1. Heißt es in einem Kaufvertrag über einen Gebrauchtwagen „Unfallschäden: unbekannt“, so liegt weder eine positive Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 I 1 BGB) des Inhalts vor, dass das verkaufte Fahrzeug unfallfrei ist, noch haben die Vertragsparteien eine negative Beschaffenheitsvereinbarung des Inhalts getroffen, dass das verkaufte Fahrzeug möglicherweise nicht unfallfrei ist.
  2. Ein Gebrauchtwagen, der zwei größere Unfallschäden erlitten hat, ist i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB mangelhaft, weil er keine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
  3. Der gewerbliche Verkäufer eines Gebrauchtwagens verhält sich nicht arglistig, wenn er den Käufer nicht darauf hinweist, dass er – der Händler – beim Ankauf des Fahrzeugs nicht nach möglichen Unfallschäden gefragt habe. Denn liegen keine besonderen Anhaltspunkte für einen Unfallschaden vor, obliegen einem Gebrauchtwagenhändler weder entsprechende Erkundigungen, noch muss er ein zum Verkauf angebotenes Fahrzeug auf Unfallschäden untersuchen. Vielmehr ist der Händler grundsätzlich lediglich zu einer fachmännischen äußeren Besichtigung („Sichtprüfung“) verpflichtet.
  4. Der Einwand eines gewerblichen Gebrauchtwagenverkäufers, ein geliefertes Fahrzeug gelte nach § 377 II, III HGB mangels (rechtzeitiger) Rüge eines Mangels als genehmigt, ist nicht schon deshalb eine unzulässige Rechtsausübung i. S. des § 242 BGB, weil der Verkäufer seine Haftung für Sachmängel ausgeschlossen hat und der Haftungsausschluss (möglicherweise) wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Käufers unwirksam ist (§ 307 I, II Nr. 2 BGB i. V. mit § 309 Nr. 7 lit. a und b BGB). Denn jedenfalls kann von einem Käufer, der selbst Kaufmann ist, erwartet werden, dass er sich seiner Untersuchungs- und Rügeobliegenheit bewusst ist und einen Mangel auch dann – vorsorglich – rechtzeitig rügt, wenn er davon ausgeht, dass der Verkäufer seine Haftung für Mängel wirksam ausgeschlossen habe.

LG Traunstein, Urteil vom 10.08.2016 – 3 O 2147/15

Sachverhalt: Die Parteien sind beide gewerbliche Gebrauchtwagenhändler.

Am 30.09.2014 begab sich der Geschäftsführer der Klägerin zum Betrieb des Beklagten. Dort kaufte er für die Klägerin einen gebrauchten Audi A4 zum Preis von 9.000 €. Im schriftlichen Kaufvertrag heißt es unter anderem: „Unfallschäden: unbekannt“ und „Verkauf an Gewerbetreibende/Wiederverkäufer unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung/Sachmängelhaftung“.

Bei den Vertragsverhandlungen hatte der Beklagte eingeräumt, dass die Batterie des Fahrzeugs leer, möglicherweise auch defekt sei, die Feststellbremse festsitze und der Scheibenwischermotor defekt sei.

Nachdem der Geschäftsführer der Klägerin das gekaufte Fahrzeug (erst) am 29.04.2015 bei dem Beklagten abgeholt hatte, stellte sich bei der Aufbereitung des Pkw, bei der auch die offenbarten Defekte beseitigt wurden, heraus, dass das Fahrzeug vor dem Erwerb durch den Beklagten in zwei Unfälle verwickelt gewesen war.

Mit Anwaltsschreiben 13.05.2015 verlangte die Klägerin deshalb die Rückabwicklung des mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrags und erklärte vorsorglich die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Der Beklagte wurde aufgefordert, bis zum 22.05.2015 zu bestätigen, dass er den Audi A4 Zug um Zug gegen Zahlung näher bezeichneter Beträge zurücknehmen werde. Der Beklagte wies die geltend gemachten Ansprüche mit anwaltlichem Schreiben vom 08.06.2015 zurück und berief sich auf den im Kaufvertrag enthaltenen Gewährleistungsausschluss.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe auf die Frage ihres Geschäftsführers, ob der streitgegenständliche Pkw in einen Unfall verwickelt gewesen sei, geantwortet, dass es für eine Unfallbeteiligung des Fahrzeugs keine Hinweise gebe, ihm – dem Beklagten – also reparierte oder unreparierte Unfallschäden nicht bekannt seien. Diese Angabe – so hat die Klägerin gemeint – habe objektiv nur so verstanden werden können, dass weder der Voreigentümerin des Fahrzeugs noch dem Beklagten bei den üblichen Recherchen Unfallschäden bekannt geworden seien oder hätten bekannt werden müssen. Die Voreigentümerin des Audi A4 habe indes Kenntnis von den beiden Unfällen, an denen das Fahrzeug beteiligt gewesen sei, gehabt. Dass sie dem Beklagten diese Kenntnis pflichtwidrig nicht offenbart habe, widerspreche jeder Lebenserfahrung.

