1. Der nach § 29 I ZPO auch die ört­li­che Zu­stän­dig­keit be­stim­men­de Leis­tungs­ort (§ 269 I BGB) für den An­spruch ei­nes vom Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­te­nen Käu­fers auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ist der Ort, an dem sich die vom Käu­fer zu­rück­zu­ge­wäh­ren­de Kauf­sa­che zum Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung ver­trags­ge­mäß be­fin­det („Aus­tauschort“).
  2. Der Aus­tauschort ist bei ei­nem Zug um Zug ge­gen Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses her­aus­zu­ge­ben­den Pkw nach dem Wohn­sitz des Käu­fers zum Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung zu be­stim­men. Ei­ne spä­te­re Ver­le­gung des Wohn­sit­zes ist für die Be­stim­mung des Aus­tauschor­tes oh­ne Be­deu­tung.

OLG Bam­berg, Be­schluss vom 24.04.2013 – 8 SA 9/13

Sach­ver­halt: Nach­dem er mit Schrei­ben vom 31.05.2012 den Rück­tritt von ei­nem mit der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kfz-Kauf­ver­trag er­klärt hat­te, er­hob der Klä­ger Kla­ge zum Land­ge­richt Aschaf­fen­burg mit dem An­trag, die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 7.005,30 € nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Rück­nah­me des Pkw, zu zah­len. Un­ter dem 19.12.2012 er­wei­ter­te er die Kla­ge auf den Be­klag­ten zu 2. mit dem Ziel ei­ner ge­samt­schuld­ne­ri­schen Ver­ur­tei­lung bei­der Be­klag­ter.

Mit der Kla­ge­er­wi­de­rung rüg­te die Be­klag­te die Zu­stän­dig­keit des an­ge­ru­fe­nen Ge­richts und führ­te aus, auch das LG Ha­nau als Wohn­sitz­ge­richt des Klä­gers sei nicht zu­stän­dig. Zu­stän­dig sei viel­mehr das LG Cott­bus, in des­sen Be­zirk die Be­klag­te ih­ren Sitz hat. Denn Er­fül­lungs­ort und da­mit zu­gleich Ge­richts­stand für die auf § 346 I BGB ge­stütz­te Rück­zah­lungs­kla­ge des Käu­fers nach ei­nem Rück­tritt vom Kauf­ver­trag sei der Wohn­sitz des Ver­käu­fers.

Mit Schrift­satz vom 15.11.2012 mach­te der Klä­ger gel­tend, Be­le­gen­heits­ort der Kauf­sa­che zum Zeit­punkt der Kla­ge­er­he­bung sei K. im Land­kreis Aschaf­fen­burg ge­we­sen. Nun­mehr sei das Fahr­zeug an den neu­en Wohn­ort des Klä­gers in H. ver­bracht wor­den, wes­halb jetzt die Zu­stän­dig­keit des LG Ha­nau be­grün­det sei.

Mit Schrift­satz vom 28.01.2013 wies der Klä­ger dar­auf hin, dass sich der Kauf­ge­gen­stand in K. und da­mit im Zu­stän­dig­keits­be­reich des an­ge­ru­fe­nen Ge­richts be­fin­de. Un­ter dem 31.01.2013 be­rich­tig­te er die­sen Vor­trag da­hin, dass sich das Fahr­zeug bei sei­nem Va­ter in B. be­fin­de. Der Klä­ger­ver­tre­ter sei irr­tüm­lich da­von aus­ge­gan­gen, dass sich der el­ter­li­che Wohn­sitz eben­so wie der frü­he­re Wohn­sitz des Klä­gers in K. be­fin­de. Zu­gleich leg­te der Klä­ger ei­nen Wohn­raum­miet­ver­trag vor, wel­cher den Be­ginn ei­nes Miet­ver­hält­nis­ses am 01.07.2012 in H. do­ku­men­tiert.

Mit Schrift­satz vom 05.02.2013 mach­te der Be­klag­te zu 2. gel­tend, dass auch für ihn das LG Cott­bus als Wohn­sitz­ge­richt zu­stän­dig sei.

