- Die nach Abschluss eines Kfz-Kaufvertrags abgegebene Erklärung des Verkäufers, er werde „Gewährleistungsarbeiten“ selbstverständlich durchführen, bedeutet nicht zwingend, dass der Verkäufer einen im Kaufvertrag enthaltenen Gewährleistungsausschluss nachträglich aufheben will. Die Erklärung kann vielmehr dahin auszulegen sein, dass sich der Verkäufer lediglich grundsätzlich bereit erklären will, Mängel des Fahrzeugs – wie schon in der Vergangenheit geschehen – aus Kulanz zu beseitigen. Eine solche Auslegung liegt insbesondere dann nahe, wenn der Verkäufer zugleich darauf verweist, der Käufer habe das Fahrzeug „wie besichtigt“ erworben, und damit auf den Gewährleistungsausschluss Bezug nimmt.
- Der Käufer eines Kraftfahrzeugs (hier: eines Abschleppwagens), der das Fahrzeug nach § 377 I BGB unverzüglich auf Mängel untersuchen muss, darf sich nicht auf äußerlich erkennbare Mängel beschränken, sondern muss auch die Funktionsfähigkeit prüfen und dafür gegebenenfalls einen Sachverständigen hinzuzuziehen.
OLG München, Urteil vom 22.04.2015 – 7 U 2536/14
Sachverhalt: Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung eines zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages über ein Abschleppfahrzeug.
Die Parteien – vertreten durch ihre Geschäftsführer – unterzeichneten am 03.12.2010 eine „Auftragsbestätigung“, in der das streitgegenständliche Fahrzeug näher beschrieben und als „Vorführfahrzeug“ bezeichnet wurde. Außerdem hieß es in der „Auftragsbestätigung“ unter anderem:
„Fahrzeug verkauft wie besichtigt, geprüft und Probe gefahren unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung und Mängelrüge“.
Als Kaufpreis wurden 258.230 € vereinbart, wobei die Klägerin eine Anzahlung in Höhe von 38.734,50 € leisten sollte. Das Fahrzeug wurde der Klägerin schließlich am 13.01.2011 übergeben.
Mit Schreiben vom 11.02.2011 übersandte die Klägerin der Beklagten eine Mängelliste und wies darauf hin, dass die meisten der aufgelisteten Mängel bei einer UVV-Prüfung beanstandet worden seien. In der Folgezeit führte die Beklagte Reparaturen an dem Abschleppwagen durch. Mit Schreiben vom 13.07.2011 teilte der Klägervertreter der Beklagten mit, welche Mängel „konkret und aktuell jedenfalls“ vorlägen, wobei er auch eine – aus Sicht der Klägerin – zu schwache Konstruktion des Hilfsrahmens als Mangel aufführte. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 14.07.2011 und machte geltend, dass den durchgeführten Reparaturen keine Mängel zugrunde gelegen hätten, sondern die – zwischenzeitlich behobenen – Defekte durch Bedienungsfehler der Klägerin verursacht worden seien. Außerdem hieß es in dem Schreiben der Klägerin:
„Sollten, so wie Sie beschrieben haben, Gewährleistungsarbeiten vorhanden sein, werden diese selbstverständlich beseitigt und dokumentiert. Das Fahrzeug wurde vom TÜV abgenommen und erfüllte die Bay. Norm … Das Fahrzeug wurde wie besichtigt an den Kunden bereitgestellt.“
In der Folge kam es zwischen den Parteien über das Vorliegen von Mängeln zum Streit.