Weiter hat die Klägerin die Ansicht vertreten, sie habe den Beklagten vor der Erklärung des Rücktritts nicht erfolglos zur Nacherfüllung auffordern müssen, da eine Nacherfüllung beim Kauf eines Gebrauchtwagens unmöglich sei. Den in dem streitgegenständlichen Kaufvertrag vorgesehenen Ausschluss der Sachmängelhaftung hält die Klägerin unter Hinweis auf die Rechtssprechung des BGH und § 309 Nr. 7 lit. a und lit. b BGB für unwirksam.

Der Beklagte, der den Gewährleistungsausschluss für wirksam hält und behauptet hat, die Klägerin verwende die von ihm verwendete Klausel ebenfalls, ist der Klage entgegengetreten. Er hat behauptet, er habe von Unfällen des Fahrzeugs keine Kenntnis gehabt. Er habe der Klägerin nicht bestätigt, dass der Pkw seines Wissens unfallfrei sei, denn über entsprechendes Wissen habe er gar nicht verfügt.

Jedenfalls – so hat der Beklagte geltend gemacht – seien Gewährleistungsansprüche der Klägerin ausgeschlossen, weil das streitgegenständliche Fahrzeug gemäß § 377 II, III HGB als genehmigt gälte. Die Klägerin habe nämlich erstmals mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 13.05.2015 eine Mängelrüge gegenüber ihm – dem Beklagten – erhoben. Damit sei sie ihrer Untersuchungs- und Rügeobliegenheit nicht in der gebotenen Weise nachgekommen.

Die Klägerin hat eingewandt, dass sich der Beklagte auf § 377 HGB berufe, sei schon deshalb treuwidrig, weil er im Kaufvertrag seine Haftung für Sachmängel unzulässigerweise ausgeschlossen habe. Im Übrigen könne sich der Beklagte auf § 377 HGB nicht berufen, weil er sie – die Klägerin – arglistig getäuscht habe, indem er sich bezüglich der Unfallschäden des Fahrzeugs als unwissend dargestellt habe.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rückabwicklung des bestehenden Kaufvertrages aus §§ 433 I, 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1, 323, 346 BGB, § 377 HGB oder gemäß § 123 BGB i. V. mit §§ 812 ff. BGB.

1. Zwischen den Parteien wurde ein wirksamer Kaufvertrag geschlossen.

2. Das verfahrensgegenständliche Fahrzeug war auch unstreitig mangelbehaftet, indem zwei größere Unfallschäden vorgelegen haben.

a) Zunächst ist festzustellen, dass keine Beschaffenheitsvereinbarung i. S. des § 434 I 1 BGB dahin gehend vorliegt, dass Unfallfreiheit zugesichert wurde. Der Aussage im Kaufvertrag: „Unfallschäden: unbekannt“ ist eine derartige Zusicherung bzw. Beschaffenheitsvereinbarung oder gar eine Garantie i. S. des § 443 I BGB nicht zu entnehmen.

Die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung setzt dabei voraus, dass der Inhalt des Kaufvertrages von vornherein oder nachträglich eine Pflicht des Verkäufers bestimmt, die gekaufte Sache in einem Zustand zu übereignen, wie sie im Vertrag festgelegt wurde; sie kommt nur noch in eindeutigen Fällen in Betracht (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl. [2014], § 434 Rn. 15 m. w. Nachw.).