Mit Ver­fü­gung vom 15.02.2013 frag­te das LG Aschaf­fen­burg beim Klä­ger an, wo sich die Kauf­sa­che zum Zeit­punkt des Rück­tritts be­fun­den ha­be. Dar­auf­hin teil­te der Klä­ger un­ter dem 01.03.2013 mit, dass der Pkw im Zeit­punkt des Rück­tritts be­reits ab­ge­mel­det ge­we­sen sei und sich bei sei­nem Va­ter in B. be­fun­den ha­be. Es wer­de da­her um Ver­wei­sung des Rechts­streits an das LG Ha­nau ge­be­ten.

Der Schrift­satz des Klä­gers vom 01.03.2013 wur­de am 04.03.2013 an die Be­klag­ten hin­aus­ge­ge­ben.

Mit Be­schluss vom sel­ben Tag er­klär­te sich das LG Aschaf­fen­burg für ört­lich un­zu­stän­dig und ver­wies den Rechts­streit „auf An­trag der Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten“ an das LG Ha­nau. Zur Be­grün­dung führ­te es im We­sent­li­chen aus, als Er­fül­lungs­ort i. S. des § 29 ZPO für sämt­li­che Rück­ge­währan­sprü­che nach ei­nem er­klär­ten Rück­tritt vom Kauf­ver­trag sei der Ort maß­geb­lich, an dem sich die Kauf­sa­che zur Zeit des Rück­tritts ver­trags­ge­mäß be­fun­den ha­be. Dies sei im vor­lie­gen­den Fall B. im Be­zirk des LG Ha­nau.

Mit Be­schluss vom 13.03.2013 er­klär­te sich das LG Ha­nau für ört­lich un­zu­stän­dig und leg­te die Sa­che dem OLG Bam­berg zur Be­stim­mung des zu­stän­di­gen Ge­richts vor. Zur Be­grün­dung führ­te das LG Ha­nau im We­sent­li­chen aus, es sei zwar zu­tref­fend, dass es für den Ge­richts­stand des § 29 ZPO im Fal­le des Rück­tritts dar­auf an­kom­me, wo sich die Kauf­sa­che ver­trags­ge­mäß im Zeit­punkt des Zu­gangs der Rück­tritts­er­klä­rung be­fun­den ha­be. Das LG Aschaf­fen­burg ha­be aber nicht oh­ne Wei­te­res da­von aus­ge­hen dür­fen, dass das Fahr­zeug im Zeit­punkt des er­klär­ten Rück­tritts tat­säch­lich am Wohn­ort der El­tern des Klä­gers un­ter­ge­stellt ge­we­sen sei. Auch hät­te sich das LG Aschaf­fen­burg da­mit aus­ein­an­der­set­zen müs­sen, ob der Wohn­ort der El­tern der Ort sei, an dem sich die Sa­che ver­trags­ge­mäß be­fin­de. Der Ver­wei­sungs­be­schluss des LG Aschaf­fen­burg ent­fal­te auch kei­ne Bin­dungs­wir­kung, weil den Be­klag­ten kein recht­li­ches Ge­hör ge­währt wor­den sei.

Mit Schrift­satz vom 22.03.2013 er­läu­ter­te der Klä­ger, dass und war­um nach sei­ner Auf­fas­sung die Zu­stän­dig­keit des LG Ha­nau ge­ge­ben sei. Er führ­te aus, dass auch der Wohn­sitz sei­ne Va­ters, an dem sich das Fahr­zeug tat­säch­lich be­fin­de, im Zu­stän­dig­keits­be­reich des LG Ha­nau lie­ge, und be­an­trag­te hilfs­wei­se ei­ne „Ver­wei­sung an den Be­le­gen­heits­ort der Kauf­sa­che ge­mäß Kauf­ver­trag zum LG Aschaf­fen­burg“.

Die Be­klag­ten hiel­ten mit Schrift­satz vom 02.04.2013 an ih­rer Auf­fas­sung fest, dass we­der das LG Ha­nau noch das LG Aschaf­fen­burg, son­dern das Land­ge­richt Cott­bus zu­stän­dig sei. Der Klä­ger äu­ßer­te sich hier­zu er­gän­zend mit Schrift­satz vom 11.04.2013.

Das OLG Bam­berg hat das LG Aschaf­fen­burg als ört­lich zu­stän­di­ges Ge­richt be­stimmt.