Die Klägerin macht geltend, das ihr gelieferte Fahrzeug sei mangelhaft, und die Beklagte habe sich zu Unrecht geweigert, die Mängel zu beseitigen. Deshalb stehe ihr, der Klägerin, das Recht zu, vom Kaufvertrag über den Abschleppwagen zurückzutreten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat dahinstehen lassen, ob die behaupteten Mängel tatsächlich vorliegen, weil es den zwischen den Parteien vereinbarten Gewährleistungsausschluss für wirksam erachtet hat. Dieser Gewährleistungsausschluss – so hat das Landgericht ausgeführt – sei durch das Schreiben der Beklagten vom 14.07.2011 nicht aufgehoben worden, denn dieses Schreiben habe sich lediglich auf aus Kulanz übernommene Reparaturarbeiten bezogen. Außerdem scheitere eine Haftung der Beklagten für etwaige Mängel an § 377 HGB. Die Klägerin habe Mängel nämlich erstmals mit Schreiben vom 11.02.2011 und damit fast einen Monat nach Übergabe des Fahrzeugs gerügt. Dies sei, weil die in Rede stehenden Mängel ohne Weiteres innerhalb einer Woche hätten erkannt werden können, nicht unverzüglich i. S. von § 377 I, III HGB.
Die (zulässige) Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aufgrund Rücktritts wegen Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs auf Rückabwicklung nach § 434 Nr. 2 Fall 2, §§ 323, 440, 326 V BGB, § 377 HGB nicht zu, weil – wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat – ein wirksamer Gewährleistungsausschluss … vereinbart wurde und unabhängig hiervon eine rechtzeitige Mängelrüge durch die Klägerin gemäß § 377 HGB unterblieb.
Die hiergegen vonseiten der Klägerin vorgebrachten Einwände überzeugen nicht bzw. sind nicht geeignet, eine abweichende Beurteilung zu begründen.
1. Die Klägerin meint, der unstreitig vertraglich vereinbarte Gewährleistungsausschluss sei bereits nicht wirksam geworden; er sei zudem durch das Schreiben der Beklagten vom 14.07.2011 aufgehoben worden. Dieser Auffassung der Klägerin ist nicht zu folgen.
a) Zu Recht hat das Landgericht festgestellt, dass der vertraglich vereinbarte Gewährleistungsausschluss nicht nach §§ 309 Nr. 8 lit. b, 307 BGB unwirksam ist, weil es sich vorliegend nicht um ein neu hergestelltes Fahrzeug handelte. Konkreter Vortrag dazu und Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Abschleppwagen um ein Neufahrzeug handelt, liegen nicht vor. Das Fahrzeug mit dem Baujahr 2008 wurde im Jahr 2011 an die Klägerin als Vorführfahrzeug verkauft. Die von der Klägerin behaupteten Umbauarbeiten am Fahrzeug führen nicht zu einem Neubau. Die Klägerin hat hierzu auch nicht konsistent vorgetragen. So verweist sie auf ihren Schriftsatz vom 09.03.2014, in dem sie einerseits behauptete, das an sie übergebene Fahrzeug habe an den gleichen Mängeln gelitten wie bereits beim Vorbesitzer, es sei zweimal mit denselben Mängeln verkauft worden. Im gleichen Schriftsatz verweist sie darauf, das Fahrzeug sei wegen der Umbauarbeiten nach Rückgabe durch den Vorbesitzer als Neufahrzeug anzusehen.
Dass und aufgrund welcher Umstände der Gewährleistungsausschluss wegen Arglist der Beklagtenseite unwirksam sein soll, trägt die Klägerin nicht hinreichend konkret vor. Die Klägerin hat zudem im Vertrag ausdrücklich erklärt, das Fahrzeug besichtigt und Probe gefahren zu haben. Angesichts der Tatsache, dass die Klägerin als Transportunternehmen firmiert, kann sie auch nicht mit dem Einwand durchdringen, sie sei als unerfahrene Erwerberin besonders schutzwürdig.