Die Auslegung der entsprechenden Vertragsklausel ist nach Auffassung des Gerichts dahin gehend vorzunehmen, dass keine Kenntnis des Verkäufers von Schäden besteht; insoweit ist der Wortlaut eindeutig und auch die Grenze der Erklärung. Die verwendete Ausdrucksweise ist mit der Wendung „Unfallschäden laut Vorbesitzer: nein“ inhaltlich vergleichbar. Hieraus ergibt sich nach obergerichtlicher Rechtsprechung weder eine positive noch eine negative Beschaffenheitsvereinbarung; dies ist eine bloße Wissenserklärung (vgl. BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 12 ff.).

b) Es ist dieser Formulierung auch nicht zu entnehmen, dass … nach eventuellen Schäden bei einem Vorverkäufer gefragt worden ist. Nach Ansicht des Gerichts würde dies sonst darauf hinauslaufen, dass der Käufer einer Ware zu Nachforschungen bzw. Fragen gezwungen wäre, was nach der bisherigen Kasuistik und Rechtssprechung der Obergerichte nicht anzunehmen ist.

c) Dennoch ist das Vorliegen zweier größerer Unfallschäden auch bei einem gebrauchten Fahrzeug – wie vorliegend – als Abweichung von der gewöhnlichen Verwendungseignung und damit als Sachmangel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB anzusehen (vgl. Palandt/Weidenkaff, a. a. O., § 434 Rn. 29 m. w. Nachw.).

d) Auch ist davon auszugehen, dass ein Nacherfüllungsverlangen gemäß § 439 BGB verbunden mit einer Nacherfüllungsfrist im vorliegenden Fall entbehrlich ist. Es liegt ein Stückkauf vor. Bei Gebraucht-Kfz mit Unfall ist eine Nacherfüllung unmöglich (vgl. BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 [71 ff.] = NJW 2006, 2839; Urt. v. 19.12.2012 – VIII ZR 117/12, NJW 2013, 1733 Rn. 19).

e) Die weiteren Voraussetzungen der §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 323, 326 V BGB liegen vor. Insbesondere wurde der Rücktritt erklärt. Wie bereits gezeigt, ist eine Nacherfüllung unmöglich, und somit war auch eine Fristsetzung nach § 326 V BGB nicht notwendig.

2. Der Anspruch ist jedoch aufgrund Verstoßes der Klägerin gegen die in § 377 I, III HGB normierte Rügeobliegenheit ausgeschlossen.

a) Die streitige Frage, inwieweit die verwendete Gewährleistungsausschlussklausel unter Berücksichtigung der Rechtssprechung des BGH in seinem Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 26/14, NJW-RR 2015, 738 – unter Berücksichtigung der §§ 309 Nr. 7 lit. a und lit. b, 310 BGB unwirksam ist, kann eigentlich dahinstehen. Gleichwohl ist das Gericht der Auffassung, dass diese im vorliegenden Fall unwirksam ist und dass eine unterschiedliche rechtliche Behandlung von Verträgen unter Gebrauchtwagenhändlern zu einem Vertrag zwischen Gebrauchtwagenhändler und sonstigem Unternehmer nicht angezeigt ist. Der BGH hat in seiner vorzitierten Entscheidung vor allem eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders gesehen, welche unabhängig von der Gattung der Unternehmenszweige besteht. Insoweit kann nur vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen des BGH in seinem Urteil vom 19.09.2007 – VIII ZR 141/06, NJW 2007, 3774 Rn. 14 f. – Bezug genommen werden, worin ausgeführt wird:

„II. … 2. … c) …

aa) Das absolute Haftungsfreizeichnungsverbot für Verletzungen des Lebens, des Körpers und der Gesundheit (§ 309 Nr. 7 lit. a BGB) gilt nach einhelliger Auffassung auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr und führt deshalb zur Unwirksamkeit einer dagegen verstoßenden Klausel nach § 307 I und II BGB (Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 307 BGB Rn. 283 m. w. Nachw. in Fn. 997). Die Rechtfertigung dafür liegt darin, dass hinsichtlich des von § 309 Nr. 7 lit. a BGB bezweckten Schutzes besonders wichtiger persönlicher Rechtsgüter kein Raum ist für eine Differenzierung zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Aus den im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen (§ 310 I 2 Halbsatz 2 BGB) ergibt sich nichts anderes.