Aus den Grün­den: II. Der Zu­stän­dig­keits­streit ist ge­mäß § 36 I Nr. 6 und II ZPO durch das OLG Bam­berg zu ent­schei­den, weil das zu sei­nem Be­zirk ge­hö­ren­de LG Aschaf­fen­burg zu­erst mit der Sa­che be­fasst war.

Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Zu­stän­dig­keits­be­stim­mung nach § 36 I Nr. 6 ZPO lie­gen vor, da die Land­ge­rich­te Aschaf­fen­burg und Ha­nau in ei­nem ne­ga­ti­ven Kom­pe­tenz­kon­flikt ver­fan­gen sind …

Ört­lich zu­stän­dig ist das LG Aschaf­fen­burg.

Zwar ist ein Ver­wei­sungs­be­schluss nach § 281 II 4 ZPO grund­sätz­lich bin­dend. Die­se Bin­dungs­wir­kung tritt je­doch aus­nahms­wei­se un­ter an­de­rem dann nicht ein, wenn ei­ne Ver­let­zung des recht­li­chen Ge­hörs vor­liegt (Zöl­ler/Gre­ger, ZPO, 29. Aufl., § 281 Rn. 17a m. w. Nachw.). Dies ist hier der Fall. Das LG Aschaf­fen­burg hol­te mit Ver­fü­gung vom 15.02.2013 ei­ne für sei­ne Ent­schei­dung vom 04.03.2013 maß­geb­li­che Stel­lung­nah­me des Klä­gers ein, oh­ne den Be­klag­ten Ge­le­gen­heit zu ge­ben, sich zu dem dar­auf­hin er­folg­ten Vor­trag des Klä­gers im Schrift­satz vom 01.03.2013 zu äu­ßern.

Nach § 29 I ZPO ist für Strei­tig­kei­ten aus ei­nem Ver­trags­ver­hält­nis und über des­sen Be­ste­hen das Ge­richt des Or­tes zu­stän­dig, an dem die strei­ti­ge Ver­pflich­tung zu er­fül­len ist. Dies ist im Streit­fall das LG Aschaf­fen­burg.

Der Er­fül­lungs­ort be­stimmt sich nach dem Leis­tungs­ort, der sich aus § 269 I und II BGB er­gibt. Da­bei ist der Leis­tungs­ort bei ge­gen­sei­ti­gen Ver­trä­gen grund­sätz­lich für je­de ein­zel­ne Ver­pflich­tung ge­son­dert fest­zu­stel­len (BGH, NJW 1966, 935; NJW 2004, 54 [55]). Ge­gen­stand des Rechts­streits und da­mit strei­ti­ge Ver­pflich­tung i. S. von § 29 I ZPO ist nicht der ver­trag­li­che Er­fül­lungs­an­spruch, son­dern – nach dem vom Klä­ger er­klär­ten Rück­tritt vom Kauf­ver­trag – der Rück­zah­lungs­an­spruch des Klä­gers ver­bun­den mit der Rück­ge­währ der er­hal­te­nen Sa­che. Der ur­sprüng­li­che Ver­trag wur­de durch den Rück­tritt des Klä­gers in ein Ab­wick­lungs­schuld­ver­hält­nis um­ge­wan­delt (§ 346 BGB). Für die Be­stim­mung des Er­fül­lungs­or­tes ist des­halb auf die beid­seits be­ste­hen­den Rück­erstat­tungs­pflich­ten ab­zu­stel­len, die nach § 348 BGB Zug um Zug zu er­fül­len sind (Roth, in: Stein/Jo­nas, ZPO, 22. Aufl., § 29 Rn. 21; Müch­Komm-ZPO/Patz­i­na, 3. Aufl., § 29 Rn. 62; OLG Bam­berg, ZGS 2011, 140 Rn. 36).

Nach der in der Recht­spre­chung und in der Li­te­ra­tur herr­schen­den Mei­nung ist ein­heit­li­cher Er­fül­lungs­ort für die bei ei­nem Rück­tritt (wie auch bei ei­ner Wan­de­lung) be­ste­hen­den wech­sel­sei­ti­gen Pflich­ten der Ort, an dem sich die zu­rück­zu­ge­wäh­ren­de Sa­che zur Zeit des Rück­tritts ver­trags­ge­mäß be­fin­det (sog. Aus­tauschort; vgl. RGZ 55, 105 [112]; BGHZ 87, 104 [109 ff.]; Ba­yO­bLG, MDR 2004, 646 f.; Zöl­ler/Voll­kom­mer, ZPO, 29. Aufl., § 29 Rn. 25 [„Kauf­ver­trag“]; Roth, in: Stein/Jo­nas, a. a. O., § 29 Rn. 21; Müch­Komm-ZPO/Patz­i­na, a. a. O., Rn. 62; OLG Bam­berg, ZGS 2011, 140 Rn. 39).

