dem Beklagten am späten Abend des 10.01.2017 diesen Betrag in der Wohnung des Klägers in bar überreichte, da der Zeuge V dies bestätigte.

Die Aussage des Zeugen V ist glaubhaft, der Zeuge ist glaubwürdig. Zwar ist der Zeuge der Vater des Klägers. Eine Verwandschaftsbeziehung zwischen Partei und Zeugen führt aber nicht automatisch dazu, dass dem Zeugen kein Glaube geschenkt werden kann. Der Zeuge V gab in seiner Vernehmung seine Antworten ruhig und bedächtig und machte auf das Gericht den Eindruck, um möglichst genaue Erinnerung und korrekte Wiedergabe bemüht zu sein. Er schilderte sowohl Tatsachenbeobachtungen als auch inneres Geschehen und Hintergründe, beispielsweise, dass er bei dem Treffen am 10.01.2017 das Gefühl bekommen habe, dass etwas Schriftliches notwendig sei, und dass er daher das mit Kaufvertrag bezeichnete Schreiben zweimal ausgedruckt habe. Der Zeuge berichtet übereinstimmend mit dem Kläger, dass das Geld in bar übergeben wurde. Dass der Zeuge sich hierbei an 500er-Scheine zu erinnern meint, der Kläger selbst dagegen in seiner informatorischen Anhörung von Hundertern spricht, macht die Aussage des Zeugen nicht unglaubhaft; kleine Diskrepanzen sprechen eher dafür, dass keine Aussagenabsprache stattgefunden hat. An das Kerngeschehen, nämlich die Übergabe des Betrags an sich, erinnert sich der Zeuge und schildert es lebensnah.

Zusätzlich zur Aussage des Zeugen stützen weitere Indizien die Angabe des Klägers, dass die Geldübergabe stattgefunden hat. Erstens hat der Kläger durch Vorlage eines Kontoauszugs belegt, dass er am 10.01.2017 tatsächlich genau 4.500 € von seinem Konto abgehoben hat. Das belegt zwar nicht, dass auch eine Geldübergabe stattgefunden hat; es handelt sich aber auch nicht um eine Summe, die man üblicherweise anlasslos abhebt. Zweitens spricht für die Übergabe des Geldes auch, dass der Beklagte dem Kläger bei derselben Gelegenheit sämtliche Fahrzeugpapiere, die Fahrzeugschlüssel und das Fahrzeug selbst überlassen hat. Hätte er dies ohne Geldübergabe getan, hätte er keinerlei Sicherheit mehr gehabt. Eine Quittierung der Geldübergabe auf dem sogenannten Kaufvertrag ist zwar augenscheinlich unterblieben – beide Exemplare weisen einen derartigen Text nicht auf. Das Gericht hat aber den Eindruck gewonnen, dass der Zeuge V und der Kläger selbst in derartigen Geschäften wenig bewandert sind, und hält es für gut vorstellbar, dass beide nicht daran gedacht haben, eine Quittierung zu fordern, zumal sie ja auch das Fahrzeug selbst sogleich erhielten.

Der Zeuge S der auf das Gericht ebenfalls einen glaubwürdigen Eindruck machte, konnte zur Frage der Geldübergabe keine Angaben machen; er war bei diesem Treffen nicht dabei, sondern hat nach seiner Aussage lediglich von einem Fenster mehrere Stockwerke entfernt einmal Interessenten am Fahrzeug gesehen, wobei er nicht sagen kann, ob dies der Kläger und der Zeuge V waren. Ansonsten hat der Zeuge S sich nach seinen Angaben nicht weiter um das Geschäft gekümmert, sondern der Beklagte habe alles geregelt. Dass der Zeuge S ausgesagt hat, kein Geld von dem Beklagten erhalten zu haben, hat keinen Beweiswert für die Frage, ob zuvor der Kläger an den Beklagten Geld übergeben hat. Es erscheint vielmehr zumindest auch denkbar, dass dieses Geld nicht an den Zeugen S weitergereicht wurde und er deswegen nichts davon weiß. Ein Mahnverfahren in der Sache hat der Zeuge S entgegen der anderslautenden Erklärung des Beklagten nicht angestrengt.

3. Die Geldübergabe geschah ohne rechtlichen Grund, insbesondere stellt der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag keinen Rechtsgrund mehr dar, weil der Kläger vorliegend seine auf den Abschluss dieses Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 I Fall 1, § 124 BGB wirksam angefochten hat.

Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte das Fahrzeug bewusst fälschlich als scheckheftgepflegt angeboten hat. Die entsprechende Behauptung des Klägers, die vom Beklagten bestritten wurde, ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erwiesen. Der Zeuge V hat bestätigt, dass das Onlineinserat die Angabe „scheckheftgepflegt“ enthielt. Zur Glaubwürdigkeit des Zeugens und Glaubhaftigkeit seiner Aussage wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Auch bei der Angabe, dass die Bezeichnung „scheckheftgepflegt“ in der Anzeige enthalten war, machte der Zeuge einen bedächtigen und sorgfältigen Eindruck und schilderte lebensnah, wie sein Sohn ihm die Anzeige auf dem iPad zeigte und woran er sich bei der Anzeige noch konkret erinnere.

Der Beklagte wusste auch nach seinen eigenen Angaben, dass das Fahrzeug tatsächlich nicht scheckheftgepflegt war.

Bei der Eigenschaft der Scheckheftpflege handelt es sich um ein wesentliches wertbildendes Merkmal, sodass eine Anfechtung wegen arlistiger Täuschung gemäß § 123 I Fall 1 BGB möglich ist, wenn wahrheitswidrig behauptet wird, ein Gebrauchtwagenfahrzeug sei scheckheftgepflegt (LG Paderborn, Urt. v. 20.10.1999 – 4 O 343/99, juris).

Die Anfechtung wurde mit anwaltlichem Schreiben vom 23.01.2017 dem Beklagten gegenüber gemäß § 143 I, II BGB wirksam und innerhalb der Frist des § 124 BGB erklärt, sodass der Kaufvertrag gemäß § 142 I BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist und bereits erbrachte Leistungen gemäß § 812 I 1 Fall 1 BGB zurückzugewähren sind (vgl. Palandt/Ellenberger, a. a. O., § 123 Rn. 25).

Der Beklagte hat daher das ohne Rechtsgrund Erlangte, hier die 4.500 €, gemäß § 812 I 1 Fall 1 BGB an den Kläger zu zahlen.

III. Der Beklagte schuldet dem Kläger außerdem Verzugszinsen im beantragten Umfang gemäß § 286 II Nr. 4, § 288 I BGB bzw. § 819 I BGB. Die Rückzahlungsforderung wurde mit anwaltlichem Schreiben vom 23.01.2017 geltend gemacht und damit fällig. Einer weiteren Mahnung bedurfte es hier nicht, da die Rückzahlungsforderung auf einer arglistigen Täuschung beruht.

IV. Der Beklagte befindet sich auch in Annahmeverzug gemäß §§ 293, 298 BGB aufgrund des vorgerichtlichen Rechtsanwaltsschreibens vom 23.01.2017, mit dem er zur Rücknahme des Fahrzeugs … bis 03.02.2017 aufgefordert wurde und auf das er nicht reagiert hat. …

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