bb) Ebenso ist eine Freizeichnung im unternehmerischen Geschäftsverkehr bei einem Verstoß gegen § 309 Nr. 7 lit. b BGB jedenfalls dann unwirksam, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – hinsichtlich sonstiger Schäden die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit vollständig ausschließt. Ein derart weitreichender Haftungsausschluss benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr unangemessen, weil er den Vertragszweck gefährdet (§ 307 II Nr. 2 BGB). Nach der Rechtsprechung des BGH darf eine Haftungsbeschränkung nicht dazu führen, dass der Klauselverwender von Verpflichtungen befreit wird, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Vertragspartner regelmäßig vertraut und vertrauen darf (BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 [36] ; Urt. v. 15.09.2005 – I ZR 58/03, NJW-RR 2006, 267 Rn. 38). Ein Unternehmer darf ebenso wie ein Verbraucher darauf vertrauen, dass sein Vertragspartner ihn nicht grob fahrlässig oder gar vorsätzlich schädigt. Auch insoweit fehlt eine sachliche Rechtfertigung dafür, hinsichtlich der Haftungsfolgen für grobes Verschulden danach zu differenzieren, ob von dem Verschulden des Vertragspartners ein Unternehmer oder ein Verbraucher betroffen ist. Deshalb besteht auch im Geschäftsverkehr mit Unternehmern ein Verbot der umfassenden Freizeichnung von der Haftung für grobes Verschulden (Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, a. a. O., § 307 BGB Rn. 285 m. w. Nachw. in Fn. 1000); inwieweit bei grober Fahrlässigkeit im unternehmerischen Geschäftsverkehr eine Haftungsbeschränkung zulässig ist (dazu Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 307 BGB Rn. 286), bedarf hier keiner Entscheidung, weil der vorliegende Gebrauchtwagenkaufvertrag nicht lediglich eine Haftungsbeschränkung, sondern einen umfassenden Haftungsausschluss enthält.“

Insoweit kommt es vorliegend nicht auf eine eventuelle handelsrechtliche Üblichkeit hinsichtlich der eventuellen Belanglosigkeit und Unerheblichkeit der Unfallvorschäden bei älteren Fahrzeugen an, da die zitierten Grundgedanken hier greifen. Eine weitergehende Beweisaufnahme diebezüglich war somit ebenfalls nicht angezeigt.

b) Im Rahmen des § 377 I HGB muss bei Ablieferung der Sachen, also zu dem Zeitpunkt, als die tatsächliche Verfügungs- und damit Untersuchungsmöglichkeit des Käufers an die Stelle des Verkäufers tritt, eine Untersuchung des Fahrzeugs durchgeführt werden. Hierbei ist im vorliegenden Fall zu sehen, dass es sich aufgrund der fachgerechten Reparatur der beiden unstreitigen Sachmängel um verdeckte Mängel i. S. des § 377 II Halbsatz 2, III HGB handelt. Hier ist dann eine Untersuchung erforderlich, wenn ein entsprechender erster Verdacht auftritt. Jedoch müssen auch diese Rügen unverzüglich gemacht werden, nachdem der Mangel entdeckt wurde, sonst gilt die Ware gemäß § 377 III HGB als genehmigt (vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. [2014], § 377 Rn. 20 ff.).

Die Beweislast für die ordnungsgemäße und rechtzeitige Rüge trägt hierbei die Klageseite. Was in diesem Zusammenhang unverzüglich ist, bestimmt sich allein danach, wie rasch nach den Umständen die Rüge abzusenden ist, in der Regel umgehend. Hierbei ist für einen entdeckten Mangel nach der Rechtssprechung eine Rügefrist von ein bis zwei Tagen anzusetzen (vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, a. a. O., § 377 Rn. 35, 39). Auch für eine zumindest Absendung der Rüge ist die Klageseite beweisbelastet (vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, a. a. O., § 377 Rn. 55).

Dieser Nachweis ist der Klageseite nicht gelungen. Nach eigenen Angaben des Vertreters der Klägerin hat dieser circa ein bis zwei Tage nach Erkenntnis der entsprechenden Mängel und vorher durchgeführter entsprechender Recherchen den Beklagten telefonisch von den Mängeln unterrichtet. Ein Beweis dieser Rüge konnte jedoch bei dieser bestrittenen Tatsache nicht geführt werden. Darüber hinaus ist es bereits fraglich, inwieweit eine eingestandene eintägige Verzögerung noch unverzüglich ist, jedenfalls ist aber das nachweislich zugegangene Schreiben des Klägervertreters vom 13.05.2015 nach Abholung und Aufbereitung am 29.04.2015 bzw. kurze Zeit danach als nicht unverzüglich anzusehen.