Dies recht­fer­tigt sich dar­aus, dass der vom Ver­trags­part­ner zu ver­tre­ten­de Man­gel zu dem Rück­tritt ge­führt hat und der Zu­rück­tre­ten­de nach § 346 I BGB nur das Zu­rück­ge­wäh­ren der Leis­tung schul­det und da­mit den Ver­trags­part­ner nur in die La­ge zu ver­set­zen hat, über die Wa­re zu ver­fü­gen (BGHZ 87, 104 [110]).

Nach die­sen Grund­sät­zen ist vor­lie­gend das LG Aschaf­fen­burg zu­stän­dig, weil sich dort die zu­rück­zu­ge­wäh­ren­de Sa­che zur Zeit des Rück­tritts ver­trags­ge­mäß be­fand. Maß­ge­bend ist der ver­trags­ge­mä­ße Be­le­gen­heits­ort der zu­rück­zu­ge­wäh­ren­den Sa­che zum Zeit­punkt des Rück­tritts.

Im Hin­blick auf den ver­trags­ge­mä­ßen Be­le­gen­heits­ort ist auf den be­stim­mungs­ge­mä­ßen Ge­brauch der Sa­che und auf den ob­jek­ti­ven Ver­wen­dungs­zweck ab­zu­stel­len. Bei ei­nem Pkw ist dem­nach da­von aus­zu­ge­hen, dass sich der be­stim­mungs­ge­mä­ße Ge­brauch nach dem Wohn­sitz des Käu­fers rich­tet (Stau­din­ger/Bitt­ner, BGB, Neu­be­arb. 2004, § 269 Rn. 28). Dar­aus folgt, dass für den Er­fül­lungs­ort auf den Wohn­sitz des Klä­gers zum Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung ab­zu­stel­len ist. Denn maß­geb­lich ist der Zeit­punkt der Ent­ste­hung des Schuld­ver­hält­nis­ses (Stau­din­ger/Bitt­ner, a. a. O., Rn. 7). Ei­ne nach­träg­li­che Ver­än­de­rung des Wohn­sit­zes ist grund­sätz­lich oh­ne Ein­fluss auf den ein­mal ge­ge­be­nen Leis­tungs­ort (Stau­din­ger/Bitt­ner, a. a. O., Rn. 8 m. w. Nachw.). Et­was an­de­res könn­te nur dann gel­ten, wenn die In­ter­es­sen des Gläu­bi­gers mit Rück­sicht auf Treu und Glau­ben ei­nen an­de­ren Er­fül­lungs­ort recht­fer­ti­gen. Dies ist aber vor­lie­gend nicht der Fall, weil die Rück­ab­wick­lung am Be­le­gen­heits­ort der Kauf­sa­che zum Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung in K. oh­ne un­zu­mut­ba­re Be­las­tung des Klä­gers er­fol­gen kann.

Der Wohn­sitz­wech­sel des Klä­gers nach H. voll­zog sich aus­weis­lich des vor­ge­leg­ten Miet­ver­tra­ges erst zum 01.07.2012 und da­mit nach Zu­gang der Rück­tritts­er­klä­rung. Wohn­sitz des Käu­fers war zu die­sem Zeit­punkt K. im Zu­stän­dig­keits­be­reich des LG Aschaf­fen­burg.

Auf den tat­säch­li­chen Stand­ort des Fahr­zeugs bei den El­tern des Klä­gers in B. kommt es da­ge­gen nicht an, weil es sich da­bei nicht um den Ort han­delt, an dem sich das Fahr­zeug auf­grund des Ver­tra­ges be­stim­mungs­ge­mäß be­fin­det. Denn nach dem Ver­trag war nicht vor­aus­ge­setzt, dass der Pkw ab­ge­mel­det bei den El­tern des Klä­gers ab­ge­stellt wird.

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