Der im vorliegenden Fall zwischen zwei Kaufleuten vereinbarte Gewährleistungsausschluss betreffend ein Gebrauchtfahrzeug war demnach wirksam.
b) Durch das Schreiben der Beklagten vom 14.07.2011 ist der vereinbarte Ausschluss der Gewährleistung – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht aufgehoben worden. Auf die zutreffenden Ausführungen hierzu im landgerichtlichen Urteil ist zu verweisen. Das Schreiben enthält bei zutreffender Auslegung einen auf Aufhebung des Gewährleistungsausschlusses gerichteten Willen und eine dahin gehend zu verstehende Erklärung der Beklagten nicht. Aus dem Schreiben wird vielmehr deutlich, dass die Beklagte zwar Reparaturarbeiten am Fahrzeug kostenlos ausführte, obwohl sie der Auffassung war, dass es sich um keine Mängel, sondern Bedienungsfehler der Klägerin handelte. Die Beklagte erklärt aber auch insoweit ausdrücklich, derartige Arbeiten künftig nicht mehr kostenfrei zu erledigen. Soweit sich der Geschäftsführer der Beklagten in dem Schreiben dahin gehend äußerte, „sollte so wie Sie beschrieben haben, Gewährleistungsarbeiten vorhanden sein, werden diese selbstverständlich beseitigt und dokumentiert“, kann hieraus unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts des Schreibens, insbesondere auch des Verweises auf den Kauf „wie besichtigt“, ein bindender Antrag auf Aufhebung des Gewährleistungsausschlusses nicht entnommen werden. Aus Sicht eines objektiven Empfängers unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage ist es vielmehr naheliegend, dass die Beklagte sich – wie bereits in der Vergangenheit geschehen – auch weiterhin grundsätzlich bereit erklärte, gegebenenfalls nach Prüfung von Mängelrügen im Kulanzwege Reparaturen vorzunehmen.
Hinzu kommt, dass die Parteien unstreitig eine Schriftformabrede getroffen haben. Der Klägerseite ist auch insofern nicht zuzustimmen, als sie meint, eine Aufhebung der Schriftformabrede sei wirksam vereinbart worden, da auf das Schreiben der Beklagten hin eine ausdrückliche Annahme durch sie, die Klägerin, nach § 151 Satz 1 Fall 1 BGB entbehrlich gewesen sei. Es fehlt bereits im Schreiben der Beklagten eine hinreichende Erklärung dahin gehend, die Schriftformklausel insgesamt aufzuheben. Eine solche kann dem Schreiben nicht entnommen werden. Sie ist insbesondere auch nicht in der von der Klägerin behaupteten Erklärung der Aufhebung des Gewährleistungsausschlusses zu sehen. Damit kommt es auf die Frage, ob eine ausdrückliche Annahme durch die Klägerin entbehrlich war, da es sich lediglich um ein für sie vorteilhaftes Geschäft gehandelt habe, wie die Klägerin meint, nicht entscheidungserheblich an.
Vom vereinbarten Gewährleistungsausschluss umfasst ist auch der von Klägerseite maßgeblich behauptete Mangel der … Fehlkonstruktion des Hilfsrahmens des Abschleppfahrzeugs.
2. Ob Mängel, insbesondere der von der Klägerin besonders hervorgehobene Mangel des Hilfsrahmens, vorliegen, kann auch deshalb dahinstehen, weil die Klägerin ihrer unverzüglichen Untersuchungs- und Rügeobliegenheit nicht nachgekommen ist (§ 377 HGB).
a) Die Klägerin rügt diesbezüglich zwar zu Recht eine überraschende Entscheidung des Erstgerichts, weil es seiner Hinweispflicht nicht genügte; letztlich begründet jedoch dieser Verfahrensmangel eine abweichende Entscheidung nicht.