Bis auf die Angaben des Geschäftsführers der Klägerin, dass unmittelbar nach Entdeckung der Mängel eine telefonische Mitteilung und Rüge gegenüber dem Beklagten erhoben wurde, welchen durch den Beklagten widersprochen wurde, liegen keine weiteren Beweismittel oder Beweisantritte vor. Insbesondere spricht auch der Wortlaut des Schreibens vom 13.05.2015 nicht für eine vorhergehende telefonische Rüge.

Die Klageseite ist somit beweisfällig geblieben, da den einzelnen Angaben der Parteien und Parteivertreter im Verhältnis zueinander nach Ansicht des Gerichts ein gleicher Beweiswert zukommt im vorliegenden Fall.

c) Auch einen Ausschluss der Rügeobliegenheit gemäß § 377 V HGB wegen arglistigen Verschweigens des Mangels konnte die Klageseite nicht nachweisen. Hierbei ist als arglistiges Verschweigen des Mangels jedes bewusste Unterlassen nach Treu und Glauben gebotener Mitteilung, in der Absicht den Gegner zu täuschen, notwendig (vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, a. a. O., § 377 Rn. 52 f.).

aa) Eine derartige positive Kenntnis von den beiden Mängeln seitens des Beklagten konnte die Klageseite nicht nachweisen. Insbesondere der einvernommene Zeuge, welcher zwar im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren widersprüchliche Angaben machte (zunächst verneinte er eine Kenntnis der Mängel und Reparaturen im eigenen Hause, später dann Korrektur), sagte in seiner Zeugeneinvernahme aus, dass aufgrund der Besonderheiten des Handels mit „Händlerfahrzeugen“ eine Unfallfreiheit nicht thematisiert werde. Zudem habe er dem Beklagten nichts von diesen Unfällen gesagt.

Insoweit konnte die Klageseite auch eine arglistige Täuschung bzw. eine positive Kenntnis und das arglistige Verschweigen nicht nachweisen. Der Zeuge hat seine Angaben im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren auf Nachfrage korrigiert und auch in Kenntnis eventueller eigener Haftungsansprüche im Falle der Verurteilung des Beklagten seine Angaben gemacht, sodass das Gericht von der Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der Angaben ausgeht.

Gleichwohl könnte die Aussage des Zeugen auch ungewürdigt bleiben, da die Klageseite die Kenntnis des Beklagten, welcher eine solche bestreitet, nicht positiv unter Beweis stellen konnte.

bb) Weiterhin ist es aus Sicht des Gerichts auch nicht als Arglist anzusehen, wenn ein Verkäufer – wie hier – nicht darauf hinweist, dass er nicht nach eventuellen Unfallschäden gefragt habe. Würde man dies annehmen wollen und in einem derartigen Fall zu einer Arglist kommen wollen, müsste man eine Pflicht des gewerblichen Käufers konstruieren, einen eigentlich offenbarungspflichtigen Verkäufer nach derartigen Umständen zu fragen, selbst wenn sie – wie im vorliegenden Fall – nicht offensichtlich erkennbar sind. Ein derartiges Postulat geht jedoch deutlich zu weit.

Insoweit kann auf die obergerichtliche Rechtssprechung, beispielsweise auf die Entscheidung des BGH vom 19.06.2013 – VIII ZR 183/12, NZV 2014, 120 – Bezug genommen werden. Insoweit beschäftigt sich dieses Urteil mit der Frage, ob ein Händler verpflichtet ist, sich vor dem Weiterverkauf eines Gebrauchtwagens Kenntnis von einer beim Hersteller geführten Reparaturhistorie des Fahrzeugs zu verschaffen. Hierbei wird auf die ständige Rechtssprechung dahin gehend rekurriert, dass dem Verkäufer eines Gebrauchtwagens ohne besondere Anhaltspunkte für einen Unfallschaden nicht die Obliegenheit aufzuerlegen sei, das zum Verkauf angebotene Fahrzeug auf Unfallschäden zu untersuchen. Der Händler sei grundsätzlich nur zu einer fachmännischen äußeren Besichtigung verpflichtet. In dem Urteil wird sich auch darüber geäußert, inwieweit die auch im vorliegenden Verfahren angegebene Checkliste beim Ankauf eines Audi-Fahrzeugs abzuarbeiten sei, welche dann zu einer Einsichtnahme in die Historie zwinge. Hierbei sei bereits fraglich, ob der Vertragspartner in den Schutzbereich dieser Pflicht überhaupt einbezogen sei; jedenfalls würde nur eine allenfalls fahrlässige Pflichtverletzung bei Unterlassen desselben ohne Anhaltspunkte für einen Unfallschaden vorliegen.

