1. Ein Ge­braucht­wa­gen­händ­ler muss ein zum Ver­kauf ste­hen­des Fahr­zeug grund­sätz­lich nur ei­ner fach­män­ni­schen äu­ße­ren Be­sich­ti­gung („Sicht­prü­fung“) un­ter­zie­hen. Oh­ne be­son­de­re An­halts­punk­te ist er nicht ver­pflich­tet, das Fahr­zeug auf Un­fall­schä­den zu un­ter­su­chen oder ei­ne in ei­ner zen­tra­len Da­ten­bank des Her­stel­lers et­wa vor­han­de­ne „Re­pa­ra­tur­his­to­rie“ des Fahr­zeugs ein­zu­se­hen (im An­schluss an BGH, Urt. v. 29.06.2013 – VI­II ZR 183/12).
  2. Dass im Mo­tor­raum ei­nes Fahr­zeugs ei­ne „Mar­der­ab­wehr­an­la­ge“ in­stal­liert ist, mag zwar für ei­nen Ge­braucht­wa­gen­händ­ler bei ei­ner Sicht­prü­fung er­kenn­bar sein. Für sich be­trach­tet ist die An­la­ge aber kein Hin­weis dar­auf, dass das Fahr­zeug be­reits ei­nen Mar­der­scha­den er­lit­ten hat. Denk­bar ist viel­mehr auch, dass sich der bis­he­ri­ge Ei­gen­tü­mer des Fahr­zeugs mit der An­la­ge vor Mar­der­schä­den schüt­zen woll­te.

LG Aschaf­fen­burg, Ur­teil vom 27.02.2015 – 32 O 216/14

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­gehrt die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­tra­ges über ei­nen Ge­braucht­wa­gen.

Er er­warb am 30.08.2011 von der Be­klag­ten, ei­ner ge­werb­li­chen Kfz-Händ­le­rin, ei­nen ge­brauch­ten, am 18.12.2007 erst­zu­ge­las­se­nen Pkw mit ei­ner Lauf­leis­tung von 61.658 Ki­lo­me­tern zum Preis von 27.890 €.

Der Klä­ger be­haup­tet un­ter Ver­weis auf ein in ei­nem selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­ren ein­ge­hol­tes Gut­ach­ten, das ge­kauf­te Fahr­zeug ha­be ei­nen Mar­der­scha­den er­lit­ten, der Fol­ge­schä­den ge­ne­riert ha­be und ihm bei Ab­schluss des Kauf­ver­tra­ges arg­lis­tig ver­schwie­gen wor­den sein. Er hat des­halb mit Schrei­ben des Klä­ger­ver­tre­ters vom 22.03.2013 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag er­klärt.

Der Klä­ger lässt sich ei­ne Nut­zungs­ent­schä­di­gung in Hö­he von 7.394,17 € an­rech­nen und ver­langt mit sei­ner Kla­ge dem­ge­mäß die Rück­zah­lung von 20.495,83 €, Zug um Zug ge­gen Rück­ge­währ des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs. Au­ßer­dem möch­te der Klä­ger un­ter an­de­rem Re­pa­ra­tur­kos­ten in Hö­he von ins­ge­samt 5.015,55 € er­setzt ha­ben, die er für im Zu­sam­men­hang mit dem be­haup­te­ten Mar­der­scha­den ste­hen­de Re­pa­ra­tu­ren auf­ge­wen­det ha­ben will.

Die Be­klag­te hat die Ein­re­de der Ver­jäh­rung er­ho­ben. Das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug sei dem Klä­ger am 23.09.2011 über­ge­ben wor­den und Rech­te des Klä­gers we­gen ei­nes Man­gels ge­mäß ih­rer All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen mit Ab­lauf des 23.09.2012 ver­jährt. Sei­nen Rück­tritt vom Kauf­ver­trag ha­be der Klä­ger da­ge­gen erst un­ter dem 22.03.2013 er­klärt, und auch das erst mit An­trag vom 03.07.2013 ein­ge­lei­te­te Be­weis­ver­fah­ren ha­be nicht mehr zur Hem­mung der Ver­jäh­rung füh­ren kön­nen.

Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: I. … Der Klä­ger hat ge­gen­über der Be­klag­ten kei­ne An­sprü­che auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses und Er­stat­tung wei­te­rer Auf­wen­dun­gen im Zu­sam­men­hang mit dem zwi­schen den Par­tei­en ab­ge­schlos­se­nen Ge­braucht­wa­gen­kauf­ver­trag.