Damit das Rechtsmittelgericht die Kausalität einer Verletzung der Prozessleitungspflicht prüfen kann, muss in der Rechtsmittelbegründung angegeben werden, was auf entsprechenden Hinweis hin vorgetragen worden wäre (st. Rspr.; vgl. Zöller/Greger,, ZPO, 30. Aufl. [2014], § 139 Rn. 20 m. w. Nachw.). Die Klägerin traf eine Untersuchungsobliegenheit nicht nur auf äußerlich erkennbare Mängel, sondern bei technischen Gegenständen hat auch eine Prüfung der Funktionsfähigkeit durch Ingangsetzen mit längerer Probelaufzeit zu erfolgen, gegebenenfalls auch unter Zuziehung eines Sachverständigen (vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. [2014], § 377 Rn. 25 f., 28), bzw. – wie zum Teil geschehen – durch Veranlassung einer TÜV-Prüfung. Vorliegend hat die Klägerin auch in ihrer Berufungsbegründungsschrift jedoch nicht ausreichend dargetan, dass und wodurch sie im Hinblick auf die (noch behaupteten) Mängel, insbesondere den Hauptmangel der Fehlkonstruktion des Hilfsrahmens, ihrer Untersuchungs- und Rügeobliegenheit unverzüglich nachgekommen sei. Sie verweist lediglich auf die 21 im Schreiben vom 11.02.2011 aufgelisteten Mängel; der Feststellung des Erstgerichts, dass es sich dabei um „Mängel“ handle, die ohne Weiteres innerhalb einer einwöchigen Frist erkennbar gewesen wären, tritt sie nicht substanziiert entgegen. Vor allem bleibt sie Vortrag dazu, wann und in welcher Weise sie nach Übergabe des Fahrzeugs eine Untersuchung vorgenommen hat, schuldig. Nicht ersichtlich ist auch, weshalb nach Entdeckung der Fehler eine besondere Überlegungsfrist wegen der angeblichen Identität der Fehler bereits beim Voreigentümer zugestanden werden sollte.
b) Aber selbst, wenn man von einer noch rechtzeitigen Rüge der Fehler am 11.02.2011 ausgehen würde, ist die Klägerin mit der Geltendmachung der streitgegenständlichen Mängel ausgeschlossen. Es ist zum einen festzuhalten, dass auch nach dem Vortrag der Klägerin ein überwiegender Teil der im Schreiben vom 11.02.2011 genannten Fehler repariert wurde. Zum anderen ist festzustellen, dass die Klägerin nur mehr fünf Mängel behauptet, „unter andrem der gravierende Mangel wegen des Hilfsrahmens“. Sie beruft sich diesbezüglich maßgeblich auf das Schreiben ihres Klägervertreters vom 13.07.2011. Insbesondere der als Hauptmangel genannte zu schwache Hilfsrahmen wurde jedoch in diesem Schreiben zum ersten Mal beanstandet. Die Klägerin hat keine Umstände dargetan, dass und inwiefern sie bezogen auf diesen Mangel ihrer unverzüglichen Untersuchungs- und Rügeobliegenheit nachgekommen ist. Dies gilt in gleicher Weise für den behaupteten Mangel der Nichterfüllung der technischen Voraussetzungen der „Bayerischen Abschleppnorm“. Im Hinblick auf die weiteren im Schreiben vom 13.07.2011 aufgeführten Mängel ist bereits nicht erkennbar, dass es sich um mit bereits am 11.02.2011 gerügte Mängel identische Mängel handelt. Hinzu kommt, dass die Klägerin auch zu deren Relevanz nichts vorträgt.
Nach alldem bestand kein Anlass für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den von Klägerseite behaupteten Mängeln.
Gründe für die Annahme, dass „die entsprechenden Rechte der Beklagten nach § 377 HGB gemäß § 242 BGB zulasten der Beklagten verwirkt“ wären, liegen nicht vor. Insbesondere kann aufgrund der Tatsache, dass die Beklagte nach der ersten Mängelrüge am 11.02.2011 Reparaturen vornahm, eine Verwirkung von „Rechten“ aus § 377 HGB nicht angenommen werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass – wie oben ausgeführt – die Beklagte diese Reparaturen aus Kulanz vornahm, obwohl sie weitgehend keine Mängel der Kaufsache, sondern Bedienungsfehler der Klägerin annahm. …