Diese Ausführungen sind ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall einer eventuellen Erkundigungpflicht nach Vorschäden zu übertragen. Entsprechend kann nach Auffassung des Gerichts eine derartige Erkundigungspflicht nicht angenommen werden, da, wenn der gewerbliche Verkäufer schon nicht verpflichtet ist, in eine eventuell für ihn zugängliche Herstellerhistorie zu schauen vor Verkauf eines Fahrzeugs ohne Anhaltspunkte für einen Vorschaden – wie hier –, er auch nicht zu weiteren Nachforschungen im Rahmen einer Befragung bei Erwerb eines derartigen Fahrzeugs verpflichtet werden kann.

Auch wurde im vorzitierten Urteil auf die ständige Rechtsprechung des BGH Bezug genommen, dass der Verkäufer vor einem Verkauf ohne Anhaltspunkte nicht zu weiteren Untersuchungen eines Fahrzeugs auf Vorunfälle verpflichtet ist. Dies ist auf eine Fragepflicht ohne Anhaltspunkte vor dem Erwerb zu erstrecken, da insoweit die Ausgangssituation gleich ist.

Im vorliegenden Fall kommt noch – sollte man Ähnliches hier verlangen wollen (Einsicht in die Historie des Fahrzeugs) – erschwerend hinzu, dass eine Zugänglichkeit einer eventuellen Reparaturhistorie für den Beklagten wohl von sich aus nicht möglich gewesen ist, da er kein autorisierter Audi-Händler ist.

cc) Rechtsfolge der versäumten Rüge ist der Rechtsverlust durch die Fiktion der Genehmigung. Dieser Rechtsverlust infolge der Genehmigungsfiktion umfasst alle Rechte, die auf dem nicht oder zu spät gerügten Mangel beruhen. Dies sind alle gesetzlichen Nacherfüllungs- und Gewährleistungsrechte, die § 437 BGB auflistet, sowie auch Gewährleistungsansprüche im weiteren Sinne. Ausgeschlossen sind auch Ansprüche wegen Schlechtleistung oder Verletzung von dem mit dem Mangel zusammenhängenden Nebenpflichten (vgl. Hopt, in Baumbach/Hopt, a. a. O., § 377 Rn. 45, 48 f.).

dd) Das Berufen der Beklagtenseite auf § 377 HGB ist auch nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen.

Ein solcher Einwand des Rechtsmissbrauchs ist insbesondere bei Zwecklosigkeit oder treuwidrigem ursächlichem Abhalten von der rechtzeitigen Rüge der Fall (vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, a. a. O., § 377 Rn. 46 m. w. Nachw.). Der Inhalt des (konkretisierungsbedürftigen) Tatbestands der „unzulässigen Rechtsausübung“ ergibt sich aus den einzelnen Anwendungsfällen, die sich in ständiger Rechtsprechung herausgebildet haben. Allgemeine Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze ist das Bestehen einer Sonderbeziehung zwischen den Beteiligten. Bejahung unzulässiger Rechtsausübung setzt nicht notwendig Verschulden der handelnden Partei voraus (BGH, Urt. v. 31.01.1975 – IV ZR 18/74, BGHZ 64, 5 [9]; Urt. v. 03.02.1986 – II ZR 54/85, MDR 1986, 732 [733]; Urt. v. 12.11.2008 – XII ZR 134/04, NJW 2009, 1343 Rn. 41), umgekehrt setzt die Schutzwürdigkeit der Gegenpartei nicht notwendig fehlendes Verschulden voraus; es genügt, dass die Rechtsausübung objektiv gegen Treu und Glauben verstößt (BGH, Urt. v. 27.01.1954 – VI ZR 16/53, BGHZ 12, 154 [157]). Vorhandensein und Schwere eines Verschuldens sind jedoch im Rahmen der gebotenen umfassenden Interessenabwägung gebührend zu berücksichtigen. Bei Fehlen eines zielgerichteten treuwidrigen Verhaltens hat eine umfassende Abwägung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen (vgl. Jauernig/Mansel, BGB, 16. Aufl. [2015], § 242 Rn. 35).