Die vor­ge­nann­ten An­sprü­che sind nicht be­grün­det, weil dem Klä­ger kein Rück­tritts­recht vom Kauf­ver­trag ge­mäß den §§ 434, 437 Nr. 2 BGB i. V. mit §§ 323, 346 BGB zur Sei­te steht bzw. der­ar­ti­ge An­sprü­che je­den­falls ge­mäß § 438 BGB i. V. mit § 475 II BGB ver­jährt sind.

1. Un­ter Be­zug­nah­me auf § 476 BGB fin­det ei­ne Be­weis­last­um­kehr zu­guns­ten des Klä­gers im Rah­men des Ge­währ­leis­tungs­rech­tes in­ner­halb von sechs Mo­na­ten nach Ge­fahr­über­gang der Kauf­sa­che da­hin ge­hend statt, dass in­ner­halb die­ses Zeit­rau­mes auf­tre­ten­de Män­gel be­reits zum Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gan­ges vor­han­den wa­ren.

Die Über­ga­be des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeu­ges … fand un­strei­tig am 23.09.2011 statt, so­dass der vor­ge­nann­te Sechs­mo­nats­zeit­raum am 23.03.2012 en­de­te.

a) Sämt­li­che klä­ger­seits vor­ge­leg­ten Re­pa­ra­tur­rech­nun­gen wei­sen als Re­pa­ra­tu­r­an­nah­me­zeit­punk­te Da­ten auf, wel­che zeit­lich deut­lich nach dem oben ge­nann­ten Zeit­raum lie­gen, so­dass dem Klä­ger die oben ge­nann­te Be­weis­last­um­kehr nicht zu­gu­te­kommt, son­dern ihm viel­mehr die Be­weis­last ob­liegt, dass die den Re­pa­ra­tur­rech­nun­gen zu­grun­de lie­gen­den De­fek­te auf ei­nen zum Zeit­punkt der Über­ga­be des Fahr­zeugs (23.09.2011) tat­säch­lich zu­vor statt­ge­fun­de­nen Mar­der­scha­den (Mar­der­biss) zu­rück­zu­füh­ren sind bzw. wa­ren.

b) Der ge­richt­li­che Sach­ver­stän­di­ge hat im Rah­men des selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­rens … im vor­ge­nann­ten Zu­sam­men­hang in schlüs­si­ger und von Sach­kom­pe­tenz ge­tra­ge­ner Wei­se fest­ge­stellt, dass ein Mar­der­scha­den – so­fern ein sol­cher tat­säch­lich vor­ge­le­gen ha­ben mag –

aa) je­den­falls ord­nungs­ge­mäß re­pa­riert wur­de,

und

bb) dass die den Re­pa­ra­tur­rech­nun­gen zu­grun­de lie­gen­den Re­pa­ra­tu­ren von De­fek­ten nicht oh­ne Wei­te­res ei­nem Mar­der­scha­den – so er tat­säch­lich vor­ge­le­gen hat­te – zu­zu­ord­nen sei­en.

Im Er­geb­nis ist so­mit be­reits nicht zur Über­zeu­gung des Ge­richts mit ei­ner zur Ver­ur­tei­lung aus­rei­chen­den Si­cher­heit vom Klä­ger nach­ge­wie­sen, dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug zum Zeit­punkt der Über­ga­be (noch ei­nen – ge­ge­be­nen­falls nicht ord­nungs­ge­mäß re­pa­rier­ten –) Mar­der­scha­den auf­wies.

c) Dar­über hin­aus wä­ren der­ar­ti­ge An­sprü­che auch ver­jährt, weil die Par­tei­en un­strei­tig die ge­setz­li­che Ver­jäh­rungs­frist für Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che von zwei Jah­ren (vgl. § 438 I Nr. 3 BGB) un­strei­tig in ei­ner bei Ge­braucht­fahr­zeu­gen – auch im Rah­men ei­nes so­ge­nann­ten Ver­brauchs­gü­ter­kaufs – recht­lich zu­läs­si­gen Wei­se (§ 475 II BGB) un­ter Hin­weis auf Zif­fer VI der … All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen der Be­klag­ten auf ein Jahr … ver­kürzt hat­ten.

Die Ver­jäh­rungs­frist lief so­mit am 23.09.2012 ab, wäh­rend­des­sen der An­trag auf Durch­füh­rung des selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­rens … erst am 24.07.2013 bei Ge­richt ein­ging und folg­lich nicht mehr ge­eig­net war, den Lauf der Ver­jäh­rung vor Ab­lauf der Ver­jäh­rungs­frist ge­mäß § 204 I Nr. 7 BGB recht­zei­tig zu hem­men.