Diese Abwägung führt vorliegend nicht zu einer unzulässigen Berufung der Beklagtenseite auf § 377 HGB.

Im vorliegenden Fall ist zwar der Klageseite zuzugestehen, dass insoweit die vorliegende Praxis dahingehend,dass unter Autohändlern Fahrzeuge eventuell ohne entsprechende Nachfrage des Käufers nach Vorunfallschäden erworben werden, um dann an weitere Personen unter der Angabe „Unfallschäden: unbekannt“ weiterverkauft zu werden, als sehr fraglich bezeichnet werden kann. Jedoch ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass eine Rechtlosigkeit der Klägerin nicht vorliegt. Insoweit besteht zwischen den Parteien des vorliegenden Kaufvertrages kein Gefälle dahin gehend, dass unterschiedliche Fachrichtungen bzw. Fachkenntnisse aufeinandertreffen würden. Es handelt sich bei beiden um gewerbliche Gebrauchtwagenhändler, sodass auch insoweit eine schlichte Frage der Klageseite nach eventuellen Erkundigungen der Beklagtenseite nach Vorschäden bzw. eine entsprechende Fixierung der Angaben im Kaufvertrag verlangt werden könnte. Wenn insoweit die Verkäuferseite keine Angaben dazu machen kann, kann die Kaufentscheidung überdacht werden oder man geht bewusst das Risiko von Vorschäden ein. Soweit die Klageseite eine Nachfragepflicht des Beklagten nach Unfallschäden hätte postulieren wollen, bestünde diese auch aufseiten der Klägerin. Andererseits ist zu sehen, dass nach obergerichtlicher Rechtssprechung der Verkäuferseite keine Nachforschungspflicht hinsichtlich eventueller verdeckter Vorschäden obliegt.

Allein die Verwendung eines unwirksamen Gewährleistungsausschlusses führt noch nicht dazu, dass eine Rüge nach § 377 I, III HGB obsolet ist bzw. sich hierauf nicht berufen werden kann. Die Systeme der Gewährleistung und der Rügepflicht nach § 377 I, III HGB stehen nach der gesetzlichen Wertung selbstständig nebeneinander. Auch ist zu sehen, dass insoweit eine nicht vorsätzliche Verwendung eines unwirksamen Gewährleistungsausschlusses vorliegt, sowie der Umstand, dass hier auch die Klageseite einen derartigen Ausschluss in ihren Verträgen verwendet. Des Weiteren ist zu sehen, dass auch der Umstand, das dies überhaupt unzulässig ist, noch nicht höchstgerichtlich wohl im konkreten Fall entschieden worden ist. Zudem kann es aus Sicht des Gerichts von Kaufleuten erwartet werden, dass sie sich der Pflichten des § 377 I, III HGB bewusst sind und diese vorsorglich, selbst wenn sie von einem wirksamen Gewährleistungsausschluss ausgehen sollten, fristwahrend beachten.

Nach alledem ist aus Sicht des Gerichts somit von keiner unzulässigen Rechtsausübung und somit einer möglichen Berufung auf die Rügepflicht nach § 377 I, III HGB im vorliegenden Fall auszugehen.

3. Unter demselben Gesichtspunkt sind eventuelle weitere Ersatzansprüche hinsichtlich der Standkosten ebenfalls ausgeschlossen. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung scheidet, wie bereits vorher dargestellt, mangels Nachweises einer arglistigen Täuschung durch die Beklagtenseite aus.

Weiter Ansprüche der Klageseite, welche zu einer Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses führen könnten, sind nicht ersichtlich, sodass die Klage insgesamt abzuweisen war und eine weitergehende Beweiserhebung nicht angezeigt war; insbesondere kommt es auf den Punkt, dass eine eventuelle Unüblichkeit einer Nachfrage nach Unfallschäden bei Altfahrzeugen im Handelsverkehr üblich sei, nicht an. …

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