2. Die vor­ge­nann­te Ver­jäh­rungs­frist von ei­nem Jahr wur­de im kon­kre­ten Fall auch nicht durch ein et­wai­ges arg­lis­ti­ges Ver­hal­ten der Be­klag­ten bzw. de­ren Mit­ar­bei­ter ge­mäß § 438 III 1 BGB auf die so­ge­nann­te re­gel­mä­ßi­ge Ver­jäh­rungs­frist (drei Jah­re ge­mäß § 195 BGB) ver­län­gert.

Ein Ver­käu­fer ei­ner Kauf­sa­che han­delt arg­lis­tig, wenn er in Kennt­nis ei­nes Man­gels die Un­kennt­nis ei­nes Käu­fers aus­nutzt und ei­nen Um­stand nicht mit­teilt, der den je­wei­li­gen Käu­fer ver­nünf­ti­ger­wei­se vom Kauf (mit dem vor­ge­se­he­nen In­halt des Kauf­ver­tra­ges) ab­ge­hal­ten hät­te. Hier­für ist Vor­satz er­for­der­lich, wäh­rend­des­sen gro­be Fahr­läs­sig­keit nicht aus­rei­chen wür­de (stän­di­ge ober­ge­richt­li­che und höchst­rich­ter­li­che Rechts­spre­chung un­ter Hin­weis auf Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 73. Aufl., § 444 Rn. 11 m. w. Nachw.). Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind im hie­si­gen zur Ent­schei­dung an­ste­hen­den Rechts­fall nicht ge­ge­ben:

a) Es kann in die­sem Zu­sam­men­hang vor­ab da­hin­ste­hen, ob ent­spre­chend dem un­ter Be­weis ge­stell­ten Sach­vor­trag des Klä­gers bei dem Vor­be­sit­zer des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeu­ges tat­säch­lich ein Mar­der­scha­den vor­lag, weil je­den­falls we­der sei­tens des Klä­gers vor­ge­tra­gen wur­de noch von ihm un­ter Be­weis ge­stellt wur­de, dass der Vor­be­sit­zer die­sen kon­kre­ten Um­stand der Be­klag­ten an­läss­lich der Ver­äu­ße­rung des Fahr­zeugs … bzw. an­läss­lich ei­ner In­zah­lung­ga­be des Fahr­zeugs … mit­ge­teilt hat­te.

b) Für die Be­klag­te be­stand hier­von los­ge­löst auch kei­ne (vor­beu­gen­de) Un­ter­su­chungs­pflicht in Be­zug auf ei­ne et­wai­ge „Re­pa­ra­tur­his­to­rie“ des in Re­de ste­hen­den Kraft­fahr­zeugs.

Der BGH sta­tu­iert im Ur­teil vom 29.06.2013 – VI­II ZR 183/12 – für Kraft­fahr­zeug­händ­ler beim Wei­ter­ver­kauf von Ge­braucht­wa­gen – oh­ne vor­he­ri­ge be­son­de­re An­halts­punk­te – le­dig­lich ei­ne Ver­pflich­tung zu ei­ner fach­män­ni­schen äu­ße­ren Be­sich­ti­gung des Fahr­zeugs („Sicht­prü­fung“) in Be­zug auf et­wai­ge Un­fall­schä­den.

aa) Et­wai­ge Un­fall­schä­den kön­nen je­doch nach Auf­fas­sung des hie­si­gen Ge­rich­tes nicht oh­ne Wei­te­res mit et­wai­gen Mar­der­schä­den auf ei­ne glei­che Stu­fe ge­stellt bzw. gleich­ge­setzt wer­den:

Zum ei­nen bie­ten Un­fall­schä­den re­gel­mä­ßig auf­grund der im Ge­gen­satz zu Mar­der­bis­sen häu­fig im Zu­sam­men­hang mit Un­fäl­len auf­tre­ten­den er­heb­li­chen phy­si­ka­li­schen Kräf­te die Ge­fahr, dass (auch) tra­gen­de Tei­le des je­wei­li­gen Kraft­fahr­zeugs in Mit­lei­den­schaft ge­zo­gen wur­den, wäh­rend­des­sen et­wai­ge Mar­der­schä­den (Mar­der­bis­se) dem­ge­gen­über als gleich­sam eher punk­tu­el­le Er­schei­nun­gen auf­zu­tre­ten pfle­gen.

Zum an­de­ren ist bei „Un­fall­fahr­zeu­gen“ (auch wenn ei­ne ord­nungs­ge­mä­ße Un­fall­re­pa­ra­tur statt­fand) in wei­ten Krei­sen der an ei­nem et­wai­gen Er­werb von ge­brauch­ten Kraft­fahr­zeu­gen in­ter­es­sier­ten Be­völ­ke­rung die all­ge­mei­ne Mei­nung ver­haf­tet, dass sol­chen Fahr­zeu­gen ein er­heb­lich den et­wai­gen spä­te­ren (Wie­der-)Ver­kaufs­wert min­dern­der Ma­kel an­haf­tet der­ge­stalt, dass ge­ge­be­nen­falls trotz durch­ge­führ­ter Un­fall­re­pa­ra­tur ver­steck­te Schä­den, ins­be­son­de­re – wie oben er­wähnt – an tra­gen­den Tei­len des Fahr­zeugs, ver­blie­ben sind, wel­che erst zu ei­nem spä­te­ren Zeit­punkt zu­ta­ge tre­ten könn­ten. Ei­ne sol­che ver­gleich­ba­re Vor­stel­lung in den ge­nann­ten Be­völ­ke­rungs­krei­sen ist im Fal­le von (re­pa­rier­ten) Mar­der­schä­den nach der Le­bens­er­fah­rung mut­maß­lich nicht an­zu­tref­fen, da ei­ner­seits Mar­der­schä­den – wie er­wähnt – in der Re­gel punk­tu­ell be­grenzt sind und in der Re­gel auch kei­ne tra­gen­den Tei­le ei­nes Kraft­fahr­zeugs be­rüh­ren. Dar­über hin­aus ist den Um­stän­den nach auf­grund des heu­ti­gen Mas­sen­ver­kehrs na­tur­ge­mäß ei­ne hö­he­re An­zahl von Kraft­fahr­zeu­gen in Un­fäl­le ver­wi­ckelt als die­se von Mar­der­schä­den heim­ge­sucht wird.

bb) Für die Be­klag­te be­stand auch un­ter noch­ma­li­gem Hin­weis auf das oben be­reits zi­tier­te Ur­teil des BGH kein be­son­de­rer An­halts­punkt, die „Re­pa­ra­tur­his­to­rie“ des Fahr­zeugs zu durch­fors­ten.

Der Um­stand, dass im Mo­tor­raum des Fahr­zeugs ei­ne so­ge­nann­te Mar­der­ab­wehr­an­la­ge in­stal­liert war, mag zwar für ei­nen Fach­mann wie die Be­klag­te … bei ei­ner äu­ße­ren Sicht­prü­fung des Mo­tor­raums er­kenn­bar sein, be­deu­tet je­doch – für sich al­lein be­trach­tet – (le­dig­lich) den un­ver­bind­li­chen Hin­weis, dass der Vor­be­sit­zer ge­ge­be­nen­falls in ei­ner mar­der­ge­fähr­de­ten Wohn­ge­gend sei­nen Wohn­sitz in­ne­hat­te und sein nachts in ei­ner sol­chen Ge­gend ab­ge­stell­tes Fahr­zeug vor Mar­der­schä­den pro­phy­lak­tisch im Vor­feld schüt­zen woll­te, oh­ne dass ein sol­cher Mar­der­scha­den je­doch tat­säch­lich kon­kret ein­ge­tre­ten sein muss.

3. Letzt­lich kön­nen al­ler­dings die obi­gen Er­wä­gun­gen da­hin­ste­hen, weil … der ge­richt­li­che Gut­ach­ter be­fun­det hat, dass da­von aus­zu­ge­hen ist, dass ein et­wai­ger Mar­der­scha­den – so ein sol­cher über­haupt tat­säch­lich vor­lag – den Um­stän­den nach je­den­falls ord­nungs­ge­mäß be­ho­ben, bzw. re­pa­riert wur­de.

Ein Ver­stoß ge­gen Of­fen­ba­rungs­pflich­ten, wel­che ein arg­lis­ti­ges Ver­hal­ten der Be­klag­ten bzw. de­ren Mit­ar­bei­ter be­grün­den wür­de, liegt so­mit im Er­geb­nis nach dem Da­für­hal­ten des Ge­richts je­den­falls mit ei­ner zur Ver­ur­tei­lung aus­rei­chen­den Si­cher­heit nicht vor …

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